Imperiums-Blues:

Die Geschichte des Devaronianers

Daniel Keys Moran

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Um es direkt zu sagen, ich glaube nicht, daß wir an jenem Nachmittag mehr als fünf Minuten brauchten, um die Rebellen hinzurichten.

 

Die Rebellion auf Devaron hatte keine Chance. Meine Heimatwelt ist nur dünn besiedelt, selbst von uns Devaronianern, und politisch unbedeutend, aber sie liegt in der Nähe des Kerns. In der Nähe des Imperators, möge er zu Eis gefrieren.

Ich war Kardue’sai’Malloc, der dritte Kardue in direkter Folge mit diesem Namen; ein Devaronianer und Captain in der devaronianischen Armee.

Die Kardue hatten schon sechzehn Generationen lang in der devaronianischen Armee gedient: in den Klon-Kriegen und sogar in den alten Zeiten, als niemand daran glaubte, daß die alte Republik jemals untergehen würde. Das Leben in der Armee gefiel mir, und ich der Armee. Abgesehen von dem Streß, den der Umgang mit dem Imperium mit sich brachte, und der verhaßten Notwendigkeit, während der Rebellion devaronianische Truppen dem imperialen Kommando zu unterstellen, war es ein erträgliches Leben.

Sechzehn Generationen militärischen Dienstes endeten an dem Nachmittag, an dem wir die Rebellen-Stellungen in Montellian Serat überrannten. Ich brauchte noch ein halbes Jahr, um die Panzerung endgültig an den Nagel zu hängen, aber dieser Moment war der Anfang vom Ende.

Montellian Serat ist eine alte Stadt. Nun, sie war es; sie existierte bereits, bevor mein Volk zu den Sternen flog. Daß die Rebellen sich dort verschanzten, war taktisch gesehen eine Idiotie, aber nicht überraschend. Ich ließ während der Nacht die uralte Stadtmauer mit Granatwerfern beschießen, und im Morgengrauen stellte ich den Beschuß lange genug ein, um den Rebellen Gelegenheit zur Kapitulation zu geben. Sie akzeptierten das Angebot, legten ihre Waffen an der zertrümmerten Mauer am Stadtrand nieder und kamen nacheinander heraus: Männer und Frauen, insgesamt siebenhundert Soldaten.

Ich trieb sie in ein eilig errichtetes Gefangenenlager und stellte Wachen auf. Ich befürchtete einen Befreiungsversuch; einen halben Tagesmarsch weiter südlich leistete eine andere Rebellen-Gruppe noch immer Widerstand.

Unsere Befehle trafen gegen Mittag ein. Die Rebellen bewegten sich angeblich Richtung Norden; ich sollte mit meiner Einheit losmarschieren und sie abfangen. Ich sollte keinen meiner Männer zur Bewachung der gefangenen Rebellen zurücklassen.

Die Befehle gingen nicht ins Detail… aber sie waren unmißverständlich.

Ich ließ sie am frühen Nachmittag hinrichten. Ich zog die Wachen zurück, stellte die Rebellen in einem Halbkreis auf und ließ dann das Feuer auf sie im Lager eröffnen. Es dauerte fast fünf Minuten, bis die Schreie verstummten, und ich war sicher, daß alle siebenhundert tot waren.

Es blieb keine Zeit, sie zu begraben.

Wir marschierten nach Süden in die nächste Schlacht. Alles in allem dauerte es fast ein halbes Jahr, um die Rebellion auf Devaron niederzuschlagen. Rebellionen, selbst jene, die scheiterten, sind langwierige Angelegenheiten. Als alles vorbei war, reichte ich meinen Abschied ein. Zunächst konnten sich meine Vorgesetzten, ausnahmslos Menschen, nicht entscheiden, ob sie mich gehen und zulassen sollten, daß mich meine »eingeborenen« Artgenossen umbrachten, sobald ich nicht mehr unter dem Schutz der imperialen Armee stand, oder ob sie meinen Antrag ablehnen und mich wegen Verrats hinrichten lassen sollten, weil ich es überhaupt gewagt hatte, auf einen derartigen Gedanken zu kommen.

Soweit ich mich erinnere, war es mir egal.

Sie ließen mich ziehen.

Ich verschwand. Weder meine imperialen Vorgesetzten noch meine Familie oder meine Freunde, die meine Hörner begehrten und die ich zurückließ, sahen mich – oder meine Musiksammlung – jemals wieder.

 

Zeit verging.

 

Auf der anderen Seite der Galaxis, auf dem kleinen Wüstenplaneten Tatooine, in der Hafenstadt Mos Eisley, in einer versteckten Bar in der Nähe des Zentrums der heißen, staubigen Stadt, blickte ich von meinem leeren Glas auf und lächelte meinen alten Freund Wuher an.

Es war ein höfliches Lächeln. Bei uns Devaronianern sind die Unterschiede zwischen Mann und Frau weit stärker ausgeprägt als bei anderen Spezies. Männer haben schärfere Zähne als Frauen; unsere evolutionären Vorfahren haben im Rudel gejagt. Frauen haben ebenfalls Reißzähne, aber auch Mahlzähne und können sich von Dingen ernähren, die für uns Männer unverdaulich sind. Doch etwa jeder fünfzigste devaronianische Mann wird mit beiden Sorten Zähnen geboren. Früher war es eine Überlebenshilfe; devaronianische Männer mit beiden Zahnsorten wurden vom Rudel als Späher eingesetzt. Sie hatten eine größere Reichweite und konnten in Gebieten überleben, wo ihre normalen Geschlechtsgenossen verhungert wären. Vielleicht ist es kulturell bedingt, vielleicht auch genetisch, aber Tatsache ist, daß Devaronianer mit Doppelzähnen im Rudel weniger Ansehen genießen als normale Männer.

Allerdings bezweifle ich, daß normale Männer geschafft hätten, was ich geschafft habe.

Meine äußere Zahnreihe ist weiblich, flach und ganz und gar nicht bedrohlich. Die innere Reihe, die aus scharfen, nadelspitzen Zähnen besteht, dient dem Reißen von Fleisch. Wenn ich mich bedroht fühle oder wütend bin, zieht sich die äußere Zahnreihe zurück. In derartigen Situationen ist es ein Reflex, aber ich kann es auch bewußt tun.

Manchmal mache ich es absichtlich. Es erschreckt die Menschen… nun, es erschreckt die meisten Nichtfleischfresser, aber Menschen sind ein besonderer Fall, eine ganze Spezies von Allesfressern. Es gibt nicht viele intelligente Spezies von Allesfressern in der Galaxis. Ich habe eine Theorie über sie entwickelt: Sie sind Fressen, das sich entschlossen hat, sich zu wehren. Baumbewohnende Beutetiere im Fall der Menschen. Ich schätze, ihre eigene Kühnheit hat sie selbst überrascht, und deshalb sind sie so nervös.

