Am Kreuzweg:

Die Geschichte des Raumfahrers

Jerry Oltion

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Die Unendlichkeit war in mehr als nur einer Hinsicht heiß. BoShek lächelte, als er über Tatooine zum Sprung aus dem Hyperraum ansetzte. Er hatte soeben Solos Flugrekord von Kessel nach Tatooine gebrochen.

Natürlich flog er ohne Ladung, überführte nur das Schiff, damit seine Transponderkodes geändert werden konnten, aber dennoch freute er sich schon darauf, dem angeberischen Corellianer und seinem pelzigen Partner unter die Nase zu reiben, daß er ihren Rekord gebrochen hatte.

Das Cockpit war wie maßgeschneidert. Er konnte vom Pilotensitz aus alle Kontrollen mühelos erreichen, und alles war genau da, wo er instinktiv hingriff. Die Sichtluken boten einen fast lückenlosen Rundblick, und ein Holo über seinem Kopf zeigte den Heckbereich, der nicht direkt beobachtet werden konnte. In seinen drei Jahren als Pilot von Schmugglerschiffen der Klosterschmiede hatte BoShek noch kein derartig perfekt konstruiertes Schiff geflogen.

Die letzten Sekunden des Countdowns liefen ab, und der Computer schaltete automatisch auf die Sublichttriebwerke um. Langgezogene Sternlinien schrumpften wieder zu Lichtpunkten zusammen, und links oben erschien die helle, weißgelbe Scheibe Tatooines. Bei allen Banthas, das war knapp! Wäre er noch eine Sekunde länger im Hyperraum geblieben, wäre er in der Planetenkruste materialisiert.

Er drehte bei, damit der Navigationscomputer die orbitalen Funkfeuer anpeilen konnte, aber er war bereit, jede Wette einzugehen, daß der Rechner bereits wußte, wo sie waren. Tatsächlich, nur Sekunden später wurde das Bild des Planeten auf dem Navigationsmonitor von Längen- und Breitengraden überlagert, gefolgt von den Flecken der verstreuten Oasen und Siedlungen des Wüstenplaneten.

Mos Eisley war nur noch ein paar tausend Kilometer entfernt. BoShek wollte schon beschleunigen, als der Navcomputer eine Warnung summte und hinter der Krümmung des Planeten zwei helle weiße Keile auftauchten. Imperiale Sternzerstörer. BoShek starrte durch die Sichtluke und fröstelte. Sie waren so groß, daß sie mit bloßem Auge erkennbar waren.

Woher waren sie gekommen? Tatooine lag so weit abseits, daß das Imperium nur selten einen Steuereintreiber herschickte, von zwei Kriegsschiffen ganz zu schweigen. Irgend jemand mußte während seiner Abwesenheit eine Menge Ärger gemacht haben.

Und jetzt bekam er Ärger, denn die Transponderkodes der Unendlichkeit waren heiß. Wenn sich die Imperialen die Mühe machten, die unverwechselbaren Emissionssignaturen seiner Triebwerke zu scannen – und das würden sie zweifellos tun –, würden sie erkennen, daß es sich um ein Schmugglerschiff handelte, das in der ganzen Galaxis wegen Zollvergehen, Steuerhinterziehung, Waffenschmuggel und Dutzender anderer Verbrechen gesucht wurde. Die Tatsache, daß BoShek es lediglich für jemand anderen nach Tatooine geflogen hatte, würde ihn nicht vor einem Prozeß retten. Falls es überhaupt zu einem Prozeß kam.

Und was das betraf – weder das Kloster noch die Besitzer der Unendlichkeit würden über die Beschlagnahmung des Schiffes erfreut sein. Sein Job war es, das Schiff unentdeckt zu überführen, damit die Klostertechniker es mit neuen Kodes und sauberen Papieren ausrüsten konnten, und nicht, es an die erstbeste Patrouille zu verlieren, die des Weges kam.

Ohne zu zögern ging er in den Sturzflug über und gab Vollschub. Im Weltraum hatte er gegen die TIE-Kurzstreckenjäger der Zerstörer keine Chance, aber unten in der Atmosphäre, wo die Masse des Planeten ihre Sensoren störte, konnte er sie vielleicht abhängen.

Tatooine wuchs von einer Kugel zu einer nahen, gefleckten Wand. Die Unendlichkeit bockte, als sie in die oberen Atmosphäreschichten eindrang, dann flackerte auf der Steuerbordseite ein greller Blitz, und das Schiff scherte plötzlich nach backbord aus. Die Zerstörer hatten das Feuer eröffnet.

 

BoShek setzte seinen Sturzflug fort. Er wußte, je mehr Luft er zwischen sich und die Zerstörer brachte, desto sicherer war er vor ihren Turbolasern. Er zog eine glühende, ionisierte Spur hinter sich her, aber als er auf dreifache Schallgeschwindigkeit abbremste, löste sich der verräterische Schweif auf.

Aber er war noch nicht in Sicherheit. Die Kriegsschiffe hatten vier TIE-Jäger ausgeschleust, und die Jagdmaschinen drangen in die Atmosphäre ein und holten auf. Ihre größere Nähe glich die Energieabsorption der Luft wieder aus. Die Unendlichkeit schüttelte sich erneut unter dem imperialen Feuer.

Glücklicherweise versuchten sie noch nicht, ihn zu töten. Überzeugt, daß er nicht entkommen konnte, versuchten sie nur, das Schiff zu beschädigen und zur Landung zu zwingen. Wahrscheinlich versuchten sie sogar, ihn über Funk zu erreichen, aber BoShek ließ den Empfänger abgeschaltet. Jede Antwort würde sie nur in den Besitz seines Stimmusters bringen; wenn es ihm gelang, sie abzuschütteln, konnte er so zumindest hoffen, unerkannt zu bleiben.

