8.
Außergewöhnliche Schwaben
Von Thomas Weiss
Sophie und Hans Scholl
Jede Zeit hat ihren Wahn, diese allerdings den schlimmsten, menschenverachtendsten überhaupt. Die Masse schwieg, die Mehrheit passte sich an, die Henker wüteten – damals, wie in allen Epochen tiefer Dunkelheit. Wo die meisten Erwachsenen stillhielten, war es einer Gruppe junger Menschen vorbehalten, die Nacht mit ihrem Licht zu erhellen: Sophie und Hans Scholl, 1922 in Forchtenberg am Kocher und 1918 in Ingersheim an der Jagst im nördlichen Württemberg geboren, allen voran.
Aufgewachsen in Ludwigsburg und Ulm schenkte ihnen ein außergewöhnlich tapferes Elternhaus die Kraft und den Mut, den Wahn der braunen Bestien mit eindeutigen Worten zu brandmarken. Der in Stuttgart an der Höheren Verwaltungsschule ausgebildete Vater, Robert Scholl, hatte es schon 1914, mitten in einer von Kriegsbegeisterung und Siegeshoffnungen trunkenen Zeit gewagt, den Militärdienst mit der Waffe zu verweigern. Stattdessen war er als Sanitäter in einem Lazarett in Ludwigsburg tätig geworden, wo er die die Diakonisse Magdalene Müller kennenlernte und später heiratete. Ihrer beider liberale, politisch wache, von allem im Schwäbischen sonst so dominierenden wie einengenden Fundamentalismus freie protestantisch-christliche Überzeugung verlieh den Heranwachsenden jenen Mut, der für alle Zeiten einzigartig vorbildlich und nachahmenswert bleibt.
Ausgerechnet in München, der »Hauptstadt der Bewegung«, wagten es Hans und Sophie Scholl gemeinsam mit Freunden Schriften von zutiefst christlichem Impetus zu entwerfen, sie mit der damaligen Technik mühsam zu vervielfältigen und unter Einsatz ihres Lebens in verschiedenen Städten zu verteilen. Als Studenten einer weltanschaulich »reinen« Universität, deren Rektor Wüst »arische Kulturwissenschaft« lehrte, einen höheren Rang in der SS innehatte und sich als Freund Himmlers brüstete, entlarvten ihre Flugblätter der Weißen Rose die Verbrechen der herrschenden Horden. »Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique ›regieren‹ zu lassen.« Alles riskierend gelang es ihnen sogar, wichtige Straßen der »Hauptstadt der Bewegung« des Nachts mit lebensgefährlichen Parolen wie »FREIHEIT« und »Nieder mit Hitler« zu dekorieren.
Einem Hausmeister der »reinen« Universität, der wie so viele andere nur seine Pflicht tat und bedingungslos für Recht und Ordnung sorgte, blieb es vorbehalten, die jungen Menschen ans Messer zu liefern. Jakob Schmid beobachtete sie, wie sie Flugblätter in den Lichthof des Universitätsgebäudes warfen und sorgte für ihre Verhaftung. Am 18. Februar 1943, dem Tag von Goebbels Hetzrede vom »Totalen Krieg« festgenommen, wurden Sophie und Hans Scholl vier Tage später vom Volksgerichtshof zum Tod verurteilt und am selben Abend noch mit dem Fallbeil ermordet. Ihr Mut, ihr Licht erhellt in alle Ewigkeit die vielen dunklen Winkel dieser Welt.