Zeichne die Karten des Friedens:
Die Geschichte des Feuchtfarmers
M. Shayne Bell
1. Tag: Eine neue Zeitrechnung
Ich dachte: Aus, vorbei. Hier komm ich nicht mehr lebend raus. Ich schoß mit meinem Bodengleiter über den Dünenkamm – schnell wie immer – und sah acht Sandleute um den Taukollektor stehen, den ich reparieren wollte. Mir blieben nur Sekunden, um eine Entscheidung zu treffen: Ich konnte über die letzten Dünen rasen, um einen defekten Taukollektor zu retten, dessen Wasserproduktion ich dringend brauchte, oder ich konnte wenden und zurück in mein gesichertes, von zwei Droiden bewachtes Haus fliehen. Ich gab Gas.
Die Sandleute spritzten auseinander und rannten davon. Ich beobachtete, wohin sie rannten, um zu wissen, aus welcher Richtung mir womöglich ein Angriff drohte.
Alles für 0,5 Liter Wasser, dachte ich. Ich riskierte mein Leben für einen halben Liter Wasser. Die Produktion des Taukollektors hatte sich um dreißig Prozent auf rund einen Liter pro Tag verringert, und ich mußte seine Produktion auf den Standard von 1,5 Liter erhöhen und dort halten, oder ich würde die Farm verlieren.
Sekunden später hatte ich den Kollektor erreicht und hielt in einer Wolke aus Staub und Sand an. Von den Sandleuten war nichts zu sehen, obwohl ihr moschusartiger Geruch noch in der heißen Nachmittagsluft hing. Auf den Dünen am Talboden wurden die Schatten der Canyonwände immer länger.
Bald würde es dunkel werden, und ich war weit von zu Hause entfernt in einem Canyon, in dem es von Sandleuten wimmelte.
Die Sandleute hatten Angst vor menschlicher Technologie – deshalb waren sie vor meinem Gleiter geflohen –, aber ihre Angst würde nicht lange anhalten. Ich nahm meinen Blaster und sprang aus dem Gleiter, um nachzusehen, welche Schäden sie dem Taukollektor zugefügt hatten.
Die Betriebsdiode war zersplittert. Eine Solarzelle zerbrochen. An der Luke des Wassertanks waren Kratzspuren, als hätten sie versucht, an das Wasser zu gelangen. Der Schaden war minimal.
Aber was sollte ich jetzt tun? Ich konnte nicht alle meine weitverstreuten Kollektoren bewachen. Ich hatte zehn davon, die in einem Abstand von einem halben Kilometer in der Wildnis aus Sand und Felsen aufgestellt waren. Der normale Abstand betrug zwar einen Kilometer, doch in der Nähe des Dünenmeers brauchte ein Kollektor doppelt soviel Land, um die betriebswirtschaftlich sinnvollen 1,5 Liter Wasser aus der Luft zu gewinnen. Falls die Sandleute herausgefunden hatten, daß sich Wasser in den Kollektoren befand, und falls sie sich entschlossen, die Vorräte zu stehlen, war meine Farm ruiniert. Ich konnte Dioden und Solarzellen ersetzen. Aber ich konnte nicht die über viele Kilometer verstreuten Kollektoren vor Sandleuten beschützen, die Wasser haben wollten.
Von der Düne im Norden drang ein gedämpftes Grunzen, und sofort duckte ich mich hinter den Kollektor und suchte den Horizont ab. Das Grunzen schien von einem wilden Bantha zu stammen, der nach der Hitze des Tages aufwachte, aber ich wußte, daß es kein Bantha war. Die Sandleute kamen zurück.
Sie waren entschlossen, sich das Wasser zu holen.
Und warum auch nicht? fragte ich mich plötzlich. Wäre ich nicht gekommen, hätte das Wasser ihnen gehört. Es war nicht den ganzen Tag lang von einer Maschine aus dem Boden gepumpt worden, sondern bestand aus niedergeschlagenem Morgentau. Sie mußten sehr verzweifelt sein, daß sie sich in die Nähe einer Maschine der Menschen gewagt, sie berührt, sogar versucht hatten, sie zu öffnen. Was hatte sie nur dazu getrieben?
Von den Dünen im Süden drangen weitere »Bantha«-Grunzlaute, dann erklangen sie im Osten und Westen und schließlich wieder im Norden. Ich war umzingelt, und bis zum Angriff blieben mir nur noch wenige Minuten.
Plötzlich wußte ich, was ich tun mußte. »Dann verschleuder ruhig deinen Gewinn«, hätte Eyvind gesagt, dem die Nachbarfarm drei Täler weiter gehörte, »verschleuder deinen Gewinn, und wenn dich deine Gläubiger von deinem Land jagen, werde ich deine Farm für ein Taschengeld kaufen.«
Aber ich hatte keine Lust, auf Eyvinds Stimme in meinem Kopf zu hören, und ich hätte auch nicht auf ihn gehört, wenn er hiergewesen wäre. Ich nannte dem Kollektor das Paßwort, und eine Klappe öffnete sich und gab die Kontrollen frei. Ich gab den programmierten Kode ein, und ich hörte, wie der Kollektor den Wasserschlauch im Tank versiegelte. Als er damit fertig war, glitt die Luke des Tanks auf. Ich nahm den Schlauch heraus und legte ihn westlich vom Kollektor in den Sand, wo er vor dem Licht der zweiten untergehenden Sonne geschützt war. Ich zog mein Messer und brachte oben am Schlauch einen winzigen Schnitt an, damit die Sandleute das Wasser riechen und es sich holen konnten.
Ich tippte den Schließkode der Tankluke ein, befahl dem Kollektory das Kontrollpult wieder abzudecken, lief zu meinem Gleiter und steuerte ihn auf den Kamm einer Düne südwestlich vom Kollektor. Ich konnte keine Sandleute entdecken, aber ich wußte, daß sie Meister der Tarnung waren und quasi aus dem Nichts auftauchen konnten. Ich hatte oft genug gehört, wie schnell – und tödlich – sie im Umgang mit ihren Gaffi-Stöcken waren, jenen zweischneidigen axtähnlichen Waffen, die sie aus dem Metallschrott herstellten, den sie in den Wüsten von Tatooine fanden.
Ich duckte mich in meinem Gleiter und wartete darauf, daß sie sich rührten – ich wagte nicht, wegzufliegen. Sie waren überall und würden wahrscheinlich ihre Äxte nach mir schleudern, wenn ich einen Fluchtversuch machte, und ich hatte keine Lust, in meinem eigenen Gleiter geköpft zu werden. Außerdem hoffte ich, daß sie verstehen würden, was ich getan hatte: daß ich ihnen Wasser geschenkt hatte. Vielleicht konnte ich mir damit mein Leben und ihr Vertrauen erkaufen und so meine Farm retten.
Ich entdeckte eine Bewegung; einer der Sandleute näherte sich von Norden her geduckt dem Kollektor und dem Wasser. Als er den Wasserschlauch im Schatten des Kollektors erreichte, kniete er in den Sand und schnüffelte am Schlauch: Er roch das Wasser im Inneren. Langsam hob er den Kopf und stieß einen schrillen Schrei aus, der durch den ganzen Canyon hallte. Kurz darauf zählte ich acht Sandleute – nein, zehn –, die aus allen Richtungen zum Wasser rannten, wobei vier von ihnen einen großen Bogen um meinen Gleiter machten.
Nur einer von ihnen, der recht klein – vielleicht ein Kind? – war, trank einen Schluck. Zwei andere füllten den Rest des Wassers in einen dünnen Schlauch aus Tierhaut, wobei sie nicht einen Tropfen verschütteten. Als sie fertig waren, blickte der, der zuerst am Wasser gerochen hatte, zu mir herüber. Dann blickten alle in meine Richtung. Der, der am Wasser gerochen hatte, hob plötzlich seinen rechten Arm und ballte die Hand zur Faust.
Ich sprang aus dem Gleiter, machte ein paar Schritte, hob meinen Arm und ballte ebenfalls die Hand zur Faust. Eine Weile standen wir so da und sahen uns an. Ich war ihnen noch nie zuvor so nahe gewesen. Ich fragte mich, ob ich je zuvor einem Menschen so nahe gewesen war. Von Osten wehte eine leichte Brise durch den Canyon und brachte etwas Kühlung, und abrupt wandten sich alle Sandleute ab und verschwanden zwischen den Dünen.
Sie zerstörten meinen Taukollektor nicht. Sie versuchten nicht, mich zu töten. Sie ließen den Kollektor in Ruhe, nachdem ich ihnen das Wasser gegeben hatte, und sie ließen mich in Ruhe. Sie hatten mein Geschenk akzeptiert.
