Das seltsame kratzende Geräusch war selbst über das ferne Donnergrollen hinweg hörbar. Eine der beiden Gestalten, die am Eßtisch saßen, drehte sich um und neigte lauschend den Kopf.
»Was ist das?« fragte eine barsche Stimme. »Rover, sieh nach!«
In einer dunklen Ecke bewegte sich etwas. Eine Masse glitt mit einem feuchten, saugenden Laut ins Licht. Es war eine gallertartige Form, eine schleimige, ölig schimmernde, gallengrüne Masse, die sich träge über den Boden wälzte, während an der Oberseite der runden Masse ein Ring aus dünnen, knollengekrönten Stielen hin und her schwankte. Sie floß durch das langgestreckte Eßzimmer zu einem der Rundbogenfenster an der Rückwand.
»Ich hätte nie für möglich gehalten, daß man einen Meduza abrichten kann«, bemerkte die zweite Gestalt am Tisch leicht überrascht.
Der erste Mann drehte sich wieder zu seinem Gast auf der anderen Seite des Eßtisches um. »Ganz im Gegenteil, Senator. Sie lassen sich mühelos abrichten. Um genau zu sein, sie sind eine der formbarsten Spezies, die ich je kennengelernt habe. Ich wünschte, es gäbe mehr davon.«
Die rechte Gesichtshälfte des Mannes wurde von einer riesigen Narbe entstellt. Das rechte Auge war ein Schlitz im schlaffen Fleisch, die Nase nur noch ein Stummel, was ihm ein schweineähnliches Aussehen verlieh.
»Unglücklicherweise kann ich mir vorstellen, warum Sie sich das wünschen, Dr. Evazan«, erwiderte der aqualishanische Senator und schauderte vor Abscheu. Er war humanoid, hatte ein walroßartiges Gesicht mit großen, feuchten schwarzen Augen und mächtigen, nach innen gebogenen Stoßzähnen. Kurze, borstige Schnurrbarthaare zierten die platte Schnauze mit dem breiten, dünnen Mund.
Der Senator griff nach dem Glas, das vor ihm auf dem Tisch stand. Die Hand war fingerlos, mehr eine Flosse, besaß aber einen Daumen. Sie verriet, daß es sich bei ihm um einen Angehörigen der bedeutenderen der beiden aqualishanischen Rassen und um ein Mitglied der herrschenden Klasse handelte. Er trank einen großen Schluck von dem dunkelgrünen andoanischen Bier und behielt dabei Rover nervös im Auge.
Die gallertartige Kreatur hatte inzwischen eine der Fensteröffnungen erreicht. Sie richtete sich blubbernd auf und wedelte mit den knollengekrönten Stielen, als würde sie Witterung aufnehmen.
Hinter der Öffnung erstreckte sich der planetenumspannende Ozean der Wasserwelt Ando bis zum grauschwarzen Horizont. In den brodelnden Gewitterwolken, die sich in der Ferne ballten, flackerten grelle Blitze und tauchten die Wolkenberge in gespenstisches Licht.
Ein dumpfer Donnerschlag grollte über die gischtgekrönten Wellen und hallte von den nackten Steinmauern der vieltürmigen Burg wider, die sich auf der Klippe in den Himmel reckte. Hunderte von Metern unter dem Burgfenster hämmerten Fäuste aus mächtigen Wogen gegen die Küste der Felseninsel und spreizten sich zu weißen Fingern, die blind ins Leere griffen.
Der Blick auf die aufgewühlte See in ihrer wilden Schönheit wurde von einer schimmernden Kruste aus Licht getrübt, die von dem Energieschild vor den Fenstern stammte.
Die schleimige Kreatur sank wieder in sich zusammen. Ihre knollengekrönten Stiele richteten sich auf Evazan und schienen ihm aufgeregt zuzuwinken.
Dr. Evazan hob die verbliebene Braue über seinem linken Auge. Sein halbzerblastertes Gesicht verriet ansonsten keine Gefühlsregung.
»Sie sollten jetzt am besten unter den Tisch verschwinden«, riet er seinem Gast mit sachlich klingender Stimme.
Der aqualishanische Senator verfolgte verdutzt, wie Evazan mit einer Hand eine Blasterpistole unter dem Tisch hervorzog. Mit der anderen Hand drückte er zunächst einen, dann einen zweiten Knopf an einer kleinen Tischkonsole.
Alle Lichter gingen aus.
Gleichzeitig drang ein Zischeln von den Fenstern, und die Energieschirme vor drei Öffnungen wölbten sich flackernd nach innen, als drei Gestalten hereinhechteten.
Der Senator stieß einen schrillen Schrei aus und verschwand blitzartig unter der massiven Tischplatte.
Die drei Gestalten landeten auf dem Boden, rollten ab und waren sofort wieder auf den Beinen. Ein ferner Blitz erhellte für einen Moment den Raum und zeigte drei humanoide Gestalten, die ihre Blastergewehre hochrissen.
Evazan glitt bereits von seinem Stuhl und rollte in die Deckung einer Formcouch. In der Bewegung eröffnete er das Feuer und traf eine der drei Gestalten mitten in die Brust.
Der Angreifer gurgelte vor Schmerz, wankte und brach zusammen. Die beiden anderen hechteten in Deckung. Energiestrahlen durchzuckten den dunklen Raum, schlugen in die Steinwände ein und durchlöcherten das Mobiliar.
Einer der Angreifer war so versessen darauf, Evazan zu erledigen, daß er nicht bemerkte, wie etwas auf ihn zukroch – erst ein feuchtes Schmatzen ließ ihn herumwirbeln, doch da stürzte sich Rover bereits auf ihn.
Der Angreifer hatte keine Chance, sich zu wehren, als die Stiele des Meduza nach vorn peitschten, ihm die Knollenaufsätze gegen das Gesicht preßten und zudrückten. Jede Knolle leuchtete hell auf, und das Opfer versteifte und verkrampfte sich wie unter einem Stromschlag, ehe es zusammenbrach.
Evazans schiefer Mund verzog sich zu einem grotesken Lächeln. »Gut gemacht, Rover«, murmelte er. Aber das Lächeln verschwand, als er zur Tür des Raumes blickte, und verärgert fügte er hinzu: »Aber wo zur Hölle steckst du, Ponda?«
Er kam hinter seiner Deckung hervor und kroch durch den dunklen Raum, um den letzten Gegner zu erledigen. Als sich Evazan halb aufrichtete, um die Stelle anzuvisieren, wo er den anderen zuletzt gesehen hatte, zielte dieser dritte Eindringling mit seiner Waffe auf die schattenhafte Gestalt des Arztes.
