Muftak zog die frostige, feuchte Luft in seinen kurzen, röhrenförmigen Rüssel, um festzustellen, ob Gefahr drohte. Während er schnüffelte, suchte der riesige Vierauge die Straße mit seinen Nachtaugen, dem größeren Paar in der unteren Hälfte seines pelzigen Gesichts, nach Infrarot-Nachbildern ab. Hier, im älteren Teil des Raumhafens von Mos Eisley, war die Dunkelheit fast absolut und wurde nur von dem winzigen grauen Halbmond erhellt, der über den Himmel raste.

Der zottelige Gigant bedeutete seiner kleinen Gefährtin Kabe mit einer Handbewegung, in Deckung zu bleiben, und richtete sich halb hinter dem großen Müllcontainer auf, um die Straße besser überblicken zu können. Während er sich umsah, glitzerten seine vier Kugellageraugen in der Dunkelheit seines Gesichts. Automatisch filterte sein Riechorgan den Gestank verfaulenden Mülls heraus, die Ranzigkeit ungewaschener menschlicher und nichtmenschlicher Körper und den scharfen, moschusartigen Duft seiner Chadra-Fan-Freundin und Komplizin.

In der letzten Zeit war niemand hiergewesen. Er gab seiner Gefährtin einen Wink mit seiner mächtigen, pelzigen Pranke. »Komm«, rumpelte er, »die Wüstentruppen sind weg.«

Kabe trippelte aus ihrem Versteck. Ihre fächerähnlichen Ohren und ihre kleine Schnauze zuckten indigniert. »Das habe ich schon die ganze Zeit gewußt!« schalt sie ihn mit ihrer schrillen Doppelstimme. »Du bist so verflucht langsam, Muftak! Langsamer als ein Bantha, soviel steht fest. Wir werden nie vor Tagesanbruch nach Hause kommen! Und ich bin müde

Muftak blickte auf sie hinunter und ertrug geduldig ihre Tirade. Kabe war, trotz all ihrer Gerissenheit und Straßenerfahrung, noch immer ein Kind. Er hatte das Chadra-Fan-Baby auf der Straße aufgelesen und adoptiert. »Wir müssen besonders vorsichtig sein«, erinnerte er sie. »Die imperialen Truppen sind überall. Je früher wir nach Hause kommen, desto sicherer sind wir. Gehen wir.«

Kabe gehorchte mürrisch und folgte ihm. »Ich möchte zu gern wissen, warum sie eigentlich hier sind. Weißt du es, Muftak?« Sie wartete seine Antwort nicht ab, und der Vierauge ging stur weiter. Muftak wußte eine Menge über das Treiben in Mos Eisley, aber im allgemeinen rückte er nur gegen Bezahlung mit seinen Informationen heraus. »Jede Nacht landen Schiffe!« klagte sie. »Bei allen Sternen, was ist überhaupt los? Wenn du mich fragst, der Hutt hat sie gerufen. Er will uns endgültig mattsetzen. Und wenn er uns nicht zurücknimmt, werden wir betteln müssen!«

Muftak gab ein entnervtes Summen von sich. »Der Geblähte hat damit nichts zu tun. Das ist eine imperiale Angelegenheit.«

Kabes scharfgeschnittenes, schmales Gesicht leuchtete im Infrarotbereich, und der nachsichtige Muftak sah, wie sich ihr Ausdruck veränderte. »Können wir nicht in die Bar gehen?« fragte sie, abrupt das Thema wechselnd. »Dort wimmelt es von Raumfahrern, betrunkenen Raumfahrern mit dicken Brieftaschen. Beim letzten Mal konnten wir von dem, was ich abgegriffen habe, eine ganze Woche lang leben. Bitte, Muftak!«

»Kabe.« Muftak seufzte, ein leises summendes Geräusch in der Stille. »Ich bin nicht so dumm, wie du denkst. Ich weiß, daß du eine hervorragende Taschendiebin bist, aber in Wirklichkeit willst du doch nur wegen des Jurisaft in die Bar.« Geistesabwesend musterte der Vierauge die gewundene Gasse, die ein Stück weiter auf die Straße mündete. »Zwei Gläser, und ich muß dich wieder nach Hause tragen… so wie immer.«

Kabes einzige Reaktion auf diese Tatsache war ein lautes Schniefen.

Der Morgen dämmerte schnell auf Tatooine, und der Wüstenhimmel nahm bereits jenen matten Silberglanz an, der dem Aufgang der Doppelsonne stets vorausging. Muftak beschleunigte seine Schritte und war versucht, Kabe auf den Arm zu nehmen und zu laufen. Es war seine Schuld, daß sie so spät dran waren.

Obwohl sie Meisterdiebe waren, hatten weder Kabes Elektronikkenntnisse noch Muftaks große Körperkräfte ihnen geholfen, die neuen Zeitschlösser zu knacken, mit denen jetzt alle imperialen Hangars gesichert waren. Schlimmer noch, einer der Wüstentruppler hatte sie entdeckt… aber Menschen konnten in der Nacht nur sehr schlecht sehen, und für sie sahen alle exotischen Nichtmenschen fast gleich aus. Muftak hoffte, daß man ihn im Dunkeln mit einem Wookiee oder einem der anderen großen Zweibeiner verwechselt hatte. Kabe hatte ungefähr die Größe eines Jawas.

Der Diebstahl imperialen Eigentums war extrem riskant – aber in diesen Tagen hatten sie kaum eine andere Wahl. Ein erfolgreicher Beutezug würde das Risiko rechtfertigen und sie in die Lage versetzen, ihre Einbrecherlizenz, die sie durch Kabes Griff in die falsche Tasche verloren hatten, von dem Hutt zurückzukaufen. Alles Wertvolle, das nicht dem Imperium gehörte, gehörte entweder Jabba oder war von ihm für tabu erklärt worden – und niemand war so verrückt, sich mit dem Hutt-Verbrecherlord anzulegen.

Um »nach Hause« zu kommen – ein winziger Verschlag in einer Sektion eines aufgegebenen Tunnels unter der Andockbucht 83 –, mußten sie den Marktplatz überqueren. Riskant, aber sie hatten keine andere Wahl.

Kabe hüpfte so frisch und ausgelassen neben ihm her, als hätten sie nicht die ganze Nacht gearbeitet. Muftak beschleunigte seine schlurfenden Schritte, obwohl er fast zu erschöpft war, um seine riesigen, pelzigen Füße zu bewegen. Plötzlich leuchteten die Spitzen der weißgetünchten Kuppeln auf; Sekunden später war alles in goldenes Licht getaucht. Die erste Sonne ging auf. Muftak schaltete instinktiv auf seine Tagaugen um, die manche Einzelheiten nicht mehr wahrnahmen, dafür aber andere Details enthüllten. Sie passierten einen Straßenhändler, der seinen Stand aufbaute, dann einen zweiten.

Mos Eisley war im besten Fall ein Höllenloch, und die Veränderungen in der letzten Zeit machten die Stadt noch unsicherer. Die zunehmende imperiale Präsenz verlieh Jabbas korruptem Regime eine unangenehme neue Dimension. Muftaks und Kabes Leben war noch nie einfach gewesen; die beiden hatten jahrelang schuften müssen, um sich halbwegs über Wasser zu halten. Jetzt, dank der Untätigkeit des Senats, verschlimmerte sich die Lage noch. Früher hatte sich der Vierauge genau wie seine kleine Freundin nicht für Politik interessiert. Ihm war es gleich gewesen, wer regierte, solange man ihn in Ruhe ließ.

Aber die Wüstentruppen waren sogar noch schlimmer als die Schläger des Hutts. Kalt, grausam und brutal, wie sie waren, erinnerten sie ihn an Killerdroiden. Hunderte – vielleicht Tausende – waren in den letzten beiden Tagen gelandet, um den Willen dieses uralten, verfaulenden Imperators durchzusetzen, der weit, weit entfernt lebte. Das Imperium verstärkt den Griff um meine Welt.

Summmm… Sein stilles Gelächter summte in seinem Kopf wie eine tanzende Biene. Meine Welt? Lächerlich! Summmm…

Da auf Tatooine keine anderen Wesen lebten, die ihm auch nur im entferntesten ähnlich sahen, wußte Muftak nur zu gut, daß dies nicht seine Heimatwelt war. Als er vor langer Zeit neben seinem aufgeplatzten Kokon stehend erwacht war, hatte er begriffen, daß sich sein Volk auf einer anderen Welt entwickelt hatte – auf welcher, wußte er nicht. Er hatte sein ganzes Leben lang nach Informationen über seine Rasse gesucht und dabei eine Menge über den Planeten Tatooine erfahren, der sich so sehr von dem fruchtbaren Paradies aus seinen Träumen unterschied. Wissen, hatte der Vierauge herausgefunden, war in gewisser Weise Macht. Die Einwohner von Mos Eisley wußten, daß sie von Muftak Informationen über fast jede Aktivität oder Person auf Tatooine kaufen konnten.

