Wenn sich der Wüstenwind dreht:

Die Geschichte des Sturmtrupplers

Doug Beason

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Schon nach dreißig Sekunden auf dem militärischen Ausbildungsplaneten Carida erkannte Davin Felth, daß der Dienst in den Streitkräften des Imperators nicht so romantisch war, wie er geglaubt hatte.

Davin schulterte den dunkelblauen Matchbeutel mit seinem weltlichen Besitz und reihte sich mit dem Rest der hundertzwanzig anderen Rekruten in die Schlange ein. Sie standen dicht gedrängt in dem schmalen Stahlkorridor der Gamma-Klasse-Fähre. Die unterschiedliche Kleidung der Jugendlichen mit ihren grellen Farben und die ungewöhnlichen Gerüche, die über der Schlange waberten, überwältigten Davin Felth fast. Die Achtzehnjährigen, von denen die meisten noch nie zuvor ihre Heimatwelt verlassen hatten, schwatzten nervös miteinander. Ein Dröhnen durchlief die Fähre, und das Außenschott öffnete sich zischend.

Frische Luft drang herein, eine Wohltat nach der klimatisierten Atmosphäre an Bord; ungefiltertes Licht ließ das Deck funkeln und verlieh dem Gang einen magischen Glanz, und für glorreiche dreißig Sekunden schienen alle Gerüchte und Geschichten über Carida, dem Planeten, der von der Leibgarde des Imperators als militärische Ausbildungsbasis benutzt wurde, der Wahrheit zu entsprechen. Dies mußte für ein Schiff voller aufgeregter Achtzehnjähriger, die kurz vor dem Beginn eines neuen Lebens standen, ein herrlicher Ort sein.

Und dann ging das Gebrüll los.

Es war, als wäre eine Bombe in der nervösen Gruppe der Wehrpflichtigen explodiert. Chaos, Geschrei, Verwirrung und hunderttausend Befehle brachen plötzlich aus allen Richtungen über Davin herein. Offiziere in olivgrünen Uniformen oder weißen Sturmtruppenpanzern stürzten sich auf sie. Die Rekruten nahmen Haltung an und erstarrten förmlich zu Statuen, als die Offiziere sich Millimeter vor ihnen aufbauten und ihnen Befehle ins Gesicht schrien.

Davins einziger Gedanke war, durchzuhalten und zu überleben, unversehrt dieser Hölle zu entkommen – er konnte nicht denken, und jedesmal, wenn er auf eine gebrüllte Frage antworten wollte, tauchte ein anderes Gesicht vor ihm auf und fragte etwas anderes.

Davin begann ebenfalls zu schreien, ohne darauf zu achten, was er sagte oder mit wem er sprach. Er reagierte nur und versuchte so zu tun, als wäre er damit beschäftigt, einem der anderen Offiziere zu antworten. Er hob seine Stimme und brüllte aus Leibeskräften – und der Trick schien zu funktionieren. Während um ihn das Chaos herrschte, während ihn ein Sturmtruppenmajor anbrüllte, um ihn einzuschüchtern und zu verwirren, gelang es ihm, die Aufmerksamkeit von sich abzulenken. Aber dies war nur der Anfang einer sechsmonatigen, höllischen Grundausbildung, die aus Davon einen Elitesoldaten des Imperators machen würde.

Nach Stunden, wie es schien, wurden Davin und die übrigen Rekruten im Laufschritt die Rampe hinunter zu den Kasernen gescheucht. Ein riesiger Mann, der wie ein Steinzeitmensch aussah, bedeutete ihnen mit einem Wink, vor der Kleiderkammer anzutreten. Verängstigt gehorchten die Rekruten. Der muskelbepackte Mann warf ihnen ihre Ausrüstung zu: schwarze Uniform, Helm, Socken, Unterwäsche, Taschentücher, Notrationen, Mediset, Überlebenstornister, Seife und Desinfektionsmittel.

Davin nahm die Ausrüstung, wagte aber nicht zu fragen, was er damit anfangen sollte. Eine leise Stimme, die einem Mann gehörte, der die anderen Rekruten wie eine auf fruchtbarem gamorreanischen Boden gewachsene Sonnenblume überragte, sagte kläglich: »Ich… ich halte das nicht länger aus!«

Sofort stürzten sich uniformierte imperiale Ausbilder auf den Mann. Eine Stimme brüllte: »Ihr da – kommt her! Los, bewegt euch!«

Gebeugt unter der Last seiner Ausrüstung stolperte Davin zu einer Gruppe Rekruten, die wie wandelnde Militärarsenale aussahen. Der Ausbilder führte sie in eine der Kasernen und wies ihnen ihre Pritschen zu. Davin warf seinen blauen Matchbeutel und die Ausrüstung auf ein Bett. Er teilte den Raum mit zwei anderen Rekruten. Davin lächelte müde und stellte sich vor: »Hi, ich bin Davin Felth.«

Der erste schüttelte ihm fest die Hand. »Geoff f’Tuhns.« Er warf vorsichtig einen Blick nach draußen und bot ihm eine Tüte mit fettig glänzenden Knabbereien an. »Willst du was?«

Davin spähte in die Tüte und spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte. »Nein, danke.«

Groß, starkknochig und mit einem feuerroten Haarschopf gesegnet, sah Geoff nicht aus, als würde er in einen Sturmtruppenpanzer passen. Er warf erneut einen Blick um die Ecke, seufzte und stopfte eine Handvoll Essen in den Mund. »Falls ihr was zu essen mitgebracht habt, solltet ihr es besser sofort verdrücken. Ich habe die Tüte vor den Ausbildern verstecken können«, erklärte er, »aber sie haben mir mit schwerer Bestrafung gedroht, wenn sie mich mit Essen erwischen.«

»Mychael Ologat«, stellte sich der zweite Mann vor. »Was haltet ihr von dem Zirkus hier?« So klein wie Geoff groß war, sah Mychael aus, als würde er in Davins Matchbeutel passen; aber seine Muskeln traten deutlich unter seiner straffen Haut hervor.