(Ein Mensch hat mir einmal einzureden versucht, daß Menschen Fleischfresser sind. Ich habe ihn nicht ausgelacht, trotz seiner Mahlzähne und seiner beiden lächerlichen, stumpfen Schneidezähne und einem Verdauungstrakt, der so lang ist, daß das Fleisch, das er aß, schon verrottet war, bevor es am anderen Ende wieder herauskam. Mit einem derartigen Körper würde sogar ich anfangen, Blätter zu fressen.)

Wuher reagierte auf mein höfliches, stumpfzähniges Lächeln wie immer mit einem finsteren Blick. »Lassen Sie mich raten, Labria. Das Glas hat einen Sprung.«

Wuher ist mein bester Freund auf Tatooine. Er ist ein untersetzter, häßlicher Mensch mit schlechten Manieren und ohne irgendeinen der menschlichen Vorzüge. Er haßt Droiden und interessiert sich ansonsten für nichts und niemanden. Ich mag ihn sehr. Seine Abscheu vor dem Universum ist von einer geradezu spirituellen Reinheit. Wenn es mir gelänge, ihn von seiner Liebe zum Geld zu befreien, könnte er sogar den Zustand der Gnade erreichen. »Ja, mein Freund. Es ist nicht mehr zu gebrauchen. Wenn Sie den Schaden beheben könnten…«

»Womit?«

»Oh, die bernsteinfarbene Flüssigkeit wäre geeignet, schätze ich.«

»Merenzane Gold?«

»Die Flasche trägt dieses Etikett«, bestätigte ich.

»Ein Merenzane Gold, macht null Komma fünf Kredits.«

Ich warf den halben Kredit auf den Tresen und wartete, während er mein Glas füllte. Merenzane Gold ist ein süßes, mildes Getränk, hinter dem viele tausend Jahre Brautradition stehen. Eine einzige Flasche kostet ab hundert Kredits aufwärts, je nach Jahrgang.

Ich nippte an meinem Drink und lächelte wieder. Köstlich. Man hätte damit auch Triebwerksdüsen reinigen können, würde es nicht den Hitzeschild angreifen. Ich schlenderte zu meiner Lieblingsnische, die am weitesten von der Bühne entfernt war, und machte es mir mit meinen Ohrenschützern gemütlich.

Ich war der erste Gast an diesem Morgen. Ich konnte mich kaum noch an die Zeit erinnern, als es anders gewesen war.

 

Tatooine ist ein häßlicher, nutzloser kleiner Planet. Das einzig Bemerkenswerte an ihm sind Jabba und die Piloten, die er Jahr für Jahr hervorbringt. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, warum Jabba seine Basis ausgerechnet auf Tatooine errichtet hat; vielleicht, weil er so weit vom Kern entfernt liegt, daß er für das Imperium keine Bedeutung hat. Im Grunde spielt es auch keine Rolle.

Was die Piloten betrifft, nun, Tatooine ist eine einzige Wüste voller Feuchtfarmen, die sich von Norden nach Süden erstrecken. Eine einzige Farm nimmt so viel Raum ein, daß die Farmer Gleiter benutzen müssen, wenn sie sich gegenseitig besuchen wollen; ihre Kinder lernen das Fliegen schon in jungen Jahren. Auf den meisten Farmen Tatooines braucht man einen Tag, um von einem Ende zum anderen zu wandern, aber wahrscheinlich würde man unterwegs verdursten.

Ich hasse Tatooine. Ich bin mir immer noch nicht sicher, warum ich überhaupt hiergeblieben bin. Eigentlich sollte er nur eine Zwischenstation sein, das weiß ich noch genau. Ich war Maxa Jandovar gefolgt, der großen – nun, groß für einen Menschen – Bandfillistin. Aber ich verpaßte sie. Sie war eine von einem halben Dutzend lebender Künstler, deren Live-Auftritte einen Besuch lohnten, und ich hatte sie noch nicht gesehen. Ich war schon seit einem halben Jahrzehnt hinter ihr her, graste die galaktische Provinz nach ihr ab, sprang von Planet zu Planet, aber stets verpaßte ich sie um Wochen oder Tage und, in einem Fall, der mich dem Zustand der Gnade fast greifbar nahebrachte, nur um einen halben Tag. Es gab keinen offiziellen Tourneeplan; die Gründe dafür lagen auf der Hand. Das Imperium würde sich zwar nicht die Mühe machen, sie zu jagen, aber wenn sie bekanntgab, wo sie als nächstes auftrat, würde sie bei ihrer Ankunft am Raumhafen mit Sicherheit von einer Abteilung Sturmtruppen erwartet werden.

Das Imperium traute Künstlern nicht. Vor allem nicht den großen. Politik interessierte sie nicht, und sie bestanden darauf, die Wahrheit auch dann zu sagen, wenn sie nicht erwünscht war.

Sie verhafteten Maxa Jandovar auf Morvogodine. Sie starb im Gefängnis. Ich befand mich auf Tatooine, als die Nachricht eintraf, und wollte soeben nach Morvogodine fliegen.

Irgendwie blieb ich dann hängen.

 

Nachtlilie die H’nemthe setzte sich ans Ende des Tresens und blickte gelangweilt und lüstern drein. Jemand tat mir mächtig leid.

»He, Wuher!«

Wuher blickte vom Ende des Tresens zu mir hinüber. »Ja?«

»Universelle Wahrheit Nummer Eins: Sagen Sie nie zu einer H’nemthe, die größer ist als Sie: ›Tja, warum beißen Sie mir nicht einfach den Kopf ab?‹«

Er lächelte nicht. Der Trottel.

In der Nische neben mir versuchten zwei Menschen, einen moorinischen Söldner zu einem Raubüberfall auf eine Bar am anderen Ende von Mos Eisley zu überreden; ich nahm mir vor, den Besitzer der Bar anzurufen und ihn – gegen Bezahlung – vor den Männern zu warnen. Nicht, daß es aussah, als würde der Mooriner ihnen helfen. Nur einer der Menschen beherrschte die Sprache des Söldners, sein Akzent war grauenhaft und seine Syntax gelegentlich hysterisch. Ich konnte erkennen, daß der Söldner Mühe hatte, sie ernst zu nehmen. Schließlich fauchte der Söldner, Obron Mettlo, sie an, daß er ein Soldat sei, ein Kämpfer; er erwähnte außerdem einige der Schlachten, in denen er gekämpft hatte. Von den meisten hatte ich tatsächlich schon gehört – falls er nicht log, war er ein erfahrener Profi.

»He, Wuher!«

Wuher blickte vom Ende des Tresens zu mir hinüber. »Ja?«

»Was ist jemand, der zwei Sprachen spricht?«

»Zweisprachig.«

»Jemand, der eine Sprache spricht?«

Er dachte einen Moment nach. »Einsprachig?«

»Ein Mensch.«

Fast hätte er gelächelt, aber er beherrschte sich im letzten Augenblick.