Seit er Kabe, eine Waise wie er selbst, »adoptiert« hatte, waren die verschwommenen Traumerinnerungen des großen Nichtmenschen in den Hintergrund getreten. Praktisch gesehen war Tatooine seine Heimat.

Während sie den Marktplatz überquerten, ging die zweite Sonne auf. Es wurde bereits heiß, und Muftak spürte, wie sein taufeuchtes, beiges Fell allmählich trocknete. Das Paar erreichte die Hauptstraße, wandte sich nach Westen, wo ihr kleiner Unterschlupf lag, und versuchte dabei, sich zu beeilen, ohne allzuviel Aufsehen zu erregen. Überall bauten die Hehler ihre Verkaufsstände auf und bestückten sie mit frisch gestohlenen Waren. Muftak betrachtete nervös mehrere sündhaft teure Blaster und bemühte sich, so zu tun, als gäbe es für ihn nichts Wichtigeres als einen kleinen Einkaufsbummel. Kabe hüpfte herum, plapperte vor sich hin, schnüffelte und kräuselte dann verächtlich ihr Schnäuzchen. »Sieh dir diesen Müll an.« Sie schnaubte. »Wenn du mir erlauben würdest, Jabbas Stadthaus auszurauben, könnte ich den Hehlern was Vernünftiges zum Verkaufen anbieten. Für mich wäre es eine Kleinigkeit, und wir hätten für den Rest unseres Lebens ausgesorgt.«

Sie hatten schon so oft über dieses Thema gestritten, daß Muftak sich nicht einmal mehr die Mühe machte, zu antworten. Der Hutt weilte zur Zeit in seinem Wüstenpalast, aber seine Residenz in Mos Eisley wurde trotzdem streng bewacht. Der Vierauge schritt schneller aus. Sie waren gleich zu Hause und in Sicherheit…

Plötzlich plärrte eine mechanisch klingende Stimme: »Du da, Talz, stehenbleiben!« Die Stimme gehörte einem imperialen Soldaten.

Hastig gehorchte Muftak und drehte sich langsam und schwerfällig zu dem Posten um. Dabei verdeckte er geschickt Kabes kleine Gestalt mit seinem riesigen Körper. Sie nutzte die Gelegenheit, sauste davon und duckte sich hinter einen öffentlichen Taukollektor. Muftak gab ihr mit einem verstohlenen Zeichen zu verstehen, in ihrem Versteck zu bleiben, und sah den weißgepanzerten Menschen an.

Erst dann dämmerte ihm, welches Wort der Soldat benutzt hatte. »Talz.« Was war ein Talz? Langsam, wie Feuchtigkeit im Wüstensand versickerte, drang die Erkenntnis in sein Bewußtsein. Der imperiale Wüstentruppler mußte seine Spezies kennen! Das Wort »Talz« hallte in Muftaks Kopf, in seinem Herzen wider. Talz… ja! Es gehörte zu dem bedeutungslosen Vokabular, das er nach seiner »Geburt« in seinem Gehirn entdeckt hatte. Mit Talz hat er mich gemeint. Ich bin ein Talz!

Muftak schüttelte den Kopf und unterdrückte seine Erregung. Im Moment hatte er ein anderes Problem. Der Wüstentruppler starrte ihn mit gezücktem Blaster an und wartete. Muftak stieß langsam die Luft durch seinen Rüssel aus und summte leise. »Ja, Sir? Was kann ich für Sie tun?«

»Wir suchen nach zwei Droiden. Der eine ist ein Zweibeiner, der andere bewegt sich auf Rädern. Sie reisen ohne Begleitung. Hast du sie gesehen?«

Sie suchen nicht nach uns, nein, bei der Macht, sie suchen nicht nach uns. Sie suchen nach diesen beiden Droiden, wie all die anderen auch… »Nein, Sir. Ich habe heute morgen noch keinen einzigen Droiden gesehen. Aber wenn, werde ich es Sie wissen lassen, Sir.«

»Das solltest du auch. In Ordnung, Talz, du kannst gehen.« Als sich der Wüstentruppler abwandte, besiegte Neugierde Muftaks Vorsicht. »Ich habe bemerkt, daß Sie die Talz zu…«

Ein Rauschen ertönte, und ein Luftwagen bog um die nächste Ecke. Als er näher kam, sah Muftak zwei imperiale Wüstentruppler, von denen einer die blaue Uniform und Mütze eines Offiziers trug. Der Talz wich vorsichtig zurück, widerstand aber dem Impuls, davonzulaufen.

Der Posten nahm Haltung an, als der Luftwagen stoppte.

Der Offizier, ein blasser, schmaler, hochnäsig wirkender Mann, steckte den Kopf aus dem Fenster und befahl: »Ihre Meldung, Soldat Felth.« Seine Worte klangen leblos und waren kaum von Felths mechanisch gefilterter Stimme zu unterscheiden.

»Keine Zwischenfälle, Lieutenant Alima.« Muftak verspannte sich. Er kannte diesen Namen. Sein Freund Momaw Nadon hatte ihm von einem Captain Alima erzählt, dem Schlächter, der die Heimatwelt der Hammerköpfe verwüstet hatte. War dies etwa derselbe Mann? Er hatte einen anderen Rang, aber…

»Befragen Sie jeden, den Sie sehen, Felth. Nehmen Sie sich vor dem Abschaum in acht… und halten Sie Ihren Blaster bereit. Diese Bastarde bringen Sie sonst kaltblütig um.«

»Jawohl, Lieutenant.«

»Was ist mit dem da?« Alima zog seine Pistole und richtete sie auf Muftak. »Eine häßliche Wanze… hat er die Droiden gesehen?«

»Nein, Sir.«

Muftak nahm all seinen Mut zusammen. Es war eine sehr interessante Entwicklung. Und sie war es wert, ein kleines Risiko einzugehen. »Sir, hochverehrter Vertreter unseres geliebten Imperiums, ich kenne mich gut in den eher… sagen wir, zwielichtigen… Teilen von Mos Eisley aus. Es wäre mir ein Vergnügen, Ihnen die gesuchte Information zu besorgen, wenn ich kann.«

Die Augen des Offiziers waren sehr düster, als er den Talz durchdringend anstarrte. »Einverstanden, Vierauge. Mach dich an die Arbeit. Trödel nicht herum… verschwinde!«

Kabe hielt sich noch immer ein kurzes Stück weiter hinter dem Taukollektor versteckt, und Muftak ging in diese Richtung, ohne sich auch nur einmal umzusehen. Als er vorbeiging, schloß sich ihm die Kleine an und plapperte glücklich. »Sie haben dich gehen lassen! Ich dachte schon, sie hätten uns erwischt – du nicht auch? Was ist passiert?«

»Sie haben nicht nach uns gesucht, Kabe. Nur nach zwei unglückseligen Droiden. Aber es ist etwas sehr… Wichtiges passiert. Ein Glücksfall. Dieser Soldat wußte, wer… was… ich bin. Ich bin ein Talz! Kabe… vielleicht ist das der Hinweis, nach dem ich so lange gesucht habe.«

Die Chadra-Fan blickte zu Muftak auf und kniff von der Morgensonne geblendet die kleinen Augen zusammen. »Aber, aber… du gehst doch nicht fort, oder? Du kannst nicht gehen. Wir brauchen einander. Wir sind Partner, oder nicht?«

Muftak sah auf seine Freundin hinunter und spürte ein seltsames Gefühl, einen Sog wie aus weiter Ferne, wie er ihn noch nie zuvor empfunden hatte. Riesige hängende Purpurblumen erschienen vor seinem inneren Auge. Er kratzte sich an seiner vorgewölbten Stirn. »Mach dir keine Sorgen, Kleine. Ich würde dich nie allein lassen. Jetzt werden wir erst mal ein paar Stunden schlafen. Dann muß ich ein paar Nachforschungen anstellen… und bevor es Nacht wird, muß ich Momaw Nadon besuchen, um herauszufinden, ob er etwas über eine Rasse namens die Talz weiß. Und vielleicht… bekommt er als Gegenleistung von mir eine Information.«

»Aber was ist mit der Bar?« quengelte Kabe. »Du hast es mir versprochen, Muftak!«

Der Talz ignorierte diese offensichtliche Lüge. »Ich werde dir deinen Wunsch schon erfüllen, Kleine. Wir gehen morgen hin.«

 

In Chalmuns Bar wimmelte es wie immer von zwielichtigen Gestalten. Momaw Nadon saß bereits an ihrem Stammtisch, und Muftak setzte sich auf den Stuhl gegenüber, mit dem Rücken zur Wand. Der Hammerkopf schob ein Glas über den Tisch. »Willkommen, mein Freund.« Nach der Haltung seiner Stielaugen und dem Ton seiner grauen Haut zu urteilen, war der Ithorianer froh, Muftak zu sehen, gleichzeitig aber auch besorgt – was kein Wunder war, wenn man ihr gestriges Treffen bedachte.

