17
Bronwyn Kettler stand vor dem Haus der Romans und spürte die beißende Kälte kaum, die sich im November stets über die Stadt legte. Sie fühlte sich nervös, denn sie war sich absolut nicht sicher, wie sie in dem Gebäude vor sich empfangen werden würde, dem Gebäude, das einen gesamten Block umfasste und durch die verwitterte, ungepflegte Backsteinfassade brillanterweise kaum Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie hob ihre behandschuhte Hand und klopfte erneut an die Tür, dieses Mal etwas kräftiger. Sie verließ die Credenti in Boston selten aus einem anderen Grund als der Arbeit. Sie war ihr Zuhause, und dort lebte sie friedlich mit ihrer Familie. Aber heute Abend war eine andere Form der Pflichterfüllung gefragt, von der ihre zukünftige Zufriedenheit abhing.
»Vielleicht sind sie nicht zu Hause«, bemerkte ihre Assistentin Edel, die unmittelbar hinter ihr stand, von Gepäck und der Arbeit einer Woche Ahnenforschung umgeben.
»Man hat ihnen meine Ankunft angekündigt«, sagte Bronwyn und blickte über die Schulter zu der blonden Veana, deren wahrer Gefährte erst vor sechs Monaten gestorben war; der Paven hatte sein Leben abgeschlossen und war in die Sonne hinausgegangen. Edel, die durch den Verlust am Boden zerstört war, hatte nun einen neuen Weg der Zufriedenheit gefunden, indem sie Bronwyn bei ihrer Arbeit assistierte.
»Vielleicht hätte ich die Beschreibung meines Äußeren weglassen sollen«, sagte Bronwyn spitz.
Edel nickte, wobei sie leicht zwinkerte. »Ja, die Hakennase und die Warzen können jemanden schon abschrecken.«
»Ganz zu schweigen von meinem dritten Auge und meinem wiehernden Lachen.«
Beide brachen in Gelächter aus, bis Bronwyn hinter der schweren Holztür eine Bewegung und dann das Zurückziehen von Riegeln aus Halterungen hörte. Die Tür wurde aufgezogen, und ein älterer Paven stand dort, in einfacher Kleidung, als käme er gerade von einer der eher ländlichen Credenti.
»Guten Abend, Miss Kettler.« Er schleppte mühsam alles Gepäck herein, stellte sich dann vor sie hin und neigte den Kopf. »Darf ich Ihnen die Mäntel abnehmen?«
»Ja, danke.«
Sein Blick schweifte über Edel hinweg, als sie ihm ihren Umhang gab, aber dann blickte er rasch wieder fort. Er war schüchtern, was bei einem so betagten Menschen sehr ungewöhnlich war, dachte Bronwyn. Es sei denn … Sie hielt inne. War das möglich? Beschäftigten die Romans Unreine?
Sie und Edel folgten dem Paven aus dem gepflegten Foyer durch mehrere angrenzende, modern eingerichtete Wohnräume, die wunderschön mit alten Formen und Inventarstücken verschmolzen, und schließlich an einer geschwungenen Kalksteintreppe vorbei. Nun verstand sie das ungepflegte Äußere. Es ging den Roman-Brüdern nicht nur darum, ihre Existenz geheim zu halten, sondern auch darum, Einbrecher, die auf Diebestour waren, abzuschrecken.
Als der Paven vor einer großen Bogentür stehenblieb, verwandelte sich Bronwyns Nervosität, mit der sie schon zuvor zu kämpfen gehabt hatte, in ausgewachsene Angst. Sie dachte einen Moment daran zu fliehen, aber dann erschien das Gesicht ihrer Schwester vor ihrem geistigen Auge, und sie richtete sich höher auf und bereitete sich auf das vor, was auch immer ihr im Haus der Romans begegnen sollte.
»Er hat uns angelogen!« Dieser Ausruf eines Mannes drang jäh durch die dicke Tür, gerade als der alte Diener anklopfen wollte. Er zögerte. »Der törichte Bastard ist ohne uns zu ihnen gegangen«, schrie der Paven hinter der Tür. »Ohne Unterstützung!«
»Er wollte nicht, dass wir vor sie hintreten müssen«, erklang eine weitere männliche Stimme, die kontrollierter klang, obwohl sie immer noch überaus männlich wirkte.