Die Tür des Raumes sprang auf, und eine neue Gestalt stürzte herein. Ein schneller, gezielter Blasterblitz durchbohrte Evazans Gegner und bewahrte den Doktor im allerletzten Moment vor einem tödlichen Treffer.
Die letzte Gestalt fiel zu Boden. Evazan rappelte sich auf und strich seine Kleidung glatt. »Wurde auch höchste Zeit, Ponda«, knurrte er den Neuankömmling an und trat an den Tisch, um wieder Licht zu machen.
Als die Beleuchtung anging, wurde ein zweiter Aqualishaner mit einem Blaster in der Hand sichtbar. Aber Ponda Babas linke Hand war die haarige, klauenbewerte Hand eines Angehörigen der minderwertigen aqualishanischen Rasse. Die rechte Hand und der Unterarm waren künstlich, ein recht primitives mechanisches Modell ohne Biofleischverkleidung, mit freiliegendem Metallskelett.
»Sie haben Glück gehabt«, erwiderte Ponda grollend und schob seinen Blaster ins Holster. »Ich habe sie Ihnen fast alle überlassen. «
Nach diesen Worten wandte er sich ab und stapfte aus dem Raum.
Der andoanische Senator kam im gleichen Moment unter der Tischplatte hervor. Evazan holsterte seine eigene Waffe und sah seinen Gast entschuldigend an.
»Tut mir leid. In der guten alten Zeit wäre Ponda wie der Blitz hereingeschossen. Damals waren wir ein perfektes Team.«
»Er… ah… arbeitet für Sie?« fragte der Senator, der immer noch unter Schock stand.
»Wir waren Partner«, erklärte der Arzt knapp.
Dem Senator schien die Vorstellung nicht zu gefallen. »Sie wissen, daß er zur niedrigsten Kaste hier auf Ando gehört. Sein Volksstamm ist von zweifelhafter Moral und als überaus gewalttätig bekannt. Sie werden so verachtet, daß nur wenige von ihnen auf unserem Planeten bleiben. Sie wandern aus und werden galaktische Verbrecher.«
»Nun, für mich war Ponda immer der beste Freund, den man sich wünschen kann«, meinte Evazan und füllte ihre Gläser. »Das heißt, bis zu diesem einen Tag auf Tatooine. Wir hatten eine kleine Auseinandersetzung in der Mos Eisley Bar. Ein alter Mann mit einem Jedi-Lichtschwert trennte Pondas rechten Arm ab, weil er mir helfen wollte. Das hat unsere Freundschaft abrupt beendet.«
»Aber er ist hier«, erinnerte der Senator. »Und wie es scheint, hat er Ihnen gerade das Leben gerettet.«
»Nun, ich schulde ihm immer noch einen Arm«, erklärte der Arzt. »Er hatte Probleme, das Geld für eine gute bionische Prothese aufzutreiben. Also haben wir uns auf einen Waffenstillstand geeinigt, bis ich ihm aushelfen kann. Er arbeitet als Leibwächter für mich und bekommt dafür einen neuen Arm… so ist wenigstens die Vereinbarung.« Er trank einen großen Schluck Bier.
»Was sind das für Leute?« fragte der Senator mit Blick auf die toten Angreifer.
»Die da?« sagte Evazan und zuckte sorglos die Schultern. »Nur ein paar Kopfgeldjäger. Sie müssen heraufgeklettert sein.«
Er stellte sein Glas ab und trat zu einer der Leichen. Der Kopfgeldjäger trug wie die beiden anderen einen grauen Overall und Helm und einen Werkzeuggürtel. Evazan drehte ihn mit dem Fuß auf den Rücken und blickte in das leblose Gesicht eines menschlichen Mannes mit dunkler Haut und schmalem, scharfgeschnittenem Gesicht.
An seinem Werkzeuggürtel entdeckte Evazan ein kleines Gerät.
»Sie haben die Schirme mit tragbaren Felddisruptoren durchdrungen«, sagte er nachdenklich. »Scheint sich um ein neues Modell zu handeln. Ich werde die Schilde verstärken müssen.« Er drehte sich zu dem Aqualishaner um und fügte vorwurfsvoll hinzu: »Senator, Sie haben mir versprochen, daß ich mir um derartige Dinge keine Sorgen machen muß. Sie wollten mich beschützen und haben mir garantiert, daß niemand mit einer derartigen Ausrüstung in meine Nähe gelangt.«
»Wir können nicht jeden durchsuchen und durchleuchten, der den Planeten besucht«, verteidigte sich der Senator. »Unsere Sicherheitsmaßnahmen sind ohnehin schon sehr aufwendig und unglaublich teuer.«
Evazan schüttelte den Kopf. »Aber sie reichen nicht aus. Das ist schon der dritte Anschlag auf mein Leben. Und jedesmal werden sie besser.«
»Wir hatten eigentlich angenommen, daß es genügen würde, Sie in dieser abgelegenen Inselfestung zu verstecken«, erwiderte der Senator indigniert. »Natürlich wußten wir nicht, daß die halbe Galaxis hinter Ihnen her ist.«
Evazan trat einen Schritt auf ihn zu. »Wollen Sie damit sagen, daß ich es nicht wert bin?« fragte er.
»Das ist genau der Punkt, über den ich mit Ihnen reden möchte«, antwortete der Senator scharf.
»In Ordnung«, nickte der Arzt. »Reden wir darüber.« Er deutete auf den Eßtisch. »Wollen Sie nicht zunächst Ihre Mahlzeit beenden?«
Der Senator starrte ihre vollen Teller an. »Essen?« sagte er und warf dann einen Blick zu den Leichen. »Was ist damit?«
»Oh, Rover wird sich schon um sie kümmern«, versicherte Evazan.
Der Schleimklumpen hatte sich bereits einem der Toten genähert, begrub ihn unter seiner viskosen Masse und begann ihn zu absorbieren. Die Kreatur bebte vor Behagen und schmatzte leise.