Der Talz griff nach seinem Drink – ein Polarbier, lauwarm, so wie es sein mußte –, steckte seinen Rüssel in die Flüssigkeit und schlürfte genüßlich. »Alles entwickelt sich hervorragend, Momaw. Gestern abend habe ich, wie von dir gewünscht, die Saat ausgebracht. Alima glaubt jetzt, daß du den Aufenthaltsort der Droiden kennst.«

»Die Saat ausgebracht.« Momaw Nadon blinzelte bedächtig mit den Stielaugen. »Eine gute Art, es auszudrücken. Wenn alles wie geplant läuft, wird die Saat noch vor dem Ende dieses Tages Früchte tragen.« Er wedelte mit einem Stielauge. »Hat Alima viel gezahlt?«

Muftak summte vor Vergnügen. »Fünfhundert. Aber in imperialer Währung, die hier natürlich wertlos ist.«

»Das überrascht mich nicht«, meinte Nadon.

Muftak fuhr sich mit der Pranke durch den Kopfpelz und kratzte sich nervös. »Momaw… was wird aus dir? Alima ist skrupellos. Jetzt sucht er nach dir.«

»Er hat mich bereits gefunden«, gab Nadon zu, und seine Doppelstimme war zu einem rauhen Flüstern herabgesunken. »Mach dir keine Sorgen, mein Freund. Alles entwickelt sich so, wie es muß.«

Der Talz verfolgte das deprimierende Thema nicht weiter, sondern trank einen weiteren Schluck Bier.

»Ganz gleich, was heute geschieht«, fuhr der Hammerkopf fort, »die Dinge hier in Mos Eisley ändern sich. Gestern hast du den Namen deiner Spezies erfahren. Bald wirst du den Namen deiner Heimatwelt und ihre Position herausfinden. Dann… was? Wirst du nach Hause fliegen?«

Muftak gab ein kurzes, hohes Summen von sich. »Nach Hause. Wie einfach sich das anhört. In meiner Muttersprache sagt man ›Pzil‹.« Er schwieg, nicht bereit, selbst einem Freund derart intime Einzelheiten zu enthüllen. »Wenn meine Träume der Wahrheit entsprechen, ist es eine kühle, feuchte Welt mit ausgedehnten, fruchtbaren Dschungeln unter einem tiefblauen Himmel. Meine Träume sind voller großer, farbenprächtiger Blumen, die wie Riesenglocken aussehen und hoch oben in den Baumwipfeln hängen. Ich klettere zu diesen Blumen hinauf und öffne eine kräftige, gerippte Blüte. Tief in ihrer dunklen Mitte stoße ich auf ein reiches Reservoir an Nektar. Ich trinke und genieße den köstlichen, sich ständig verändernden Geschmack…« Er seufzte. »Dieses Bier ist nur ein müder Abklatsch.«

Der Ithorianer wedelte verständnisvoll mit den Stielaugen. »Diese Träume sind wahr, mein Freund. Zweifellos handelt es sich um Rassenerinnerungen, die euch leiten sollen, wenn ihr eure Kokons verlaßt. Es ist kein Zufall, daß du mit dem Wissen um deine Muttersprache geboren wurdest. Ich habe noch nie von einem Volk wie die Talz gehört, aber es ist einzigartig und von großem Wert. Du mußt zurückkehren und deine Essenz mit der deines Volkes vereinigen. Das ist das Gesetz des Lebens.«

»Ich fürchte, so weit habe ich noch nicht gedacht«, gestand Muftak. »Und… was ist mit Kabe? Die Galaxis ist in Aufruhr. Selbst wenn ich uns eine sichere Passage verschaffen könnte – ich kann ihr nicht trauen. Sie denkt nur an sich selbst. Wie kann ich sie da mitnehmen?«

Momaw Nadon schloß für einen langen Moment die Augen. »Ich werde diesen Tag vielleicht nicht überleben, also kann ich dir nicht helfen. Aber dir wird schon etwas einfallen. Laß uns noch einen Drink…«

Plötzlich hüpfte Kabe an Muftaks Seite. »Er will mir nichts mehr geben!« sprudelte sie wütend hervor. »Dieser verdammte Wuher. Sie wollen mir keinen Saft mehr verkaufen, Muftak. Dabei habe ich genug Kredits, verflucht! Verflucht seien sie alle! Du weißt, daß ich…«

Muftak unterbrach sie mit einem lauten Summen. »Beruhige dich, meine Kleine. Was hat Wuher gesagt?«

»Er sagte, er will nicht, daß eine beschwipste Ranaterin seine Gäste ausraubt. Ich eine Ranaterin! Muftak, kannst du nicht mit ihm reden? Bitte!«

Muftak strich nachdenklich über seinen Rüssel. »Seine Reaktion überrascht mich nicht, nach allem, was bei unserem letzten Besuch hier passiert ist, Kabe. Aber… Ich werde mit ihm reden.« Er prostete Momaw Nadon mit seinem Glas zu. »Schließlich haben wir Grund zum Feiern… in gewisser Hinsicht.«

 

Kabes Ohren zuckten vor Abscheu, als Figrin D’ans Sextett eine weitere disharmonische, arhythmische Nummer spielte. Die Ohren der kleinen Chadra-Fan waren so empfindlich wie Muftaks Rüsselnase, und diese »Musik« war die reinste Tortur. Aber nirgendwo gab es billigeren Jurisaft als in Chalmuns Bar, und so ertrug sie das Gejaule. Sie leerte ihr Glas und spürte die angenehm anregende Wirkung des Alkohols.

Nachdem sie die letzten Tropfen von ihren Schnurrbarthaaren geleckt hatte, hielt sie ihr Glas hoch. »Mehr, Wuher. Mehr Jurisaft! Ich bin durstig!« Der Barkeeper sah zu Muftak hinüber, murmelte etwas Unverständliches, nahm mürrisch das Glas und füllte es mit dem rubinroten Gebräu. Kabe griff gierig danach.

Plötzlich straffte sich der Barkeeper und schnitt ein finsteres Gesicht. Wollte er etwa den Rausschmeißer rufen? Kabe wollte schon zu Muftak laufen, aber Wuher wies nur einen Feuchtfarmerjungen an, seine beiden Droiden aus der Bar zu schaffen.

Kabe entspannte sich, musterte die anderen Gäste am Tresen und suchte mit fachmännischem Blick nach ihren Kreditbörsen. Nach ein paar Gläsern Jurisaft war sie doppelt so schnell und doppelt so geschickt. Niemand war vor ihr sicher.

Die Identität der beiden Gäste, die rechts und links von ihr standen, ließ sie zögern: Dr. Evazan und Ponda Baba waren keine guten Opfer. Kabe war zwar insgeheim stolz darauf, daß es ihr einmal gelungen war, ein paar Schmuckstücke aus der Tasche des guten Doktors zu stehlen und sie in Babas Tasche zu schmuggeln – aber damals waren beide im Vollrausch gewesen… was im Moment nicht der Fall war. Sie waren vielleicht angetrunken, aber nicht genug, um sie in Versuchung zu führen. Es war zu riskant.

Die beiden Opfer hinter Evazan waren eindeutig vielversprechender. Der zerlumpte Feuchtfarmerjunge, der so dumm gewesen war, die Droiden mit hereinzubringen, stand rechts neben ihr. Er war mit einem alten Kerl hereingekommen, dessen Bart die Farbe von Muftaks Fell hatte und der eine grobe braune Robe mit Kapuze trug – zweifellos hatte sie ein Jawa-Schneider für ihn genäht, dachte Kabe amüsiert. Sie hatte beide noch nie zuvor gesehen, was bedeutete, daß sie nicht aus Mos Eisley stammten. Gut! Diese arglosen Wüstenbewohner waren gewöhnlich die leichtesten Opfer. Hinter ihnen stand der Schmuggler Chewbacca, aber er schied aus. Er hatte nicht nur keine Tasche, in die sie greifen konnte, sondern war außerdem ein Wookiee, und niemand, der halbwegs bei Verstand war, legte sich mit einem Wookiee an.

Muftak war immer noch in eine intensive Unterhaltung mit Momaw Nadon vertieft. Zur dunklen Seite mit ihm! Angenommen, er findet seine Heimatwelt – was dann? Er wird wahrscheinlich nach Hause wollen… und, bei der Macht, was wird dann aus mir? Kabe sah sich schon in Mos Eisley festsitzen, ohne Freund, der Wuher dazu brachte, ihr Jurisaft zu geben… ohne Freund, der sie vor den wütenden Opfern beschützte, wenn ihre Finger nicht flink genug waren…

Sie würde ganz allein sein. Kabe trank einen großen Schluck Saft und dachte an ihren kleinen, geheimen Schatz – so geheim, daß nicht einmal Muftak von ihm wußte. Er würde nicht lange vorhalten… einen Zehntag vielleicht. Und was dann? Wenn es ihr nicht gelang, den Talz von der Suche nach seiner Heimat abzulenken, geriet sie zweifellos in große Schwierigkeiten.