 

Der Tag zog sich in die Länge. Es war immer so. Ich trank genug, um die Welt halb zu vergessen, und wartete auf den Untergang der beiden Sonnen. Ich spazierte ein wenig herum, setzte mich ein paarmal an den Tresen und suchte einen Gesprächspartner, ich mischte mich sogar unters gemeine Volk und gab einem dienstfreien Sturmtruppler zwei Drinks aus. Reine Verschwendung; er war mehr an Frauen interessiert als an einer Unterhaltung, und ich bezweifelte ohnehin, daß er irgend etwas von Wert wußte. Aber so ist das nun einmal mit den Investitionen; eines Tages würde er vielleicht etwas wissen, sofern dies bei einem Sturmtruppler überhaupt möglich war. Und dann würde er vielleicht an seinen alten Freund und Saufkumpanen Labria denken.

Informationshandel ist im besten Fall ein riskantes Geschäft.

Ich kann nicht behaupten, daß ich gut darin bin.

 

Am späten Nachmittag tauchte Langschnauze auf. Bis dahin war es ein angenehmer Tag gewesen; Wuher hatte für diesen Tag keine Musiker engagiert, und ich mußte nicht einmal meine Ohrenschützer aufsetzen.

Langschnauze wollte mir Informationen verkaufen.

In meiner Ecknische, die so weit wie möglich von der Bühne entfernt war, lächelte ich ihn an. Das scharfe Lächeln. »Das ist ja was ganz Neues. Ich verzichte.«

Langschnauzes »Name« ist Garindan. Ich habe einmal von einem Protokolldroiden die Herkunft des Wortes ermitteln lassen. In fünf verschiedenen Sprachen bedeutet es jeweils »Gesegneter«, »verbranntes Holz«, »Staub eines Sturmes«, »häßlich« und »Toast«. Keine der fünf Sprachen wurde von einer Spezies gesprochen, die Langschnauze auch nur im entferntesten ähnlich sah.

Langschnauze ist der erfolgreichste Spion von Mos Eisley. In einer Stadt mit derart vielen Spionen heißt das einiges. Er bezahlt gutes Geld für Informationen; manchmal gebe ich ihm welche, die sich hinterher als wertvoll entpuppen. Manchmal welche, von denen ich schon vorher weiß, daß sie ihr Geld wert sind. »Aber Labria«, drängte er mit gesenkter Stimme, »diese Angelegenheit ist für dich von besonderem Interesse.«

»Gib mir einen Tip.«

Er schüttelte den Kopf, daß sein Rüssel vor meinem Gesicht hin und her pendelte. Ich widerstand dem unzivilisierten Drang, einen spitzen Fingernagel hineinzubohren. (In Langschnauzes Gegenwart habe ich oft Gelegenheit, Gnade vor Recht walten zu lassen.) »Fünfzig Kredits, Labria. Du wirst es nicht bereuen.«

Ich dachte darüber nach. Ich trank einen Schluck von dem ätzenden Gold und behielt ihn einen Moment im Mund, um meine hinteren Zähne zu schärfen. »Fünfzig Kredits sind eine Menge. Weiterverkäuflich? «

Er kratzte sich unter der Schnauze und überlegte. »Ich wüßte nicht, an wen.«

Etwas, das für mich von Interesse, aber nicht weiterverkäuflich war…

Ich spürte, wie sich meine Ohren spitzten. »Wer ist es?«

»Fünf…«

»Ich bezahle. Wer ist auf dem Planeten eingetroffen?«

»Figri…«

Ich sprang auf. »Feuerkopf Figrin D’an ist auf Tatooine

Er machte ein Geräusch, das wie Urk klang. »Die… anderen… gucken… schon.«

Ich sah mich um. Ein paar von den anderen Gästen beobachteten uns tatsächlich. Es war ein komisches Gefühl, all diese Blicke auf mir zu spüren. Ich ließ Langschnauze los, und sie wandten sich ab. »Tut mir leid. Die Aufregung.«

Er rieb sich die Kehle. »Deine Fingernägel müssen geschnitten werden.«

»Davon gehe ich aus.« Er setzte sich wieder, aber ich war zu aufgeregt. »Ist die Band bei ihm?«

»Fünfzig Kredits.«

Ich unterdrückte ein Knurren, zog eine Fünfzig-Kredits-Note aus der Tasche und drückte sie ihm in die ausgestreckte Hand. »Wer?«

»Sie spielen für Jabba.«

»Alle?«

»Die Modalnodi.«

»Das sind sie«, sagte ich mit vor Erregung bebender Stimme. »Doikk Na’ts an der Fizzz, Tedn Dahai und Ikabel G’ont an der Fanfar, Nalan Cheel am Bandfill, TechMo’r an der Ommni…«

»Ja. So heißen sie.«

Oh, Mann.

Die größte Jizzband der Galaxis war in der Stadt.

 

Ich verließ die Bar früher als gewöhnlich, kaum, daß es draußen dunkel geworden war. Wuher nickte mir beim Hinausgehen zu. »Bis morgen, Labria.«

Ich erwiderte sein Nicken und trat hinaus in die heiße Nacht.

 

»Labria« ist in meiner Muttersprache ein extrem schmutziges Wort. Frei übersetzt bedeutet es »kaltes Essen«, aber durch die Übersetzung geht einiges vom Pfeffer verloren.

Bei meinen Hörnern, ich verstehe die Menschen nicht, obwohl ich jetzt schon zwei Jahrzehnte unter ihnen lebe. Die Dinge, bei denen sie fluchen! Sex, Exkremente und Religion.

Ich werde sie nie verstehen.

 

Es gibt vierhundert Milliarden Sterne in der Galaxis. Die meisten davon haben Planeten; etwa die Hälfte der Planeten können Leben tragen. Rund ein Zehntel dieser Planeten haben eigenes Leben hervorgebracht, und auf rund einem Tausendstel dieser Welten haben sich intelligente Wesen entwickelt.

Das sind nur grobe Schätzungen. Aber in der Galaxis muß es über zwanzig Millionen intelligente Rassen geben. Niemand kann sie alle im Auge behalten, nicht einmal das Imperium.

Ich habe keine Ahnung, wie viele Kopfgeldjäger es in Mos Eisley gibt. Hunderte von Profis, schätze ich. Und Zehntausende, die ohne einen Moment nachzudenken Kopfgeldjäger werden würden, wenn das Kopfgeld hoch genug ist und sie den Gesuchten kennen.

Auf die Hörner des Schlächters von Montellian Serat sind fünf Millionen Kredits ausgesetzt. Aber Devaron liegt auf der anderen Seite der Galaxis, und auf ganz Tatooine gibt es vielleicht nur ein Dutzend Intelligenzwesen, die mit Bestimmtheit wissen, welcher Spezies ich angehöre. (Es leben noch zwei weitere Devaronianer auf dem Planeten, Oxbel und Jubal. Ich mag Oxbel mehr; einmal, bei einem ziemlich komplizierten Betrugsmanöver, das nicht so funktionierte, wie wir gehofft hatten, haben wir uns als Brüder ausgegeben. Wir sehen uns überhaupt nicht ähnlich – sein Volksstamm hat sich am Pol entwickelt, meiner in der Nähe des Äquators –, aber die Menschen, die wir täuschen wollten, konnten den Unterschied nicht erkennen. Ich mag auch Jubal, aber ich traue ihm nicht. Er ist schon länger von Devaron weg als ich, und es ist durchaus möglich, daß er noch nicht einmal von dem Schlächter von Montellian Serat gehört hat – aber sicher ist sicher.)