»Er ist für die Resteverwertung zuständig«, sagte Evazan. »Das ist mit ein Grund, warum ich ihn so leicht abrichten kann. Er schätzt es, daß ich ihn mit Leckerbissen vollstopfe.«
»Ich habe wirklich keinen Hunger mehr«, meinte der Aqualishaner. Er setzte sich und trank einen großen Schluck Bier. »Kommen wir zum eigentlichen Anlaß meines Besuches, einverstanden? Ich möchte nicht… ich meine, ich kann nicht lange bleiben.«
»Schön«, sagte der Arzt und nahm ebenfalls Platz. »Was ist Ihr Problem?«
»Kredits«, antwortete der Senator ohne Umschweife. »Dieses ganze Projekt ist außer Kontrolle geraten. Es war schon teuer genug, Ihnen diese Burg und die Laboreinrichtung zu besorgen. Und dann ist da noch die Sicherheitsfrage. Dieser Zwischenfall unterstreicht nur noch das Problem. Sie kosten unsere Regierung ein Vermögen!«
»Aber es lohnt sich«, konterte Evazan. Er beugte sich über den Tisch und fügte mit eindringlicher Stimme hinzu: »Seit Jahrzehnten sind Sie bloße Sklaven des Imperiums gewesen und haben jeden Befehl des Imperators ausführen müssen. Sie haben Ihren Stolz, Ihre Identität und Ihren Überlebenswillen verloren. Wieviel sind Sie bereit zu zahlen, um von Ihren Ketten befreit zu werden?«
Rover hatte die erste Leiche inzwischen verdaut. Er hinterließ nur einen nassen Fleck mit menschlichen Umrissen auf dem Stein und quoll zum nächsten Leichnam.
»Keine Summe wäre zu hoch, wenn wir uns die Freiheit vom Imperium erkaufen könnten«, gab der Senator zu, während er versuchte, nicht auf das schauerliche Treiben der Kreatur zu achten. »Dennoch, der Finanzunterausschuß braucht Garantien, um Sie weiter finanzieren zu können. Unsere aktuellen Haushaltsprobleme…«
»Zur Hölle mit Ihrem Haushalt!« brüllte Evazan. »Wenn ich mit meinen Forschungen fertig bin, besitzen Sie ein Geheimnis, das so wertvoll ist, daß Ihnen das Imperium die Freiheit und auch sonst alles geben wird, was Sie verlangen.«
»Ja, ja, das haben Sie uns versichert«, entgegnete der Senator. »Aber in der letzten Zeit haben wir wenig Beweise gesehen, die Ihre Behauptung bestätigen, daß Sie kurz vor einem bedeutenden medizinischen Durchbruch stehen. Vielleicht könnten Sie mir irgendeinen Beweis für Ihre Fortschritte geben, irgend etwas Handfestes, das ich mitnehmen und dem Unterausschuß präsentieren kann, um Ihre weitere Finanzierung zu sichern.«
»Ein fairer Vorschlag«, lenkte der Arzt ein. »Ich werde Ihnen zeigen, wie dicht ich vor dem totalen Erfolg stehe. Ich habe bereits eine Reihe verschiedener Tests durchgeführt, die die Ergebnisse bestätigen. Um genau zu sein, ich brauche nur noch eine Kleinigkeit, um zu beweisen, daß ich bahnbrechende Arbeit geleistet habe. Ich muß einen menschlichen Mann finden – ein junges, kräftiges, gesundes, perfekt gebautes Exemplar.«
Der Senator kniff neugierig die großen Augen zusammen. »Warum?«
»Sie werden es gleich sehen.« Evazan stand auf. »Lassen Sie uns hinunter ins Labor gehen.«
Der Senator blickte zu ihm auf. »In Ihr… Labor?« fragte er wenig begeistert. »Ist das wirklich notwendig, Doktor? Ich wäre auch mit anderen Beweisen zufrieden. Geben Sie mir doch einfach Ihre Forschungsdaten oder…«
»Ich bestehe darauf«, unterbrach Evazan. »Sie müssen mit eigenen Augen sehen, was ich vollbracht habe!«
Der Aqualishaner seufzte und erhob sich mit sichtlichem Widerwillen.
»Hier entlang, Senator«, sagte der Arzt und führte ihn aus dem Raum.
Hinter ihnen beendete der Meduza lautstark seine zweite Mahlzeit und wandte sich dem letzten Gang zu. Der dritte tote Mann lag verkrümmt auf der Seite. An seinem Gürtel war ein kleines Kom zu erkennen. Die winzige grüne Betriebsdiode leuchtete…
Draußen, dicht über den Fenstern der Burg, klammerte sich eine einsame Gestalt an die senkrecht abfallende Steinwand – ein schlanker Mann mit dunkler Haut, habichtähnlichen Gesichtszügen, dunkelbraunen Augen und einem schwarzen Schnauzbart. Er war wie die drei toten Männer gekleidet.
Er hatte die Füße und eine Hand in schmale Risse gezwängt, um sich in der luftigen Höhe festzuhalten, und preßte sich an die Wand, während der heftige Wind an ihm zerrte. Mit der freien Hand drückte er sein eigenes Kom ans Ohr.
Er hatte das Gespräch zwischen Evazan und dem Senator mitgehört. Er hatte gehört, wie sie hinausgegangen waren. Jetzt hörte er das groteske Schlürfen und Schmatzen, mit dem die Kreatur seinen letzten Kameraden verschlang.
Dann drang das Knistern eines Kurzschlusses aus dem Empfänger, und der Kanal war tot. Der Mann verzog grimmig das Gesicht.
Er befestigte sein Kom wieder am Gürtel, kletterte behende an der Burgwand hinauf und schwang sich aufs schräge Dach. Ein Rucksack mit einem Langstreckenkom war mit einem Saugnapfgewebe an der glatten Dachschräge befestigt. Der Mann kroch in den Windschatten eines Turmes, nahm den Komkopfhörer aus dem Rucksack und sprach gepreßt in das Mikro.