Er beschleunigte wieder, schoß gleichzeitig spiralförmig in die Tiefe und unter den Jägern hinweg, um dann im Tiefflug über den Sand zu rasen. Er befand sich über dem riesigen Dünenmeer, weit westlich jeder Zivilisation; die wellenähnlichen Dünenfelder explodierten in Wolken aus wirbelndem Sand, als die Druckwelle seines Schiffes sie erfaßte.

Die Jäger nahmen die Verfolgung auf und pflügten direkt durch die Wolken, aber sofort prasselten Sandpartikel gegen ihre Sensoren und Kontrollrezeptoren und trübten ihre Sichtluken. Sie stiegen wieder in die Höhe, um den wirbelnden Sand zu überfliegen, doch BoShek nutzte die Gelegenheit und bremste ab, und die Jäger schossen an ihm vorbei. Er scherte nach links aus, wartete, bis sie ebenfalls nach links abdrehten, dann riß er das Schiff hart nach rechts, gab wieder Vollschub und raste nach Osten, der Jundland-Öde entgegen.

Als die zerklüftete Canyonregion am Horizont auftauchte, holten die TIE-Jäger ihn langsam ein. BoShek wich einigen letzten Energiestrahlen aus, schoß dann in den ersten Canyon und mit Höchstgeschwindigkeit durch die schmale, gewundene Schlucht. Die Unendlichkeit flog wie ein Traum und folgte den Konturen des Bodens, als wäre sie ein Zug auf einem unsichtbaren Schienenstrang, aber die TIE-Jäger waren genauso wendig. Nur die Schäden, die sie sich in der Sandwolke zugezogen hatten, verhinderten, daß sie ihn einholten.

Dann machte einer von ihnen einen Fehler. Bei dem Versuch, aufzuschließen und ihn manövrierunfähig zu schießen, geriet er in die Druckwelle der Unendlichkeit. Seine breiten vertikalen Tragflächen wurden von den Turbulenzen erfaßt, und die Maschine wirbelte wie ein Blatt gegen die Felswand. Ein zweiter Jäger flog direkt in den Feuerball der Explosion, und es gab nur noch zwei Verfolger.

Aber die Zerstörung der beiden Maschinen änderte die Spielregeln. Jetzt wollten sie ihn nicht mehr manövrierunfähig schießen, sie wollten sein Blut sehen. BoShek suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit, wie er sie zuerst erledigen konnte, doch die Unendlichkeit war zwar schnell, aber kein Kriegsschiff.

Flüchtig dachte er daran, die Macht herbeizubeschwören, seine uralten mystischen Kräfte einzusetzen, um die Verfolger abzuschütteln, aber er wußte, daß es sinnlos war. Seit ihm die wenigen echten Mönche des Klosters von Mos Eisley von der Macht erzählt hatten, hatte er versucht, sie durch konzentriertes Meditieren zu wecken, doch er hatte nie auch nur einen Hinweis darauf erhalten, daß sie existierte, abgesehen von der Tatsache, daß er hin und wieder auf verschwommene Weise die Gegenwart anderer Leute spürte. Die alten Jedi waren vielleicht vor langer Zeit fähig gewesen, die Energien der Macht anzuzapfen, um ihre Feinde zu besiegen, aber nicht einmal die Macht hatte sie vor dem Imperium schützen können. Nein, er brauchte etwas Konkreteres, etwas Handfestes, wenn er entkommen wollte.

Dann fiel ihm eine Geschichte ein, die ihm Solo einmal erzählt hatte, wie er einen Kopfgeldjäger in einem Asteroidengürtel ausgetrickst hatte. Ja. Vielleicht funktionierte der Trick auch hier.

Er lockte die Jäger tiefer und tiefer in den Canyon, bis sie auf beiden Seiten von hohen Felswänden eingeschlossen waren. Die Unendlichkeit schüttelte sich unter mehr und mehr Treffern, und eine blinkende Diode am Instrumentenpult warnte ihn, daß der Schild kurz vor dem Zusammenbruch stand, aber statt zu beschleunigen, bremste BoShek ab. Er legte einen Finger auf den Knopf für den Notstart der Rettungskapsel, und als er um eine scharfe Kurve flog, drückte er ihn tief in die Verschalung. Die Rettungskapsel wurde abgesprengt und raste direkt gegen die Canyonwand, wo ihr Treibstofftank in einem spektakulären Feuerball explodierte. BoShek hielt das Heckholo im Auge, aber keiner der beiden TIE-Jäger tauchte aus den Flammen auf. Entweder waren sie ebenfalls explodiert, oder die Piloten hatten ihre Maschinen hochgezogen und kreisten nun über der Schlucht und suchten das vermeintliche Wrack der Unendlichkeit.

Lächelnd ließ BoShek den Canyon unter sich zurück, drehte den Bug nach Osten und schaltete den Antrieb ab. Er war noch schnell genug, um Mos Eisley notfalls im ballistischen Flug zu erreichen, und mit deaktiviertem Triebwerk würden ihn die TIE-Jäger nicht orten können.

»Solo«, sagte er laut, »ich schulde dir einen Drink.«

 

BoShek wußte auch, wo er ihn finden konnte. Wenn der Millennium Falke auf Tatooine war, trieben sich Solo oder Chewbacca – und manchmal beide – in der Mos Eisley Bar herum und versuchten neue Geschäfte einzufädeln. Nachdem er die Unendlichkeit zum Kloster gebracht und die Mechaniker angewiesen hatte, die Triebwerktransponder umgehend zu ändern, machte sich BoShek sofort auf den Weg zur Bar. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, seine Bordmontur gegen bequemere Kleidung einzutauschen. Das Kloster lag im Süden der Stadt, nicht weit vom Zentrum entfernt; er stattete der Königinwitwe, dem uralten Wrack des ersten Kolonistenschiffes, einen kurzen Besuch ab, um einem der dort hausenden Straßenprediger eine versiegelte Botschaft des Abtes auszuhändigen, und eilte dann weiter.