(Sicherheit hat auch ihre Nachteile. Die nächste devaronianische Frau befindet sich auf der anderen Seite des Kerns. Allein der Gedanke läßt meine Hörner schmerzen.)

Die meisten Kopfgeldjäger sind faul. Wären sie es nicht, hätten sie einen anderen Beruf gewählt.

Und Nachforschungen gehören nicht gerade zu ihren Stärken.

Ich ging auf dem kürzesten Weg nach Hause.

 

Ein Grund zum Leben.

Ich wohne in einem kleinen unterirdischen Apartment, das rund zwölf Minuten von der Bar entfernt ist, sofern man schnell geht. Seit meinem Einzug ist dort zweimal eingebrochen worden. Beim ersten Mal war der Täter schon weg, als ich heimkam, beim zweiten Mal ertappte ich den Einbrecher auf frischer Tat. Ein junger Mensch. Wie sich herausstellte, schmecken Menschen nicht besonders gut.

Die Lampen flammten automatisch auf, als ich die Tür aufschloß und eintrat. Hinter der Tür führt eine Treppe hinunter in einen kalten, nach Schweiß riechenden Keller, dessen Kühlung astronomische Summen kostet. Die Hitzeaustauscherspulen schalten sich automatisch ein, wenn ich eintrete. Ich weiß aus langer Erfahrung, daß ich erst schlafen kann, wenn sie eine ganze Weile gearbeitet haben – und daß es erst richtig kühl sein wird, wenn ich wieder aufgewacht bin und es Zeit wird, sie auszuschalten.

In dem Apartment gibt es einen Raum, in dem ich meinen wertvollsten Besitz aufbewahre; glücklicherweise hat ihn keiner der beiden Diebe entdeckt. Vom Wohnzimmer kommt man ins Schlafzimmer und von dort aus ins Bad. Die Sanitäreinrichtungen sind auf menschliche Bedürfnisse abgestimmt, aber ich komme mit ihnen problemlos zurecht. In der Duschkabine muß ich nur gegen eine Kachel an der Wand drücken, und die Wand öffnet sich gerade weit genug, daß ich mich hindurchzwängen kann.

Ich zwänge mich durch den Spalt und betrete einen kleinen achteckigen Raum. Die Wände sind nicht perfekt; sie neigen dazu, die höheren Frequenzen zu reflektieren und die tieferen zu absorbieren, so daß buchstäblich alles heller klingt, als es eigentlich sollte. Zum Teil läßt sich das Manko ausgleichen, mit dem Rest muß ich eben leben.

Die Wand hinter mir schließt sich mit einem seufzenden Geräusch. Das Zimmer ist bereits gekühlt; es ist der erste Raum des Apartments, der gekühlt wird.

An den Wänden reihen sich die Chips aneinander.

Einige von ihnen sind einzigartig, davon bin ich überzeugt. Von unschätzbarem Wert. Kopien von Aufnahmen, die sonst niemand in der Galaxis besitzt. Andere sind lediglich selten und sehr teuer.

Ich habe alle. Oder, um genau zu sein, ich habe etwas von allen. Ich habe Musik, die vor einer Generation vom Imperium verboten wurde… von Musikern, die hingerichtet wurden, weil sie die falschen Texte auf falsche Weise vor den falschen Leuten gesungen haben, von Musikern, die spurlos verschwanden, von Musikern, die das Glück hatten, noch vor dem Aufstieg des Imperiums zu sterben.

Maxa Jandovar ist hier und Orin Mersai und Telindel und Saerlock, Lord Kavad und das Skaalite Orchester, M’lar’Nkai’kambric, Janet Lalasha und Mirakel Meriko, der vier Tage, nachdem ich sein letztes Konzert mit dem Superhit Sternentanz gesehen hatte, in einem imperialen Gefängnis starb. Die alten Meister Kang und Lubrichs, Ovido Aishara und der erstaunliche Brullian Dyll.

Ich habe zwei Aufnahmen von Feuerkopf Figrin D’an und den Modalnodi. D’an ist vielleicht der größte Klooist, den die Galaxis je gesehen hat. Was Doikk Na’ts betrifft… normalerweise spielt er mir zu bedächtig, zu vorsichtig… aber manchmal, manchmal fährt das Feuer in ihn, und dann spielt er die Fizzz so gut wie Janet Lalasha zu ihren Glanzzeiten.

Die meisten ihrer Begleitmusiker wären in jeder guten Band die Stars.

Ich lasse mich in den Sessel sinken, der exakt in der Mitte des Zimmers steht, wo der Klang am reinsten ist, öffne eine Flasche zwölf Jahre alten Dorian Quill und warte darauf, daß die Musik einsetzt.

Mein Volk glaubt, wenn man ein Wesen tötet, muß man es hegen und lieben, während es stirbt. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem, der tötet, und dem Wesen, das getötet wird, und während man tötet, stirbt man selbst.

Nur Musikhören erfüllt mich mit ähnlichen Gefühlen.

Die Musik überflutet mich, bis ich aufhöre zu existieren.

Ich sterbe, während ich töte.

Dafür lebe ich.

 

Ich bin froh, daß meine Väter tot sind.

 

Am Morgen ging ich Jabba besuchen.

Ich mußte mich auf die Falltür stellen, und sein Schwanz peitschte hin und her, während wir uns unterhielten. Das hat mich schon immer gestört. Ein Teil von mir hatte Angst; selbst Fleischfresser werden von größeren Fleischfressern gefressen. Ein anderer Teil von mir wollte sich auf ihn stürzen.

Er musterte mich mit diesen häßlichen geschlitzten Augen und lachte ein rumpelndes, unerfreuliches Lachen. »So… welche Information will mir mein am wenigsten geschätzter Spion verkaufen?«

Ich machte es gut. Ich sprach Huttisch mit ihm, was ich normalerweise zu vermeiden versuche; ich bekomme davon Halsschmerzen, und ich muß beide Zahnreihen benutzen, um einige der Laute zu erzeugen. Nach einem langen Gespräch tut mir die vordere Zahnreihe vom vielen Klappern weh. »Ein Söldner ist in der Stadt«, berichtete ich. Vor meinem Besuch bei Jabba hatte ich mich bemüht, so viele Informationen wie möglich über den Söldner zu sammeln. Es war nicht viel, aber schließlich war ich in Eile gewesen. Ich mußte schnell handeln – wenn Jabba D’an und die Nodi nicht mochte, würde ich sie vielleicht nie live spielen sehen. Und alle anderen auch nicht. »Obron Mettlo. Ein echter Profi, in Dutzenden von Schlachten gestählt, oft auf der Seite der Sieger, auf der Suche nach einer Festanstellung. Er ist Mooriner und…«

Er produzierte ein tiefes, grollendes Geräusch, das Interesse andeuten mochte. Jabba hatte eine Menge Muskeln, aber nicht viel Verstand, und die Mooriner galten als ebenso klug wie bösartig.