»Hallo, Mutter? Hier ist Gurion. Hört ihr mich?« Er blickte besorgt zum bewölkten Himmel hinauf. »Seid ihr noch immer da oben?«
»Immer noch im Orbit, Gur«, drang die Antwort aus dem Kopfhörer. »Wie ist die Lage?«
»Alle tot«, erklärte Gurion ohne Umschweife. »Alle außer mir. Evazan muß dort drinnen mächtige Sicherheitssysteme haben. Sie waren die besten.«
Nach einer langen Pause erklang wieder die Stimme. Der bekümmerte Unterton war nicht zu überhören. »Das war’s dann wohl. Verschwinde von dort, Gur. Sofort. Wir holen dich ab.«
»Nein«, sagte er entschlossen. »Ich werde reingehen und ihn mir holen. Es ist unsere einzige Chance, ihn zu erledigen.«
»Allein?« fragte die Stimme überrascht. »Das ist Selbstmord!«
»Vielleicht. Es ist mir egal«, stieß Gurion grimmig hervor. »Ich werde ihn erledigen, und ich weiß auch schon, wie!«
In der Burg stiegen Evazan und sein Gast eine lange Wendeltreppe hinunter. Je mehr sie sich dem geheimnisumwitterten Heiligtum des Arztes näherten, desto nervöser und serviler wurde der Senator.
»Ich für meinen Teil habe nie an Ihrer Integrität gezweifelt«, erklärte der Nichtmensch mit schriller, besorgt klingender Stimme. »Aber meinen Senatskollegen sind einige Gerüchte zu Ohren gekommen. Manche behaupten, daß Sie in zehn Systemen zum Tode verurteilt worden sind.«
»In zwölf, um genau zu sein«, sagte Evazan unbekümmert. »Vielleicht sind inzwischen noch ein paar dazugekommen. Ich bin nicht auf dem laufenden, wissen Sie.«
»Wirklich?« schrillte der Senator. »Und dann gibt es da noch Geschichten über Ihre… ah… medizinischen Methoden.«
»Ich leugne nicht, daß einige davon stimmen«, gab der Arzt zu. »Ich entschuldige mich auch nicht für das, was ich getan habe. Es hatte alles seinen Sinn.«
Sie erreichten das Ende der Treppe. Evazan schloß eine massive Metalltür auf und öffnete sie. Die Angeln quietschten, als sie aufschwang, und beide gingen hindurch.
Dahinter lag ein einziger Raum, der das gesamte Kellergeschoß der riesigen Burg einnahm. Wuchtige Säulen und massive Steinbögen stützten die hohe Decke. Große, matt leuchtende Glaszylinder reihten sich endlos aneinander und wurden weiter hinten von den Schatten verschluckt. Die Zylinder waren mit einer goldenen Flüssigkeit gefüllt… und mit noch etwas anderem.
Der Senator trat vor und riß entsetzt die Augen auf. Jeder Zylinder schien ein Lebewesen zu enthalten.
Er trat einen weiteren Schritt vor und starrte eine Reihe von Kreaturen an, die in einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit schwammen. Riesige Wookiees und zwergenhafte Jawas, skelettartige Givins und einäugige Abbyssinen, gehörnte Humanoide von Devaron und insektenähnliche Kreaturen vom Kibnon-Volk und Angehörige zahlloser anderer Spezies von Planeten aus allen Teilen der Galaxis.
»Sind sie… tot?« fragte der Senator nervös und spähte in einen Zylinder mit einem reptilischen Arcona, der mit blinden, juwelenähnlichen Augen zurückstarrte.
»Unglücklicherweise«, bestätigte Evazan. »Konserviert in meiner speziellen Balsamierungslösung. Einige waren früher meine Patienten, die meine chirurgischen Versuche, ihnen zu helfen, nicht überlebt haben. Aber die medizinischen Erfahrungen, die ich bei den Operationen gesammelt habe, sind für mich von größtem Wert.«
Der Senator sah sich die Leichen noch einmal genauer an. Alle wiesen Spuren einer Behandlung auf, die man wohlwollend als »chirurgisch« bezeichnen konnte, obwohl der Begriff »Gemetzel« vermutlich treffender war. Die meisten waren verstümmelt, die Rümpfe aufgeschlitzt, und diverse Gliedmaßen und Organe fehlten. In einigen Fällen waren die Organe der Wesen durch nichtmenschliche Transplantate ersetzt worden.
»Ich sage, sie haben mir geholfen«, fuhr Evazan fort, während er an einer Zylinderreihe mit seinen »Patienten« entlangging. »Hauptsächlich, indem sie mir gezeigt haben, wo meine Forschungen einen toten Punkt erreichten« – er schenkte dem Senator ein gespenstisches Lächeln – »wenn Sie den Ausdruck gestatten.«
»Sie haben mit ihnen experimentiert?« fragte der Senator entsetzt.
Evazan winkte ab. »Natürlich nicht. Ich wollte ihnen mit meinen kreativen Techniken helfen. Ich wollte ihnen bessere Gesundheit und ein längeres Leben schenken. Zumindest theoretisch.«
Er strich mit der Hand über einen Zylinder, der den ausgeweideten Körper eines nagerähnlichen Ranaters enthielt.
»Ich habe mein ganzes Leben versucht, meinen Mitwesen zu helfen. Man hat mich einen Irren genannt, einen Verbrecher, sehr zu meinem Leidwesen. Aber niemand hat mich verstanden. Ich habe meine Fähigkeiten nur eingesetzt, um das Leben auf verschiedenste Art und Weise zu verändern, zu verbessern.« Er seufzte und sah den Aqualishaner an. »Aber es war nicht genug.«
Der Senator betrachtete die endlosen Zylinderreihen mit den Opfern des Arztes. »Nicht genug?«
Der Arzt ging zum nächsten Zylinder, in dem ein besonders grausiges Exemplar lag. Eine Kreatur, die aus den Teilen von Dutzenden verschiedener Wesen bestand, auf monströseste Art und Weise zusammengenäht und verklammert.
»Wie Sie sehen, hat selbst der Versuch, die besten Körperteile der Galaxis zu etwas Neuem zusammenzufügen, nicht genügt, den von mir gewünschten Effekt zu erzielen.« Er hob eine Hand und strich über die verbrannte rechte Seite seines Schädels. »Nein, der Schlüssel ist der Geist. Deshalb hat meine Forschung eine neue Richtung genommen. Kommen Sie.«
Er führte ihn an den Zylinderreihen vorbei zur Mitte des Raumes. Hier türmte sich ein kompliziertes, überaus instabil wirkendes Gebilde aus elektronischen Bauteilen bis zur Decke. Die verschiedenen, durch ein Gewirr verschlungener Kabel miteinander verbundenen Systeme knisterten und zischten bedrohlich, obwohl die Apparatur mit Minimalleistung lief.