»Das ist Blödsinn, und das weißt du! Wir beschützen einander, Blut hält zu Blut – so war es schon immer.«
»Du orientierst dich viel zu sehr an der Vergangenheit.«
»Und du lebst noch immer dort.«
Der alte Diener schaute zu Bronwyn und Edel zurück und sagte: »Einen Moment, bitte.«
Er verschwand nach raschem Anklopfen in dem Raum und ließ Bronwyn mit der Frage zurück, wo sie hier hineingeraten war. Es hieß, Abkömmlinge des Breeding Male seien aggressiver als gewöhnliche reinblütige Paven.
Und sie bat wahrhaftig um Einlass in ihren Schlupfwinkel.
»Miss Kettler ist hier.« Die Stimme des Dieners war durch die Tür kaum zu hören, anders als die folgende Stimme.
»Was?«, bellte der erste Paven verärgert.
»Ist sie allein?«, fragte der Zweite ruhig.
»Nein, Sir«, antwortete der Diener, nun laut flüsternd. »Eine ältere Veana begleitet sie.«
»Herrje«, rief der Erste. »Sie hat ihre Tegga mitgebracht. Es ist wie in alten Zeiten.«
Bronwyn schaute zu der Veana neben sich und zwang sich zu einem Lächeln. »Er hält dich für meine Amme, Edel.«
Die braunen Augen der Veana blitzten schadenfroh auf. »Ich hoffe, wenn ich das sagen darf, dass nicht er dein wahrer Gefährte ist.«
»In der Tat.«
»Bring sie herein«, befahl Nicholas. »Und du, kleiner Bruder, solltest dich besser vorsehen.«
Die Tür öffnete sich, und der Diener kehrte mit bedrückter Miene zurück und bedeutete ihnen einzutreten. Bronwyn ging voran, das Kinn emporgereckt, um die Angst zu verbergen, die in ihrem Bauch pulsierte. Sie hörte zuerst einen Fluch und dann ein düsteres Brummeln. »Zuerst Menschen, dann der Orden und jetzt einfältig lächelnde Veanas von der Credenti, die alle wie von Typhus befallene Ratten über uns hereinbrechen.«
Nein, dachte Bronwyn, als sie die außergewöhnliche, zweistöckige Bibliothek betrat, sie war hier nicht die Ratte.
»Miss Kettler. Ich bin Nicholas Roman.«
Der Paven, der zu ihrer Begrüßung vortrat, war sehr groß, sehr breitschultrig und hatte Augen von der Farbe des Nachthimmels. Seine Züge und seine Stimmung wirkten bedrohlich düster, und in dem Moment, in dem sie ihm gegenüberstand, spürte sie die wahre Bürde seiner Gegenwart. Sie zwang ihre Nervosität unter die Oberfläche ihres ruhigen Äußeren und wartete ab, während sein Blick jeden Zentimeter ihrer Person begutachtete.
»Bitte, nennen Sie mich Bronwyn«, sagte sie schließlich. »Ich danke Ihnen, dass Sie mich empfangen.«
»Selbstverständlich«, sagte er und neigte den Kopf, obwohl sein Blick erneut zu den Tüchern an ihrem Hals und an den Handgelenken schweifte.
Sie bemühte sich, sich nicht einschüchtern zu lassen, aber das war nicht leicht. Er ähnelte in keiner Weise den Paven in ihrer Credenti, die ebenso groß waren wie sie und sanft handelten und sprachen. Nein, dieser Paven war übergroß und rau und verströmte den Atem von Blut und Sex wie schon sein Vater.
»Sie bringen eine Eheleite?«, fragte er mit kühlen, wenn auch respektvollen schwarzen Augen.
»Ja.«
»Für meinen Bruder Alexander.«
»Ja.«
»Gott sei Dank!«, erklang eine verärgerte männliche Stimme von oben.
Es war die erste Stimme, die Bronwyn durch die Tür gehört hatte, und sie blickte zum zweiten Stock der Bibliothek hinauf. Dort sah sie kein Gesicht, sondern nur dunkelblaue Bluejeans, die lange, sehr muskulöse Beine beherbergten, sowie zwei abgewetzte schwarze Jagdstiefel, die auf dem Holzgeländer abgestützt wurden. »Hübsche Tegga«, murmelte der Paven zu ihr hinab. »Saugen Sie noch immer an ihren Titten?«
Edel sog neben Bronwyn scharf die Luft ein.
»Halt den Mund, Lucian!«, knurrte Nicholas. »Verdammt noch mal.« Er wandte sich wieder Bronwyn zu und hob in einer wortlosen Geste der Verdrossenheit die Hände. »Ich entschuldige mich für meinen Bruder.«
Bronwyn hob erneut den Blick. Das war also Lucian. Der Teufelsbruder.