Ein großer, dünner Humanoider am Ende des Tresens rauchte eine Hookahpfeife. Ihr geschärfter Blick fand sofort seine Kreditbörse. Ein Griff genügte… aber irgend etwas hielt sie zurück. Mit zuckenden Ohren konzentrierte sie sich auf seine Schwingungen. Aus irgendeinem rätselhaften Grund klangen sie falsch. Als sich ihre Blicke für einen Moment begegneten, richtete sich plötzlich ihr Nackenfell auf, als hätte ihr jemand etwas Schlaffes und Totes auf die Schulter gelegt.

Versuch’s nicht bei ihm, sagte sich Kabe fröstelnd. Bloß nicht bei ihm.

Der Junge, entschied sie. Er war offensichtlich nervös, aber nicht wachsam. Und dann der alte Mann. Da war etwas an dem alten Mann… eine Art stille Souveränität, trotz seiner schäbigen Kleidung. Bei ihm würde sie besonders vorsichtig sein müssen.

Plötzlich spürte Kabe links von Ponda Baba eine Bewegung. Sie wich zurück und entging um Haaresbreite einem spitzen Ellbogen, als Baba dem Jungen einen Stoß versetzte. »Aus dem Weg, menschliches Exkrement!« brüllte er auf aqualish. Oh, nein, dachte sie, es geht schon wieder los. Mit zitternden Schnurrbarthaaren versteckte sich Kabe hinter dem alten Wüstenbewohner und stellte vorsichtig ihr halbleeres Glas auf die Bar.

Der Junge verstand offensichtlich nicht die Sprache des großen Nichtmenschen. Er blickte verdutzt auf, trat dann schweigend beiseite und griff wieder nach seinem Drink. Kabe wappnete sich; wenn Evazans und Ponda Babas neuestes Opfer verschmort und rauchend auf dem Boden lag, blieb ihr nur ein Moment, um ihm die Brieftasche abzunehmen, bevor man ihn wegschaffte.

Vielleicht, dachte sie, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um mich um den Alten zu kümmern. Er war ganz auf Ponda Baba konzentriert. Perfekt. Sie mußte nur noch seine Kreditbörse finden… »Ich bin in zwölf Systemen zum Tode verurteilt worden!« Evazans laute Stimme schmerzte in ihren Ohren. Hmm. An der Robe des Alten zeichnete sich eine vielversprechende kleine Wölbung ab. Jetzt nur noch etwas näher…

Der alte Mann trat einen Schritt nach vorn – und seine Börse entglitt ihren Fingern. Vorsichtig folgte Kabe ihm. Plötzlich setzten sich die anderen Gäste fluchtartig vom Tresen ab, und Kabe erkannte, daß der Kampf jeden Moment beginnen würde – aber sie war entschlossen, die Kredits abzugreifen, bevor sie sich ebenfalls davonmachte.

»Der Kleine hier ist die Aufregung nicht wert«, sagte der alte Mensch. In seiner leisen, angenehmen Stimme schwang ein Unterton von Autorität mit. »Kommen Sie, ich gebe Ihnen einen aus.«

Ponda Baba brüllte in unbeherrschter Wut, Evazan stieß einen Schrei aus, und der junge Mensch flog an ihr vorbei und rollte unter einen nahen Tisch.

»Keine Blaster! Keine Blaster!« kreischte Wuher.

Ein Geräusch wie von zerreißender Seide ertönte. Kabe schlich sich an den alten Wüstenbewohner heran und duckte sich, bis sie fast völlig von seinem Mantel verdeckt wurde. Ponda Baba schrie, Evazan heulte vor Schmerz, und etwas landete mit einem schwammigen Laut auf dem Boden.

Kabe sah sich um und erkannte, daß das Ding auf dem Boden Ponda Babas Arm war. Die Finger zuckten noch immer in dem erfolglosen Versuch, den Blaster erneut abzufeuern. Der alte Mann trat geschmeidig zurück, und die sengende Klinge aus Licht, die seine Waffe war (eine Waffe, wie sie Kabe noch nie vorher gesehen hatte) erlosch. Sie gab jeden Gedanken ans Stehlen auf und wich zurück. Der alte Mann half seinem Schützling auf die Beine. Der Junge starrte ungläubig den noch immer zuckenden Arm an, wankte… und trat Kabe mit dem Absatz auf die Zehen.

Der scharfe Schmerz ließ sie schrill aufschreien. Verdammt! Menschen sind schwer! Wimmernd zog sich Kabe in den dunkleren hinteren Teil der Bar zurück und wartete darauf, daß die Spuren des Kampfes beseitigt wurden. Zum Glück hatte niemand ihren Jurisaft umgekippt…

 

»Du meinst, du willst mir helfen?« Kabe blickte verblüfft zu ihrem Freund auf.

Muftak nickte. »Es wird nie wieder eine so günstige Gelegenheit geben, das Stadthaus auszurauben. Der Hutt ist in seinem Palast, und die Stadt ist ein einziges Chaos.«

Die kleine Chadra-Fan sah ihn mit großen Augen an, noch immer von den Nachwirkungen des Saftes benommen. Plötzlich ließ sie ihre angebissene Falotilfrucht auf den staubigen Boden ihres Unterschlupfes fallen und hüpfte vor Freude. »Ich wußte, daß du genauso denkst wie ich, Muftak!«

Er nickte und wünschte, ihre Begeisterung teilen zu können. Die Rache des Hutts würde schrecklich sein, wenn man sie erwischte, aber die Schätze in Jabbas Stadthaus, offen zur Schau gestellt, um die Gierigen anzulocken, waren eine leichte Beute, wenn es Kabe gelang, unbemerkt einzudringen. Der Talz hatte seine Entscheidung getroffen, als er die sturzbetrunkene Kabe von der Bar nach Hause gebracht hatte.

Muftak sah sich in der Behausung um, die sie seit fast fünf Jahren teilten. Kabes kleines Nest, seine Schlafstelle und eine Truhe mit ihren wenigen Habseligkeiten. Nichts, was auch nur einigen Wert hatte. Und die Zukunft sah noch schlimmer aus.

»Wir könnten endlich diese Müllhalde verlassen«, sagte Kabe, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Uns vielleicht eine eigene Bar kaufen. Anständig leben.« Verächtlich schlug sie gegen die abbröckelnde Wand. Dreck rieselte zu Boden. »Die Kredits sind ein kleines Risiko wert, du wirst schon sehen.«

Der Talz kratzte sich am Kopf und summte leise. »Es hat keinen Sinn, noch länger zu warten. Heute nacht.«

Kabe nickte glücklich.

 

Tiefe Nacht. Muftak, für seine Größe erstaunlich agil, schwang sich auf das Dach der Hauptkuppel von Jabbas Stadthaus und duckte sich. Vorsichtig wie immer, zog er seinen uralten Blaster und suchte das Dach nach etwaigen Wachen ab. Der Mond ging bereits unter und verschwand hinter den fernen Wolken, und es wurde stockfinster.

Kabe kletterte schon hastig die Kuppel hinauf. Plötzlich verharrte sie, und Muftak konnte direkt unter der Schüssel des Taukollektors eine große, sichelförmige Öffnung erkennen. Er steckte die Waffe wieder ein und kroch über das rauhe Reinsteindach.

»Siehst du, Muftak«, flüsterte die Chadra-Fan, während sie das mitgebrachte Seil an der Basis des Taukollektors befestigte, »es ist genauso, wie ich gesagt habe. Es hat sich nichts geändert. Wir haben es nur mit dem Standard-Sicherheitsnetz zu tun. Hörst du das? Luftströmungen pfeifen durch die Ritzen der Metalluke. Ein fester Stoß, und sie gibt nach.«

Muftak kauerte neben der Dachluke nieder. »Schwer zu glauben«, meinte er. »Kannst du im Haus jemanden hören?«

Kabe lauschte mit zuckenden Ohren. »In einem anderen Stockwerk schnarcht jemand. Sonst ist alles still.«

»Dann los.« Der Talz hielt sich am Fensterrahmen fest und drückte. Die Dachluke gab langsam nach, dann brachen die Scharniere, und die Metallplatte fiel in die Tiefe. Von unten drang ein gedämpftes Scheppern herauf.