Das Schlüsselelement dieses zusammengebastelten High-Tech-Haufens bestand aus zwei Plattformen mit Operationstischen. Gurte, die zweifellos dazu dienten, die unglücklichen Patienten bewegungsunfähig zu machen, verstärkten den unheimlichen Gesamteindruck noch. Über jedem OP-Tisch hing ein seltsames, siebähnliches Gerät an einem Dutzend Kabeln von einer Art schwenkbarem Galgen. Weitere Kabelstränge führten von den Aufhängungen zur Zentralmaschine.
»Das ist mein Transferinstrument«, erklärte Evazan stolz. »Die Hauptkomponenten bestehen aus hochentwickelten imperialen Transsubstantiations-Einheiten, die ursprünglich dazu dienten, die Programmierung von Droiden zu ändern und die ich für meine Zwecke modifiziert habe. Ponda und ich haben die Anlage von einer imperialen Forschungseinrichtung geborgt. Aber ich habe sie so umgebaut, daß sie auch bei Lebewesen funktioniert.«
Der Senator hatte mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Skepsis die dubiose Maschine angestarrt. Jetzt sah er Evazan ungläubig an. »Lebewesen?«
»Lebende Gehirne speichern ihre gewonnenen Informationen ebenfalls elektronisch, wie eine Aufzeichnung. Diese Aufzeichnungen können geändert, gelöscht… oder übertragen werden. Das dazu notwendige Gerät steht vor Ihnen.«
»Aber was hat das alles für einen Sinn?«
»Es geht hier um einen wissenschaftlichen Durchbruch ersten Ranges«, sagte der Arzt feierlich. »Ich stehe endlich kurz davor, der Galaxis eine praktikable Art der Unsterblichkeit zu schenken!«
Der Senator blickte jetzt noch skeptischer drein. »Sie scherzen, Doktor.«
»Es ist kein Scherz«, wehrte der andere ab. Er trat näher und fuhr ernst und eindringlich fort: »Stellen Sie sich vor, nicht einmal die größten Jedi-Meister mit all ihrer Macht über die Materie haben wahre Unsterblichkeit erlangt. Sie können ihr Leben zwar verlängern, aber früher oder später altern auch sie und sterben. Mit meiner Methode kann ich bei Bedarf die höheren Bewußtseinsebenen eines Lebewesens in einen frischen, neuen Körper transferieren, ein bloßer Knopfdruck genügt. Was glauben Sie, was das für die Imperialen bedeutet? Ihre größten Herrscher, ihre besten militärischen Köpfe könnten ewig leben und mit jedem Leben noch mehr Wissen ansammeln.«
»Ich schätze, das Imperium würde dafür jeden Preis zahlen«, nickte der Aqualishaner widerwillig. »Falls die Anlage funktioniert.«
»Sie wird funktionieren«, versicherte Evazan überzeugt, »und bald werde ich es Ihnen beweisen können.« Er grinste in sardonischer Freude. »Ist es nicht eine Ironie, daß Evazan, den man auch Dr. Tod nennt, der Schöpfer des ewigen Lebens sein wird?«
Von einer Komkonsole in der Nähe drang ein Summen. Evazan drehte sich um und sah auf dem winzigen Bildschirm der Konsole Ponda Babas Gesicht. Aus dem Lautsprecher plärrte Babas nervös klingende Stimme.
»Evazan, jemand steht vor unserer Tür!«
»Unserer Tür?« wiederholte der Arzt.
»Am Seetor unter der Burg. Er sagt, sein Aquagleiter hat eine Panne. Er möchte von unserem Kom aus den Abschleppdienst rufen.«
»So, sagt er das?« murmelte Evazan. »Auf den Schirm!«
Ponda drückte an seiner Konsole einen Knopf, und der Monitor zeigte das Seetor. Am einzigen Pier der Burg hatte ein kleines, repulsorgetriebenes Wasserfahrzeug angelegt. Am massiven Tor stand ein überaus eindrucksvoller menschlicher Mann.
Er war sehr groß und athletisch gebaut, was durch seinen enganliegenden Overall noch unterstrichen wurde. Er hatte ein feingeschnittenes, hübsches Gesicht, einen wohlgeformten Kopf und blonde Haare.
Evazan betrachtete den Mann mit sichtlichem Interesse und holte dann per Knopfdruck Pondas Bild auf den Monitor zurück.
»Er soll heraufkommen«, befahl er. »Aber laß ihn nur ins Foyer. Und behalte ihn im Auge.«
»Halten Sie das für klug, Doc?« fragte Ponda.
»Tu einfach, was ich dir sage!« Evazan schaltete das Kom ab und wandte sich an den Senator. »Vielleicht werden Sie mehr sehen, als Sie hoffen konnten«, sagte er aufgeregt. »Vielleicht werden Sie heute den Höhepunkt meiner Forschungsarbeit erleben!«
Er eilte aus dem Labor, gefolgt von dem verdutzten Senator. Sie betraten die große Eingangshalle der Burg. In die Wand neben dem Haupteingang war ein Kontrollpult mit einem Überwachungsmonitor eingelassen. Ponda Baba war bereits dort und betrachtete das Bild, das den Raum hinter der Tür zeigte.
In einem kleinen, leeren Vorraum der Eingangshalle stand ihr blonder Besucher und wartete geduldig.
Evazan blickte über Pondas Schulter auf den Mann. Seine Augen leuchteten begeistert auf.
»Er ist perfekt!« rief er. »Was für ein unglaubliches Glück!«
Er griff an Ponda vorbei und legte am Kontrollpult einen Schalter um. Von der Deckenlampe des Vorraums zuckte ein karmesinroter Strahl nach unten und traf den Kopf des blonden Mannes. Augenblicklich verlor er das Bewußtsein und brach zusammen.
»Haben Sie ihn etwa umgebracht?« keuchte der andoanische Senator entsetzt.
»Nur betäubt«, erwiderte der Arzt beruhigend. Er sah Ponda an. »Hilf mir, ihn nach unten zu tragen.«
Er griff nach der Türklinke, aber eine haarige Pranke packte seinen Arm und hielt ihn fest.