Ich entschloß mich dann, ihnen das Wasser aus diesem Kollektor zu überlassen. Ich wußte, daß es mir fehlen würde – ich brauchte den Erlös aus dem Verkauf –, aber ein paar Liter schienen mir ein geringer Preis zu sein, wenn ich damit meine anderen Kollektoren vor der Zerstörung retten konnte. Ich konnte für kurze Zeit mit der Produktion der neun anderen Kollektoren auskommen – und mir von Eyvind zwei ausgemusterte, defekte Kollektoren kaufen. Wenn ich sie repariert hatte, verfügte ich über gerade genug Wasser, um zu überleben.
All die Mühe lohnte sich, wenn ich dadurch mit den Sandleuten in Frieden leben konnte.
Dieser Tag war für mich der Beginn einer neuen Zeitrechnung.
2. Tag: Eine Farm am Rande
Eyvind hatte mir gesagt, daß ich verrückt wäre, mich so weit hinauszuwagen.
»Niemand ist je so weit hinausgezogen«, sagte er. »Ich kann nicht glauben, daß die Feuchtströmungen bis in diese Canyons reichen – sie sind nur ein paar Kilometer vom Dünenmeer entfernt!«
Aber ich hatte die Feuchtströmungen untersucht: Es mußte dort Wasser geben. Nicht viel. Es würde keine reiche Farm werden wie jene in der Umgebung von Bestine, aber eines Morgens, als ich in einem abgelegenen Canyon campierte, wachte ich auf der Decke auf, die ich im Sand ausgebreitet hatte, und sie war feucht vom Tau. Meine Kleidung war feucht. Mein Haar war feucht. Ich holte die Instrumente aus meinem Gleiter und stellte sie auf, und alle lieferten dasselbe Ergebnis: Wasser. Aus irgendeinem Grund sammelte sich die Feuchtigkeit über den Bergen, bevor sie weiter westlich in der Wüste des Dünenmeers endgültig verdunstete, und in den beiden Wochen, die ich in diesem Canyon verbrachte, um die Tests durchzuführen, schlug sie sich jeden Tag als Tau nieder. Im Lauf eines Jahres überprüfte ich diesen und die Canyons in der Umgebung insgesamt neunundzwanzigmal – ich brauchte detaillierte Daten, um zu beweisen, daß diese Farm lebensfähig war, damit ich mir das Startkapital leihen konnte. Aber ich wußte schon an jenem ersten Tag, als ich mit feuchten Haaren aufwachte, daß ich hier erfolgreich eine Farm führen konnte.
Die nächsten Monate verbrachte ich damit, die Formulare für die staatliche Landvergabe auszufüllen und auf die Zuteilung des Grundstücks zu warten. Weitere Monate vergingen mit dem Ausfüllen der Kreditanträge und dem Warten auf einen Bescheid, während ich mir die ganze Zeit von den anderen Farmern anhören mußte, daß ich verrückt wäre. Aber ich hatte die überzeugenden Testergebnisse und konnte sie jedem zeigen, der über die Landvergabe oder den Kredit für das Startkapital entschied oder auch nur bereit war, mir zuzuhören und Ratschläge zu erteilen, und schließlich erklärte sich der Direktor der Zygian-Bankfiliale bereit, mir zuzuhören – und der las meine Berichte, überprüfte meinen beruflichen Hintergrund, um festzustellen, ob ich etwas von Feuchtfarmwirtschaft verstand, was der Fall war, und ob ich mein Wort halten würde, worauf er sich verlassen konnte. Er gab mir den Kredit.
Ich hatte zehntausend Tage Zeit, das Geld zurückzuzahlen.
Zehntausend Tage waren genug Zeit, um jeden Traum Wirklichkeit werden zu lassen, dachte ich.
Am Ende eines harten Tages, nachdem ich den Sandleuten das Wasser geschenkt hatte, lag ich in der Dunkelheit auf dem Bett und dachte daran, wie sehr ich mich danach gesehnt hatte, hier draußen eine neue Existenz zu gründen, wie hart ich gearbeitet hatte, um das Land und den Kredit zu bekommen und dann meine Farm aufzubauen. Nicht einen Moment hatte ich daran gedacht, daß hier draußen bereits andere lebten und von dem Land abhingen, das ich meine Farm nannte.
Ich stand auf und befahl dem Computer, mir die Holokarte zu zeigen, die ich von meiner Farm und dieser Region angefertigt hatte.
»Die gewünschten Dateien können nur nach einer benutzerspezifischen Sicherheitsüberprüfung freigegeben werden«, meldete der Computer. »Halten Sie sich bitte für einen Retinascan bereit.«
Ich sah für ein paar Sekunden in ein helles weißes Licht, das plötzlich aus dem Monitor drang. Ich mußte meine Karte schützen. Ich hatte die Karte selbst angefertigt – nachdem ich jahrelang die Region erkundet und Fotos gemacht und in den Computer eingegeben hatte –, und wenn die falschen Leute erfuhren, daß ich Karten zeichnete, konnte es gefährlich werden. Ich programmierte den Computer so, daß er die Karten nur mir zeigte und nie auf sie verwies; sie tauchten in keinem Querverweis und keinem Index auf. Sollte ihn außer mir jemand fragen, ob derartige Dateien existierten, würde er verneinen. Er reagierte nur auf meine Stimme, und selbst wenn ich direkten Zugriff auf die Dateien verlangte, mußte ich mich zuerst der Sicherheitsüberprüfung unterziehen.
»Retinascan abgeschlossen«, meldete der Computer. »Hallo, Ariq Joanson. Ich lade die verlangten Dateien.«
Ein leeres, weißes Stück der Wand verwandelte sich plötzlich in ein Hololuftbild der Canyons meiner Farm; mein Haus war blau markiert; die weitverstreuten Taukollektoren wurden durch grüne Punkte symbolisiert; die Canyons und Berge und Dünen erschienen in ihren natürlichen Farben. Ein roter Punkt im Nordosten meiner Farm, am Ende der Bildorschlucht, markierte ein Jawa-Fort. Weiße Punkte symbolisierten die Farmen, die meiner am nächsten lagen – und alle diese Punkte waren weit entfernt. »Du wirst drei Canyons und viele Kilometer von mir entfernt sein – und meine Farm ist seit zwei Jahren der abgelegenste Vorposten!« hatte Eyvind gewarnt. Schwarze Linien überzogen die Canyons und Berge und Dünen und stellten die Grenzen der Farmen dar. Die Landkarte leuchtete in der Dunkelheit, und die Punkte der Häuser und Kollektoren hinter den Grenzlinien glitzerten wie Juwelen. Bis auf den roten Jawa-Punkt repräsentierten alle menschliche Häuser oder Maschinen. Ich war nie auf den Gedanken gekommen, die Lager der nomadischen Sandleute durch Punkte zu kennzeichnen – oder ihren Lebensraum oder die Gebiete der Jawas durch Grenzlinien hervorzuheben.
»Computer«, sagte ich. »Zeichne eine Grenzlinie von der nordöstlichen Grenze meiner Farm in der Bildorschlucht an beiden Rändern des Canyons entlang bis zu einer Entfernung von einem Kilometer über dem Jawa-Fort.«
»Auftrag ausgeführt«, meldete der Computer, während gleichzeitig die Linien erschienen.
»Das Land innerhalb dieser neuen Linien bekommt den Namen Jawa-Schutzgebiet.«
»Auftrag ausgeführt.«
Die Worte wurden sichtbar, aber sie gefielen mir nicht. »Jawa-Schutzgebiet umbenennen. Neue Bezeichnung ist Jawa…« Was? Land? Reservat? Protektorat? »Einfach Jawa«, schloß ich.
»Auftrag ausgeführt.«
Das Wort Schutzgebiet verschwand von der Karte, und das Wort Jawa wurde unter den roten Punkt zentriert.
»Jetzt zeichne Grenzlinien von der nordwestlichen Grenze meiner Farm bis zum Dünenmeer und von der nördlichen Grenze des Jawa-Landes ebenfalls zum Dünenmeer.«
»Auftrag ausgeführt.«
»Dieses Gebiet bekommt den Namen Sandleute.«
Die Worte erschienen über dem Land. »Haben die Jawas und Sandleute die Besitzrechte an diesen Ländereien erworben?« fragte der Computer.