Auf den Straßen wimmelte es von Sturmtrupplern, aber sie schienen nicht nach BoShek zu suchen. Er sah, wie vier von ihnen einen zerbeulten alten Gleiter mit einem alten Einsiedler, einem Jungen und zwei Droiden stoppten, aber sie schienen an ihnen auch nicht besonders interessiert zu sein, denn sie ließen sie nach ein paar Fragen weiterfahren. BoShek verschwand in der Bar, bevor die Sturmtruppen auf ihn aufmerksam werden konnten.

Seine Augen brauchten eine Weile, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen, aber Chewbacca war nicht zu übersehen – er überragte alle anderen Gäste am Tresen. BoShek drängte sich durch die Menge und stellte sich neben ihn an die Bar.

»Ich habe euren Rekord gebrochen«, sagte er ohne Umschweife.

Chewbacca grunzte das Wookiee-Äquivalent für »Verzieh dich«, aber dann erkannte er BoSheks Stimme und drehte den Kopf, um zu fragen, welchen Rekord BoShek meinte.

»Die Strecke Kessel-Tatooine«, grinste BoShek. »Ich habe eure Zeit um ein Zehntel unterboten, und ich mußte vor der Landung noch vier TIE-Jäger erledigen.«

Chewbacca grollte bewundernd. Er heulte einen langen, jaulenden Satz, den BoShek mit »Laß dich nur nicht von deinen Auftraggebern dabei erwischen, daß du ihre Schiffe überlastest, sonst nehmen sie sich einen anderen Piloten« übersetzte.

»He, wir sind die besten Piloten, die es gibt, und das weißt du«, konterte BoShek. Er winkte dem Barkeeper zu, der ihm jedoch nur einen mürrischen Blick zuwarf und sich abwandte. »Was macht der Falke? Braucht ihr schon einen neuen Kodejob?«

Der Wookiee schüttelte den zotteligen Kopf und lachte dann brüllend. Er heulte einen weiteren Satz, den BoShek vorsichtig mit »Dein letzter Auftrag hat uns schon genug gekostet. Wir verzichten, das ist billiger« übersetzte.

»Ja, Nichtstun ist die beste Lebensversicherung«, sagte BoShek und zitierte damit den Lieblingsspruch des Abtes. Er wollte schon nach dem Barkeeper rufen, als er mit schmerzhafter Klarheit jemanden hinter sich spürte. Es war die stärkste Präsenz, die er je wahrgenommen hatte.

So unauffällig wie möglich drehte er sich um und sah den alten Einsiedler und den Jungen in der Tür stehen. Der Einsiedler sah ihm direkt in die Augen, und ein Lächeln huschte über sein runzliges Gesicht. Er ließ den Jungen bei den Droiden zurück, trat zu BoShek und sagte mit erstaunlich volltönender Stimme: »Möge die Macht mit Ihnen sein, mein Freund.«

Die Macht? Hatte er sie wirklich gerade gespürt? »Ich… äh… danke«, stotterte BoShek. »Woher wissen Sie…?«

»Für jemand, der ein Auge auf derartige Dinge hat, ist Ihr Kampf nicht zu übersehen. Ich könnte Ihnen vieles beibringen, aber ich fürchte, meine Zeit hier ist begrenzt. Ich muß den Planeten verlassen. Aber da ich annehme, daß Sie ein Schiff haben, könnten wir unsere Reise vielleicht zusammen fortsetzen.«

 

BoShek konnte kaum glauben, was er hörte. Dieser alte Bursche las praktisch seine Gedanken. BoShek hatte noch keinem anderen Wesen von seiner Faszination für die Macht erzählt, und doch kam dieser völlig Fremde daher und wußte sofort Bescheid. Doch in einem Punkt irrte er sich. »Ich wünschte, ich hätte ein Schiff«, sagte er. »Aber ich bin nur ein Pilot.«

»Ah, das ist bedauerlich«, seufzte der Einsiedler. »Aber vielleicht können wir uns nach meiner Rückkehr weiter über die Macht unterhalten.«

»Ja, vielleicht.«

Chewbacca knurrte leise, und BoShek nickte. »Allerdings kenne ich jemanden, der ein Schiff hat und vielleicht bereit ist, Passagiere mitzunehmen«, erklärte er und wies auf den Wookiee.

»Ich verstehe. Vielen Dank.« Der Einsiedler sah Chewbacca an, dann wieder BoShek und fügte hinzu: »Ich möchte Ihnen noch einen Rat geben: Hüten Sie sich vor der dunklen Seite. Ihre Rolle hier am Rand der Gesellschaft hat Sie in eine sehr zwiespältige Lage gebracht, die Sie klären müssen, bevor Sie Ihre Reise fortsetzen können. Nur wer reinen Herzens ist, kann hoffen, die Energien der Macht erfolgreich zu kontrollieren.«

»Danke, ich werde daran denken«, versicherte BoShek.

»Viel Glück.«

 

BoShek nickte Chewbacca zu, überließ ihn dann dem Einsiedler und ging ans andere Ende des Tresens, um sich beim Barkeeper einen Drink zu bestellen.

Als er endlich ein Glas in der Hand hatte und sich nach Solo umsah, zog der alte Mann plötzlich ein Lichtschwert und wehrte den Angriff eines walroßgesichtigen Aqualishaners und eines noch häßlicheren Menschen ab. In dem anschließenden Tumult stolperte BoShek und fiel zu Boden. Der Aqualishaner verlor im Kampf einen Arm, und die anderen Gäste wichen mit neuem Respekt vor dem alten Mann zurück, aber das kümmerte BoShek im Moment herzlich wenig, denn er war damit beschäftigt, verschüttetes Bier von der Brust seiner Bordmontur zu wischen.