Davin war noch immer von dem rauhen Empfang geschockt. Sie waren noch nicht einmal eine Stunde auf dem Militärausbildungsplaneten, aber nach all den Dingen, die auf ihn eingestürmt waren, hatte er das Gefühl, schon eine Woche hier zu sein. Er schüttelte den Kopf. »Man hat mir gesagt, daß das Militär mein Leben verändern wird, aber das ist einfach verrückt. Ich dachte, wir würden Zeit haben, uns ein wenig umzusehen.«

»Darauf würde ich nicht wetten«, meinte Geoff kauend. »Wir sind seit gestern hier, und nach allem, was ich gehört habe, war das nur das Empfangskomitee. Die harten Sachen kommen noch.«

Mychaels Augen wurden groß. Er stand an der Tür und stieß hervor: »Oh, oh – wir kriegen Ärger.«

Geoff ließ seine Knabbertüte fallen und versuchte, sie mit dem Fuß unter das Bett zu schieben, aber er glitt aus, und die Tüte rutschte in die Mitte des Zimmers.

Davin drehte sich um und erblickte vor der Tür den größten Mann, den er je gesehen hatte. Der Mann trug Antigravschuhe, schwarze Shorts, ein weißes T-Shirt, den bedrohlich wirkenden weißen Helm eines imperialen Sturmtrupplers und sah wie eine massige Säule aus. Er deutete auf die Tüte mit den Knabbereien.

»Euer Kalorienbedarf ist streng reglementiert – wem gehören diese illegalen Nahrungsmittel?«

Davin hörte Geoff schlucken; nach allem, was er erzählt hatte, konnte er es sich nicht erlauben, erwischt zu werden. Aber niemand hatte ihm gesagt, daß es illegal war, Essen mitzubringen! Er trat vor. »Sie gehören mir.«

Der Sturmtruppler drehte sich zu Davin um. »Du bist neu hier.«

»Das stimmt.«

»Die korrekte Antwort ist Jawohl, Sir. Du wirst lernen – oder du wirst scheitern. Dies ist die einzige Warnung.« Er zertrat die Tüte und wandte sich dann an die beiden anderen Rekruten. »Ihr Sandschleimer habt zwei Minuten, um eure Ausrüstung anzulegen und mit dem Rest eures Zuges draußen anzutreten – oder eure Ärsche gehören mir. Also bewegt euch!«

Die drei imperialen Rekruten zogen sich in Windeseile um.

»Danke, Davin«, keuchte Geoff, während er hastig seinen Overall überstreifte.

Davin konnte nur grunzen, während er auf einem Fuß hüpfte; er hatte Schwierigkeiten, in die schenkelhohen Stiefel zu schlüpfen. Trotz aller Hektik waren die nächsten beiden Minuten Davins letzte ruhige Momente vor der sechsmonatigen Grundausbildung.

 

Als Davin fünfzehn Pfund leichter, aber sehr viel kräftiger war, hatte er sich an die mörderische Ausbildungsroutine gewöhnt. Die Rekruten verbrachten pro Nacht weniger als fünf Stunden auf ihrem Zimmer und fielen sofort ins Bett, völlig erschöpft nach dem gnadenlosen Pensum: Lauftraining, Tagesausflüge mit einem suborbitalen Transporter zu den südlichen Eisfeldern, um dort Wintermanöver abzuhalten, ein einwöchiges Überlebenstraining in der ausgedörrten Forgofshar-Wüste, ein dreitägiger Kampf gegen die Natur im äquatorialen Regenwald… Davin verlor bald jedes Zeitgefühl.

Er und seine Zimmergenossen lernten rasch, schon vor dem morgendlichen »Weckruf« auf den Beinen zu sein, wenn ein Sturmtruppensergeant die Tür auftrat und in seine Megapfeife blies. Davin erwachte gewöhnlich eine halbe Stunde vor dem Wecken. Er und die anderen stolperten hektisch durch den kleinen Schlafraum, wuschen sich und zogen sich an, nur um kurz vor dem morgendlichen Weckritual wieder unter ihre Decken zu schlüpfen – sie hatten gesehen, was mit den Rekruten passierte, die vor der Reveille ihre Betten verließen.

Davin stürmte dann auf den Gang, nahm Haltung an und wartete auf den Tagesbefehl. Er wußte nie, was der Tag bringen würde.