»Nein«, gestand ich. »Ich träume nur vor mich hin.«
»Wollen Sie diese Änderungen speichern?«
Ich dachte darüber nach. »Nein«, sagte ich schließlich. »Es ist nur ein Traum. Lösche die Änderungen und schließe die Datei.«
Er gehorchte.
Ich legte mich wieder aufs Bett. Was ich gerade getan hatte, war schlimmer als ein Traum. Ich hatte zwei imperiale Gouverneure um die Erlaubnis gebeten, diese Region kartographieren zu dürfen, und beide Male dieselbe Antwort bekommen: »Wir haben einfach nicht das Geld dafür.« Was in Wirklichkeit hieß: »Wir haben hier zu viele Leute, die nicht wollen, daß die Landstriche jenseits der bekannten Siedlungen und Farmen genau kartographiert werden, und wenn Sie Ihre nächste Wasserernte in Mos Eisley verkaufen wollen, sollten Sie aufhören, derartige Bitten zu stellen.«
Also hatte ich aufgehört, sie um die Erlaubnis zu bitten. Aber es waren jetzt nicht Verbrecher, die um ihre Geheimverstecke in der Wildnis fürchteten, die mein Leben und meine Lebensgrundlage bedrohten. Es waren die Gewalttätigkeiten der Sandleute und die Unehrlichkeit und Ränke der Jawas – eine Folge des immer weiteren Vordringens der Menschen in die angestammten Siedlungsgebiete der Jawas und Sandleute, wie mir inzwischen klargeworden war. Karten wären der erste Schritt zu einem sicheren Frieden zwischen den Farmern, Jawas und Sandleuten – falls sich alle Parteien auf allgemein anerkannte Grenzen einigen könnten und sie respektierten. Ohne derartige Vereinbarungen würden die Farmer weiter auf die Territorien der anderen Rassen vordringen und noch mehr Blutvergießen provozieren. Ich wollte das Morden stoppen.
Aber dafür brauchten wir eine Karte. Die Regierung würde sie nicht zeichnen.
Also zeichnete ich sie.
Und in dieser Nacht entschloß ich mich, meine Karte den in der Nähe meiner Farm lebenden Jawas zu zeigen und mit ihnen darüber zu reden, wie man die Sandleute miteinbeziehen konnte. Wenn wir allein eine friedliche Regelung des Zusammenlebens in den Bergen und Canyons erreichen konnten, dann würde die Regierung vielleicht eines Tages unsere Übereinkunft offiziell absegnen.
Ich stellte mich wieder vor den Monitor, um den unvermeidlichen Retinascan vornehmen zu lassen. »Computer«, sagte ich, »zeige mir noch einmal die Karte, die ich gerade abgerufen habe, und zeichne die gelöschten Grenzlinien wieder ein. Kopiere diese Datei auf den tragbaren Holoprojektor.«
3. Tag: Im Jawa-Fort
Ich kannte diese Jawas. Ich hatte oft an den Toren ihres Forts gestanden, insbesondere in dem Jahr, als ich die Feuchtigkeit in den Canyons meiner Farm gemessen hatte. Ich tauschte Wasser gegen den Schrott, den ich in der Wüste fand, und gegen Informationen über das Imperium und seine Städte und die von ihm beherrschten Systeme und fremden Rassen. Ich bemühte mich, freundlich und fair zu den Jawas zu sein. Wenn sie mich bei dem einen oder anderen Geschäft übervorteilten, glich ich das bei anderen wieder aus, und so hatte keiner einen Nachteil. Einige der Jawas wurden sogar meine Freunde – die älteren, die genug Geduld hatten, um mir ihre Sprache, ihr Wissen um den Nutzen der einheimischen Pflanzen und ihre geographischen Kenntnisse beizubringen.
Die dicken Mauern ihres Forts gingen in die Wände des Canyons über, aber ich kannte den Weg zu den geschlossenen und versteckten Toren. Ich stieg aus meinem Gleiter und hielt den Holoprojektor hoch. »Oh, Jawas!« rief ich laut. »Ich komme, um Informationen und Waren zu tauschen.«
Das Tor öffnete sich sofort – das Wort »tauschen« öffnete immer ihre Tore – und acht Jawas stürzten heraus. Ich versuchte, einen Blick ins Innere zu werfen, aber dort war es stockfinster. Sie hatten mich nie in ihr Fort eingeladen. Ich hatte keine Vorstellung, wie es im Inneren aussah. Dies war ein neues Familienfort, vielleicht nur hundert Jahre alt, bewohnt von schätzungsweise fünfzehn Clans, also vierhundert Jawas. Sie hüteten eifersüchtig ihre Geheimnisse und traten jedem Fremden mit Mißtrauen entgegen, aber sie redeten und tauschten mit mir und verbrachten viele Stunden draußen im Sand.
Der erste Jawa, der mich erreichte, war mein alter Freund Wimateeka. Er zwitscherte sofort auf jawaisch los, aber langsam genug, daß ich ihn verstehen konnte.
»Willst du immer noch Wasser tauschen, obwohl du es inzwischen selbst erzeugst?« zwitscherte er, und alle lachten.
»Nein«, sagte ich. »Aber ich habe euch ein Wassergeschenk mitgebracht, um mich für eure Großzügigkeit in der Vergangenheit zu bedanken.«
Ich legte einen Wasserschlauch in Wimateekas Arme, und er konnte ihn fast nicht allein halten. Die anderen eilten hinzu und halfen ihm, den Schlauch in den Sand zu legen, um ihn dann zu berühren und zu fühlen, wie das Wasser in ihm schwappte.
»Was hast du uns sonst noch mitgebracht?« fragte Wimateeka.
»Das Geheimnis der Karten«, erklärte ich, »und wie das Imperium sie zur Schlichtung benutzt, wenn es Streit um den Besitz von Land gibt. Wir können sie auf dieselbe Weise benutzen.«
Ich stellte den Holoprojektor in den festgebackenen Sand vor dem Fort und befahl der Einheit, dicht über dem Boden meine Karte zu projizieren. Die Jawas kreischten und wichen zurück; nur Wimateeka blieb, wo er war, und bewachte den Wasserschlauch.
»Was ist das, was du uns mitgebracht hast, Ariq?« fragte er.
»Eine Karte«, erklärte ich. Ich erzählte ihnen, was Karten waren und wozu sie dienten, und daß die Markierungen und Schraffierungen die Berge und Täler und Sandebenen darstellten, und rasch erkannten sie die vertrauten Umrisse und zeigten mit Fingern darauf, während sie gleichzeitig darüber staunten, daß ihre Festung nur ein kleiner roter Punkt war.
Ich erklärte ihnen das Konzept der Grenzen und was sie für uns bedeuten konnten: Wenn sie die Grenzen des Landes respektierten, das mir die Regierung gegeben hatte, würde ich die Regierung nicht veranlassen, die Ländereien in der Nähe ihres Forts zu beschlagnahmen – ich würde ihnen im Gegenteil helfen, die Formulare auszufüllen, mit denen sie das Land für sich selbst beanspruchen konnten. Ich schlug ihnen vor, selbst Taukollektoren zu kaufen und aufzustellen, und zwar überall im Tal bis an die Grenze meiner Farm. Selbst wenn sie nicht dazu bereit waren, würde ihnen die imaginäre Linie zwischen ihrem und meinem Land Schutz vor weiteren Ansprüchen bieten, und ich sagte ihnen, daß ich hoffte, daß das Imperium die von uns vereinbarten Grenzen anerkennen und andere Menschen davon abhalten würde, in ihren Tälern Farmen anzulegen.
Als ich fertig war, verschwanden die Jawas im Fort, um die Neuigkeiten und mein Angebot zu beraten. Sie nahmen das Wasser mit. Ich bat Wimateeka, noch einen Moment draußen zu bleiben. Wir setzten uns in den Schatten meines Gleiters und betrachteten den doppelten Sonnenuntergang, während wir miteinander sprachen.
»Kannst du mir den Gruß der Sandleute beibringen?« fragte ich ihn.
Überrascht sah er mich an. Nach einem Moment sagte er: »Koroghh gahgt takt. Möge dich unser Segen begleiten, wenn du von uns gehst.«
»Nein«, erklärte ich, »einen Willkommens-, keinen Abschiedsgruß.« Ich dachte, ich hätte beim ersten Mal das Jawa-Wort für Gruß falsch ausgesprochen.
»Das ist ein Willkommensgruß«, wehrte er ab. »Der höflichste, den es gibt. Sie grüßen sich mit diesen Worten, weil sie immer auf Wanderschaft sind. Sie bleiben nur selten längere Zeit an einem Ort.«
Nicht einmal lange genug, um einen Willkommensgruß zu entwickeln, dachte ich, nur hastige Abschiedswünsche, weil sie sich so schnell wieder trennten.