Blutige Kämpfe waren in der Bar an der Tagesordnung, und vom Lichtschwert des alten Mannes abgesehen, war diese Auseinandersetzung nichts Besonderes, doch eine ganze Reihe Gäste hatte ihre Drinks verschüttet, so daß BoShek zehn weitere Minuten auf ein neues Glas warten mußte. Als er endlich Solo entdeckte, war der Corellianer bereits in ein Gespräch mit dem alten Mann und dem Jungen vertieft, also setzte er sich an den Tresen und wartete, bis sie fertig waren. Vielleicht konnte er später von Solo mehr über den alten Burschen erfahren.

Während er wartete, versuchte er herauszufinden, was die Sturmtruppen in der Stadt wollten, aber niemand schien etwas Genaues zu wissen. Die imperialen Truppen waren vor ein paar Tagen von ihren Sternzerstörern abgesetzt worden und hatten überall in der Stadt und in den meisten anderen Städten am Rand der Jundland-Öde Straßensperren errichtet. Sie suchten etwas aber niemand wußte, was.

In diesem Moment kamen zwei weißgepanzerte Sturmtruppler herein. BoShek hob den Kopf, um zu sehen, wie der Einsiedler und der Junge auf ihre Gegenwart reagierten, aber sie waren bereits fort. Er stand auf und wollte ihren Platz an Solos Tisch einnehmen, aber die Sturmtruppler und ein langschnauziger, grünhäutiger Rodianer kamen ihm zuvor. Solo war heute offenbar sehr begehrt.

Der Rodianer richtete einen Blaster auf Solos Brust. BoShek zog seinen eigenen Blaster aus dem Holster, bereit, einzugreifen, falls Solo Hilfe brauchte, aber dann sah er etwas, das ihn veranlaßte, die Waffe wieder einzustecken und amüsiert zuzuschauen. Langsam, fast unmerklich zog Solo unter dem Tisch seinen eigenen Blaster.

Kaum hatte er ihn aus dem Holster, zuckte er mit den Schultern, als wollte er sagen: »Gute Reise, Arschloch.« Dann feuerte er durch den Tisch auf den Rodianer, der nach vorn kippte und die rauchenden Überreste der Tischplatte unter sich begrub.

Solo stand auf, schnippte dem Barkeeper ein paar Kredits zu und stolzierte nach draußen, ehe BoShek seine Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte. Er stürzte seinen Drink hinunter und folgte ihm, aber er war noch nicht ganz aus der Tür, als jemand seinen Arm packte und eine herrische Stimme sagte: »Halt, Raumfahrer, keine Bewegung!«

Er drehte sich langsam um und sah einen Ortspolizisten, der mit einem Blaster auf ihn zielte. »Was ist los?« fragte er so unschuldig wie möglich.

Der Polizist sah ihn finster an. »Ich werde Ihnen sagen, was los ist. Ein Sternenschiff, das auf der Fahndungsliste steht, hat die imperiale Blockade durchbrochen, dabei vier Abfangjäger zerstört und ist vor ein paar Stunden hier in der Stadt gelandet. Darth Vader befindet sich auf einem der Schlachtschiffe und will, daß jemand mit seinem Kopf für diese Verbrechen bezahlt, und Ihrer hat meiner Meinung nach genau die richtige Größe. Sie tragen immer noch Ihre Bordmontur; was halten Sie davon, mich aufs Revier zu begleiten und ein wenig zu plaudern?«

Nur dank seiner jahrelangen Erfahrung im Beschwatzen der Zollbehörden gelang es BoShek, ein neutrales Gesicht zu machen. Innerlich war er der Panik nahe. Wenn sie eine Gehirnsonde auf ihn ansetzten, war er erledigt, und es war durchaus wahrscheinlich, daß mit ihm auch das Kloster auffliegen würde. So oder so, er war ein toter Mann.

Mit erzwungener Ruhe zuckte er die Schultern und sagte: »Sie haben den falschen Piloten, fürchte ich, und die Bar ist voller Leute, die es bestätigen können. Ich war den ganzen Nachmittag hier.«

Der Polizist zögerte und drehte sich halb zum dunklen Eingang um. Als er die Augen zusammenkniff, um besser sehen zu können, trat ihm BoShek den Blaster aus der Hand. Dann holte er mit der Faust aus, legte seine ganze Kraft in den Schlag und schickte den Polizisten mit einem gewaltigen Schwinger zu Boden.

Der Blaster landete ein paar Stufen weiter auf der Treppe. BoShek wollte ihn aufheben, doch zwei Jawas kamen ihm zuvor und verschwanden mit ihrer Beute zwischen den größeren Nichtmenschen auf der Straße. BoShek kümmerte sich nicht weiter um sie; er hatte seinen eigenen Blaster, falls es weitere Probleme gab, und solange der Polizist keinen hatte, war er glücklich. Er wandte sich ab und ging ungezwungen – aber schnell – Richtung Stadtzentrum, wo der Marktplatz lag und der größte Trubel herrschte.

Er hatte gerade die Straße überquert und war noch einen halben Block vom Wrack der Königinwitwe entfernt, als er hinter sich einen Schrei hörte. Von den anderen Passanten blickte kaum einer auf, denn aus der Bar drang häufig lautes Geschrei, aber BoShek beschleunigte seine Schritte und näherte sich hastig dem rostigen Rumpf des alten Kolonistenschiffs.