»Einen Moment, Doc«, knurrte Ponda. »Sie wollen den Transfer an ihm vornehmen, nicht wahr?«
»Er scheint mir perfekt geeignet zu sein«, gestand Evazan. »Warum nicht?«
»Nein, Doc«, schnappte Ponda. »Nehmen Sie mich!«
Evazan musterte seinen ehemaligen Partner. »Was soll das heißen?«
»Sie haben mir versprochen, daß ich der erste sein werde. Sie haben mir einen Körper mit einem gesunden Arm versprochen. Nur deswegen habe ich Sie zu meinem Planeten gebracht, Ihnen geholfen, das Labor einzurichten, und Ihr Leben geschützt. Sie haben mich auf Tatooine einen Arm gekostet. Sie schulden mir etwas. Es wird Zeit, daß Sie Ihre Schuld begleichen.«
»Aber wie, Ponda?« fragte er. »Mein perfektes Exemplar hat gerade an meine Tür geklopft. Es ist hier!«
»Dann haben wir beide Glück, Doc«, antwortete Ponda. »Sie haben Ihres. Ich habe meins.«
Die Miene des Arztes verriet, daß er verstand. Wie ein Mann drehten sich beide zu dem aqualishanischen Senator um.
Der Senator hatte ihr Gespräch mit wachsender Besorgnis mitgehört. Als sie ihn ansahen, verzerrte Entsetzen sein Gesicht.
»Er ist nicht besonders jung«, bemerkte Evazan kritisch.
»Aber er gehört zur herrschenden Klasse«, erinnerte Ponda. »Ich bekomme einen Arm und zusätzlich auch noch Macht.«
»Das… das meinen Sie doch nicht im Ernst, oder?« keuchte der Senator.
»Oh, doch«, sagte der Arzt und zog seinen Blaster. »Ich gratuliere Ihnen. Sie werden helfen, einen großen wissenschaftlichen Fortschritt zu erzielen.« Er wedelte mit der Waffe. »Nach Ihnen, bitte.«
»Sie können das nicht tun!« rief der Senator, während sie die Treppe zum Labor hinuntergingen. »Was ist mit Ihrer Finanzierung? Ihrem Schutz?«
»Ich werde in Zukunft weder das eine noch das andere brauchen«, erwiderte der Arzt. »Ich kann mir endlich eine völlig neue Identität zulegen. Mich von diesem entstellten Gesicht befreien. Ich werde endlich die Kopfgeldjäger los und kann den Planeten verlassen – mit einem Geheimnis, das die Galaxis verändern wird.«
»Sie haben das von Anfang an so geplant, nicht wahr?« vermutete der andere. »Es ging Ihnen nur um Ihren eigenen Vorteil!«
»Was sonst?« sagte Evazan und lachte grausam. Er schob den Senator durch die Tür ins Labor. »Los, auf den linken Tisch mit Ihnen. Nun machen Sie schon.«
Er und Ponda trieben den unglückseligen Senator zu dem Tisch und schnallten ihn fest. Evazan zog die galgenähnliche Aufhängung herunter und drückte seinem Opfer den daran baumelnden Metallhelm auf den Kopf.
Ponda nahm hastig seinen Platz auf dem anderen Tisch ein. Evazan schnallte den Aqualishaner ebenfalls fest und setzte ihm den zweiten unheimlichen Helm auf. Dann trat er zu den Kontrollpulten.
Er zog Hebel, drehte Wählscheiben und verfolgte auf den Überwachungsmonitoren, wie die Systeme warmliefen. Die Maschine zischte jetzt laut und vibrierte vor Energie. Der Turm aus Einzelteilen schwankte merklich und drohte jeden Moment umzukippen.
Als die Instrumente anzeigten, daß die Energiespeicher ihre volle Kapazität erreicht hatten, legte er einen roten Doppelschalter um. Blauweiße Funken flackerten wie winzige Blitze über die Kabelstränge und schlugen in die Metallhelme auf den beiden Köpfen ein. Die angeschnallten Körper verkrampften sich.
Evazan hielt zwei Skalen unter dem roten Doppelschalter im Auge. Der eine Zeiger bewegte sich nach links, der andere nach rechts. Sekunden später hatten beide Zeiger ihren größten Ausschlag erreicht.
Der Arzt kicherte entzückt und schaltete die Energieversorgung ab. Die blinkenden Dioden erloschen, und das Knistern der Energie verklang.
»Es ist vollbracht! Es hat funktioniert!« jubelte Evazan und stürzte zu dem Tisch mit dem Körper des älteren Andoaners. »Ponda! Ich habe es geschafft!« rief er und löste die Gurte. »Wie geht es dir?«
Aber der Aqualishaner, der einst der Senator gewesen war, antwortete nicht. Offenbar war er noch nicht bei Bewußtsein.
»Ist schon in Ordnung«, sagte Evazan und tätschelte das Wesen. »Du bist bald wieder auf den Beinen. Ruh dich jetzt aus. Ich muß mich um meinen eigenen neuen Körper kümmern!«
Er verließ das Labor und eilte die Treppe zur Halle hinauf. In seinen Augen leuchtete wilde, nur mühsam kontrollierte Erregung. Er riß die Tür zum Vorraum auf und stürzte hinein. Sein perfektes Exemplar lag noch immer reglos auf dem Boden.
Er kniete neben dem Mann nieder und betrachtete verzückt seinen vollkommenen Körper. »Alles, was ich mir gewünscht habe«, sagte er. »Jugend, Stärke… und ein unversehrtes Gesicht! Ich hoffe nur, er ist nicht verletzt.«
Er wollte eine Hand auf die Brust des Mannes legen, um seinen Herzschlag zu überprüfen.
Die Hand glitt durch den mächtigen Brustkorb, als hätte sich das Fleisch geöffnet, um sie zu verschlingen!
Er riß seine Hand zurück und blinzelte verwirrt. »Ein Hologramm!« keuchte er.
Er griff nach seinem Blaster. Aber der andere Mann richtete sich plötzlich auf und hämmerte Evazan die Faust ins Gesicht. Der Schlag schmetterte ihn rücklings zu Boden. Betäubt blieb er liegen.
Ehe sich der Arzt erholen konnte, war der blonde Mann auf den Beinen. Die Umrisse seiner mächtigen Gestalt verschwammen, verblaßten und verschwanden dann völlig und enthüllten einen dünnen Mann mit habichtähnlichen Gesichtszügen, dunkler Haut und einem schwarzen Schnauzbart. Eine Hand lag auf der Gürtelkontrolle der holographischen Verkleidung, die andere Hand hielt einen Gegenstand umklammert, der wie eine Granate aussah – ein Thermodetonator. Der Sicherungshebel war bereits zurückgelegt, und der Daumen des Mannes ruhte auf dem Auslöser.