»Sag es noch einmal«, bat ich, und Wimateeka tat es, und ich wiederholte es, bis ich es flüssig aussprechen konnte.
»Warum willst du diesen Gruß lernen?« fragte Wimateeka mich.
Ich erzählte ihm von den Sandleuten und dem Wasser und meinem Anspruch auf das Land – ihr Land.
Wimateeka sah mich eine Weile schweigend an. »Die jungen Sandleute sind in der nächsten Zeit sehr gefährlich«, sagte er und erklärte, daß dies die Zeit war, in der die Heranwachsenden eine große Tat vollbringen mußten, um als Erwachsene anerkannt zu werden, Taten, zu denen auch Angriffe auf die anderen Rassen gehörten.
»All unsere Krabbler kehren in die Forts zurück, um auf das Ende der Prüfungszeit zu warten«, sagte er. »Du solltest dich mit deinen menschlichen Freunden nach Mos Eisley zurückziehen.«
Er erzählte mir, wie einst eine große Armee von jungen Sandleuten ein Jawa-Fort im Süden angegriffen und die Bewohner massakriert hatte. Diese Festung war noch immer eine verlassene, niedergebrannte Ruine, die Wimateeka nur einmal besucht hatte. Ich hatte Glück gehabt, daß die Sandleute an meinem Taukollektor keine Jugendlichen gewesen waren, die sich ihren Erwachsenenstatus erst noch verdienen mußten.
Wimateeka fragte mich, wie man den Holoprojektor bediente, und ich wies die Einheit an, Wimateeka die Karte zu zeigen, wenn er darum bat, aber auf andere Befehle nicht zu reagieren. Er rief die Karte dreimal hintereinander ab und fragte mich dann, ob er den Projektor mit ins Fort nehmen dürfe, wo die anderen Jawas über mein Angebot palaverten.
»Er ist nicht zum Tausch gedacht«, sagte ich. »Aber du kannst ihn dir ausleihen, wenn du ihn mir unbeschädigt zurückbringst.«
»Ich verbürge mich dafür«, versicherte der Jawa. Er nahm eilig die Holoeinheit und eilte ins Fort.
Ich verzehrte das mitgebrachte Abendbrot. Nach dem Untergang der letzten Sonne breitete ich die Decken auf dem Sand aus. Ich wollte hier draußen schlafen, in der relativen Sicherheit vor dem Jawa-Tor, mit dem Blaster in der Hand – Wimateekas Geschichte über den Initiationsritus der jungen Sandleute hatte mich beeindruckt. Aber in dieser Nacht kamen die Jawas mit Fackeln zu mir heraus.
Wimateeka führte sie an. »Wir vertrauen dir«, erklärte er und stellte die Holoeinheit vor mir in den Sand. »Verschiebe unsere Grenzen, so daß sie das Tal westlich von uns bis zum Dünenmeer einschließen, und wir nehmen deinen Vorschlag an.«
Ich aktivierte die Karte und befahl dem Holoprojektor, die Grenzen entsprechend zu ändern. Die Jawas zwitscherten leise, als sich die schwarzen Linien ausdehnten und das von ihnen verlangte Tal umfaßten. Wenn sie mit ihren Sandkrabblern zum Dünenmeer wollten, um dort Schrott zu sammeln, mußten sie dieses Tal passieren. Es war klar, daß sie dieses Tal brauchten.
»Hier draußen im Sand ist es nicht sicher«, erklärte Wimateeka. »Nimm deine Decken, deinen Gleiter und deine Holoeinheit und verbringe den Rest der Nacht mit uns im Fort.«
Das hatte ich nicht erwartet. Ich sprang sofort auf, legte meine Decken zusammen, verstaute sie und die Holoeinheit im Gleiter und steuerte den Gleiter langsam durch ihr Tor.
Wir schliefen nicht. Die Jawas führten mich in einen großen Raum, und im Herzen ihres Forts redeten wir im Fackelschein über Karten und Wasser und die Sandleute und wie wir es am besten anstellten, sie vom Nutzen der Karten zu überzeugen.
5. Tag: Eine Begrüßung
Eyvind und ich saßen vor unseren Gleitern auf der Düne südwestlich vom Taukollektor, wo ich – wie jeden Tag – einen Wasserschlauch als Geschenk für die Sandleute hinterlassen hatte.
»Sie kommen also und holen sich dieses Wasser?« fragte er.
»Jeden Tag.«
»Und sie brechen deine Kollektoren nicht auf?«
»Nein.«
»Mir gefällt es trotzdem nicht. Deine Farm liegt am weitesten draußen, und du hast keine direkten Nachbarn – also mußt du vielleicht mit den Sandleuten zusammenarbeiten –, aber meine Farm liegt fast genauso weit draußen, und ich möchte nichts tun, was die Sandleute in meine Nähe lockt. Ich werde ihnen kein Wasser geben – aber wie lange wird es dauern, bis sie auf meiner Farm auftauchen und ein Geschenk erwarten?«
»Dort – da ist einer von ihnen. Achte auf die Dünen im Nordwesten. Sie kommen meistens aus dieser Richtung. Sie müssen irgendwo im Nordwesten ihr Lager haben.«
»Und du lockst sie hierher.«.
Ich antwortete nicht. Wir hatten in den letzten Tagen immer wieder darüber gestritten. Ich hatte keine Lust, mich mit Eyvind zu streiten, wenn die Sandleute in unmittelbarer Nähe waren. Ich mußte Eyvind zugute halten, daß auch er sofort mit dem Streiten aufhörte. Im Canyon war es jetzt totenstill. Kein Windhauch rührte sich. Ich konnte die Sandleute nicht hören. Es war das erstemal, daß ich jemanden mitgenommen hatte, um zuzuschauen, wie die Sandleute mein Wassergeschenk abholten.
Ich stand auf und legte meine Hand auf Eyvinds Schulter. Ich glaubte nicht, daß die Sandleute mir etwas antun würden, und ich hoffte, daß sie jetzt und in Zukunft auch Eyvind verschonen würden, wenn sie ihn neben mir sahen. Ich hatte einige Entscheidungen getroffen und war fest entschlossen, sie in die Tat umzusetzen – aber mir war klar, daß meine Entscheidungen das Verhältnis zwischen den Rassen hier draußen grundlegend veränderten, und zwar hoffentlich zum Guten.
Plötzlich stand einer der Sandleute im Schatten des Kollektors, direkt neben dem Wasserschlauch. Ich hatte ihn nicht kommen sehen. Er war plötzlich da. Ich hob meinen Arm und ballte grüßend die Faust, aber er reagierte nicht.
»Vielleicht war das doch keine so gute Idee«, flüsterte Eyvind. »Soll ich gehen?«
»Noch nicht«, sagte ich und hielt den Arm mit der geballten Faust weiter hoch. »Koroghh gahgt takt«, rief ich.
Der Sandmann trat zurück, aus den Schatten ins Sonnenlicht, als wollte er fliehen.
»Koroghh gahgt takt!« rief ich wieder. Ich hoffte, daß ich die Worte richtig aussprach – daß Wimateeka den Gruß richtig verstanden und mir korrekt beigebracht hatte, daß ich die Sandleute nicht zum Kampf herausforderte oder ihre Mütter beleidigte.
Langsam hob der Sandmann seinen Arm und ballte die Faust. »Koroghh gahgt takt!« rief er zurück.
Ich hatte es also richtig gemacht, dachte ich. Es funktionierte.
Der Gruß drang nun auch von den Dünen im Osten – dann aus allen Richtungen und als Echo von den Canyonwänden, immer wieder derselbe Gruß: Koroghh gahgt takt.
Eyvind stand auf. »Sie sind überall!« sagte er.
Aber wir konnten nur einen einzigen von ihnen sehen. Er nahm den Wasserschlauch und verschwand hinter den Dünen.
Eyvind und ich stiegen in unsere Gleiter und brausten davon, und an diesem Tag sahen wir keine weiteren Sandleute mehr. Wir fuhren zu meinem Haus und redeten bis spät in die Nacht.
Ich warnte alle anderen Farmer vor den Initiationsriten der Sandleute, und wir waren uns einig, daß wir uns nicht nach Mos Eisley zurückziehen konnten. Wenn wir das taten, hatten wir keine Chance, auf Dauer hier draußen zu bleiben. Aber wenn wir blieben, brauchten wir Frieden, und die meisten Farmer waren der Ansicht, daß nur Blaster und vielleicht die imperialen Truppen diesen Frieden garantieren konnten. Ein paar hörten sich meine Idee mit den Karten und meine Vorstellung von guter Nachbarschaft an. Eyvind nicht.