An einem Morgen, als Davin fast dreißig Sekunden vor den anderen seinen Platz auf dem Gang eingenommen hatte, änderte sich sein Leben grundlegend. Es begann nicht mit einer Fanfare, sondern schlicht mit: »Davin, setz deinen Arsch in Bewegung und melde dich beim AT-AT-Sonderkommando am anderen Ende des Gangs. Der Rest von euch Sandwürmern hält sich für eine Inspektion bereit.«

Während der Rest des Zuges Haltung annahm, gab ihm Geoff einen Rippenstoß und flüsterte: »Viel Glück, Alter, wir werden dich vermissen.«

Davin fand keine Zeit, ihm zu antworten, denn der imperiale kommandierende Offizier des AT-AT-Sonderkommandos schrie Davin bereits zu, sich zu beeilen. »Sonst werfen wir dich in zwanzig Sekunden in den nächsten Reaktorkern!«

Davin stellte sich zu den Rekruten am Ende des Ganges; einige von ihnen kannte er bereits – sie hatten wie er bei der Grundausbildung Bestleistungen erbracht. Sie wechselten Blicke miteinander, wagten aber nicht, etwas zu sagen, um nicht den Zorn ihres Ausbilders auf sich zu lenken.

Sie formierten sich und marschierten aus der Kaserne zum Truppenübungsplatz. Glas- und Synsteingebäude überragten sie; der Truppenübungsplatz war von ultramodernen Gebäuden umgeben. Dutzende von Robotüberwachungsaugen schwebten über ihnen und sicherten die Militärbasis. In der Mitte eines Ringes aus Schulungsgebäuden wartete bereits das schlanke Transportschiff mit offenen Schleusen. Die Rekruten gingen an Bord, und der Pilot bekam die Starterlaubnis.

Als sich Davin in seinen Sitz fallen ließ, erschien in der Mitte des Ganges zwischen den Sitzreihen das Holobild eines großen, hageren Mannes mit eingefallenen Augen und der enganliegenden schwarzen Uniform eines Armeecommanders.

»Ich bin Colonel Veers«, bellte der Mann, »Commander der AT-AT-Streitkräfte des Imperators. Ihr seid diesem Kommando zugeteilt worden, weil ihr eine schnelle Auffassungsgabe besitzt und den Erfolg der Mission über eure persönlichen Bedürfnisse stellt. Ganz gleich, wie überlegen unsere Raumstreitkräfte sein mögen – der Sieg in diesem Krieg hängt vom Einsatz der Bodentruppen ab, die den Feind aus seinen eingegrabenen Stellungen vertreiben müssen. Die Bodenstreitkräfte sind die eigentlichen Garanten für den totalen Sieg – und ihr seid auserwählt, das Flaggschiff der Bodentruppen zu bemannen: den Allterrain-Angriffstransporter, den AT-AT!«

Colonel Veers Bild wich einem vierbeinigen metallenen Leviathan, der über zerklüftetes Terrain stampfte. Er legte in wenigen Sekunden eine Strecke zurück, für die ein Mann zu Fuß eine Stunde benötigte. Die am Metallkopf des Vehikels installierten Zwillingsblasterkanonen feuerten Laserimpulse ab; im Kommandomodul im Kopf des AT-ATs waren zwei uniformierte Besatzungsmitglieder zu erkennen. Die Rekruten in dem Transportschiff hielten bei diesen Bildern kollektiv den Atem an.

Colonel Veers Stimme fuhr fort: »Ihr werdet ein sechswöchiges Training in den Virtuelle-Realität-Simulatoren absolvieren, bevor ihr als Beobachter einem AT-AT zugeteilt werden. Wenn ihr euch qualifiziert, bekommt ihr die Chance, auf einem AT-AT meiner Kampfbataillone eingesetzt zu werden. Ich wünsche euch allen viel Glück, aber strengt euch an – von zehn Rekruten besteht nur einer diese gnadenlose Ausbildung.« Er sah sich im Raum um, als könnte er jedem Rekruten ins Gesicht schauen. Davin setzte sich aufrecht hin und suchte den Blick des Holobildes, aber es löste sich auf.

Ein Raunen ging durch das Schiff. Die Rekruten beugten sich über ihre Sitze und flüsterten aufgeregt miteinander. Der Mann neben Davin drehte sich mit gerötetem Gesicht zu ihm um. »Ein AT-AT! Ich kann es kaum fassen, daß wir die Chance bekommen, eine dieser Maschinen zu kommandieren!«

Davin hatte noch immer das Bild des monströsen Vehikels vor Augen, das über die Felsenlandschaft stampfte. Seit Beginn seiner Ausbildung hatte ihn nichts so motiviert wie der Anblick dieses AT-ATs. Es schien fast so, als hätte sich in dem schlanken Truppentransporter sein Schicksal erfüllt.

»Ja«, flüsterte Davin, »und ich werde dafür sorgen, daß ich nicht zu den neun Rekruten gehöre, die durchfallen.« Der AT-AT-Kontrollraum kam Davin Felth sehr groß vor. Farbige berührungssensitive Kontrollen überzogen die Wände und die Decke; die rechteckige Sichtluke an der Stirnseite des Kontrollraums war so groß wie Davin. Vor der Sichtluke standen zwei drehbare Sitze für den Piloten und Kopiloten; von dort aus konnten sie alle Kontrollen bedienen und hatten gleichzeitig einen hervorragenden Überblick. Der »Kontrollkopf« des an der Ausbildungsbasis angedockten AT-ATs befand sich gute fünfhundert Meter über dem Boden.

Davin wurde von Ehrfurcht übermannt, als hätte er einen heiligen Ort betreten, aber es war mehr als das. Langsam trat er vor und strich mit der Hand über den rechten Sitz. Er spürte teures Taurückenleder – für Colonel Veers Rekruten war nur das Beste gerade gut genug.