»Weg mit der Waffe, Evazan«, herrschte ihn der Mann an, »oder wir fliegen beide in die Luft.«
Evazan zog langsam seinen Blaster und warf ihn weg. »Wer sind Sie?« fragte er.
»Mein Name ist Gurion. Ich bin schon seit sehr langer Zeit hinter Ihnen her. Stehen Sie auf.«
»Eine verdammt gerissene Verkleidung«, lobte Evazan, während er aufsprang. »Sie wären sonst nie hereingekommen.«
»Das dachte ich mir. Los, bewegen Sie sich, Sie Schlächter. Bringen Sie mich zum Dach. Ein paar Freunde von mir werden uns abholen.« Gurion hob drohend die Bombe. »Ich sagte, bewegen Sie sich!«
Evazan gehorchte eilig. Sie betraten die Haupteingangshalle und stiegen eine breite Treppe hinauf.
Als sie auf dem ersten Absatz um die Ecke bogen, warf Evazan einen Blick nach unten und entdeckte einen glänzenden Schleimfladen, der durch eine der Türen in die Halle zu seinen Füßen quoll – Rover. Er lächelte still vor sich hin.
»Hören Sie«, sagte er zu seinem Kidnapper, um ihn von Rover abzulenken, »das ist doch verrückt. Ich werde bald ein sehr reicher Mann sein. Ich weiß nicht, wieviel Kopfgeld man Ihnen angeboten hat, aber ich kann Ihnen viel mehr bezahlen.«
»Ich bin an Kopfgeld nicht interessiert«, knurrte Gurion. »Mein Familienname ist Silizzar. Kommt er Ihnen bekannt vor?«
Evazan erbleichte bei dem Namen. »Es… es könnte sein, daß ich ein oder zwei Patienten…«, stotterte er.
Gurion fiel ihm ins Wort. »Sie haben meine ganze Familie behandelt. Wegen einer Magenverstimmung, die sie von einem Gift bekamen, das Sie ihnen als Medizin verschrieben hatten! Sie haben sie nacheinander wie Fische ausgenommen. Sieben Menschen! Keiner von ihnen überlebte. Nein, ich will von Ihnen kein Geld. Mir geht es nur um Rache!«
Sie stiegen weiter die Treppe hinauf und erreichten schließlich eine kleine Tür, die auf ein flaches Teilstück des Daches führte. Vom Meer her wehte ein scharfer Wind und zerrte an ihrer Kleidung, als sie nach draußen traten. Die Blitze in der Ferne tauchten die Umgebung in gespenstisch flackerndes Licht, und dumpf und unheimlich reihte sich ein Donnerschlag an den anderen.
Gurion dirigierte Evazan zum Dachrand, wo er seinen Rucksack mit dem Langstreckenkom befestigt hatte.
»Rühren Sie sich ja nicht von der Stelle«, warnte Gurion. Er hob die Bombe. »Denken Sie daran, wenn ich diesen Knopf drücke, haben wir beide nur noch ein paar Sekunden zu leben. Ich würde Sie lieber vor Gericht stellen, damit Sie für Ihre Verbrechen an all den vielen Lebewesen verurteilt werden. Aber ich werde nicht zögern, der Sache hier ein Ende zu machen!«
»Ich rühr mich nicht von der Stelle«, versicherte Evazan beflissen.
Gurion bückte sich und nahm aus seinem Rucksack den Komkopfhörer. Er ließ den Arzt nicht aus den Augen, während er in das Mikro sprach.
»Mutter, hier ist Gurion. Hört ihr mich?«
»Wir sind noch immer da, mein Freund. Was ist passiert?«
»Ich habe unser Baby bei mir, lebend. Ich bin auf dem Dach. Könnt ihr uns holen?«
»Wir sind schon unterwegs!« rief die Stimme begeistert. »Mutter Ende.«
Aus den Augenwinkeln sah Evazan, wie die Dachtür aufgestoßen wurde. Ein knollengekrönter Stiel tauchte in der Öffnung auf und bewegte sich prüfend hin und her.
»In ein paar Minuten wird uns eine Fähre abholen«, erklärte Gurion, als er den Komkopfhörer wieder verstaute.
Der Arzt machte einen unauffälligen Schritt zur Seite, dann noch einen und noch einen, bis sich Gurion zwischen ihm und der Tür befand.
»Aber Sie müssen mich anhören«, sagte Evazan flehend. »Ich bin in Besitz eines Geheimnisses. Es ist hier in der Burg. Eine Erfindung. Eine sehr große Sache. Ein Angebot, das Sie unmöglich ablehnen können.«
»Da täuschen Sie sich«, sagte der andere unbeeindruckt und fixierte seinen Feind mit kaltem Blick.
Rovers glänzende Masse quoll durch die Tür. Die Kreatur glitt langsam und lautlos weiter. Ihr gallertartiger Körper reflektierte die fernen Blitze.
»Aber mit Hilfe meiner Erfindung könnten Sie ewig leben«, rief der Arzt. »Wahre Unsterblichkeit. Jedes Wesen sehnt sich danach.«
»Glauben Sie im Ernst, Sie könnten Ihre Verbrechen wieder gutmachen, indem Sie mein Leben verlängern?« fragte Gurion ungläubig. »Sie müssen noch verrückter sein, als ich dachte.«
Rover war jetzt nur noch ein paar Meter von dem kauernden Mann entfernt. Die Kreatur plusterte sich auf und holte mit ihren Stielen zum Schlag aus.
Ein Blitz flackerte, und Gurion sah in den winzigen Spiegeln von Evazans Augen das verzerrte Abbild des Meduza. Er sprang auf und wirbelte herum.
Rover schlug im gleichen Moment zu. Gurion versuchte noch zurückzuweichen, aber der knollenförmige Aufsatz des Tentakels traf ihn am Knie und entlud seine gespeicherte elektrische Energie mit lautem Knistern.
Der Mann schrie schmerzgepeinigt auf und taumelte. Seine Hand mit der Bombe fiel schlaff nach unten.
Evazan stürzte sich auf ihn, packte Gurions Handgelenk mit beiden Händen und schüttelte es heftig. Der Detonator entglitt seinen kraftlosen Fingern, hüpfte über das Flachdach und blieb vor der Tür liegen.