Er erzählte mir nicht einmal von seinen Hochzeitsplänen.
15. Tag: Eyvind und Ariela
Ich fuhr mit meinem Gleiter zu Eyvinds Farm, um einen von seinen alten defekten Taukollektoren abzuholen, und er trat mit einem wunderschönen Mädchen aus dem Haus.
»Das ist Ariela, meine Verlobte«, sagte er. »Wir heiraten in fünf Wochen.«
Das war alles. Eyvind hatte keiner Seele davon erzählt, nicht einmal mir. Ich hatte nicht gewußt, daß es trotz unserer Freundschaft Geheimnisse zwischen uns gab.
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte ich zu Ariela. »Ich gratuliere euch beiden.«
»Sie sind der Farmer mit den großen Plänen für uns alle«, stellte sie fest.
Eyvind sah mich bedeutungsvoll an. »Verstehst du jetzt, warum ich nicht will, daß die Sandleute auf meiner Farm auftauchen?« fragte er.
Der Streit nahm kein Ende. Ich hatte Ariela gerade erst kennengelernt – ich hatte gerade erst von ihrer Hochzeit erfahren – und wir drei stritten uns bereits. »Seht mal«, sagte ich, »ich glaube nur, daß keiner von uns hier draußen überleben kann, wenn es uns nicht gelingt, mit den Sandleuten und den Jawas Frieden zu schließen. Jedenfalls bin ich sicher, daß ihr beide euch nicht fünf Wochen vor eurer Hochzeit mit mir streiten wollt. Verkauf mir diesen alten Kollektor, Eyvind, und ich verschwinde wieder.«
»Aber ich denke, daß Sie das Richtige tun, Ariq«, sagte Ariela, und ich war so verdutzt, daß ich nicht wußte, was ich antworten sollte.
»Ich denke, wir sollten Ihnen helfen – und ich glaube, ich weiß auch schon, wie. Würden Ihre Jawa-Freunde zu unserer Hochzeit kommen? Würden Sie sie in unserem Namen einladen? Da sie unsere Nachbarn sind, sollten sie auch an den wichtigen Ereignissen unseres Lebens teilhaben.«
»Sie hat noch nie welche gerochen«, warf Eyvind ein.
»Sie werden kommen«, versicherte ich. »Ich werde sie noch heute einladen.«
Und ich tat es. Ich brachte den alten Kollektor zu meinem Haus, packte Vorräte für eine Nacht in der Bildorschlucht ein und fuhr los. Ich erreichte das Jawa-Fort kurz vor Sonnenuntergang.
»Du erweist uns erneut große Ehre!« zwitscherte Wimateeka, nachdem ich die Einladung überbracht hatte. »Aber was ist mit Geschenken? Wir müssen etwas mitbringen, aber wir können kaum etwas entbehren! Unsere Geschenke werden ihnen billig und geschmacklos vorkommen.«
»Sie werden sich geehrt fühlen, ganz gleich, was ihr ihnen schenkt«, sagte ich.
Sie nahmen mich wieder mit in die große Ratskammer ihres Forts. Wir redeten bis spät in die Nacht über Hochzeitsgeschenke – über Steinsalz, das sie für ein gutes Geschenk hielten, über Wasser, das sie nicht entbehren konnten, über Kleidung, von der es ohnehin nie genug gab, über rekonditionierte Droiden, die ein elegantes, wahrscheinlich aber teures Geschenk abgeben würden.
»Bietet doch an, ihnen eure Sprache beizubringen«, schlug ich vor. »Das wäre ein schönes Geschenk.«
Aber am besten gefiel ihnen die Idee mit dem Steinsalz.
In dieser Nacht gelang es uns nicht, die Frage zu klären.
32. Tag: Einige Nachbarn
statten mir einen Besuch ab
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit hatte ich den zweiten alten Kollektor, den ich von Eyvind gekauft hatte, endlich aufgestellt, und wenn der Testlauf, den ich durchgeführt hatte, korrekt war, würde er eine anständige Ausbeute liefern – vielleicht bis zu 1,3 Liter pro Tag. Meine Farm produzierte damit einen oder zwei Liter mehr als früher, was bedeutete, daß ich das Wasser, das ich den Sandleuten gab, bestimmt nicht vermissen würde.
Ich packte meine Werkzeuge in den Gleiter und flog langsam zurück zu meinem Haus, um zu Abend zu essen. Ich flog langsam, weil es dunkel war und es hier draußen Dinge gab, die gefährlich werden konnten. Zumindest mußte ich mir jetzt keine Sorgen mehr wegen der Sandleute machen. Immerhin etwas.
Ich steuerte in die Schlucht, wo ich mein Haus gebaut hatte, und da waren Lichter vor meinem Haus – viele Lichter. Ich gab Gas.
»Da ist er!« hörte ich jemanden rufen, als ich anhielt.
Was war passiert?
Es waren Eyvind und Ariela, die Jensens, Eyvinds direkte Nachbarn, die Clays, die Bjornsons – und sechs oder acht andere.
»Was ist los?« fragte ich.
Eyvind trat vor. »Wir sind gekommen, um dich als deine Nachbarn zu bitten, den Sandleuten kein Wasser mehr zu geben. Du weißt nicht, was du damit anrichtest.«
Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß die Imperialen Ärger gemacht hatten – daß sie Mos Eisley zerstört hatten, um der Korruption ein Ende zu machen, und die Bewohner zu den Farmen geflohen waren – irgend etwas in dieser Art, das den Menschenauflauf auf meiner Farm erklären konnte. Aber nicht das. »Haben die Sandleute einem von euch etwas zuleide getan, seitdem ich ihnen Wasser gebe?« fragte ich.
»Sie haben vor fünf Jahren meinen Sohn umgebracht«, sagte Mrs. Bjornson.
»Das wissen Sie nicht«, widersprach Ariela leise.
»Ich habe ihn tot im Canyon nördlich von unserer Farm gefunden! Wer sonst treibt sich dort draußen herum und hackt Menschen mit Äxten in kleine Stücke? Die imperialen Untersuchungsbeamten haben bestätigt, daß die Sandleute meinen Sohn getötet haben.«
Für eine Weile sagte niemand etwas. Niemand wollte darauf hinweisen, daß sich nicht nur die Sandleute dort draußen herumtrieben. Niemand wollte sagen, daß die imperialen Untersuchungsbeamten vielleicht ein Interesse daran hatten, jemanden für das Verbrechen verantwortlich zu machen, der nicht vor Gericht gestellt werden konnte.
»Sie haben fünf von meinen Kollektoren zerstört«, sagte Mr. Jensen.
»Sie sind in meinen Lagerschuppen eingebrochen und haben alles verwüstet«, fügte Mr. Clay hinzu.
»Als ich nach Mos Eisley fuhr, hat einer von ihnen einen Gaffi-Stock nach mir geschleudert, der sich in einer Heckdüse verfing«, sagte Mrs. Sigurd. »Ich habe es kaum in die Stadt geschafft.«
Ariela mischte sich ein. »Es sind hier draußen also schlimme Dinge passiert, und Sie alle haben die Schuld sofort bei den Sandleuten gesucht.«
Mr. Olafson brachte sie zum Schweigen. »Es sind Außenseiter wie Sie, die frisch von – woher? Alderaan? – kommen und uns vorschreiben wollen, wie wir zu leben haben, Außenseiter wie Sie – und dieser Ariq hier –, die den meisten Ärger machen.«
»Ich bin kein Außenseiter«, sagte ich, aber darum ging es nicht. Meine Ideen waren neu. Es konnte Probleme geben, bevor sie funktionierten, bevor wir alle in Frieden leben konnten. Es sah aus, als würden die Probleme nicht nur von den Sandleuten ausgehen.