»Bitte ignorieren Sie ihn«, sagte Nicholas.
»Ich könnte mir vorstellen, dass das unmöglich ist«, sagte Bronwyn trocken.
Ein Lächeln blitzte in den schwarzen Augen des Paven auf. »In der Tat.« Dann wurde er wieder ernst. »Bronwyn, ich respektiere Ihren Wunsch nach einer Eheleite, aber warum glauben Sie, Alexander sei Ihr wahrer Gefährte?«
Sie zögerte, bevor sie antwortete. Obwohl sie offiziell über wahre Gefährten, über deren Geschichten, deren Blutlinien und die Stellen ihrer Kennzeichnungen auf der Haut recherchierte, war sie während des letzten Jahres für einen Privatklienten in die Geschichte einer weiteren Vampirlinie eingetaucht, eine Abstammung, die strittig und vertraulich war. Dort hatte sie ihren wahren Gefährten gefunden, einen Sohn des Breeding Male, der dankenswerterweise kein Fortpflanzungsgen in sich trug.
Sie blickte erneut zu Nicholas, der sie genau beobachtete. Sie musste dem Paven irgendetwas erzählen. Das war nur fair. »Ich studiere Vampir-Ahnenforschung. Das ist die Arbeit meines Lebens, meine Passion. Ich weiß nicht, wie viel Sie über das Thema wissen, aber wenn ein Paven oder eine Veana geboren werden, tragen sie drei Kopien jedes Gens in sich, eines von der Mutter, eines vom Vater und eines von ihrem wahren Gefährten. Mit Blut- oder Hautproben kann ich jeden dieser passenden Vampire finden.«
»Und Sie glauben, dass Sie und Alexander zusammengehören?«
»Das glaube ich.«
»Wie sind Sie an eine Probe von Alexanders Blut gekommen?«
Sie zögerte und wählte ihre Worte sehr sorgfältig. »Der Orden entnimmt jedem Reinblütigen bei der Geburt eine Blutprobe. Und er unterstützt meine Arbeit, denn sie glauben, es könnte lebenswichtig sein, Gefährten frühzeitig zur Fortpflanzung zusammenzubringen, falls der Eternal Breed vernichtet würde.«
»Können Sie mir etwas zeigen?«, fragte Nicholas. »Ein Zertifikat? Einen konkreten Beweis?«
Sie besaß eines, aber das Dokument gab auch Informationen preis, die sie mit niemandem teilen durfte. »Das Gesetz verlangt für eine Eheleite keinen solchen Beweis«, erwiderte sie rasch, »nur eine Bereitschaft …«
»Hier gibt es keine verdammte Bereitschaft, Prinzessin«, rief Lucian herab, und Sarkasmus troff aus seiner Stimme wie tödlicher Honig.
Nicholas seufzte. »Sie haben Recht, Miss Kettler. Sie bekommen Ihre drei Wochen.«
»Ich danke Ihnen«, erwiderte sie erleichtert, aber auch wachsam. »Wo soll ich meine Sachen lassen?«
»Wie wäre es draußen auf dem Bürgersteig?«, schlug Lucian vor. »Ich werde Ihnen helfen.«
Bronwyns Blick fuhr gedankenlos zum zweiten Stockwerk, und sie fragte heftig: »Was ist eigentlich Ihr Problem, Paven?«
Aber dieses Mal waren keine mit Jeans bekleideten Beine, keine lässig auf dem Geländer aufgestützten Stiefel zu sehen. Dieses Mal stand der Teufel selbst dort. Lucian Roman war, wie Nicholas, groß und besaß ebenso erschreckend breite Schultern, aber da endete die Ähnlichkeit auch. Der Jüngste der Romans sah atemberaubend, furchterregend gut aus, sein kinnlanges Haar so weiß wie Engelsflügel, seine mandelförmigen Augen todbringend und wollüstig, sein Gesicht hart und wie gemeißelt. Für Bronwyn war sein Anblick wie die Sicht auf die andere Seite des Todes, und doch konnte sie nicht wegsehen.
Sein Blick wanderte ihren Körper entlang, von Kopf bis Fuß, auf die schamloseste Art, wie eine Zunge, die an einer Eistüte leckte, wie ein Paven, der schon so manches Jungfernhäutchen einer Veana durchstoßen hatte.