»Die Schwingungen haben sich nicht verändert«, meldete Kabe. »Was habe ich dir gesagt, Muftak? Es ist wirklich ein Kinderspiel!«

Bevor Muftak sie daran hindern konnte, schwang sich Kabe in die Öffnung und verschwand in der Dunkelheit. Der Talz hörte sie leise zwitschern, während sie sich abseilte, und wußte, daß sie nach Echos lauschte. »Bis jetzt ist alles ruhig«, berichtete sie. »Ich bin fast un…« Als sie abrupt verstummte, beugte sich Muftak sofort hinunter, steckte den Kopf in die Öffnung und strengte seine Nachtaugen an. Kabe hing unter ihm am Seil, eine Prankenlänge über dem Boden, und drehte sich langsam.

»Kabe, was ist los? Warum kletterst du nicht weiter?« fragte Muftak.

»Pst.« Kabe änderte ihre Position, so daß sie mit dem Kopf nach unten am Seil baumelte und ihr Ohr fast den Teppich berührte. Sie zwitscherte erneut. »Oh, Banthamist…«, hörte er sie murmeln.

»Was ist?«

»Ein Geräusch, direkt unter dem Boden… da unten ist irgend etwas. Die Luft streicht daran vorbei, und es summt… wahrscheinlich ein Metallobjekt.« Plötzlich stieß sie einen entsetzten leisen Schrei aus. »Komm noch nicht runter! Es ist eine Falle! Da ist eine Art Federmechanismus…«

Muftak hörte, wie sie zwitschernd versuchte, ein Echobild der Strukturen unter dem Boden zu bekommen. »Hier drüben befinden sich normale Trägerelemente…«, murmelte sie ein paar Sekunden später. Sie brachte das Seil zum Pendeln und ließ prüfend ihre Brechstange fallen.

»Keine Veränderung!« rief sie und ließ das Seil los. »Du mußt genau hier landen…«

Als Muftak unten war, verließen sie den Kuppelraum und schlichen sich die dunkle Treppe hinunter. Am Fuß angekommen, hörte Kabe deutlich das elektronische Summen eines Alarms. Hastig suchte die kleine Chadra-Fan die Alarmanlage, fand sie und schaltete sie ab.

Rechts von ihnen führte ein Torbogen in einen großen Raum, eine Art Salon, luxuriös und plüschig möbliert. Eine Wand wurde von einem offenen Vitrinenschrank eingenommen, der voller kleiner goldener Statuen und edelsteinbesetzter antiker Waffen war. Muftak keuchte leise… die Beute von hundert Welten wartete nur darauf, daß sie sie stahlen.

Vorsichtig betraten sie den Salon und füllten in fiebriger Hast die mitgebrachten Säcke mit den Kostbarkeiten.

»Wir sind im Handumdrehen wieder draußen«, flüsterte Kabe und steckte einen besonders reich verzierten Pfeifenständer in ihren Sack. »Bereust du jetzt, daß du nicht schon früher…«

Im Vorraum des Salons flammten zwei Lichter auf. Ein Droide, der sich selbst aktivierte. Kabe erstarrte vor Furcht. Muftak zog seinen Blaster.

»Oh, verzeihen Sie die Störung«, sagte der Droide mit melodischer Stimme. »Ich warte eigentlich auf… Nebenbei« – sein Tonfall veränderte sich – »was machen Sie hier zu dieser späten Stunde? Ich weiß, daß Master Jabbas Freunde ein wenig… ungewöhnlich sind, aber…«

Muftak machte einen Schritt auf die Maschine zu. »Wir gehören hierher. Dein illustrer Master hat uns gebeten, ein paar seiner Sachen in seinen Palast zu bringen.«

Der Droide betrat zögernd den Raum. »Das erklärt natürlich alles. Bzavazh-ne pentirs o ple-urith feez?«

Muftak zuckte zusammen. Seine Sprache. »Wo hast du das gelernt?«

Der Droide legte den Kopf zur Seite, und in seinen leuchtenden Augen schimmerte tiefe Befriedigung. »Oh, Freund Talz, ich kenne die Sprachen und Gebräuche Ihres Planeten, Alzoc III, und viertausendneunhundertachtundachtzig anderer Planeten. Ich bin Master Jabbas Protokolldroide K-8LR. Ohne mich wäre Master Jabba verloren. Allerdings muß ich zugeben, daß ich bis jetzt keine Gelegenheit hatte, mein Talz-Modul zu benutzen. Ich muß nur noch bei Master Fortuna rückfragen, ob Sie auch die Wahrheit gesagt haben.«

Kabe hatte ihre Fassung inzwischen wiedergewonnen und näherte sich langsam und betont gleichmütig dem Droiden. Sie entrollte ihr Kletterseil. »Wir sagen die Wahrheit, Droide. Du mußt es nicht überprüfen.«

»Oh, doch, Freundin Chadra-Fan, k’sweksni-nyiptsik. Sie ahnen ja gar nicht, welche Schwierigkeiten ich bekommen würde, wenn ich nicht…« Plötzlich sprang ihn Kabe an und fesselte ihn blitzschnell mit dem Seil. »Der Hemmbolzen, Muftak!«

»Meine Freunde, bitte, nicht…« K-8LR jammerte wie ein Jawa-Straßenbettler. »Oh! Master Jabba wird Sie dafür bestrafen…« Er wehrte sich heftig, aber der Talz stürzte sich auf ihn und griff nach dem an seiner Brust befestigten Bolzen. Mit einem Ruck riß er den Bolzen heraus.

Als sich der Bolzen löste, hörte der Droide abrupt auf, sich zu wehren.

»Oh, vielen Dank«, rief er. »Sie haben ja keine Vorstellung, wie gut sich das anfühlt. Die Arbeit hier hat mir noch nie gefallen. Noch nie. Dieser Jabba… er ist so ordinär! Und erst die Schurken, die für ihn arbeiten! Wenn Sie gesehen hätten, was ich gesehen habe, Freund Talz, würde Ihnen der Rüssel zu Berge stehen. Aber jetzt würde ich gern gehen. Könnten Sie mich losbinden?«

»Sei still, Droide!« Kabe spitzte die Ohren und horchte konzentriert. Als sie nichts Verdächtiges bemerkte, füllten sie weiter ihre Beutesäcke. K-8LR, noch immer halb gefesselt, trottete hinter ihnen her und beglückwünschte sie metallisch flüsternd zu ihrer Auswahl.

»K-8LR«, sagte Muftak und stopfte eine winzige Figur aus lebendem Eis in seinen pelzigen Bauchbeutel, »wenn du uns wirklich deine Dankbarkeit beweisen willst, dann verrate uns, wo der Hutt seine kostbarsten Schätze aufbewahrt.«

Der Droide blieb stehen und schien nachzudenken. »Wenn mich meine Speicherbänke nicht täuschen, hängen an den Wänden seines Thronsaals unschätzbar wertvolle corellianische Artefakte. Und ein Kunstwerk aus den frühesten Tagen der menschlichen Zivilisation.«

»Bring uns dorthin!«

 

Während sich Muftak und der Droide der Tür näherten und sich mit gedämpften Stimmen über die Position von Alzoc III unterhielten, löste Kabe eilig ein großes Feuerjuwel aus dem Auge einer Skulptur. Sie steckte es in eine der unzähligen Taschen ihrer Robe zu den anderen Schätzen, die sie heimlich an sich genommen hatte. Ich werde nie wieder als Taschendiebin arbeiten müssen, dachte sie.

Sie folgten dem Droiden in den Korridor und dann nach rechts. Während sie auf Zehenspitzen durch den Flur huschten, fingen Kabes zuckende Ohren ein Geräusch auf, das so leise war, daß nur sie es hören konnte. Atemzüge. Rasselnde Atemzüge… Sie blieb vor der dritten Tür stehen. »Wer ist in diesem Raum?« fragte sie K-8LR. »Wer auch immer es ist, er ist wach.«

K-8LR verharrte. »Es ist eins der Opfer meines ehemaligen Masters, fürchte ich. Ein menschlicher Kurier. Er ist tagelang mit einem Nervendisruptor gefoltert worden.«

Muftak bedeutete ihr mit einem Wink, weiterzugehen, aber Kabe zögerte. »Weißt du, wieviel Valarian für einen Nervendisruptor zahlen würde?« flüsterte sie dem Talz zu. »Droide, kannst du die Tür öffnen?«

»Sicher, Madam.« K-8LR hantierte am Schloß, und die Tür schwang auf.

Muftak kratzte sich nervös am Kopf. »Kabe, laß die Finger davon. Es stinkt dort drinnen.«

Die Chadra-Fan ignorierte ihren Freund und marschierte in den Raum. Widerwillig folgte Muftak ihr.

Ein nackter, magerer, bleicher Mann, von dem eine unendliche Traurigkeit ausging, lag gefesselt auf einer Pritsche und stöhnte. Als sie eintraten, sah er sie an. Der Nervendisruptor, ein kleiner schwarzer Kasten auf einem großen Stativ, stand neben dem Bett. Kabe ignorierte stur den Menschen und machte sich daran, den Disruptor abzumontieren.