Ich machte weiter. »Wenn Sie wollen, könnte ich mich mit ihm in Verbindung setzen. Ihn hierherbringen… zum Essen vielleicht. Ein wenig Unterhaltung wäre nicht schlecht. Zum Beispiel Musik – Musik bekommt den Moorinern. Sie macht sie friedfertig.«

Er schloß halb die Augen; entweder war er gelangweilt oder er dachte nach. Schließlich kicherte er leise und befahl: »Schick ihn zu mir.«

Ich verbeugte mich und zog mich so eilig zurück, wie es die Höflichkeit erlaubte; ich wollte weg von dieser Falltür. »Wie Sie wünschen, Sir. Wir werden kommen – ist Ihnen heute abend recht?«

Er schenkte mir ein Lächeln, bei dem sich mir das Rückenfell sträubte. » Schick ihn zu mir«, verdeutlichte er. »Du bist nicht eingeladen.«

Ich blieb wie erstarrt am Rand der Falltür stehen, konnte kaum noch klar denken. Es mußte doch irgendeine Möglichkeit geben, ihn zu überreden…

Jabba grollte. Ein vertrautes Grollen; ich habe es auch schon von Devaronianern gehört – wenn sie im Rudel jagen. Reflexartig spitzte ich die Ohren und zog meine vordere Zahnreihe zurück. »Du kannst jetzt gehen.«

Ich verbeugte mich und eilte davon.

 

Ich verbrachte den Abend in der Bar und trank mir einen Vollrausch an.

Ich wußte, daß Jabba die Modalnodi an den Rancor verfüttern würde. Er hatte noch nie eine anständige Band gehabt, noch nie, nicht ein einziges Mal. Die Max Rebo Combo, die er letztens engagiert hatte, brauchte einen Eimer, um eine Melodie zu halten.

Aber am nächsten Morgen erfuhr ich, daß Rebo auf der Suche nach einem neuen Engagement war.

Jabba hatte eine neue Lieblingsband.

 

Es hätte mich fast umgebracht.

Vier Tage lang konnte ich nicht schlafen, weil ich ständig an sie denken mußte. Da waren sie, eine halbe Gleiterstunde von Mos Eisley entfernt. Spielten für ihn. Allein der Gedanke daran machte mich wahnsinnig. Ich verlor in jener Zeit so viel Gnade, daß ich der Verdammnis nahe gewesen wäre, wenn ich mich nicht selbst schon vor langer Zeit verdammt hätte.

Irgendwann im Laufe des fünften Tages hatte ich dann genug getrunken. Als ich erwachte, lag ich bäuchlings in der dunklen Gasse hinter der Bar, während mich irgend jemand mit der Schuhspitze anstieß. Ich wollte ihn schon in die Wade beißen…

Wuher kniete neben mir nieder. »Können Sie aufstehen?«

Der kühle Kies bohrte sich in meine Wange. Ich hatte Blutergüsse, Schrammen – langsam kehrte die Erinnerung zurück. Mehrere Unbekannte hatten mich zusammengeschlagen – mit schweren Holzknüppeln oder Metallstangen, wie ich mich vage erinnerte. Nur ein gewöhnlicher Raubüberfall. Ich konnte meinen rechten Arm nicht bewegen. »Ich glaube nicht.«

»Kommen Sie.« Mein Körper ist schwerer als der eines gleichgroßen Menschen; er hatte Mühe, mir auf die Beine zu helfen. Bei jeder Bewegung zuckte ein erstaunlich intensiver Schmerz durch meine Schulter. »Wo wohnen Sie?«

Er schleppte mich zu meinem Apartment und blieb an der Tür stehen, während ich am Schloß herumfummelte. »Brauchen Sie einen Arzt?«

Ich weiß nicht mehr, ob ich ihm geantwortet habe oder nicht. Es war eine dumme Frage. Auf Tatooine gab es keinen Arzt, der sich mit der devaronianischen Physiologie auskannte – und wenn doch, dann wollte ich ihn nicht kennenlernen.

Ich schaffte es bis zur Dusche, bevor ich zusammenbrach. Ich drehte das kalte Wasser auf und blieb bis zum Morgen darunter sitzen, während ich mich fragte, ob ich überhaupt weiterleben wollte.

 

Am Morgen mußte ich dauernd an meine Heimat denken. Ich blieb in meiner Wohnung und ließ den ganzen Tag die Hitzeaustauschspulen laufen. Gegen Mittag brachte ich die Kraft auf, eine Wompratte von der Länge meines Armes aus der Kühltruhe zu holen, sie auf Bluttemperatur zu erwärmen und mit ihr unter die Dusche zu gehen. Ich saß da unter den Wasserstrahlen, nackt, und aß, bis mein Bauch fast platzte, und als nur noch Knochen auf dem Boden der Duschkabine lagen, drehte ich das Wasser ab und schleppte mich in meine Bettgrube.

 

Es dauerte einige Zeit, bis ich mich sicher genug fühlte, um mich wieder unter Leute zu wagen. Mehrmals klingelte jemand an meiner Tür; ich öffnete nicht. In Mos Eisley verbreiten sich manche Neuigkeiten mit Überlichtgeschwindigkeit. Mos Eisley ist wie ein lebendes Wesen: Es frißt die Schwachen und Kranken. Ich hatte all diese Jahre überlebt, ohne mehr als nur ein paar meiner Mitbürger töten zu müssen. Inzwischen mußte jeder von dem Überfall auf mich gehört haben – die Menschen, die mich ausgeraubt hatten, waren vielleicht dumm genug gewesen, mit ihrer Tat zu prahlen, und in diesem Fall würden sie – wer immer sie auch waren – in meiner Tiefkühltruhe landen, noch ehe der Monat um war.

Doch ich wagte nicht, in die Bar zu gehen, bevor ich wieder bei Kräften war.

Der Arm brauchte am längsten zum Heilen; Wochen später war er noch immer steif und schmerzte, wenn ich ihn zu schnell bewegte. Aber ich hatte fast keine Vorräte mehr, also blieb mir keine andere Wahl. Früh am Morgen zog ich mich an, aktivierte die Alarmanlage und machte mich auf den Weg zur Bar.

Wuher blickte auf und nickte mir zu, als ich eintrat. Ich war der erste Gast. Er stellte ein Glas auf den Tresen und füllte es mit einer goldenen Flüssigkeit. »Das geht auf das Haus. Trinken Sie, bevor jemand reinkommt.«

Ich sah zuerst den Drink und dann Wuher an, und ich war fast genauso sprachlos wie damals bei Jabba, als er mir befohlen hatte, den Söldner allein zu ihm zu schicken. »Vielen Dank«, brachte ich endlich hervor. Er nickte, und ich hob das Glas…

Und erstarrte. Raubtiere haben eine bessere Nase als Pflanzenfresser. Irgend etwas stimmte nicht mit dem Schnaps. Er war…

Er goß sich ebenfalls einen Schnaps ein, während ich mein Glas anstarrte, prostete mir zu und stürzte ihn hinunter.