Verbogene Träger ragten über die ungepflasterte, schmutzige Straße. An einigen waren schattenspendende Planen befestigt, unter denen sich die Neugierigen versammelt hatten, um den Straßenpredigern zuzuhören, die von den oberen Stockwerken aus ihre Lehren verkündeten. Durch Risse in der Hülle und gesplitterte Bullaugen konnte man ins düstere Innere blicken, wo rot leuchtende Jawa-Augen neugierig nach draußen spähten.

BoShek trat gebückt durch die halboffene Frachtluke. Im Laderaum roch es durchdringend nach Jawas, aber es störte ihn nicht. Im Gegenteil, je mehr Jawas, desto besser für ihn. Er stieg über die im Schatten dösenden Stadtstreicher und Prediger hinweg und erreichte eine Stelle, die von der Straße aus nicht einzusehen war. In dem trüben Licht, das durch die Löcher in der Hülle drang, streifte er seine Bordmontur ab und schleuderte sie in die Dunkelheit, behielt nur den Werkzeuggürtel mit seinen persönlichen Habseligkeiten. Aus dem Dunkeln drang Geknurre und schrilles Geschnatter, als sich die Bewohner des Wracks um die Beute stritten.

Sein grauer Overall war weniger auffällig, aber er brauchte trotzdem eine bessere Verkleidung, wenn er der Polizei entkommen wollte. BoShek kniete neben einem der Stadtstreicher nieder und sagte: »Zehn Kredits für deinen Mantel.« Das war weit mehr, als das Kleidungsstück wert war, und sie beide wußten es. Ohne ein Wort zog der Stadtstreicher seine grobe braune Robe aus und gab sie ihm. BoShek bezahlte, schlüpfte in das übelriechende Gewand und kehrte zur Luke zurück.

Er hatte die Hartnäckigkeit des Polizisten unterschätzt. Offenbar hatte er gesehen, wie BoShek ins Wrack geschlüpft war, und stand jetzt mit einem kleinen Ersatzblaster in der Hand am Rand der Menge. Die Zahl der Schaulustigen hatte sich unter den finsteren Blicken des Polizisten merklich verringert; BoShek glaubte nicht, daß es ihm gelingen würde, sich unter den wenigen verbliebenen Gaffern zu verstecken.

Er machte kehrt und betrat wieder das Schiff. Es mußte noch einen anderen Ausgang geben. Er stolperte über noch mehr Körper und umrundete den ganzen Laderaum, aber alles, was er fand, war eine nach oben führende Rampe. In der Hoffnung, dort eine Treppe zu finden, die an der Außenhülle nach unten führte, stieg er die Rampe hinauf, erreichte aber nur das Panoramadeck, von dem aus ein halbes Dutzend Prediger die Menge auf der Straße zur Umkehr aufforderte.

BoShek beobachtete, wie der erste Polizist Verstärkung bekam. Er saß in der Falle. Sie waren offensichtlich nicht bereit, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen, nicht, solange ihnen das Imperium im Nacken saß. Sie brauchten einen Sündenbock für die Sturmtruppen, und sie würden ihn jetzt nicht mehr davonkommen lassen. Was bedeutete, daß sie keine Ruhe geben würden, bis sie das ganze Schiff durchsucht hatten. BoShek sah sich verzweifelt um, aber es gab nirgendwo ein Versteck. Das Panoramadeck war noch überschaubarer als der Frachtraum. Alles, was nicht niet- und nagelfest gewesen war, hatte man abmontiert oder herausgerissen, bis nur noch der leere Boden und die gesplitterten, in regelmäßigen Abständen angebrachten Fenster übriggeblieben waren. Bis auf eins waren alle Fenster von den Predigern besetzt, die unbeirrt die Leute auf der Straße mit ihren Tiraden ergötzten. Keiner der Priester stammte aus dem Kloster. BoShek wunderte sich darüber, bis ihm die Nachricht wieder einfiel, die er auf seinem Weg zur Bar hier abgeliefert hatte. Der Abt mußte seine Leute zu irgendeiner Versammlung zurückbeordert haben.

Ohne Versteck und ohne Freunde, die ihm helfen konnten, blieb ihm nur eine Möglichkeit. Er bückte sich, fuhr mit den Händen über den schmutzigen Boden an der Wand und bestrich dann Gesicht und Stirn mit der zähen schwarzen Schmiere. Dann trat er an das freie Fenster und rief mit zitternder Stimme, von der er hoffte, daß sie alt und kraftlos klang: »Brüder, Schwestern, Freunde und Nichtmenschen, hütet euch vor der dunklen Seite der Macht!«

 

Ein paar der unten stehenden Leute blickten im grellen Sonnenlicht blinzelnd zu ihm hoch, und BoShek begriff, warum dieses eine Fenster frei gewesen war. Wenn man von unten zu ihm heraufschaute, war Tatooines Doppelsonne direkt hinter ihm; kein guter Platz für einen Prediger auf der Suche nach Anhängern. Aber für BoShek war er perfekt geeignet. Er zog die Kapuze über den Kopf, damit ihn niemand von der Seite erkennen konnte, räusperte sich und begann mit seiner Predigt.

Obwohl er in einem Kloster lebte, wußte er so gut wie nichts von der Religion, der die Mönche anhingen. Er verbrachte seine Zeit in dem unterirdischen Werftkomplex, nicht in der Kathedrale, die die Mönche zur Tarnung darüber erbaut hatten. Er wußte, daß ihre Lehre auf der Göttlichkeit der Banthas oder ähnlichem Unsinn beruhte, und daß sie von einer Gruppe wahrer Gläubigen stammte, die draußen in der Wildnis hausten, aber von den Einzelheiten hatte er nicht die leiseste Ahnung. Es war viel besser, dachte er, etwas zu predigen, von dem er zumindest etwas verstand, obwohl er annahm, daß es vermutlich keine große Rolle spielte. Wer hörte schon auf Straßenprediger?