»Wasser«, flehte der Mann mit heiserer Stimme. »Wasser… bitte.«

»Sei still«, schnappte Kabe. Doch im selben Moment erinnerte sie sich an die Zeit, bevor Muftak sie gefunden hatte, als sie durch die Straßen von Mos Eisley geirrt war, hungrig… und halb verrückt vor Durst. Unwillkürlich sah sie den Menschen an. Ihre Blicke trafen sich.

»Wasser«, krächzte der Mann. »Bitte…«

Kabe fluchte gepreßt, zog eine kleine Flasche aus ihrem Gürtel und hielt sie ihm hin. »Hier ist Wasser. Jetzt laß mich in Ruhe.« Da die Arme des Menschen gefesselt waren, konnte er die Flasche nur sehnsüchtig anstarren.

»Ich helfe Ihnen, Sir«, sagte K-8LR und trat vor. Er hob den Kopf des Menschen und hielt ihm die Flasche an die Lippen.

Kabe löste die letzten Schrauben des Nervendisruptors und steckte ihn in ihren Sack. »Dieses Ding allein wird uns so viel Geld einbringen, daß wir uns für den Rest unseres Lebens genug Saft kaufen können!« sagte sie triumphierend.

Der Mensch hatte zu Ende getrunken und leckte sich die rissigen, aufgeplatzten Lippen. Er musterte sie prüfend. »Ihr beide… seid an Kredits interessiert. Hättet ihr Lust, euch dreißigtausend zu verdienen, ohne jedes Risiko?«

Muftak war bereits ruhelos nach draußen gegangen und hielt auf dem Korridor Wache. Kabe, die sich gerade abwenden wollte, blieb stehen. Sie warf dem Mann einen mißtrauischen Blick zu. »Wie meinst du das, Mensch?«

»Mein Name ist Barid Mesoriaam. Merkt euch diesen Namen, denn er ist euer Paßwort. Wenn ihr einen Datenpunkt zu einem bestimmten Mon Calamari bringt, der in den nächsten Tagen in Mos Eisley eintreffen wird, gehören die Kredits euch.«

Kabe überlegte. »Ein Datenpunkt. Dreißigtausend? Aber wo ist der Punkt? Und wie sollen wir wissen…«

»Ihr müßt mir einfach vertrauen. Was den Punkt betrifft…« Mesoriaam schloß seinen Mund und drückte mit der Zunge gegen seine Zähne. Als er den Mund wieder öffnete, lag ein winziges schwarzes Objekt auf seiner Zungenspitze. Kabe nahm den Datenpunkt an sich.

Muftak, der inzwischen wieder hereingekommen war und den Großteil des Gesprächs mitgehört hatte, starrte den Mann mit großen Augen an. »Warum sind die in diesem Punkt gespeicherten Informationen so wertvoll?« fragte er.

Mesoriaam wollte sich aufrichten, aber er war zu schwach. »Das geht euch nichts an. Sagt dem Mon Calamari, daß der Punkt nur für General Dodonnas Augen bestimmt ist.«

»Barid Mesoriaam gehört zur Rebellion gegen das Imperium«, stellte K-8LR selbstgefällig fest. »Wenn ich es richtig verstanden habe, kämpfen die Rebellen für die Wiedereinsetzung des Senats. Zweifellos hat der Datenpunkt etwas mit den Plänen der Rebellen zu tun.«

Der Talz strich nachdenklich über seinen Rüssel. »Hier, Muftak, steck ihn in deine Tasche«, befahl Kabe und hielt ihm den Datenpunkt hin.

Muftak gehorchte. »Rebellen«, wiederholte er besorgt. »K-8, was wollte Jabba aus ihm herausholen? Hat er es auf imperialen Befehl hin getan?«

»Mein ehemaliger Master schmeichelt sich bei niemandem ein«, antwortete der Droide. »Er verkauft an den Meistbietenden. Zu seiner Enttäuschung hat Mesoriaam selbst unter der Folter nichts verraten.«

»Da ihr jetzt wißt, was ich bin und was dieser Punkt enthält«, sagte Mesoriaam, »kann euch niemand daran hindern, die Information an den Präfekten zu verkaufen. Aber wenn ihr das macht, denkt daran, daß es im Imperium für Nichtmenschen keinen Platz gibt. In den stolzen Tagen der Republik hatten alle Wesen die gleichen Rechte. Seht euch um und sagt mir dann, ob dies noch immer der Fall ist.«

Kabe verzog ungeduldig das Gesicht. »Wenn dein Freund uns dreißigtausend Kredits zahlt, kann er von mir aus…« Sie wirbelte abrupt herum. »Was war das?«

Im Korridor gingen die Lichter an. »Oh, nein«, stöhnte K-8LR. »Das scheint mir keine besonders vielversprechende Entwicklung zu sein.«

Muftak zog seinen Blaster. »Verschwinden wir von hier. Sofort.«

 

Der Talz hielt den Atem an, als er mit gezücktem Blaster den Korridor betrat, aber es war niemand zu sehen. Kabe folgte ihm und versuchte, eine weitere Kostbarkeit in ihren bereits prall gefüllten Sack zu stecken. »Zu Jabbas Thronsaal, Muftak. Dieses Kunstwerk muß Millionen wert sein.«

Muftak starrte sie ungläubig an. »Kabe, bist du verrückt? Wir müssen von hier…«

Aus dem Salon stürzten zwei stämmige, schweineähnliche Gamorreaner, schwenkten drohend ihre Streitäxte und grunzten obszön. Muftak schirmte Kabe mit seinem Körper ab, und beide wichen vor den Angreifern zurück. Der Talz drückte den Abzug seines Blasters – aber nichts geschah. »Erschieß sie, Muftak!« schrillte Kabe.

Muftak gab ein frustriertes Summen von sich. »Ich versuche es ja!«

Während er weiter zurückwich, überprüfte er eilig die Waffe. Die Gamorreaner quiekten aufgeregt miteinander; offenbar sprachen sie ihr weiteres Vorgehen ab. Verzweifelt säuberte Muftak den Kontakt der Energiezelle und sah, wie die Zündspule aufglühte. Endlich! Er zielte auf den nächsten Wachposten und feuerte. Die Waffe fauchte, und ein Energieblitz traf die Schneide der Axt, die dieser schützend vor sich hielt. Die Gamorreaner gingen in Deckung, und im selben Moment stürzte aus einer anderen Tür ein zwergenhafter Jawa und feuerte mit seinem Blaster. Muftak gab ein paar weitere Schüsse ab und trieb den Jawa zurück in den Raum, aus dem er gekommen war.

»Hier entlang!« Kabe rannte am Haupteingang vorbei, einem verstärkten Sicherheitsschott, groß genug, um den riesigen Hutt passieren zu lassen. Ein Blick verriet Muftak, daß es elektronisch verriegelt war.

Die Chadra-Fan trippelte Richtung Thronsaal. »Da hinten ist ein zweiter Ausgang – halte sie auf, damit ich die Tür öffnen kann!«

»Sie aufhalten?« schrie Muftak. »Wie?« Er folgte Kabe, und sie stürmten in den großen, runden Thronsaal. Die Rückseite des Raums wurde vom prunkvollen hölzernen Thronpodest des Hutts beherrscht; darüber hing ein riesiger Gobelin, der eine groteske Szene aus dem Familienleben des Hutts zeigte.

Wie Kabe gesagt hatte, gab es tatsächlich eine zweite, kleinere Tür – aber sie war ebenfalls elektronisch verriegelt. »Was jetzt?« keuchte Muftak. »Wir sitzen in der Falle!«

»Vielleicht kann ich sie öffnen…«, begann Kabe unsicher. »Aber dazu brauche ich Zeit…« Sie zog den Nervendisruptor aus dem Sack, stellte ihn auf den Boden, richtete ihn auf den Eingang und schaltete ihn ein. »Das wird den Eingang blockieren!«

Die Zeit war gegen sie – sie hatten den Raum erst zur Hälfte durchquert, als weitere Gamorreaner durch die Tür stürzten und dabei wie Tusken-Reiter heulten. Einer war mit einem Blaster bewaffnet. Tödliche Blitze zuckten als Querschläger durch den Raum, als Muftak Kabe packte und mit einem verzweifelten Satz hinter Jabbas Thronpodest sprang.

Das Blasterfeuer brach abrupt ab. Die beiden Diebe spähten aus ihrer Deckung hervor und sahen, wie sich die vier Gamorreaner im Eingang krümmten und vor Schmerz und Wut jaulten. Muftak zielte sorgfältig und streckte drei von ihnen nieder. Der vierte floh in den Korridor.

Kabe kroch zur Hintertür. »Ich öffne sie…«

Dann brach die Hölle los. Zehn Wächter der unterschiedlichsten Spezies erschienen im Eingang und deckten sie mit massivem Sperrfeuer ein. Kabes Disruptor hielt sie im Moment noch zurück, aber sie waren hinter dem Podest gefangen.