»Gefällt er Ihnen?«

Die Stimme ließ Davin zusammenzucken. Er wußte aus Erfahrung, daß jetzt ein scharfer Verweis fällig war. »Jawohl, Sir.«

Der Ausbilder trat zu Davin und sagte leise, wie aus Respekt vor Davins Ehrfurcht: »Ich glaube nicht, daß ich mich je an das Gefühl gewöhnen werde, das ich habe, wenn ich an Bord gehe.« Er sah Davin an. »Und das ist eine der Eigenschaften, nach denen wir unsere Rekruten auswählen, Davin Felth. Wenn sie den AT-AT nicht respektieren, dann ist es für sie nur irgendein Job. Sie könnten genausogut in der Virtuelle-Realität-Kammer bleiben und wie Kinder spielen. Wir wollen nur die besten Männer als Piloten für die AT-ATs, denn wenn irgend etwas schiefgeht, das sich per VR nicht beheben läßt, überleben nur die Besten.«

Er strich mit den Fingern über eine Diodenleiste. Ein tiefes Brummen ließ den Boden vibrieren, als sich die Instrumente aktivierten. Der Ausbilder drehte den Sitz und betätigte die Kontrollen am Pilotenpult. »Lust auf einen kleinen Ausflug?«

»Jawohl, Sir!«, sagte Davin. Er sank in den Kopilotensitz und wartete auf weitere Anweisungen. Als er keine erhielt, fielen ihm die Lektionen im VR-Simulator ein, und hastig half er dem Ausbilder bei der Checkliste. Minuten später waren sie bereit, den AT-AT aus der Andockbucht zu steuern.

Davin behielt die Monitore über der Sichtluke im Auge; sie zeigten den AT-AT aus verschiedenen Blickwinkeln, wie ihn die Kameras des Docks sahen. Der Ausbilder steuerte den AT-AT geschickt aus der Bucht. Obwohl der AT-AT vollständig von einem Computer mit künstlicher Intelligenz kontrolliert wurde, begriff Davin zum erstenmal, wie schwierig es war, eine Maschine zu steuern, die aus fast so vielen beweglichen Teilen wie ein menschlicher Körper bestand.

»Wir bringen ihn zu den Bergen«, erklärte der Ausbilder, »und beginnen mit ein paar Zielübungen. Ich werde die Basis informieren, daß unser Rufkode Landkiller-Eins ist.«

Die Landschaft vor der nur wenige Moleküle dicken Sichtluke raste an ihnen vorbei, als sich der AT-AT mit Riesenschritten von der Basis entfernte. Bald lagen die Synsteingebäude und Straßen hinter ihnen, und sie erreichten den Fuß der zerklüfteten Berge.

Der Ritt war völlig erschütterungsfrei. Der AT-AT überwand Schluchten, die so tief waren, daß Davin den Grund nicht erkennen konnte. Sie kletterten einen Hang hinauf und sahen unter sich ein Tal; Felsbrocken übersäten den Hang. Sie befanden sich mitten in einer unfruchtbaren Wildnis. Rechts von ihnen stieg nackter Fels fast senkrecht in die Höhe, und in der Ferne entdeckte Davin rote und silberne Felsformationen, die wie ein Wald aus bunten Nadeln aussahen. Davin warf einen Blick auf die Uhr – sie hatten die Basis erst vor zehn Minuten verlassen, aber sie waren schon draußen in der Wildnis.

Nach und nach überließ der Ausbilder Davin die AT-AT-Kontrollen. Es war fast wie im Virtuelle-Realität-Simulator, doch Davin wußte, daß jede falsche Entscheidung zu einer Katastrophe führen konnte. Davin konzentrierte sich ganz auf die zahllosen Instrumente.

»Sie sind ziemlich gut«, stellte der Ausbilder nach einer Weile fest. »Nicht viele Rekruten kommen mit dem Läufer so problemlos zurecht.«

»Danke«, sagte Davin, ohne die Kontrollen aus den Augen zu lassen.

»Halten Sie den Kurs«, befahl der Ausbilder und stand auf. »Ich muß die Waffenkammer überprüfen. Wir nähern uns dem Zielgebiet, und das Terrain ändert sich von jetzt an nicht mehr.«

»Jawohl, Sir.«

»Melden Sie sich sofort, wenn es Probleme gibt, ich bin gleich wieder zurück. Aber bleiben Sie unbedingt an den Kontrollen – ganz gleich, was passiert.«

»Jawohl, Sir.« Davin verbarg nur mit Mühe seine Erregung. Der AT-AT arbeitete fast automatisch, aber Davin war noch immer berauscht von dem Gefühl, das Kommando über die Maschine zu haben. Mit riesigen Schritten stampfte der AT-AT durch die Ödnis. Davin betrachtete die zerklüftete Landschaft und stellte sich vor, daß er eine ganze Armee von AT-ATs kommandierte und sie gegen die Rebellen in die Schlacht führte…

Plötzlich nahm Davin etwas aus den Augenwinkeln wahr. Ein dunkler Fleck, dann drei weitere, stießen vom Himmel herab. Sie näherten sich zielsicher dem AT-AT.

Davin warf einen Blick auf den Radarschirm – dort war nichts zu sehen. Er aktivierte die Scanner und bekam das gleiche Ergebnis: keine Echos im EM-, Gravitations- und Neutrinospektrum.