Ihm fiel ein, was der alte Mann in der Bar zu ihm gesagt hatte, und er rief: »Nur die, die reinen Herzens sind, können hoffen, wahre Meister der Macht zu werden.« Ein paar weitere Gesichter drehten sich ihm zu, wandten sich aber gleich wieder ab. »Ihr müßt euch der Erlösung öffnen. Ihr müßt euch läutern, Frieden mit eurem inneren Selbst schließen und euch der Führung der Macht anvertrauen.«

Der Prediger rechts von ihm hatte seinen eigenen Sermon unterbrochen und hörte ihm zu. BoShek lächelte ihn nervös an und fuhr dann fort: »Wenn ihr euch der Macht hingebt, vertraut ihr euer Leben der größten Macht des Universums an. Mit ihr könnt ihr Berge versetzen, in die Zukunft blicken und das ewige Leben gewinnen.« Ha, dachte er, Predigen war ganz einfach. Man mußte nur einen Haufen Allgemeinplätze aneinanderreihen.

Ein weiterer Prediger verstummte. BoShek wußte nicht, ob ihm die Aufmerksamkeit gefiel, aber die Polizisten hatten inzwischen das Schiff umstellt, und er hörte den Tumult im Frachtraum, als sie mit der Durchsuchung begannen. Und jetzt, wie Motten, die vom Licht angezogen wurden, näherte sich auch noch eine Sturmtruppenpatrouille dem Schiff.

 

BoShek zog seine Robe enger um sich, beugte sich weiter aus dem Fenster und donnerte: »Bereut! Seht tief in eure Herzen, denn dort werdet ihr die Wahrheit finden!«

»Sei still!« zischte der Prediger zu seiner Rechten. BoShek bemerkte, daß die Robe des Mannes wesentlich sauberer war als seine, und an seinen Fingern und Handgelenken funkelten goldene Ringe und Armreifen. Predigen war offenbar ein einträgliches Geschäft.

»Sei du still«, wies ihn BoShek zurecht. Er konnte jetzt hören, wie die Polizisten die Rampe heraufkamen. »Nein, mach ruhig weiter. Predige, oder wir beide werden unsere Gebete im Gefängnis aufsagen müssen.« Er wandte sich wieder dem Fenster zu und rief: »Es sind Ungläubige unter euch, Leute, die die Existenz der Macht leugnen oder behaupten, daß sie im Lauf der Zeit schwach geworden und in unserer modernen Zeit nicht mehr von Nutzen ist, aber ich sage euch, jedes Lebewesen, das geboren wird, stärkt die Kraft der Macht.«

Der Prediger, der ihn zum Schweigen bringen wollte, sah beunruhigt zur Rampe hinüber, beugte sich dann wieder aus dem Fenster und donnerte mit so lauter Stimme, daß er BoSheks Worte völlig übertönte: »Seht die Banthas auf den Dünenfeldern. Sie kennen weder Furcht noch Reue. Sie sind die heiligsten unter den Tieren…«

Oh, Mann. Dieser Bursche hatte es wirklich drauf. BoShek war froh, daß er nicht versucht hatte, sich auf die Klosterreligion zu berufen, obwohl der Prediger nicht allzu begeistert schien, eine konkurrierende Lehre zu hören. Nun, das ließ sich nicht mehr ändern; BoShek mußte weitermachen, ob er wollte oder nicht.

Der andere Prediger machte ebenfalls mit seinem Sermon weiter und bot allen, die ihm Geld zuwarfen, Heilung an.

BoShek ließ ihn freudig gewähren, lenkte er doch die Aufmerksamkeit von ihm ab, und predigte weiter über die Macht, um seine Tarnung nicht zu gefährden. Er konnte die Polizisten hinter sich auf dem Panoramadeck spüren, drei Männer mit entsicherten Blastergewehren. Er schloß die Augen und betete um ein Wunder, betete, daß sie einfach kehrtmachen und wieder die Rampe hinuntergehen und verschwinden würden.

Von unten drang die schrille Stimme eines wütenden Jawas herauf. Das unverkennbare Fauchen eines Blasterschusses ließ BoShek fast aus dem Fenster springen, aber gerade noch rechtzeitig erkannte er, daß auch der Schuß draußen gefallen war. Er beugte sich nach vorn, spähte an der Hülle entlang und entdeckte die rauchenden, auf dem Boden liegenden Überreste des Jawas. Die weißgepanzerten Sturmtruppler standen mitten auf dem Platz und schwenkten drohend ihre Blastergewehre, aber niemand feuerte auf sie.

Die Polizisten hinter BoShek stürzten die Rampe hinunter, um den Zwischenfall zu untersuchen. BoShek lehnte sich haltsuchend, mit weichen Knien an den Fensterrahmen. Was immer auch der Jawa getan hatte, sein lautstarker Tod hatte die Polizisten abgelenkt und ermöglichte ihm vielleicht die Flucht.

Er wandte sich zum Gehen, nur um eine goldberingte Faust ins Gesicht zu bekommen. Er kippte nach hinten und landete hart auf dem Boden. »Von dir lassen wir uns nicht verhöhnen«, fauchte der Prediger und versetzte ihm einen Tritt gegen die Rippen. BoShek krümmte sich zusammen.

Die anderen Prediger fielen ebenfalls über ihn her, traten und schlugen ihn. »Das ist dafür, daß du dich über uns lustig gemacht hast!« schrie einer von ihnen und verdrehte BoSheks Ann. »Und das ist dafür, daß du die Polizei hergelockt hast«, sagte ein anderer.