Merenzane Gold. Der echte Stoff. Teuer, rein, echter Merenzane Gold.

Wuher verkorkte die unetikettierte Flasche, während ich ihn nur anstarrte, verstaute sie unter dem Tresen und ging davon, um die Stühle von den Tischen zu stellen.

Ich nahm das Glas mit in meine Nische, setzte mich und trank es ganz langsam. Ich hatte nicht einmal gewußt, daß es eine Flasche echten Golds auf Tatooine gab. Ich hatte fast vergessen, wie er schmeckte.

Ich fragte mich, wie viele Jahre er diese Flasche schon aufbewahrte, ohne ein Wort darüber zu verlieren.

Bei der Kälte, ich bin ein lausiger Spion.

Etwas, auf das ich stolz sein kann.

 

Ich verbrachte den Morgen damit, mir die Gespräche in der Bar anzuhören. Ich war lange fort gewesen… und während ich mich vor der Welt versteckt hatte, waren interessante Dinge passiert. Gestern nacht hatte ein imperialer Sternzerstörer ein Rebellen-Raumschiff im Orbit angegriffen, und heute wurde ganz Tatooine von Sturmtruppen durchkämmt. Irgend jemand oder irgend etwas war ihnen entkommen.

Und es gab auch eine grauenhaft schlechte Nachricht. Der verdammte Söldner, den ich Jabba empfohlen hatte… er hatte zwei von Jabbas Leibwächtern angegriffen und beide erschossen, bevor er selbst an den Rancor verfüttert worden war. Es gab Gerüchte, daß der Söldner in Wirklichkeit ein von Lady Valarian bezahlter Attentäter gewesen war und es eigentlich auf Jabba abgesehen hatte…

Vielleicht hatte Jabba vergessen, wer ihn empfohlen hatte.

Und vielleicht gab mir Langschnauze meine fünfzig Kredits zurück.

 

Ich erfuhr es durch eine Vision.

Okay, das stimmt nicht ganz, kommt der Wahrheit aber nahe. Langschnauze schaute bei mir vorbei und erwähnte etwas Interessantes: Lady Valarian heiratete. Die Max Rebo Combo sollte bei der Hochzeit spielen.

Ich bemerkte kaum, daß Langschnauze wieder ging. Ich blickte ins Leere, durch die Mittagsgäste hindurch, die vor der Hitze in die Bar geflohen waren, hatte sie vergessen, hatte die Bar vergessen. Ich dachte nach.

»Wuher.«

Er brach sein Gespräch mit zwei menschlichen Frauen ab, die wie Klone aussahen: Sie hatten sich als die Tonnika-Schwestern vorgestellt. Wuher löste sich nur widerwillig von ihnen; nach menschlichen Maßstäben waren sie sehr attraktiv. »Ja?«

»Wie läuft das Geschäft?«

Er starrte mich mißtrauisch an. »Beschissen. Es läuft immer beschissen.«

»Wie wäre es, wenn Sie einmal richtige Musiker engagieren würden?«

»Rebo? Den kann ich mir nicht leisten, und seine Combo zieht sowieso nicht genug Zuschauer an. Es wäre ein reines Zuschußgeschäft.«

Ich schenkte ihm das höfliche Lächeln. »Figrin D’an und die Modalnodi. Sie sind Bith. Sie sind gut, Wuher. Ich meine richtig, richtig gut.«

»Was würden sie mich kosten?«

»Fünfhundert die Woche.«

Er bedachte mich wieder mit diesem mißtrauischen Blick. Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, dann muß irgend jemand dabei draufzahlen. »Tatsächlich? Eine Band, die besser ist als Rebos, ist bereit, für weniger Geld hier aufzutreten?«

»Ich denke, ich kann es arrangieren.«

»Wie?«

Ich erklärte es ihm. Als ich fertig war, sagte er mit ernster Stimme: »Sie sind ein ganz durchtriebener Hund, Lab.«

»Abgemacht?«

Er schüttelte den Kopf, aber er sagte: »Abgemacht.« Dann ging er kopfschüttelnd und vor sich hin murmelnd davon.

 

Lady Valarian ist die einzige halbwegs ernstzunehmende Konkurrentin von Jabba dem Hutt auf Tatooine. Das hat nicht viel zu bedeuten: Jabba toleriert sie, weil sich so alle Unzufriedenen um eine Person scharen. Sie ist eine Whiphidin, was bedeutet, daß sie dumm, riesig und häßlich ist, mehr Muskeln hat als ich und schlimmer stinkt als Jabba. Selbst nach einer langen, erfolglosen Jagd würde ich sie nicht essen.

Ich suchte sie in ihrem Hotel auf, dem Glücklichen Despoten. Der Glückliche Despot ist, um die Wahrheit zu sagen, kein besonders gutes Hotel, nur ein Raumschiff, das nie wieder starten wird.

»Es stimmt«, sagte ich. »Die Modalnodi. Der Bandleader ist Figrin D’an. Diese Gruppe macht eine derart fantastische Musik, daß Ihre Hochzeit in diesem Teil der Galaxis das Gesprächsthema Nummer Eins sein wird. Noch in Dutzenden Lichtjahren Entfernung wird man mit Neid und Sehnsucht von dem Musikspektakel sprechen, das die Hochzeit der großen Lady Valarian und ihres stattlichen Gemahls, dem tapferen D’Wopp, in das romantischste Ereignis verwandelt hat, das es je in dieser armseligen Galaxis gab.«

Sie funkelte mich an – nun, ich glaube, daß sie mich anfunkelte; es läßt sich bei diesen wahnsinnig kleinen Augen der Whiphiden schwer sagen – und fragte skeptisch: »Besser als Max Rebo? Ich liebe Max Rebo.«

Darauf wettete ich. Und sie hatte es eigentlich auch verdient, daß dieser häßliche Wicht auf ihrer Hochzeit aufspielte. »Gnädigste, Ihr Geschmack ist unvergleichlich, und niemand wird es wagen, dies zu bezweifeln.« Ich schenkte ihr das höfliche Lächeln. »Aber die Modalnodi sind zur Zeit die Lieblingskünstler von Jabba dem Hutt. Soll es etwa heißen, daß auf Ihre Hochzeit Musiker gespielt haben, die Jabba verschmähte, weil sie ihm zu schlecht erschienen?«

Sie brauchte eine Weile, um das zu verdauen. Ich hatte mich etwas zu kompliziert ausgedrückt; die Umgangssprache der Whiphiden umfaßt nur ein Vokabular von rund achttausend Worten. »Nein! Nein, das werde ich nicht zulassen! Ich will die Modalnoten!« Für einen Moment verriet sie Unsicherheit. »Glauben Sie, daß sie kommen werden?«

»Es wird Sie natürlich einiges kosten, Gnädigste. Wenn sie für Sie spielen, ziehen sie sich Jabbas Zorn zu. Sie müßten ihnen zwei-, vielleicht dreitausend Kredits bieten. Wenn Sie mir einen Kurierdroiden leihen, werde ich mit Freuden alles arrangieren.«

 

Am Morgen der Hochzeit rief ich Jabba an.