Davin runzelte die Stirn und rief laut, damit sein Ausbilder ihn hörte: »Ich habe ein paar Jäger in der optischen Erfassung, die sich in unsere Richtung bewegen, aber sie werden von den Scannern nicht geortet. Sie kommen schnell näher.«

Davin erhielt keine Antwort von seinem Ausbilder, der sich noch immer hinten in der Waffenkammer befand. Die einzigen Laute, die Davin hörte, waren das gedämpfte Dröhnen der AT-AT-Energiesysteme und das leise hydraulische Fauchen der Stoßdämpfer.

Davin drehte sich mit seinem Sitz. »Sir? Sind Sie da?« Die Tür zur Waffenkammer war verriegelt, Davin wandte sich wieder der Sichtluke zu. Die vier Jäger kamen immer näher. Er aktivierte das Interkom und schickte einen Suchruf durch den AT-AT. »Sergeant!« Noch immer keine Antwort.

Die vier Schiffe teilten sich in zwei Gruppen und drehten sich auf die Seite, während sie direkt auf die AT-AT-Kontrollkammer zurasten. Die Jäger eröffneten aus ihren Blasterkanonen das Feuer auf Davins AT-AT.

»He!« Davin wurde von Zorn und Furcht gepackt. »Sergeant, wir werden angegriffen!« Die Jäger dröhnten am AT-AT vorbei und brachten durch ihre Turbulenzen die riesige Kriegsmaschine zum Schwanken. »Was ist los? Sind wir in ein Manövergebiet geraten oder was?«

Er bekam noch immer keine Antwort. Davin war fast versucht, seine Sicherheitsgurte zu lösen und den AT-AT-Ausbilder zu suchen. War dem Mann vielleicht etwas zugestoßen? Der Ausbilder mußte wissen, was zu tun war. Das hier war einfach verrückt!

Aber als Davin sah, wie die Jäger beidrehten und wieder vor ihm auftauchten, blieb er wie erstarrt in seinem Sitz. Die vier Jäger rasten heran. Davin zwang sich, nach dem Kom zu greifen. Er wählte die AT-AT-Basisfrequenz. »Notfall, Notfall – hier ist Landkiller-Eins! Achtung, Basis, wir werden angegriffen. Es muß sich um einen Irrtum handeln. Ich wiederhole, Notfall!«

Aus dem Lautsprecher drang nur weißes Rauschen; selbst das Notholo funktionierte nicht.

Wieder stachen grelle Lichtlanzen von den Bugnasen der angreifenden Jäger. Davin hielt sich fest, als der AT-AT unter dem Treffer einer Blasterkanone schwankte. Ein Alarm schrillte über seinem Kopf, als der beißende Geruch öligen Rauches den Kontrollraum verpestete. »Sergeant – helfen Sie mir!« Das Heulen eines anderen Alarms zerriß die Luft; im hinteren Teil des Raumes meldeten synthetische Stimmen die Einleitung von Schadenskontrollprozeduren. Es schienen zwanzig verschiedene Dinge auf einmal zu passieren.

Trotz des ganzen Durcheinanders konzentrierte sich Davin auf die vier Jagdmaschinen, die im Sturzflug zu einem weiteren… und vielleicht ihrem letzten Angriff ansetzten.

Davin wurde plötzlich wütend auf alles, das schiefgegangen war. Während seiner kurzen Karriere beim imperialen Militär hatte man ihm eingehämmert, daß sein Überleben entscheidend von der strikten Einhaltung der Vorschriften abhing. Aber hier war eine Situation, auf die ihn kein Lehrbuch und kein Manöver vorbereitet hatten! Er war auf sich allein gestellt, und so verrückt es auch schien, den Rebellen mußte es irgendwie gelungen sein, bis zum imperialen Militärausbildungsplaneten vorzudringen. Das war die einzige Erklärung dafür, daß die Jagdmaschinen nicht auf dem Radar auftauchten.

Davin verdrängte seine Furcht und entsicherte die AT-AT-Waffenkontrollen. Er würde nicht kampflos sterben. Das automatische Feuerleitsystem nutzte ihm nichts, da die feindlichen Jäger von seinen Ortungsinstrumenten nicht erfaßt wurden.

Er schwenkte die Blasterkanone auf die Angreifer ein und gab eine Salve von Hochenergielaserschüssen ab. Die Energiebündel zuckten an den angreifenden Jägern vorbei. Obwohl er die Jagdmaschinen verfehlt hatte, spritzten sie auseinander. Hatten sie vielleicht nicht erwartet, daß er das Feuer erwidern würde?

Die Jäger rasten so nahe an ihm vorbei, daß ihre Schockwellen den AT-AT erneut zum Schwanken brachten. Davin aktivierte den Notsender und schickte auf allen Frequenzen einen Hilferuf in den Äther. Gleichzeitig stoppte er den Vormarsch des AT-ATs und konzentrierte die gesamte Computerleistung auf den Kampf gegen die angreifenden Jäger.

Da er sich in der Schlacht nicht auf seine Instrumente, sondern allein auf sein Augenmaß verlassen konnte, entschied sich Davin, seinen größten Vorteil zu nutzen – und zwar sich selbst. Er ließ den AT-AT hinknien und sich so dicht wie möglich am Boden halten. Langsam, mit ruckartigen Bewegungen, sank der mächtige Leviathan in sich zusammen.