BoShek rappelte sich auf und versuchte, alles zu erklären. »Nein, wartet, ich wollte nicht…« Aber sie waren an Entschuldigungen nicht interessiert. Er schützte seinen Kopf mit den Armen vor ihren Schlägen und floh zur Rampe, stolperte und fiel, rollte halb hinunter, kam wieder hoch und rannte weiter. Er dachte, die Prediger würden es dabei belassen, aber zwei von ihnen verfolgten ihn aus dem Wrack und auf den Platz, wo die Polizisten, die um den Leichnam des Jawas standen, herumfuhren, um zu sehen, was der neue Tumult zu bedeuten hatte.

»Das ist er!« schrie der Polizist, den er niedergeschlagen hatte, und gab einen Blasterschuß ab, der BoSheks Kopf nur um Haaresbreite verfehlte und statt dessen eine rostige Stabilisierungsflosse von der Hülle des Wracks sprengte. BoShek sprang über die rostige Flosse und sprintete an der gekrümmten Hülle entlang, bis der Rumpf ihn vor den Blicken seiner Verfolger verbarg. Dann rannte er die Straße hinunter zum Jawa-Handelszentrum, vor dem sich ganze Massen von Käufern und Verkäufern drängten.

Die Prediger waren ihm noch immer dicht auf den Fersen, was der einzige Grund dafür war, daß er keinen Blasterschuß in den Rücken bekam. Die Polizei war offenbar nicht bereit, versehentlich einen echten religiösen Führer zu erschießen, wahrscheinlich aus Furcht, daß ihre Anhänger aus Rache einen Aufruhr anzettelten.

BoShek nutzte ihr Zögern; um sich durch die Händler zu drängen und in die Straße zu biegen, die zum Gebrauchtgleiterhof führte. Er dachte kurz daran, sich zwischen den Gleitern auf dem großen Platz zu verstecken und seine Verfolger auf diese Weise abzuhängen, aber als er näher kam, entdeckte er einen arconanischen Händler mit dreieckigem Kopf, der gerade billig einen Bodengleiter erstanden hatte, und er wußte, daß er gerettet war.

Er rannte zu dem Gleiter des Arconaners – ein heruntergekommener XP-38A mit je einem Turbojet an den Seiten und einem dritten an der Spitze einer Heckflosse –, warf dem verdutzten Nichtmenschen eine Handvoll Kredits zu, schwang sich dann auf den Fahrersitz und schrie über die Schulter: »Ich mach nur eine kleine Probefahrt!«

»Nein, warten Sie! Wir kommen Sie dazu…«, heulte der Arconaner, aber BoShek hörte schon nicht mehr hin. Die Turbojets dröhnten im Leerlauf; er gab Vollschub, raste los und überfuhr fast einen zylindrischen Droiden, bevor er auf die Straße schleuderte.

Die Polizisten gaben ein paar ungezielte Schüsse auf ihn ab, doch die Energiestrahlen ließen nur die Leute auf der Straße fluchtartig in Deckung gehen. BoShek raste den leeren Boulevard hinunter, schlingerte am Ende des Blocks mit Höchstgeschwindigkeit um die Ecke und rollte weiter.

Am übernächsten Block bremste er ab, bog um die Ecke und fuhr mit normaler Geschwindigkeit zur nächsten Ecke, wo er wieder abbog und sich in den spärlichen Verkehr einfädelte. Seine Zickzackfahrt führte in einem weiten Bogen um die Andockbucht 94 herum. Gut. In dem Gewirr der Sackgassen, die an der Bucht endeten, konnten die Polizisten lange nach ihm suchen, falls sie die Verfolgung inzwischen nicht aufgegeben hatten.

Er hatte sich gerade entschlossen, den Bodengleiter stehenzulassen und zum Kloster zurückzukehren, als er um eine weitere Ecke bog und vor sich eine vierköpfige Sturmtruppenpatrouille sah, die die Straße blockierte. Einer der Sturmtruppler hob gebieterisch eine Hand und wies BoShek an, am Straßenrand zu halten.

Sie hatten ihre Gewehre geschultert, was wahrscheinlich bedeutete, daß sie jedes Fahrzeug anhielten, das die Straße benutzte. Dennoch gab es für BoShek keine Möglichkeit, die Sperre zu durchbrechen oder umzukehren und zu fliehen, bevor sie ihre Blaster von den Schultern reißen und ihn erledigen konnten. Er zwang sich, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen und vor den Sturmtrupplern zu halten, während er fieberhaft nach einem Ausweg aus diesem neuerlichen Dilemma suchte.

»Was machen Sie hier?« fragte der Anführer der Patrouille. Seine Stimme wurde von seinem geschlossenen Panzerhelm verzerrt, und das verspiegelte Visier verbarg sein Gesicht.

»Ich, äh, bin auf dem Weg zur Bar«, erklärte BoShek.

»Ich verstehe. Ist das Ihr Gleiter?«

»Ich mache nur eine Probefahrt«, sagte BoShek.

»Eine sehr überzeugende Geschichte. Zeigen Sie mal Ihre…« Die weiteren Worte des Sturmtrupplers wurden vom Triebwerksdröhnen eines Schiffes verschluckt, das in einem Gewaltstart von der Andockbucht abhob. BoShek zuckte unwillkürlich zusammen, als das Schiff über den Dächern sichtbar wurde – es war der Millennium Falke.

Sieht aus, als hätte der alte Mann es geschafft, dachte er. In gewisser Hinsicht war es schade, er hätte im Moment etwas von seinem Glück gebrauchen können.

Aber eigentlich war es gar kein Glück, oder? Der Bursche wußte alles über die Macht, und so, wie er geredet und sein Lichtschwert geschwungen hatte, mußte er ein Meister sein. Er hatte wahrscheinlich seine Kräfte eingesetzt, um an allen Hindernissen vorbeizukommen. Eine kleine Straßensperre wie diese hier würde ihn vermutlich nicht einmal zum Schwitzen bringen.