Er lachte ehrlich amüsiert, wie mir schien, als er mich sah. »Mein am wenigsten geschätzter Spion!« dröhnte er. »Vielleicht solltest du mich besuchen kommen. Wir könnten zusammen zu Abend essen und über den Söldner plaudern, den du mir empfohlen hast.«

»Ich habe Informationen, Jabba.«

»Hmmm.«

»Wissen Sie, daß Ihre Musiker verschwunden sind? Figrin D’an und die Modalnodi?«

»Hmmmph!« Er brüllte auf und schoß wie der Blitz aus dem Erfassungsbereich der Kamera. Ich hörte Schreie, das Klirren von Stahl, Scheppern… Ich stand geduldig vor der Kamera meines Koms und wartete darauf, daß er zurückkam, falls er überhaupt zurückkam. Nach einer Weile tat er es auch. »Hoooo«, machte er kopfschüttelnd. »Wo sind sie, mein am wenigsten geschätzter Spion?«

»Lady Valarian heiratet heute. Sie hat sie engagiert, auf ihrer Hochzeit im Hotel zum Glücklichen Despoten zu spielen.«

Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Und was verlangt mein am wenigsten geschätzter Spion für diese Information?«

Ich breitete meine Hände aus. »Lassen Sie uns einfach eine gewisse unglückliche Empfehlung vergessen…«

Er sah mich durch die Augenschlitze eine Sekunde lang an und lachte dann donnernd. »Mein am wenigsten geschätzter Spion, du kannst mich wieder anrufen.«

Er unterbrach die Verbindung.

Kalter Schweiß tröpfelte durch das Fell auf meinem Rücken.

 

Wuher hatte sich für die Hochzeit herausgeputzt. Er hatte sein Hemd gewechselt.

Die Bar war dunkel und still; ich hatte sie noch nie in diesem Zustand erlebt, abgesehen von den ersten wenigen Minuten am Morgen. Ich gab Wuher meine Einladung. Lady Valarian hatte sie mir gegeben, als Anerkennung für meine erfolgreichen Bemühungen, die »Modalnoten« für ihre Hochzeit zu verpflichten, während sie gleichzeitig angedeutet hatte, daß es für mich besser wäre, wenn ich in Zukunft sie und nicht Jabba mit Informationen versorgte.

Eines Tages wird irgend jemand Jabba töten, aber es wird nicht Valarian sein.

»Sind Sie sicher, daß die Hochzeit vorzeitig abgebrochen wird?« fragte Wuher erneut.

»Ich bin sicher, daß die Modalnodi danach nie wieder für Jabba spielen werden. Sie müssen ihnen nur einen Ort anbieten, wo sie eine Weile untertauchen, ein paar Gigs spielen und ein paar Kredits verdienen können. Sie werden nämlich pleite sein; Valarian wird ihnen kein Honorar zahlen, nachdem ihre Hochzeit vorzeitig abgebrochen wurde.«

Er schüttelte den Kopf und zupfte wieder an seinem Hemd. »Und Sie glauben, die Jungs gehen darauf ein?«

»Ich denke, sie werden Ihnen die Füße küssen.«

Wuher stand da und musterte mich in der Dunkelheit. »Lab… wenn Sie sich immer so anstrengen würden, könnten Sie ein reicher Mann sein.«

Ich schüttelte den Kopf und sagte sanft: »Mein Freund, alles, was ich will, ist das, was ich habe.«

 

Es ist schwierig, Jabba übers Ohr zu hauen. Und gefährlich.

Ein Stück vom Glücklichen Despoten entfernt setzte ich mich in die Schatten eines Hauses und beobachtete die eintreffenden Hochzeitsgäste. Ein verkommener Haufen. Bei einigen der »Gäste« handelte es sich um Jabbas Leute. Ich hoffte, daß es nicht zu einer Schießerei kam. Wahrscheinlich nicht, denn es waren nicht genug von Jabbas Schlägern da; hätte er vorgehabt, Lady Valarian zu beseitigen, weil sie seine Musiker gestohlen hatte, dann hätte er mehr Soldaten geschickt. Das war ein gutes Zeichen.

Ich hörte leise Musik und spitzte meine Ohren. Bei dem Song konnte es sich um »Tränen von Aquanna« handeln. Danach folgte eindeutig »Wurmfall«. Ein merkwürdiges Programm für eine Hochzeit. Vielleicht erfüllten sie Zuschauerwünsche.

Und dann trafen die schlechten Nachrichten ein.

Sturmtruppen.

Zwei Abteilungen. Die Transporter tauchten lautlos, mit gedämpften Positionslichtern, aus der Nacht auf und spuckten Sturmtruppler in voller Kampfpanzerung aus. Eine Abteilung sicherte den Hoteleingang, und die zweite marschierte hinein. Alles dauerte nicht länger als zwanzig Sekunden, glaube ich.

Oh, der Lärm war schrecklich. Von meinem Platz aus bekam ich alles mit. Schreie, Blasterschüsse, Gebrüll, eine weitere Blastersalve – und einer der Sturmtruppler am Eingang brach zusammen. Ich hob mein Makrofernglas und beobachtete das Gebäude. Fenster wurden aufgestoßen, und der Abschaum von einem Dutzend verschiedener Rassen quoll heraus.

Ich suchte mit dem Makrofernglas das ganze halb vergrabene Schiff ab… und sah, wie drei Stockwerke über dem Sand eine Notschleuse geöffnet wurde. Der erste, der den Kopf heraussteckte, war ein Bith. Ich konnte nicht erkennen, wer es war: Alle Bith sehen durch ein Makrofernglas gleich aus. Weitere Bith folgten, und dann tauchte die unverwechselbare stämmige Gestalt meines Freundes Wuher auf. Wuher und die Bith flohen über den Sand und rannten ohne anzuhalten in der Dunkelheit an mir vorbei.

Ich hätte nie gedacht, daß Wuher so schnell laufen konnte… und einen Moment später sah ich, was ihn so beflügelte. Zwei Sturmtruppler mit schußbereiten Gewehren verfolgten sie. Ich entschloß mich, weiter an meinem Zustand der Gnade zu arbeiten, und stellte dem vordersten Sturmtruppler ein Bein. Der zweite stolperte über ihn und stürzte ebenfalls. Ich beugte mich über sie und nahm ihre Gewehre. Ich hatte schon seit – nun, seit sehr langer Zeit kein Sturmgewehr mehr in der Hand gehabt, aber sie hatten sich nicht verändert. Ich entfernte die Energiezellen, und als sich die beiden Sturmtruppler aufrappelten, gab ich ihnen die Waffen zurück.