»Du hast also als Junge auf einer Feuchtfarm gearbeitet«, sagte Eyvind, »und du hast eine eigene Farm gegründet, um Profit zu machen – gibt dir das etwa das Recht, dich selbst zu unserem Diplomaten zu ernennen und mit den Sandleuten und Jawas zu verhandeln?«
»Die Sandleute hätten meine Farm ruiniert, das weißt du. Ich muß einen Weg finden, mit ihnen zu leben. Auch das weißt du.«
»Die meisten Leute hier draußen sind gegen das, was du tust, Ariq.«
»Ist das so? Die McPhersons, die Jonsons und die Jacques unterstützen mich, und ich sehe keinen von ihnen hier. Was ist mit Owen und Beru? Hast du mit ihnen gesprochen? Oder mit den Darklighters? Auf welcher Seite stehen sie?«
»In zwei Tagen haben wir die Gelegenheit, aus erster Hand zu erfahren, ob Ariqs Pläne funktionieren«, erklärte Ariela. »Eyvind und ich haben ihn gebeten, die Jawas zu unserer Hochzeit einzuladen, und sie kommen als unsere Gäste.«
Diese Erklärung löste mehr Streit unter diesen Leuten aus, als ich je für möglich gehalten hatte. Eyvind wirkte nicht gerade glücklich darüber, daß sie es erzählt hatte.
»Die Jawas fühlten sich durch die Einladung geehrt«, warf ich ein. »Wir können mit ihnen leben – ihr werdet sehen. Vielleicht gelingt es uns auch, mit den Sandleuten zu leben.«
Aber keiner hörte mir zu. Ariela sah mich an, und sie wirkte besorgt. Ich konnte mir eine Menge Gründe dafür vorstellen. Es war klar, daß sie Eyvind nicht bei seiner Ablehnung meiner Ideen unterstützte. Es tat mir leid, der Grund für ihren – wahrscheinlich ersten – Streit zu sein.
»Wir werden das Gericht in Mos Eisley entscheiden lassen – notfalls sogar das Gericht in Bestine«, sagte Eyvind, als sich alle zum Gehen wandten.
Ich fuhr meinen Gleiter in den Schuppen und schloß das Tor ab. Als ich zurückkam, stand Ariela noch immer da.
»Was haben Sie jetzt vor?« fragte sie mich.
Ich wollte ihr dieselbe Frage stellen. »Ich weiß es nicht«, gestand ich. Wir setzten uns vor meinem Haus in den Sand und schwiegen eine Weile.
»Sind Sie wirklich von Alderaan?« fragte ich sie.
»Ja.«
»Vermissen Sie Ihre Heimat nicht?«
»Eigentlich nicht«, meinte sie. »Ich bin verliebt, und das gleicht es wieder aus. Aber ich vermisse das Wasser – wir konnten dort so verschwenderisch damit umgehen!«
»Ich kann mir eine derartige Welt nicht einmal vorstellen, so sehr bin ich daran gewöhnt, auf jeden Tropfen zu achten.«
»Dort ist alles anders. Wenn ich Sie und Eyvind mit nach Alderaan nehmen könnte, würden Sie soviel Wasser haben, wie Sie wollen.«
»Ich würde den ganzen Tag darin schwimmen.«
»Sie könnten stundenlang duschen, ohne daß irgend jemand etwas sagt.«
»Ich würde in meinem Haus Pflanzen halten und sie begießen.«
Sie sah mich an und lächelte. Nach einer Weile stand sie auf. »Ich werde nicht zulassen, daß Eyvind Ihnen in Mos Eisley oder Bestine Schwierigkeiten macht.«
»Danke«, sagte ich. Als sie fort war, ging ich ins Haus. Ich hatte keinen Hunger mehr. Im Haus war es heiß, also nahm ich den Holoprojektor mit nach draußen und setzte mich auf einen Felsgrat, von dem aus ich mein Haus und die Schuppen überblicken konnte. Ich löschte alle Lichter, so daß die Farm im Dunkeln lag. Dann aktivierte ich die Karte, und sie überstrahlte hell die Felsen. Die Felsen im Umkreis der Karte sahen wie die Berge im Umkreis der Farm aus. Die Sterne funkelten am Himmel, und ich legte mich auf den Felsboden, um sie anzusehen.
Ich blicke nicht oft zum Himmel hinauf. Ich arbeite zuviel und bin abends so müde, daß ich nicht oft genug zu den Sternen hinaufsehe.
Ich fragte mich, wie das alles enden würde.
50. Tag: Jawageschenke und die Hochzeit
Einunddreißig Jawas kamen zu der Hochzeit, und sie brachten Säcke mit Steinsalz mit, einen Liter Wasser, einen Ballen ihres braunen Tuches – und einen Diagnosedroiden, der so klein war, daß er auf meiner Handfläche Platz hatte. Sie hatten sich nicht auf ein Geschenk einigen können und deshalb alles mitgebracht, worüber wir gesprochen hatten.
Der Diagnosedroide beherrschte die Binärsprache der Kollektoren. Die Jawas hatten ihn so blankpoliert, daß es weh tat, ihn mit den anderen Geschenken in der Sonne liegen zu sehen.
Die menschlichen Gäste standen einfach da und starrten die kostbaren Geschenke an und staunten über die Jawas, die sich so sichtlich über die Einladung zu dieser Hochzeit freuten.
Eyvind eilte zu mir und bat mich, mitzukommen und für ihn und Ariela zu dolmetschen. Sie wollten den Jawas danken. Ich stand an der Bowle, zusammen mit den Jensens und Arielas Mutter und Schwester, die extra von Alderaan angereist waren. Als ich mich abwenden wollte, hielt mich Mrs. Jensen einen Augenblick fest. »Vielleicht haben Sie mit alldem recht«, sagte Mrs. Jensen. »Vielleicht haben Sie wirklich recht.«
Ich lächelte sie an und eilte zum Dolmetschen. Die Jawas verbeugten sich vor mir, und ich tat es ihnen gleich. Ich übersetzte für Eyvind und Ariela und beantwortete dann die Fragen der Jawas zu dieser menschlichen Zeremonie: Ja, die Menschen, die sich hier eingefunden hatten, waren alle potentielle Kunden für ihre Waren, und ja, der winzige Diagnosedroide hatte alle beeindruckt; nein, Eyvind und Ariela würden die Ehe nicht in der Öffentlichkeit vollziehen; ja, alle hofften, daß Eyvind und Ariela Kinder haben würden; ja, die Menschen tischten zur Hochzeit besondere Gerichte auf, um aus dem Tag ein denkwürdiges Ereignis zu machen. »Probiert den Gewürzsaft«, riet ich. »Er wird euch schmecken. Viel besser als nur Wasser.«
Ich fragte mich, was sie von dem Gewürz wohl hielten. Sie folgten mir zum Tisch mit der Bowle, und ich goß Wimateeka ein Glas Gewürzsaft ein und gab es ihm.
Er hielt das Glas in der Hand und äugte hinein. »Das Glas ist so kalt!« sagte er.
»Bei wichtigen Anlässen reichen wir immer gekühlte Getränke«, erklärte ich.
»Warum ist es rot? Ist Blut darin?«
»Nein – wir trinken kein Blut!«
Wimateeka bedachte mich mit einem sonderbaren Blick, und plötzlich fragte ich mich, ob die Jawas bei ihren Hochzeiten Blut tranken. Ich würde es wahrscheinlich noch früh genug erfahren. Wimateeka hatte den Drink immer noch nicht probiert. »Es schmeckt sehr gut«, versicherte ich erneut. »Wenigstens denken wir das.«
»Wieviel kostet das Glas?« fragte er schließlich.
Er hatte also gedacht, daß er dafür bezahlen mußte. Offenbar hatten sich alle Sorgen gemacht, ob sie genug Kredits für das Essen und die Getränke hatten – vor allem, da sie gedrängt wurden, bestimmte Dinge zu probieren. »Für die Hochzeitsgäste ist alles umsonst«, sagte ich.
Daraufhin lächelte Wimateeka und hob das Glas an die Lippen. Seine Augen weiteten sich, als er den Gewürzsaft kostete – und ich fragte mich, ob er ihn wieder ausspucken würde, aber er tat es nicht, und kurz darauf verlangte er einen weiteren Drink. Ich schenkte dem Rest der Jawas ebenfalls ein, und alle liebten den Gewürzsaft und baten mich um mehr, und fünfzehn Minuten lang war ich nur mit der Versorgung der Jawas beschäftigt.
Eyvind kam nervös und aufgeregt zu mir. »Ich möchte jetzt anfangen«, sagte er, »aber Owen und Beru sind noch nicht hier, und sie hatten fest versprochen, daß sie kommen.«
»Vielleicht hat sie etwas aufgehalten«, meinte ich, während ich einem Jawa ein neues Glas Gewürzsaft reichte. »Aber ihr solltet wirklich anfangen, sonst sind alle einunddreißig Jawas noch vor der Hochzeit betrunken.«
Eyvind lachte.
Und dann begann die Schießerei.