Davin zog den Kopf der Maschine ein, bis der AT-AT eine einzige kompakte Masse bildete und die Jäger keine Chance mehr hatten, durch seine turmhohen Beine zu fliegen. Als die vier Jäger zum nächsten Angriff ansetzten, kauerte Davins AT-AT längst auf dem Boden.

Die Jäger formierten sich neu und rasten im Sturzflug auf ihr Ziel zu. Davin wußte, daß sie nicht unter dem AT-AT hindurchfliegen konnten; ihre einzige Chance war ein Kamikazeangriff auf die Kontrollkammer.

Davin schlug auf die Feuerkontrollen. Der AT-AT bebte unter dem Rückstoß der Laserkanonen. Der Feuerball einer Explosion flammte vor der Sichtluke auf, als er zwei der Jäger abschoß; ein dritter Jäger versuchte den herumfliegenden Trümmern auszuweichen, aber er streifte mit einer Tragfläche den Boden und prallte sich überschlagend gegen eine Felswand.

Der letzte Jäger griff im Tiefflug an und schwankte in der heißen, aufgewühlten Wüstenluft. Davin wartete, bis der Jäger ihn fast erreicht hatte. Die Maschine hielt sich dicht am Boden, als rechnete der Pilot damit, daß sich Davins AT-AT plötzlich aufrichten und das Feuer eröffnen würde.

Sekunden später pflügte der letzte Jäger in eine Felsformation und explodierte. Orangerote Flammen leckten in alle Richtungen und erloschen bald.

Unvermittelt war es totenstill. Noch vor wenigen Augenblicken hatten eine Kakophonie von Alarmtönen und das Dröhnen der vier angreifenden Jagdmaschinen den Kontrollraum erfüllt. Aber jetzt gab es nur noch das gedämpfte Wummern des bordeigenen Kraftwerks.

Davin fühlte sich ausgelaugt, zu erschöpft, um die Basis anzurufen und sie über den Zwischenfall zu informieren. Aber er wußte, daß er es tun mußte, denn diesen vier Rebellen-Maschinen war es irgendwie gelungen, die imperialen Verteidigungslinien zu durchdringen, und wahrscheinlich lauerten noch mehr von ihnen im Orbit.

Er griff nach dem Kommunikator, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Davin drehte sich um. »Sergeant?« Der Kampf hatte ihn völlig vergessen lassen, daß sein Ausbilder in der verriegelten Waffenkammer verschwunden war.

Sein Ausbilder hatte die Hände in die Hüften gestemmt und grinste wölfisch. »Gute Arbeit, Rekrut Felth. Ein Kommandoscout befindet sich im Anflug auf das AT-AT-Kommandomodul, also öffnen Sie die obere Luke.«

»Jawohl, Sir.« Benommen und verwirrt kam Davin dem Befehl nach. Als er draußen war, suchte er die Umgebung nach den Trümmern der Jäger ab… und mußte feststellen, daß es keine gab.

»Sie sind der erste Rekrut, der alle vier Jäger abgeschossen hat, Davin Felth. Dieser AT-AT wurde speziell dafür konstruiert, diese Schlacht zu simulieren – es wurde alles per virtueller Realität in den Kontrollkopf projiziert.« Die überraschende Eröffnung war fast zuviel für Davin.

Als er sich von der Tatsache erholt hatte, daß es keine echte Schlacht gewesen war, stand Davin mit seinem Ausbilder auf dem mächtigen Metallkopf des AT-ATs. Davin kniff im grellen Sonnenlicht die Augen zusammen; nach dem stickigen Kontrollraum roch die trockene Wüstenluft frisch und belebend.

Über ihnen erschien ein dunkler Fleck und gewann an Größe, bis Davin die Bauchseite eines imperialen Kommandoscouts erkennen konnte. Davin und sein Ausbilder traten zurück. Der Kommandoscout landete, ein Schott glitt zischend zur Seite, und eine Rampe senkte sich zu Boden.

Zwei weißgepanzerte imperiale Sturmtruppler marschierten heraus und nahmen rechts und links von der Schleuse Haltung an. Davin keuchte, als er den Mann erkannte, der das Schiff verließ. »Colonel Veers!« Davin salutierte.

Veers trat auf ihn zu und erwiderte den Gruß. Er musterte Davin von oben bis unten. »Sie sind Rekrut Felth?«

»Jawohl, Sir«, stammelte Felth.

»Sie haben den AT-AT niederknien lassen – wie sind Sie auf dieses Manöver gekommen, Rekrut?«

Davin öffnete den Mund, aber er brachte kein Wort heraus.

»Nun reden Sie schon, Rekrut«, grollte Veers.

»Ich… ich weiß es nicht, Sir. Es schien mir die logische Entscheidung zu sein. Es war die einzige Möglichkeit, die Jäger daran zu hindern, unter dem AT-AT hindurchzufliegen.«

Veers’ Stimme hatte einen seltsam kalten Unterton. »Und warum wollten Sie das verhindern, Rekrut?«

Davin zuckte die Schultern. Veers’ Frage verwirrte ihn. Wieso? Er hatte doch gegen die Jäger gekämpft, oder? Und gesiegt! »Nun…«

»Sie haben den Colonel mit Sir anzureden«, wies ihn sein Ausbilder zurecht.