»Sie scheinen die hier verloren zu haben, Freunde.«

Einer von ihnen machte sofort einen Sprung nach hinten, richtete sein Gewehr auf mich und brüllte: »Keine Bewegung!«

Der andere sah mich an, dann sein Gewehr, dann wieder mich.

»Kommen Sie«, sagte ich sanft. »Wir sind doch vernünftige Wesen. Sie sind gestürzt, und ich habe Ihnen wieder auf die Beine geholfen. Es besteht kein Grund zur Aufregung. Aber wenn Sie sich bei Ihrem Sturz verletzt haben, werde ich Ihnen mit Freuden eine Entschädigung zahlen…«

Ich verstummte, und wir drei sahen uns einen Moment schweigend an.

Derjenige, der sein nutzloses Gewehr auf mich gerichtet hielt, sagte mit gepreßter Stimme: »Willst du uns etwa bestechen?«

Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf, sah auf sie hinunter und schenkte ihnen das scharfe Lächeln. »Nicht«, erklärte ich, »wenn Sie pampig werden.«

 

Als ich am Morgen die Bar betrat, waren die Modalnodi schon da und bauten ihre Anlage auf.

Wuher funkelte mich finster an. »Ich bin angeschossen worden. Von einem stinkenden Droiden.«

»Das tut mir leid.« Aber er machte keinen besonders wütenden Eindruck. »Sie haben gehört, wie sie spielen.«

Er nickte mürrisch. »Ja. Sie sind ziemlich gut.«

»Sie sind die besten«, sagte ich sanft. »Und ich glaube, Sie wissen es.«

Er schnaubte nur.

»Was meinen Anteil betrifft…«

»Ja?«

»Ein Jahr lang freie Getränke.«

Er schnaubte wieder. »Vergessen Sie’s. Diese Typen bleiben garantiert kein ganzes Jahr; sie werden von diesem Planeten verschwinden, sobald sie einen Idioten finden, der ihnen die Tickets bezahlt.«

Der Punkt ging an ihn. Trotzdem…

»Vielleicht bleiben sie länger, als Sie glauben«, erwiderte ich. »Jabba wird sie bestimmt am Verlassen des Planeten hindern. Vielleicht will er sie eines Tages sogar zurückhaben.«

Jetzt lächelte er mich doch tatsächlich an; er gefiel mir besser, wenn er finster dreinblickte. »Sieben freie Drinks pro Tag, solange sie spielen. Sobald sie sich davonmachen, müssen Sie wieder bezahlen. Und alles, was über sieben Drinks liegt, müssen Sie sowieso bezahlen.«

Ich grinste ihn an und fletschte dabei unabsichtlich meine Reißzähne. »Abgemacht.« Ich stand auf, ging zu Figrin und der Band hinüber und stellte mich vor.

Ich schwöre, Biths blicken selbst dann gefährlich drein, wenn sie es nicht wollen. Der Kerl hatte offenbar von mir gehört: Labria der Trunkenbold. Er würdigte mich kaum eines Blickes. »Oh, ja. Jabbas am wenigsten geschätzter Spion.«

Der Kerl war ein notorischer Spieler. »Lust auf ein paar Runden Sabacc? Hier wird es sowieso erst am späten Nachmittag voll.«

»Eigentlich nicht.«

»Zwanzig Kredits Mindesteinsatz.«

Sein Kopf fuhr so ruckartig herum, als wäre er ein Droide. »Oh? Können Sie beweisen, daß Sie genug Geld haben?«

Ich ließ absichtlich mein scharfes Lächeln aufblitzen. Die Bith wissen, daß sie Fressen sind. »Wollen Sie mich beleidigen, Figrin D’an?«

 

Vielleicht hat es irgendwo, irgendwann in der Geschichte einmal ein Kartenspiel gegeben, das kühler war als jenes, das wir benutzten, aber ich würde darauf nicht wetten. Die Bith stammen von einer warmen, hellen Welt. Wir Devaronianer sehen im Infrarotbereich weiter als die meisten anderen Rassen. Es ist nützlich, Hitze sehen zu können, wenn man sich in der Kälte entwickelt hat.

In der schwarzen Umrandung der Karten waren Markierungen angebracht, die auf langwelliges Infrarotlicht reagierten. Den ganzen Morgen lang kannte ich jede Karte, die er in der Hand hielt.

Sie waren bereits pleite. Als wir fertig waren, gehörten mir bis auf Doikk Na’ts’ Fizzz all ihre Instrumente.

 

Der Tag hielt noch andere Überraschungen bereit.

Das Universum schien sich verschworen zu haben, mich daran zu hindern, die Musik richtig zu genießen. Zuerst stritten sich die Bandmitglieder, und als sie endlich nach ihren Instrumenten griffen und zu einer fetzigen Version von »Verrückt nach mir« ansetzten, hackte irgendein alter Narr auf einen anderen Narren ein – mit einem Lichtschwert, bei allen Eisigen! –, und sie mußten den Song abbrechen. Dieser psychotische Solo wagte es, kurz darauf in der Bar aufzukreuzen, und dann mußte er natürlich eine erbärmliche Karikatur von einem Kopfgeldjäger namens Greedo umbringen. Hätte ich einen Blaster dabei gehabt, hätte ich Solo in den Rücken geschossen, als er hinausging, aber so verpaßte ich meine Chance.

Außerdem ist es besser, keine Aufmerksamkeit zu erregen.

 

Der Nachmittag ging in den Abend über, und ich schlürfte meine Drinks und genoß die Musik der Band. Sie brauchten eine Weile, um sich aufzuwärmen. Zuerst konnte Figrin es nicht ertragen, mich anzusehen, und jedesmal, wenn er meine Blicke auf sich ruhen fühlte, geriet er völlig aus dem Takt. Aber es ist schwer, auf jemanden wütend zu bleiben, der einen kennt und bewundert. Während der Tag verdämmerte, wurde die Musik düsterer, rauchiger und eindringlicher, und Figrin D’an spielte mit geschlossenen Augen und mit Doikk Na’ts an seiner Seite eine Nummer nach der anderen. Sie törnten sich gegenseitig an, wurden mit jedem Song besser, reihten Improvisation an Improvisation und spielten zum erstenmal seit wer weiß wie langer Zeit für ein Publikum, das ihre Musik wirklich zu schätzen wußte. Für ein Ein-Mann-Publikum.

Ihre Schlußnummer war »Einsame Welt«, eine passende Wahl, schätze ich, mit den langen, sich gegenseitig hochschaukelnden Fizzz- und Kloo-Sequenzen, die in einem der kompliziertesten Kloo-Soli endeten, und dann trat Doikk zurück und überließ D’an die Bühne, in einer Verbeugung vor seinem Genie. Und der Bith stand da und spielte, Feuerkopf Figrin D’an im Zentrum der Musik, und ich sah zu, wie er sich in seinen klagenden Gesang verlor, umgeben vom Sound, sicher und geborgen an jenem Ort, den ich niemals kennenlernen werde.