Drüben bei den Gleitern. Alle hatten westlich von Eyvinds Haus geparkt, und von dort drang der Tumult: Zwei oder drei Männer schossen mit lautem Gebrüll auf die Gleiter. Ich fragte mich, warum sie so etwas Verrücktes machten – bis ich die Sandleute entdeckte.
Die Jugendlichen, dachte ich. Sie hatten sich in den Kopf gesetzt, einen oder zwei Gleiter zu stehlen, während wir mit den Hochzeitsfeierlichkeiten beschäftigt waren.
Die Sandleute wehrten sich mit ihren Gaffi-Stöcken und schleuderten sie mit tödlicher Zielsicherheit, und alle Gäste schrien durcheinander und stürzten in Deckung, und Eyvind rannte los, um sich an der Schießerei zu beteiligen oder die Schießerei zu beenden – ich wußte es nicht genau. Ich lief ihm hinterher, verlor ihn in dem Gewühl aber aus den Augen, und dann stolperte ich fast über Ariela, die auf dem Boden saß und etwas in den Armen hielt.
Eyvind. Ich kniete neben ihr nieder. Sie hielt Eyvind in den Armen, und er war voller Blut, und überall um uns herum wurde geschossen, und dann kamen die Sandleute. Ich stand auf, hielt mich aber dicht bei Ariela, in der Hoffnung, daß sie mich erkennen und mich und Ariela nicht töten würden, und einige von ihnen wichen bei meinem Anblick tatsächlich zurück…
Aber etwas traf mich im Rücken – ein Schlag mit der stumpfer Seite eines Gaffi-Stocks – und ich stürzte in den Sand und konnte sekundenlang nicht atmen, obwohl ich nicht das Bewußtsein verlor. Ich hörte Schreie, und ich hörte Ariela schreien, und ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte für eine lange Minute nur die Füße der Sandleute sehen, die um mich herumwimmelten, und dann menschliche Füße, und ein Mensch zog mich hoch und funkelte mich haßerfüllt an.
»Das ist alles Ihre Schuld!« brüllte er. »Das kommt davon, wenn man ihnen Wasser gibt.«
Er gab mir einen Stoß, der mich wieder in den Sand plumpsen ließ, aber inzwischen konnte ich wieder atmen und allein aufstehen, und sie trugen Eyvind weg.
»Er ist tot«, schrie mir jemand zu, und die Worte trafen mich fast so hart, wie der Gaffi-Stock mich getroffen hatte. Ich konnte wieder nicht atmen.
»Sie haben Ariela entführt«, brüllte ein anderer. »Sie haben sie einfach mitgenommen.«
Arielas Mutter ergriff meinen Arm. »Sie müssen sie retten«, flehte sie. »Die anderen wollen die Sandleute verfolgen und erschießen, und die Sandleute werden meine Tochter bestimmt töten, bevor sie befreit werden kann. Sie müssen sie retten.«
»Ich nehme Wimateeka mit«, nickte ich. »Er kann für mich dolmetschen. «
Und so sah schließlich unser Plan aus: Ich hatte zwölf Stunden, um die Sandleute aufzuspüren und sie dazu zu bringen, Ariela freizulassen. In der Zwischenzeit würden alle anderen einen schwerbewaffneten Suchtrupp zusammenstellen. Wenn ich in zwölf Stunden nicht zurück war, würden sie mir folgen.
Und die Sandleute töten.
Ich fand Wimateeka und die anderen Jawas verängstigt in ihrem Sandkrabbler. Ich erklärte ihnen, was ich tun wollte, und bat Wimateeka, mich zu begleiten. Er begann zu zittern, aber er stand auf und folgte mir zu meinem Gleiter. Er zitterte noch immer, als ich ihn hineinhob.
Kaum war ich gestartet, fragte ich mich, warum ich nicht zitterte.
50. Tag: Ich warte am Kollektor
mit einem letzten Wassergeschenk
Ich wartete am Kollektor, weil ich annahm, daß die Sandleute Ariela in ihr Hauptlager bringen würden, das irgendwo im Nordwesten lag.
Mit meinem Gleiter war ich schneller als die Jugendlichen, also hatte ich sie überholt, und sie mußten an mir vorbei. Sie würden wahrscheinlich am Kollektor haltmachen, um nachzusehen, ob ich etwas Wasser für sie zurückgelassen hatte.
Und ich hatte mir überlegt, was ich ihnen sagen würde. Es waren Jugendliche, die beweisen mußten, daß sie es wert waren, in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen zu werden. Ich konnte dafür sorgen, daß man sich für immer an ihre Taten erinnern und sie ehren würde: indem ich sie dazu brachte, mit mir und den Jawas über die Grenzen ihres Landes zu verhandeln und so ihre nomadische Lebensweise zu sichern. Ich wußte, daß ihre Erwachsenen konsultiert werden mußten, aber die Jugendlichen konnten den Prozeß in Gang setzen und sie von der Notwendigkeit eines Vertrages überzeugen.
Ich hoffte, daß ich mich mit ihnen einigen konnte. Ich hoffte, daß sie mich vorher nicht enthaupteten. Ich hoffte, sie zu überzeugen, daß Ariela wertlos war im Vergleich zu diesem Plan und daß es mir gelingen würde, sie mit dem Wasser und dem Tuch freizukaufen, das Wimateeka und ich aus meinem Haus geholt hatten.
Also warteten wir auf dem Sand mit unserem Wasser und dem Tuch und dem Holoprojektor und meiner Karte.
Und plötzlich waren sie da. Von einem Moment zum anderen waren wir von Sandleuten umzingelt, jeder mit einem Gaffi-Stock bewaffnet, deren scharfe Klingen im grellen Sonnenlicht glitzerten. Die Dünen waren voller Sandleute. Ich hielt nach Ariela Ausschau, konnte sie zunächst aber nirgendwo entdecken.
Ich stand auf, hob meinen Arm, ballte die Faust und begrüßte sie mit: »Koroghh gahgt takt.«
Sie schwiegen. Keiner sagte etwas oder hob den Arm. Dann entdeckte ich auf einer Düne im Süden Ariela: gefesselt und geknebelt und bewacht. »Übersetze für die Sandleute, was ich sage«, bat ich Wimateeka, und ich wußte, daß ich schnell und überzeugend sprechen mußte, um ihr Leben und wahrscheinlich auch Wimateekas und meins zu retten.
Ich erklärte ihnen, daß wir Zwischenfälle wie den heutigen vermeiden konnten. Ich wußte einen Weg. Ich erzählte ihnen von meinem Plan und von meiner Hoffnung, daß das Imperium unsere Übereinkunft anerkennen würde, und was dies für ihr Volk und meins bedeutete.
Wimateeka hatte Schwierigkeiten, ihnen die Karte zu erklären, und ich wußte nicht, ob sie überhaupt verstehen konnten, was eine Karte war. Wimateeka und ich glätteten ein Stück Sand, und ich stellte den Holoprojektor auf und zeigte ihnen die Karte. Einige der Sandleute wichen erschrocken zurück, aber die anderen kamen bald näher, und sie schienen zu verstehen.
Aber ich wollte erst verhandeln, wenn sie Ariela freigelassen hatten. »Was wir vorhaben, ist besser als weiteres Töten«, sagte ich. »Ich will, daß ihr eure Gefangene freilaßt – übergebt sie mir. Sie ist meine Freundin. Nehmt dieses Wasser und das Tuch als Entschädigung für die Mühe, die es euch gekostet hat, bis jetzt für sie zu sorgen.«
Sie lehnten zuerst ab, aber schließlich nahmen sie das Wasser und das Tuch und reichten es weiter, und sie lösten Arielas Fesseln und ließen sie frei.
Sie schritt langsam durch die Reihen der Sandleute. Sie machten ihr nur widerwillig Platz. Aber sie war größer als alle von ihnen, und sie hielt ihre Augen auf mich und Wimateeka gerichtet, und dann war sie bei uns. Ich umarmte sie, und sie umarmte mich und Wimateeka.
Und dann begannen wir zu feilschen und zu verhandeln und zeichneten die Grenzlinien auf meiner Karte ein.
Es funktionierte.
Ich dachte an all die Generationen von Anthropologen, die alles dafür gegeben hätten, jetzt hier bei den Sandleuten zu sein. Der Tag war lichtdurchflutet, und ich konnte spüren, wie von uns allen die Spannung wich. Meine Karte hatte noch nie schöner ausgesehen, dachte ich, wie sie dicht über dem Boden leuchtete, von den schwarzen Grenzlinien geteilt.
Sechs Stunden vor Ablauf meiner Frist beendeten wir die Verhandlungen.