»Danke, Sergeant«, nickte Veers. Der Colonel zog Davin zur Seite. Als sie außer Hörweite des Ausbilders und der imperialen Sturmtruppler waren, sagte der Colonel leise: »Fahren Sie fort, Rekrut. Warum war es so wichtig, die Jäger daran zu hindern, unter dem AT-AT hindurchzufliegen?«

Davin straffte sich. »Ich hätte sie dann nicht mehr sehen können. Wäre es den Jägern gelungen, sich unter den AT-AT zu setzen, hätten sie mit ihm machen können, was sie wollen.«

Veers schien allmählich die Geduld zu verlieren. »Zum Beispiel…?«

Davin spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg, während er verzweifelt nach einer Erklärung suchte, die den Colonel befriedigen würde. »Zum Beispiel… hätten sie die Beine des AT-ATs fesseln können«, stieß Davin hervor. »Mit einem ausreichend langen Kabel hätten sie den AT-AT mühelos zum Stolpern gebracht.«

Ein seltsamer Ausdruck trat in Colonel Veers’ Augen. Der dünne Mann lächelte knapp und musterte Davin erneut von Kopf bis Fuß. »Sehr gut. Vielen Dank, Rekrut. Das ist sehr aufschlußreich.« Er legte einen Finger an seine Lippen. »Behalten Sie alles für sich, bis mein Einsatzstab die Konsequenzen analysiert hat, verstanden?«

»Jawohl, Sir!«

Veers wandte sich zum Gehen. Er nickte Davins Ausbilder zu und sagte laut: »Rekrut Felth soll sich nach seiner Rückkehr bei meinem Stab melden. Ein Mann von seinem Kaliber verdient, seinen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt zu werden. Mein Stab wird ihm eine passende Aufgabe zuweisen.«

»Jawohl, Sir«, sagte der Ausbilder.

Veers fiel noch etwas ein, und er hob einen Finger. »Und beschlagnahmen Sie alle Datenwürfel dieser Simulation. Schicken Sie sie in mein Hauptquartier. Verstanden?«

»Jawohl, Colonel.«

»Und zwar schnell. Ich werde vorübergehend auf den neuen Todesstern des Imperators versetzt, um dort als Berater zu dienen. Ich will diese Angelegenheit vor meinem Abflug erledigt haben. Verstanden?«

Als das Scoutschiff am Himmel verschwunden war, klopfte der Ausbilder Davin auf die Schulter. »Ich weiß nicht, wie Sie das geschafft haben, Rekrut, aber ich habe das Gefühl, daß Sie eine steile Karriere machen werden!«

 

Das vertraute Hintergrundbrummen des Sternenschiffes verursachte Davin Felth Unbehagen. Der stechende Geruch von Öl und Metall, die grelle Beleuchtung und die polierten Decks des riesigen Truppentransporters hätten Davin eigentlich das Gefühl geben müssen, zu Hause zu sein – aber seit er von Colonel Veers’ Kommandostab seinen Geheimbefehl bekommen hatte, war er völlig verwirrt.

Niemand stellte den versiegelten Einsatzbefehl in Frage, als er sich auf dem imperialen Truppentransporter meldete, und niemand erklärte ihm genau, was von ihm erwartet wurde. Er wußte nur, daß er jetzt, zweihundert Lichtjahre von Carida entfernt, einer Abteilung Sturmtruppen zugeteilt war, die auf irgendeinem gottverlassenen Planeten eingesetzt werden sollte.

Sturmtruppen!

Er atmete tief ein und versuchte zum dritten Mal, sein Problem dem Mann zu erklären, der auf die Papiere auf seinem Schreibtisch starrte und ihn ignorierte. »Captain Terrik, Sie verstehen einfach nicht. Ich habe den letzten Tag damit verbracht, herauszufinden, was los ist, aber niemand scheint ermächtigt, mir zu helfen. Colonel Veers hat mir persönlich gesagt, daß ich bei einer Mission eingesetzt werden soll, die meinen Fähigkeiten entspricht. Ich bin ein AT-AT-Operator, kein… kein Fußsoldat!«

Der Offizier hob ruckartig den kahlrasierten Kopf, so daß Davin die Augen des Mannes sehen konnte. Dunkel, durchdringend und ohne jede Furcht. Captain Terrik durchbohrte Davin mit seinen Blicken, als wären sie Lichtschwerter.

»Sturmtruppen sind keine Fußsoldaten!« Er legte seine Hände auf den Schreibtisch und stand zornbebend auf. »Wenn es nach mir ginge, Sie Jawaschleimer, hätte ich Sie sofort nach dem Start in den Weltraum geworfen. Ich kenne Colonel Veers’ Befehle, und wir werden seine Anweisungen Punkt für Punkt befolgen.«

»Gut«, nickte Davin ein wenig erleichtert. Er straffte sich und sah sich in der Kabine um. Captain Terriks Kabine, gleichzeitig das Hauptquartier des kleinen, zwanzig Sturmtruppler starken Sonderkommandos, war mit Schlachtbannern, Orden, Gemälden von Kämpfen gegen die Rebellen und einem Holo von Lord Vader dekoriert. »Dann verraten Sie mir endlich, was von mir verlangt wird.« Er lächelte den Captain an. Terrik wurde puterrot.