Nicholas räusperte sich neben ihr. »Evans wird Sie zu Ihrem Zimmer bringen, Miss Kettler.«
»Ich danke Ihnen.« Bronwyn riss den Blick von Lucian los, nickte Nicholas kurz zu und folgte Evans dann. Sie hatte die Tür schon fast erreicht, als sie plötzlich noch einmal stehenblieb, sich umwandte und Lucian ein letztes Mal ansprach. »Und übrigens, Mr. Roman, meine Geschäftspartnerin Edel stillt mich nicht. Aber hin und wieder lasse ich mir von ihr den Hintern abwischen.«
Edel schnaubte vom Flur aus, und Nicholas lachte laut, aber Lucian blieb ungerührt, während er sie beobachtete, auch wenn er seine dichten blonden Augenbrauen einen guten halben Zentimeter in die Höhe zog.
Bronwyn nickte ihm kurz zu, wandte sich um und verließ die Bibliothek.
Alexander landete in der Nähe des rückwärtigen Eingangs seines Hauses. Die Nacht war der tiefen Stille und bitteren Kälte der Vordämmerung gewichen, und alle Muskeln seines Körpers sagten ihm, dass er hineingehen und Schutz suchen sollte, bevor die Sonne ihr gnadenloses Gesicht zeigte.
Die Hintertür öffnete sich, und Alexander trug Sara, ohne ein Wort zu Evans, ins Haus. Sie schlief, eine köstliche Last in seinen Armen, und ihr dunkles Haar schwang bei jeder Bewegung von einer Seite zur anderen. Er wollte sie an sich pressen, den ganzen Tag und bis tief in die Nacht hinein. Aber das war nicht möglich, weder heute noch jemals.
Er lief die Hintertreppe, jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, ins dritte Stockwerk hinauf und schritt dann den dunklen ruhigen Flur entlang, bis er zu seinem Zimmer kam. LICHT. MATT. Der geistige Befehl erfolgte ebenso rasch wie das Resultat. Er durchquerte die große Suite, legte Sara auf sein Bett und deckte sie zärtlich zu.
Dann trat er zurück. Ja, die Frau wirkte in seinem Bett am richtigen Platz, wunderschön, verlockend.
Sie seufzte im Schlaf und wandte den Kopf so, dass er die weiße Haut ihres Halses sehen konnte. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, und seine Fänge vibrierten vor Verlangen, in einem Ausmaß, wie er es schon seit geraumer Zeit nicht mehr verspürt hatte. Er könnte es tun, genau jetzt könnte er sie kennzeichnen, sie mit seinen Fängen ritzen, eine dauerhafte Tätowierung anbringen, die jeden anderen Mann aus Angst um sein Leben von ihr fernhalten würde. Er knurrte leise, qualvoll, und sein Verlangen wirkte beinahe lähmend. Aber es wäre ihr gegenüber nicht fair. Sie war ein Mensch. Sie könnte niemals seine Frau sein, seine wahre Gefährtin, diejenige, die sein Zeichen trug.
Jemand klopfte an die Tür, und eine Stimme flüsterte drängend: »Sir.«
Alexander verließ den Raum mit einem letzten Blick auf Sara und betrat den Flur. »Was ist, Evans?«
»Ich habe Dr. Donohues Zimmer vorbereitet, wenn Sie …«
»Nein. Sie bleibt hier.« Im Moment.
»Ja, Sir.«
Evans senkte den schüchternen Blick, und Alexander stieß den Atem aus. »Gibt es ein Problem, Evans?«
»Während Sie fort waren, hat es eine … neue Entwicklung gegeben.«
»Was für eine Entwicklung?«
Evans’ Blick zuckte hoch. »Es wurde eine Eheleite für Sie gefunden.«
Alexander runzelte die Stirn. »Was?«
»Sie befindet sich in dem Raum neben Ihrem.«
»Was?«, brüllte Alexander, wobei sich seine Brust jäh mit Luft füllte und das Blut in seinen Adern zornig zu brodeln begann.
»Ja, lieber Bruder«, rief Lucian, der gerade um die Ecke bog und ihn mit seinen mandelförmigen Augen ansah. »Man ist bei uns eingedrungen. Zuerst der Orden und jetzt die Credenti.«
»Eine Bronwyn Kettler, Sir«, warf Evans rasch ein. »Sie kommt mit ihrer Assistentin von der Bostoner Credenti und behauptet, sie sei Ihre wahre Gefährtin.«
Es war unglaublich, wie viel Wahnsinn Alexander heute begegnete. Er deutete zur Tür. »Schickt sie nach Hause.«
»Das kann ich nicht tun«, erwiderte Lucian grinsend.