Nun, dafür schwitzte BoShek um so mehr. Die Sturmtruppler hatten sich alle umgedreht, um die Flucht des Schiffes zu beobachten, aber sie würden sich bald wieder um ihn kümmern.

Geht zur Andockbucht hinüber, dachte BoShek konzentriert. Belästigt jemand anderen. Macht, was ihr wollt, aber laßt mich in Ruhe.

Was hatte ihm der alte Mann über die Macht erzählt? »Hüten Sie sich vor der dunklen Seite«, hatte er gesagt. »Nur wer reinen Herzens ist, kann hoffen, die Energien der Macht erfolgreich zu kontrollieren.« Und er hatte BoShek ermahnt, seine Rolle hier am Rand der Gesellschaft zu klären, bevor er seine Reise fortsetzte.

Großartig. Der Diebstahl des Gleiters hatte wahrscheinlich seine letzte Chance verdorben, je die Macht beherrschen zu können.

Aber er hatte ihn eigentlich nicht direkt gestohlen, oder? Er hatte dem Arconaner, der ihn gekauft hatte, mindestens fünfzig Kredits zugeworfen, und obwohl die Hoffnung gering war, daß der Gleiterhändler noch nicht die Polizei verständigt hatte, konnte er ihn immer noch zurückbringen.

Okay, dachte er und konzentrierte sich auf den unendlichen Weltraum, wo sich seiner Überzeugung nach die Macht sammelte. Wenn du mich aus diesem Schlamassel herausholst, bringe ich den Gleiter so bald es geht zurück, und dann höre ich auf, für die Schmuggler heiße Schiffe zu überführen. Ich werde in Zukunft ein anständiges Leben führen, okay?

Er rechnete nicht wirklich damit, daß es funktionierte. Die Macht war kein gerechter Gott, der über das Schicksal einer Person entschied; wie der alte Mann angedeutet hatte, war die Macht nur. Sie kümmerte sich nicht um BoSheks Versprechen. Die Kraft, sie zu manipulieren, kam aus dem Inneren, und BoShek war nicht so naiv anzunehmen, daß er in den letzten Sekunden zur inneren Harmonie gefunden hatte. Aber vielleicht, nur vielleicht, hatte er sich genug geändert, daß sie ihm half.

Er konzentrierte sich auf die Sturmtruppler, um sie mit seinem Willen zu zwingen, ihn laufenzulassen, und fast war er sicher, etwas zu spüren, eine Art Brücke zwischen seinem und ihrem Bewußtsein. Er war überzeugt, daß sie reagierten, als würden auch sie über rudimentäre Kräfte in der Macht verfügen oder als wären sie ihr früher einmal ausgesetzt gewesen. Sie schienen seine Berührung zu spüren. Alle vier drehten sich gleichzeitig um und musterten den Gleiter.

BoShek konnte kaum noch atmen. Euer Bewußtsein ist getrübt, dachte er in ihre Richtung. Vergeßt, daß ich hier bin.

»Wie lange sind diese Droiden schon in Ihrem Besitz?« fragte der Sturmtruppencaptain.

»Was?« BoShek fragte sich, wie er die Droiden hatte übersehen können, und warf einen Blick auf den Beifahrersitz, aber bis auf ihn war der Gleiter leer.

»Ich…«, begann er, aber der Sturmtruppler fiel ihm ins Wort.

»Zeigen Sie mir Ihren Ausweis.«

Das war’s dann wohl, dachte BoShek. Er griff langsam nach seinem Gürtel und fragte sich, ob er seinen Blaster schnell genug ziehen und alle vier Sturmtruppler ausschalten konnte, aber die nächsten Worte des Captains bewahrten ihn vor der Verzweiflungstat.

»Wir brauchen seinen Ausweis nicht«, sagte er zu den anderen. »Das sind nicht die Droiden, nach denen wir suchen.«

BoShek war so verwirrt, daß er nur stammeln konnte: »Das ist… äh, das ist schön.«

»Sie können weiterfahren«, erklärte der Sturmtruppler. Er winkte ihn weiter. »Los, verschwinden Sie.«

BoShek war so erleichtert, daß ihm fast die Tränen kamen. Er mußte tief Luft holen, um sich einigermaßen zu beruhigen, aber es gelang ihm, sich zu beherrschen, bis er mit dem Bodengleiter hinter der nächsten Ecke war, wo er anhielt und in sich zusammensank.

Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was gerade passiert war, aber er wußte eins genau: Die Macht war real, und er hatte es irgendwie geschafft, die Sturmtruppler mit ihr zu manipulieren.

Aber er mußte dafür einen Preis bezahlen. Er stellte sich den alten Mann vor, der inzwischen wahrscheinlich ein halbes Lichtjahr entfernt war, ihn aber irgendwie weiter beobachtete, um zu sehen, ob er sich an sein Versprechen hielt.

Würde er sich daran halten? Gewiß. BoShek war ein Blick auf etwas Großes vergönnt worden, etwas, das wundervoll und gleichzeitig furchteinflößend war. Hüten Sie sich vor der dunklen Seite, hatte der alte Mann gemahnt, und BoShek wußte, daß die Warnung ernst gemeint war. Er konnte seine neuerworbenen Kräfte für das Gute oder das Böse einsetzen, aber hatte er erst einmal seine Wahl getroffen, gab es kein Zurück mehr. Er stand am Kreuzweg, und wie auch immer seine Entscheidung aussah, sie würde den Rest seines Lebens bestimmen.

Er lächelte zum erstenmal seit Stunden, wie ihm schien, ließ den Motor des Bodengleiters an und machte sich auf den Rückweg zu seinem rechtmäßigen Besitzer.