»Lange stehen wir das nicht mehr durch«, grunzte Muftak. Er zielte und schoß auf die Wachen, die sich im Eingang drängten. »Früher oder später wird einer ihrer Schüsse den Disruptor treffen – und dann erledigen sie uns.«

Kabes einzige Antwort war ein verängstigtes Wimmern.

 

Muftak spähte über das Podest, suchte nach einem lohnenden Ziel und entdeckte hinter der Horde kalkweiße Albinogesichtszüge. Bib Fortuna… Jabbas Twi’lek-Majordomus, der zweifellos den Kampf vom sicheren Korridor aus befehligte. Ein schrilles Fauchen von oben lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich, und er blickte hoch und sah ein riesiges, die gesamte Mitte des Thronsaals umspannendes Netz an der Decke hängen. Er hatte von dem Netz und seinen Bewohnern gehört, Kayvenpfeifer, fliegende Fleischfresser mit einem Appetit, der so groß und scharf wie ihre Zähne war. Jabba benutzte die Kayven, um widerspenstige Geschäftspartner zu »überreden«, Verträge abzuschließen, die für den Hutt günstig waren.

Muftak zielte auf den Rumpf eines muskulösen Abyssinen und schoß. Das Wesen brach mit einem Schrei zusammen. »Muftak, was sollen wir bloß tun?« wimmerte Kabe und drängte sich schutzsuchend an ihn.

»Wenn wir nur diese Tür öffnen könnten«, murmelte der Talz halb zu sich selbst. Aber sie war zu weit entfernt…

Ein weiterer Blasterschuß sengte so dicht an seinem Kopf vorbei, daß sich Muftak über Kabe warf und sie fast unter sich zerquetschte. Prasseln und Knistern erfüllten die Luft; der Gobelin hinter ihnen brannte jetzt an einer Stelle und schmorte an mehreren anderen. Das war es also… wir kommen hier nicht mehr lebend raus, dachte er. Ich werde nie von diesem sandigen Höllenplaneten wegkommen, nie Alzoc III sehen… nie den Nektar dieser Blumen kosten…

»Geh runter von mir!« stöhnte Kabe unter ihm. Er richtete sich halb auf, keuchend und hustend im dichten Rauch. Kabe starrte mit aufgerissenen Augen das Feuer an. »Muftak…«, schluchzte sie.

Der Talz spähte mit zusammengekniffenen Augen durch den Rauch und feuerte auf einen Gamorreaner, aber durch die schlechten Sichtverhältnisse verfehlte er ihn. Energiestrahlen zuckten durch die Luft. Ein Blasterblitz traf den Nervendisruptor und zerstörte ihn.

Jetzt machen sie uns fertig! dachte Muftak, aber die Wächter hielten sich immer noch zurück. Offenbar hatten sie nicht erkannt, daß der Eingang jetzt frei war – entweder das, oder der Rauch schreckte sie ab. Vielleicht hat Bib Fortuna ihnen befohlen, nicht anzugreifen, weil er glaubt, daß wir ohnehin verbrennen werden, dachte er. Auf diese Weise braucht er nicht das Leben weiterer Wachen zu riskieren.

Ohne Vorwarnung schwang die Hintertür auf.

Frische Nachtluft drang herein, entfachte das Feuer und wirbelte den Rauch auf. Muftak ergriff die beiden Beutesäcke und drückte sie Kabe in die Hände. »Lauf zur Tür!« befahl er. »Ich gebe dir Deckung!«

Die Chadra-Fan zögerte. »Aber was ist mit dir?«

»Ich komme gleich nach!« log er. Jemand, der so klein und flink wie Kabe war, konnte es mit seiner Rückendeckung vielleicht durch die Tür schaffen, aber der große, schwerfällige Muftak hatte keine Chance. Aber zumindest Kabe würde leben. Und sich dank der Diebesbeute in diesen Säcken nie wieder Sorgen um ihren Lebensunterhalt machen müssen.

»Los!« schrie er und gab ihr einen Stoß. Er feuerte auf die Wachen und verfolgte aus den Augenwinkeln, wie Kabe durch den Rauch stolperte.

Ein Feuerhagel trieb ihn wieder in die Deckung zurück, aber da verschwand Kabe auch schon durch die Tür. Der Macht sei Dank. Er hob den Blaster, der inzwischen so heiß war, daß er ihm die Pranke verbrannte, und bereitete sich darauf vor, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen…

 

Keuchend und würgend stolperte Kabe aus dem Ausgang in die Nacht. Die schweren Beutesäcke behinderten sie, aber sie hätte sich eher den Arm abgeschnitten, als sie loszulassen. Geduckt passierte sie ein Tor, gelangte in einen ummauerten Garten und sank luftschnappend gegen eine lebensgroße Skulptur von Jabba. Sie hörte das Fauchen weiterer Blasterschüsse. Wo blieb Muftak?

Die Chadra-Fan spähte durch das Tor zur Hintertür des Thronsaals, aus der dichte Rauchwolken quollen. Mit jeder Sekunde ließ der Schmerz in ihrem hämmernden Herzen und ihrer gepeinigten Lunge nach. Noch immer keine Spur von Muftak. Kabe blickte zur Straße und hörte, wie sich von allen Seiten Feuerwehrleute und Wasserverkäufer dem Stadthaus des Hutts näherten.

Wo im Namen der Macht steckte Muftak?

Kabe zuckte zusammen, als aus dem Thronsaal der Lärm weiterer Blasterschüsse drang. Rauch verdunkelte die Nacht und verdeckte die Sterne. Der gesamte Saal mußte in Flammen stehen… Muftak!

Grimmig erkannte die kleine Chadra-Fan, daß ihr Freund nie vorgehabt hatte, ihr zu folgen. Er hatte sein Leben geopfert, damit sie fliehen konnte. Langsam hob sie die beiden prallen Säcke hoch. Sie wäre ja verrückt, wenn sie das Abschiedsgeschenk des Talz wegwarf… Muftak wollte, daß sie entkam – mit der Beute.

Kabe machte einen Schritt auf das Tor auf der anderen Seite des Gartens und die dahinterliegende Gasse zu. Bilder blitzten vor ihrem inneren Auge auf, Bilder von sich selbst, wie sie hungernd und wimmernd in der Gasse lag, zu schwach zum Laufen, fast zu schwach zum Gehen. Muftak hatte sie aufgehoben, unter den Arm geklemmt und sie zu seiner Behausung getragen… hatte Wasser für sie gekauft und Essen…

Kabe machte einen weiteren Schritt…

Die Säcke entglitten den Fingern der Chadra-Fan und plumpsten neben dem steinernen Schwanz der Skulptur in den Sand. Kabe versetzte ihnen einen wütenden Tritt, denn sie wußte, daß die Säcke hier draußen binnen zwei Sekunden verschwinden würden, selbst wenn sie sie versteckte. »Verdammter Muftak!« fluchte sie.

… fuhr herum und rannte zurück in den Thronsaal.

Der Rauch war dicht, aber Kabe zwitscherte laut und lokalisierte Muftaks Schwingungen. Der Talz war noch immer dort, wo sie ihn zurückgelassen hatte, doch der Raum war jetzt voller vorrückender Wachen. Muftak erwiderte ihr Feuer, aber die Energiequelle seines Blasters war fast erschöpft – der Strahl flackerte, als sie über den Boden des Thronsaals kroch.

Mit tränenden Augen und erstickt hustend lauschte Kabe erneut auf seine Schwingungen und sah plötzlich eine Gestalt vor sich. Ein Rodianer. Sie sprang ihn an und bohrte ihre spitzen Zähne in das Bein des Wächters. Er kreischte, ließ seinen Blaster fallen und schlug mit den Fäusten nach ihr. Die Chadra-Fan ließ ihn los, ergriff den Blaster und schoß dem Wächter mitten ins Gesicht. »Muftak!« schrillte sie. »Komm! Ich gebe dir Deckung!«

Trotz des Lärms hatte er sie irgendwie verstanden. Kabe zwitscherte wild in dem Chaos aus Rauch, Flammen und schiebenden Körpern und wurde mit einem Echobild von dem Talz belohnt, wie er hinter dem Podest hervorkroch.

Sie kauerte nieder, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten, und feuerte die ganze Zeit auf alles, was sich bewegte. Sie konnte Muftak sehen; er pflügte mit seinem mächtigen Körper durch die Wachen, als wären sie Kinder, und schlug jeden nieder, der sich ihm in den Weg stellte.

»Hier drüben!« rief Kabe. »An der Tür!«

Muftak kam auf sie zu – und sah sich plötzlich zwei Gamorreanern gegenüber, die grunzend und quiekend Drohungen ausstießen. Kabe zielte sorgfältig und schoß einem in den Rücken. Sein Partner fuhr zu ihr herum, und Muftak trieb ihn mit einem Tritt zurück.