Ariela und Wimateeka und ich verstauten den Projektor in meinem Gleiter.
Die Sandleute standen auf und beobachteten uns, um dann in nordwestlicher Richtung, wo sich ihr Lager befand, zwischen den Dünen zu verschwinden.
Ariela stieg in meinen Gleiter.
Ich drückte ihr Wimateeka in den Arm und stieg ebenfalls ein.
Und die Düne im Westen explodierte in Feuer. Mein Kollektor zerbarst, und Dampf stieg wie Rauch in die Höhe. Explosionen erschütterten die Luft – und die jungen Sandleute schrien und rannten.
Sechs Stunden vor Ablauf unserer Frist – jetzt, wo alles erreicht war, wofür wir gearbeitet hatten. Ich mußte der Schießerei ein Ende machen.
Ich flog direkt zu der Stelle, von wo die Schüsse kamen – eine felsige Anhöhe im Süden – und wir wurden nicht getroffen. Sie verschonten uns.
Sturmtruppen. Imperiale Sturmtruppen versteckten sich zwischen den Felsen. Die Farmer, die gegen meine Pläne waren, mußten sie alarmiert haben. Ich brachte den Gleiter abrupt zum Halt und stürzte die Felsen hinauf. »Hört auf zu schießen!« brüllte ich. »Das sind nicht einmal Erwachsene, die ihr umbringt!«
Aber niemand hörte auf mich. Ich erreichte die Sturmtruppler und schlug ihre Gewehre hoch – bis mich jemand von hinten packte und gegen einen Felsen schleuderte.
»Hören Sie auf damit!« schrie mich jemand an.
Es waren die anderen Farmer, acht oder zehn von ihnen.
»Die Sturmtruppen bringen Sie sonst um«, zischte mir jemand ins Ohr. »Verhalten Sie sich still, und wir werden später über alles reden.«
Ich wollte mich losreißen, aber sie stießen mich zurück.
»Das Imperium wird niemals zulassen, daß Ihr Plan funktioniert«, zischte mir eine andere Stimme ins Ohr, dann stand Ariela vor mir, mit bleichem Gesicht, tränenüberströmt.
»Verstehen Sie nicht?« sagte sie. »Das Imperium schürt auf allen Seiten die Feindschaft zwischen den Rassen, damit die Mehrheit nach Sturmtruppen verlangt, um den Frieden zu bewahren. Wenn Sie es geschafft hätten, hier Frieden zu stiften, würden alle erkennen, wer unser wahrer Feind ist – und was dann?«
Ich hätte es vorhersehen müssen. Seit die imperialen Gouverneure zum ersten Mal abgelehnt hatten, diese Region zu kartographieren, hätte ich wissen müssen, daß so etwas geschehen würde.
Das Feuer wurde eingestellt. Die anderen Farmer dankten den Sturmtruppen, daß sie Ariela und Wimateeka und mich »gerettet« hatten.
»Sie werden für einige Zeit Ihre Farm verlassen müssen«, sagte einer der Sturmtruppler zu mir. »In Ihrem abgelegenen Haus sind Sie nicht sicher.«
Ich würde sie nicht nur für einige Zeit verlassen müssen. Dies konnte das Ende meiner Farm bedeuten. Die Sandleute würden mich zweifellos töten wollen – sofern es mir nicht gelang, sie davon zu überzeugen, daß ich sie nicht verraten hatte, sofern ich keine Möglichkeit fand, ihnen zu zeigen, wer sie wirklich verraten hatte.
»Wir werden den Jawa nach Hause bringen«, erklärte ein anderer Sturmtruppler.
»Nein«, wehrte ich ab. »Ich übernehme das schon.«
Und ich tat es. Ich wollte nicht, daß er allein mit den Sturmtruppen war. Ich befürchtete, daß sie ihn dann umbringen würden – um die Jawas zu provozieren und einen Keil zwischen sie und die Farmer zu treiben. Also eskortierte uns eine Abteilung Sturmtruppen zum Jawa-Fort.
Vor dem Tor des Forts hob ich Wimateeka aus meinem Gleiter, und er floh ohne ein Wort des Abschieds hinein.
50. Tag, Nacht: Ich werde ein Rebell
Der imperiale Commander beorderte mich nach Mos Eisley, um eine Aussage zu machen, und ich mußte gehen. Ariela bat mich, ihre Mutter und ihre Schwester zum Raumhafen zu bringen. Sie blieb bei den anderen Farmern, um die Verteidigung gegen den befürchteten Rachefeldzug der Sandleute zu organisieren.
»Eyvind hat mir seine Farm hinterlassen«, erklärte mir Ariela. »Ich würde mich freuen, wenn Sie mir bei der Bewirtschaftung helfen würden, sobald alles vorbei ist – sobald wir zurückkehren können.«
Also hatte ich auf meinem Weg nach Mos Eisley einiges zum Nachdenken.
Ich setzte Arielas Mutter und Schwester am Raumhafen ab. Bald würden sie wieder auf Alderaan und in Sicherheit sein. Ich machte meine Aussage, und die Imperialen beschlagnahmten meine Karte und ließen mich gehen.
Ich fragte mich, für wie lange wohl.
In der Zwischenzeit stand meine Farm leer.
Meine Hoffnungen auf einen Frieden zwischen den Jawas und den Sandleuten waren zerstört.
Die Sandleute würden sich zweifellos verraten fühlen und unschuldige Menschen töten.
Meine Karten, meine Träume, meine erfolgreichen Verhandlungen interessierten das Imperium nicht.
Alles nur, weil das Imperium nicht wollte, daß zwischen uns Frieden herrschte. Alles nur, weil dem Imperium die Sicherheit und die Arbeit und das Leben seiner Bürger nichts bedeuteten. Wir waren Schachfiguren, Bauern, die benutzt und geopfert wurden.
Ich ging auf einen Drink in die Bar. Ich konnte nicht sofort heimkehren.
Ich saß in einer dunklen Ecke und musterte die anderen Gäste – Wesen aus allen Winkeln des Imperiums. Vertreter von Rassen, die alle vom Imperium unterdrückt wurden. Wir teilten alle dasselbe Schicksal.
Aber es gab einen anderen Weg. Ich wußte, daß es einen anderen Weg gab.
Es gab die Rebellion.
Das Imperium hatte mich zur Rebellion getrieben.
Ich bestellte einen weiteren Drink und sah mich um. Ich wußte nicht, wo ich die Rebellion finden konnte. Ich wußte nicht, wie man sich ihr anschloß. Aber in dieser Bar würde ich es erfahren, dachte ich. Wenn ich ein paar gezielte Fragen stellte, würde ich es vielleicht herausfinden. Ich entschied mich, den Ithorianer zu fragen, der ein paar Tische weiter saß.
Ich trank mir mit einem weiteren Drink Mut an, aber ehe ich aufstehen konnte, kam der Neffe von Owen und Beru, Luke, mit einem Fremden und zwei Droiden herein, die wieder nach draußen gescheucht wurden.
Wo waren Lukes Tante und Onkel? fragte ich mich. Und das brachte mich zum Nachdenken. Owens und Berus Farm lag sehr weit von meiner und Arielas entfernt. Vielleicht brauchten sie jemanden, der ihnen zur Hand ging, bis sich die Lage wieder beruhigt hatte und Ariela und ich auf unsere Farmen zurückkehren konnten.
Dann konnten wir anfangen, für die Rebellion zu arbeiten.
Ariela würde sich zusammen mit mir der Rebellion anschließen. Genau wie die meisten anderen Farmer auch, nach allem, was heute passiert war. Die Jawas würden uns helfen. Im Lauf der Zeit würden vielleicht sogar die Sandleute verstehen, was vorgefallen war – und daß wir die Republik wiederherstellen, uns vom imperialen Joch befreien mußten. Farmer wie ich, in einer ungewöhnlichen Allianz mit den Jawas und vielleicht den Sandleuten, würden für unser Recht kämpfen müssen, in Frieden auf der Welt zu leben, die unsere Heimat war.
Als ich dies alles bedacht hatte, war ich sicher, daß ich die Rebellion finden würde, draußen in den Bergen und Tälern der Wasserfarmen von Tatooine.
Irgend etwas sagte mir, daß sich die Dinge auf Tatooine verändern würden, und zwar auf eine Weise, die sich die Imperialen nicht vorstellen konnten.
Irgend etwas sagte mir, daß hier am Ende, eines Tages, irgendwie, Frieden herrschen würde.
Wir würden die Karten des Friedens zeichnen.