Evazan wollte sich von seinem entwaffneten Kidnapper lösen, um ihn Rover zu überlassen, aber Gurion klammerte sich an ihn und packte den Arzt an der Kehle.
»Ich bring dich mit meinen bloßen Händen um!« knurrte er.
Evazan stolperte zurück und versuchte verzweifelt, sich loszureißen, aber Gurion hielt ihn unerbittlich fest.
Die Ferse des Arztes rutschte über die Dachkante. Mit letzter Kraft wirbelte er herum und riß Gurion mit sich. Der Mann hing für einen Moment über dem Abgrund, dann lösten sich seine Hände unter dem Gewicht seines eigenen Körpers von Evazans Kehle, und er stürzte in die Tiefe. Aber Evazan verlor ebenfalls den Halt.
Der Arzt schwankte und ruderte um sein Gleichgewicht kämpfend mit den Armen. Als dies nichts nutzte und er über den Rand kippte, warf er sich heftig herum und griff im Sturz nach der Dachkante.
Seine Schnelligkeit rettete ihn. Er klammerte sich fest und stieß mit den Knien gegen die senkrecht abfallende Steinwand. Unter ihm stürzte Gurion weiter in die Tiefe und prallte mehrfach von den zerklüfteten Klippen ab.
Evazan verfolgte, wie er vom Meer verschluckt wurde. Dann konzentrierte er sich auf seine eigene Sicherheit, fand aber schnell heraus, daß es keine leichte Aufgabe war. Seine Arme allein waren nicht kräftig genug, um ihn nach oben zu ziehen. Seine zappelnden Füße fanden keinen Halt am glatten Stein.
Von oben drang ein Geräusch zu ihm. Er blickte auf und sah nur Zentimeter vor seinem Gesicht zwei Stiefelspitzen. Sein Blick wanderte weiter nach oben, und er stellte fest, daß es Ponda Baba war.
»P-Ponda!« keuchte er unendlich erleichtert. Aber dann verwandelte plötzliches Begreifen die Erleichterung in Überraschung. »Aber… wie? Du bist hier! Der… der Transfer… hat es nicht funktioniert?«
»Oh, es hat funktioniert, Doktor«, antwortete eine Stimme, die ganz anders klang als die seines alten Freundes. »Aber es hat in die andere Richtung funktioniert.«
»In die andere Richtung?« wiederholte er.
»Richtig. Und so haben Sie mich zu einem Dasein im abscheulichen Körper einer Kreatur verdammt, die zum größten Abschaum meines Volkes gehört.« Der Aqualishaner hob den haarigen Arm, der ihn auf seinem Heimatplaneten als sozialen Paria stigmatisierte. »Sie haben mein Leben als Senator zerstört, Doktor. Zum Ausgleich werde ich Ihres zerstören.«
Er hob den anderen, mechanischen Arm und zeigte den Thermodetonator, den er in der künstlichen Hand hielt. Der Metalldaumen ruhte auf dem Zündknopf.
»Nein!« rief Evazan. »Nein, nein, warten Sie! Das können Sie nicht tun!«
»Auf Wiedersehen, Doktor!« sagte der neue Ponda Baba nur.
Er drückte den Knopf, ließ die Bombe fallen, machte kehrt und ging davon.
»Nein, nein!« schrie Evazan, während der Zeitzünder der Bombe laut tickte.
Mit der Kraft der Verzweiflung zog er sich hoch. Seine Augen waren jetzt über der Dachkante. Er entdeckte die tickende Bombe und kurz dahinter den Meduza.
»Rover!« brüllte er. »Hiiilf miiir!«
Hoch über ihm durchstieß eine kleine Fähre die Wolkenbänke und näherte sich der kleinen Felseninsel mit der himmelsstürmenden Burg. Zwei Männer, die so hager und dunkelhäutig waren wie Gurion, saßen an den Kontrollen.
»Da ist es«, sagte einer. Er warf seinem Begleiter einen Seitenblick zu. »Bring uns direkt über das Dach. Ich werde die Rampe…«
Ein greller Lichtblitz ließ ihn verstummen. Eine Explosion verschlang den oberen Teil der ganzen Burg.
Beide Männer verfolgten fassungslos, wie die Detonation die Türme und Obergeschosse des Gebäudes zerstörte. Eine Wolke aus Staub und feinem Schutt stieg in die Höhe, während die größeren Trümmerstücke zu Boden regneten. Dann brach der untere Teil der Burg in sich zusammen und verwandelte sich binnen Sekunden in einen riesigen Schutthaufen.
»Armer Gurion«, sagte der erste Mann und betrachtete erschüttert die Trümmer.
»Die Explosion wird wahrscheinlich die andoanischen Sicherheitskräfte alarmieren«, meinte der andere. »Am besten verschwinden wir von hier.«
Er drehte das Schiff bei und nahm Kurs auf den Weltraum.
»Zumindest hat sich Gurion an diesem wahnsinnigen Evazan gerächt«, sagte der erste Mann, während die Ruine unter ihnen zurückfiel…
Tief unter ihnen, an der zerklüfteten Seite der hohen Burgklippe, lag ein großer, gallengrüner Haufen reglos auf einem Felssims. Dickflüssiges gelbes Öl quoll aus Rissen in der Masse und tropfte klebrig über den Rand.
Dann bebte die gallertartige Masse und wölbte sich nach oben. Plötzlich schoß ein Arm heraus, dann ein zweiter, gefolgt von Dr. Evazans Kopf. Gierig schnappte er nach Luft, wie ein Schwimmer, der zu lange getaucht hatte.
Mühsam befreite er sich aus der Masse, die einst sein Haustier gewesen war. Obwohl die treue Kreatur seinen Sturz gedämpft und ihm das Leben gerettet hatte, war sie selbst beim Aufprall getötet worden.
»Danke, Rover«, sagte er und wischte einen Schleimfaden von seinem Hemd. Er bückte sich und tätschelte die zerfetzte Masse. »Tut mir leid für dich, Kleiner.«
Er blickte hinauf zur zerstörten Burg.
»In die andere Richtung«, sagte er bekümmert. »Verdammt!« Dann zuckte er die Schultern. »Ach, was soll’s. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal.«
Und mit diesen Worten machte er sich an den langen Abstieg zum Meer.