Plötzlich drang eine neue Stimme durch den Lärm. »Freund Talz! Freund Talz – halten Sie sich bitte von der Mitte des Raums fern!«

Kabe spähte durch den Rauch und sah, wie sich K-8LR auf der anderen Seite des Thronsaals durch ein Fenster beugte. Muftak gehorchte und wandte sich in die andere Richtung, als das riesige Netz von der Kuppeldecke fiel und die meisten Wachen unter sich begrub.

Die Schreie und quiekenden Laute der Wachen mischten sich mit dem gierigen Heulen der Kayvenpfeifer. Das Netz wogte heftig.

Mit einem letzten großen Schritt erreichte Muftak die Chadra-Fan, hob sie im Laufen hoch und stürzte durch die offene Tür.

»Laß mich runter!« schrillte Kabe, kaum, daß sie aus dem Stadthaus waren. Hastig eilte sie zu den Schatten der Statue, aber die Säcke waren natürlich verschwunden.

Die Schultern der Chadra-Fan sackten nach unten. »Banthamist!«

»Kabe… du bist zurückgekommen…«

Es war Muftak, und er betrachtete sie mit ungläubigen, rauchverklebten Augen. »Ich dachte, du wärest inzwischen schon halb zu Hause.«

Kabe versetzte der bröckelnden Gartenmauer einen wütenden Tritt. »Muftak, du bist so verdammt dumm! Natürlich hätte ich dich zurücklassen können. Dann wärest du jetzt bestimmt schon Banthafutter!«

Der Talz sah sie forschend an und gab plötzlich ein vergnügtes Summen von sich. »Kabe… du hast mir das Leben gerettet. Du und K-8. Du bist zurückgekommen, um mich zu retten.«

Die Chadra-Fan stemmte die Hände in die Hüften und funkelte ihn an. »Nun, natürlich habe ich es getan, du Idiot! Wir sind Partner, oder nicht?«

Muftak nickte. »Das ist keine Frage, Kabe. Partner. Komm, laß uns von hier verschwinden.«

Die beiden trotteten weiter, hielten sich dabei automatisch in den Schatten und wichen den Passanten aus. Hinter ihnen fraß sich das Feuer immer weiter. »Die Wände brennen nicht«, stellte Muftak fest, »aber der Rest des Hauses ist verloren.«

»Jabba ist so reich, daß er sich problemlos ein neues bauen kann«, sagte Kabe. »Muftak… eine Sache irritiert mich. Wer hat die Tür geöffnet?«

»Es muß der Droide gewesen sein«, antwortete der Talz. »Ich hoffe nur, Bib Fortuna hat nicht gemerkt, daß er uns geholfen hat. Wenn doch, dann gibt es für K-8LR keine Hoffnung.«

»Wohin gehen wir jetzt?« fragte die stets praktisch denkende Kabe.

»Zu Momaw Nadons Haus. Er wird uns verstecken… sofern er noch am Leben ist. Und da ich keine Meldung über seinen Tod gehört habe, muß er es irgendwie geschafft haben, Alima zu überlisten.«

»Aber wir können hier nicht bleiben…«, jammerte Kabe. »Unser Leben ist keine Sarlaccspucke mehr wert, wenn Jabba herausfindet, wer sein Haus zerstört hat!«

Muftak warf ihr einen langen Blick zu. »Du hast recht… hier können wir nicht bleiben. Wir müssen Mos Eisley und Tatooine verlassen, bevor man uns auf die Schliche kommt.«

»Wie, Muftak? Wir haben fast unsere ganze Beute verloren!« Was nicht ganz stimmte… Kabe konnte die Wölbungen von einem halben Dutzend Edelsteinen in den Taschen ihrer Robe spüren.

»Hast du den Datenpunkt vergessen?« Selbstzufrieden tätschelte der Talz seinen pelzigen Bauch.

Kabe starrte ihn mit großen Augen an und plapperte dann glücklich vor sich hin. »Dreißigtausend! Und sie werden uns gehören! Und du wolltest diesen Raum nicht mal betreten… Ich mußte dich praktisch zwingen! Ich habe dir gesagt, daß du diese Nacht nie bereuen wirst, Muftak, oder? Habe ich das nicht gesagt?«

Der große Talz nickte schweigend. Zwei Nächte später, in dem Geheimversteck unter den Wurzeln des fleischfressenden ithorianischen Vesuvague-Baums, stand Muftak dem Mon Calamari gegenüber, den Momaw Nadon zu ihnen gebracht hatte. »Barid Mesoriaam sagte, daß er nur für General Dodonnas Augen bestimmt ist«, erklärte der Talz.

»Ich verstehe«, sagte das Fischwesen und streckte eine schwimmhautbewehrte Hand aus. »Den Datenpunkt, bitte.«

»Zuerst das Geld«, mischte sich Kabe ein. »Halten Sie uns etwa für Idioten?«

Schweigend zog der Mon Calamari ein Bündel Kredits aus seiner Tasche. Die Augen der Chadra-Fan leuchteten auf. Muftak zählte hastig nach. »Das hier sind nur fünfzehntausend«, beschwerte er sich. »Man hat uns aber dreißigtausend versprochen.«

»Ich habe etwas besseres als Kredits«, versicherte der Kontaktmann der Rebellen und griff wieder in seine Tasche.

»Was könnte besser als Kredits sein?« fauchte Kabe verächtlich.

»Das hier«, erklärte der Spion und präsentierte zwei amtlich aussehende beglaubigte und versiegelte Dokumente. »Zwei Transitbriefe, unterzeichnet von Großmufti Tarkin persönlich. Damit können Sie überall hin!«

Muftak riß alle vier Augen auf und starrte die Dokumente an. Transitbriefe! Damit konnten sie nach Alzoc III reisen – und anschließend vielleicht nach Chadra, Kabes Heimatwelt.

»Aber wir wissen immer noch nicht, wie wir unbemerkt aus Mos Eisley verschwinden können…«, sagte Muftak. Er nahm die kostbaren Dokumente und das Geld und verstaute beides in seinem Bauchbeutel. Ernst überreichte er den Datenpunkt.

»Dafür ist bereits gesorgt, mein Freund«, sagte Momaw Nadon und trat aus den Schatten. »Ihr reist noch heute nacht ab. Jetzt, wo ihr diese Papiere habt« – der Ithorianer richtete ein Stielauge auf Muftaks Bauchbeutel mit den Transitbriefen – »werdet ihr eines Tages vielleicht der Rebellion einen weiteren Dienst erweisen können.«

»Rechne nicht damit, Momaw«, schrillte Kabe. »Wir arbeiten nur für uns selbst, nicht für irgendeine Rebellion, stimmt’s, Muftak?«

Der Talz kratzte sich am Kopf und antwortete nicht.

 

Kabe reckte den Kopf und blickte durch das Bullauge des kleinen Frachters auf die goldene Welt unter ihnen, die sich träge im Licht der Doppelsonne drehte. »Ich hätte nie erwartet, daß ich eines Tages auf Tatooine hinuntersehen würde«, zwitscherte sie ein wenig unbehaglich. »Ich könnte einen Drink gebrauchen, Muftak.«

»Erst, wenn wir angekommen sind«, wehrte der Talz ab. »Wir wollen schließlich nicht raumkrank werden. Aber auf Alzoc… ah, dort können wir den köstlichsten Nektar schlürfen, den es gibt!«

»Was ist mit Jurisaft?« fragte sie enttäuscht. »Sag ja nicht, daß ihr dort keinen Jurisaft habt, Muftak!«

Muftak summte leise. »Ich weiß es nicht, meine Kleine«, sagte er sanft. Bei jeder Bewegung konnte der Talz die Transitbriefe in seinem Bauchbeutel spüren. Zuerst Alzoc III, dachte er. Dann, vielleicht, Chadra… und danach? Wer weiß? Die Rebellion war großzügiger zu uns, als es das Imperium je war oder je sein wird… Wenn wir unsere Heimatwelten gesehen haben, ist es vielleicht an der Zeit, noch einmal über die Rebellion nachzudenken.

Kabe blickte noch immer aus dem Bullauge und schimpfte leise und wütend vor sich hin, weil sie keinen Jurisaft bekam. Aber plötzlich sah sie zu ihrem großen Freund auf, und in ihren Knopfaugen funkelte es. »Mir ist gerade ein weiterer Grund eingefallen, warum ich glücklich sein kann, Mos Eisley hinter mir gelassen zu haben, Muftak.«

»Was für ein Grund, meine Kleine?«

»Wenigstens muß ich mir nie mehr diesen… diesen Krach anhören, den Figrin D’an veranstaltet. Vor allem seine Version von ›Die sequentielle Passage der chronologischen Intervalle.‹ Dieses Stück tut meinen Ohren wirklich weh…«

Muftak strich über seinen Rüssel und gab ein leises, vergnügtes Summen von sich.