Alexander knurrte. »Ich habe keine Zeit für diesen Mist, Luca.«
Lucian zuckte die Achseln. »Nicholas hat ihr drei Wochen gegeben.«
»Dann kann Nicholas sie haben! Ich habe den Orden getroffen.«
Lucian erstarrte, und seine Lippen verzogen sich. »Also hast du es getan. Allein. Du hast die Schattenhöhle gefunden?«
Alexander wandte sich Evans zu und bedeutete ihm zu gehen.
»Ich kann nicht glauben, dass du ohne uns, ohne unsere Unterstützung zu ihnen gegangen bist«, klagte Lucian ihn an, als der Diener fort war.
»Ich bin nicht zu ihnen gegangen – sie haben mich geholt.«
»Das kümmert mich nicht!«, brüllte Lucian, schüttelte dann den Kopf und stieß einen ärgerlichen Seufzer aus. »Was wollen die alten Mistkerle?«
»Die Credenti und die Ewigwährende Art werden bedroht. Sie wurden von einer zerstörerischen Bande unterwandert, und viele Veanas wurden entführt.«
»Und was?« Lucian lachte verbittert auf. »Sie wollen unsere Hilfe.«
»Meine Hilfe«, korrigierte Alexander ihn.
»Du hast ihnen gesagt, sie sollen sich zum Teufel scheren, richtig?«
»So einfach ist das nicht, Bruder.«
Lucian brauchte nur einen Moment, um zu begreifen. »Nicky und ich werden vorzeitig der Umwandlung unterzogen, wenn du nicht tust, was sie sagen.«
Alexander brauchte diese Vermutung weder zu bestätigen noch zu leugnen, sondern reckte nur das Kinn. »Ich werde mich darum kümmern.«
Lucian schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Sei nicht dumm, Luca.«
»Ich schwöre, ich werde dich in deinen Käfig einsperren und den Schlüssel vergraben. Das tust du nicht wieder. Wir sind Brüder, Partner. Nur weil du der Älteste bist, bedeutet das nicht, dass du Entscheidungen über unsere Zukunft treffen kannst.« Lucian wölbte streng eine helle Augenbraue. »Wir haben einen Pakt geschlossen, dass wir zusammenbleiben werden, gemeinsam kämpfen werden. Wenn wir das nicht haben, dann haben wir keinerlei Grundlage mehr. Wir haben dieses Leben gemeinsam hinter uns gelassen, und wir kehren auch gemeinsam wieder zurück.«
Alexander zögerte mit fest zusammengepresstem Kiefer. Er wollte schroff zu Lucian sein, seine Autorität spielen lassen und sich weigern, den Sinn der Worte des jüngeren Paven anzuerkennen. Die Liebe zu seinen Brüdern rang mit dem Schmerz darüber zuzusehen, wie sie ihre Zukunft verloren.
»Gemeinsam, Duro«, sagte Lucian entschlossen und lächelte Alexander dann jäh schalkhaft zu. »Außerdem habe ich große Lust auf eine Erkundungstour.«
Alexander dachte an den Blutschwur, den der Orden ihm versprochen hatte. Sie würden Nicholas und Lucian in Ruhe lassen, wenn er ihnen Ethan Dares Leiche brachte, aber mit der Hilfe seiner Brüder hätte er eine bessere Chance, den Unreinen zu finden. Ein leises Knurren entrang sich seiner Brust. Der Orden sollte seinen Teil des Handels besser einhalten. Denn wenn nicht, dann hätte er eine weitere Schlacht zu schlagen, eine Schlacht, die er nur allzu bereitwillig beginnen würde. »Wo ist Nicholas?«
Lucian grinste; er wusste, dass er das Alphatier, seinen Rudelführer überzeugt hatte. »Auf der Fährte dieses dürren Menschen.«
»Hier oder draußen?«
»Unten. Online.«
»Gut. Gehen wir.«
Lucian deutete mit dem Kinn in Richtung Alexanders Zimmer. »Was ist mit der Frau?«
»Sie schläft in meinem Bett, und ich will nicht, dass jemand sie stört.«
»Ich meinte die andere«, erwiderte Lucian gedehnt, »die Vampirfrau, die Veana, die glaubt, du seist ihr wahrer Gefährte.«
»Das ist nicht mein Problem.« Alexander trat zur Treppe. »Gehen wir. Wir müssen einen mörderischen Unreinen finden und ihn töten.«