»Stillgestanden!« grollte Captain Terrik. »Hören Sie zu, Sie Mynockfutter! Ich habe einen ganzen Tag gebraucht, um eine Bestätigung für diese Befehle zu bekommen, und nur der Imperator weiß, was Colonel Veers auf diese Idee gebracht hat. Aber im Moment gehören Sie mir, Felth! Wir haben noch einen ganzen Monat Manöver vor uns, bevor wir Tatooine erreichen, und ich werde diese Zeit nutzen, um Sie mir vorzuknöpfen.«

»Tatooine?« wiederholte Davin erbleichend. »Was soll das? Da muß ein Fehler vorliegen.«

»Oh, nein.« Captain Terrik grinste wölfisch. Er nahm Davins Einsatzbefehl vom Schreibtisch und hielt ihn Davin unter die Nase. »Mein Sturmtruppen-Sonderkommando löst die siebenunddreißigste Abteilung ab, die in Mos Eisley auf Tatooine stationiert ist. Wir sind dem Gouverneur zugeteilt, unterstehen aber nicht seinem Befehl – mein Vorgesetzter befindet sich im Nachbarsektor, ein halbes Lichtjahr entfernt. Für den Fall, daß Sie es noch nicht bemerkt haben – wir fliegen nicht direkt nach Tatooine, so daß mir noch ein ganzer Monat bleibt, um aus einem jungen Jawaschleimer wie Ihnen einen richtigen Sturmtruppler zu machen. Sie werden sehr schnell erfahren, wie es ist, ein Fußsoldat zu sein.« Captain Terrik spuckte die Worte förmlich aus und grinste Davin an. »Noch irgendwelche Fragen, Sie Klugscheißer?«

Davin verlor die letzte Hoffnung, die er noch gehabt hatte. Während er in Habachtstellung vor Captain Terrik stand, nur Mikrometer von seinem Gesicht entfernt, erkannte Davin plötzlich, wie es sein mußte, aus einem abstürzenden Schiff in ein Meer aus brennendem Treibstoff zu springen.

 

Davin Felth war in der Bestform seines Lebens, als er sich zur Landung auf Tatooine vorbereitete. Aber der letzte Monat an Bord des Truppentransporters war die Hölle gewesen.

Die zwanzig Sturmtruppler des Sonderkommandos hatten alle auf die eine oder andere Weise »geholfen«, Davin einem gnadenlosen Training zu unterziehen. Das Programm aus Exerzierübungen, theoretischer Ausbildung und Kampftraining, das normalerweise in drei Monaten absolviert wurde, war für Davin zu einem einmonatigen Alptraum komprimiert geworden. Die Sturmtruppler waren nicht bereit, einen bloßen AT-AT-Operator, auch wenn er die Grundausbildung in der Carida-Basis mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, ohne ein Minimum an Ritualen in ihre Reihen aufzunehmen.

Davin hatte keine Zeit, Heimweh zu bekommen oder sich einsam zu fühlen, obwohl er manchmal an seine alten Zimmergenossen auf Carida dachte. Er fragte sich, wo sie jetzt wohl sein mochten.

Zehn Stunden vor der Landung marschierte Davin zum Quartiermeister und nahm seine Wüstenausrüstung in Empfang: hitzereflektierende Panzerung, Kom, Filtermaske, Blastergewehr, Blasterpistole, klimatisierter Overall, Werkzeuggürtel, Energiezellen und einen Vibrogranatwerfer. Er schwankte unter der Last der Ausrüstung, als er in seine Kabine zurückkehrte.

Davin setzte den Helm mit den automatisch polarisierenden Linsen auf. In voller Wüstenmontur trat er vor den Spiegel seiner kleinen Kabine und betrachtete sich. Ob es ihm nun gefiel oder nicht, er war jetzt ein Sturmtruppler.

Mit der Kinnspitze aktivierte er sein Kinnmikro und das Kom. Er wählte die Kommandofrequenz der Sturmtruppen. »Zugang zur AT-AT-Bucht ist offen.«

»Polare und ozeanische Kampfeinheiten befinden sich weiter in Stasis.«

»Die Ablösung für die auf Tatooine stationierte Abteilung ist landebereit.«

Eine Reihe von Stimmen bestätigten. Davin glaubte, einige der Stimmen wiederzuerkennen.

Eine lange Pause folgte. Dann drang Captain Terriks leicht gereizt klingende Stimme aus dem Kom. »Zehn-dreiundzwanzig? Sind Sie bereit?«

Davin brauchte zwei volle Herzschläge, um zu begreifen, daß Captain Terrik ihn meinte.

»Zehn-dreiundzwanzig bereit, Sir.«

»Melden Sie sich in der Landefähre, Zehn-dreiundzwanzig, und bereiten Sie sich darauf vor, von Bord zu gehen. Los, Bewegung!«

»Jawohl, Sir.« Zur Indoktrinierung eines Sturmtrupplers gehörte, daß er seinen Namen verlor und eine unpersönliche Nummer bekam. Rückhaltlose Pflichterfüllung trat an die Stelle individueller Wünsche, und ihre einzige Treue galt dem Imperator. Davin war noch nicht bereit, sich selbst aufzugeben, und dachte an seine Familie, seine Freunde, während seine Sturmtruppenkameraden das Geheimnis genossen, das um ihre Existenz lag, ihren Mangel an Identität. Davin hatte niemanden, an den er sich wenden und dem er vertrauen konnte, und er fühlte sich verloren.

Er brauchte nur einen Moment, um seine wenigen Habseligkeiten zu packen. Die Kleidung, die er von zu Hause mitgenommen hatte, schien jetzt nutzlos zu sein, aber er behielt sie als eine Erinnerung an das Leben, das er früher geführt hatte. Er stopfte alles in einen sandfarbenen Matchbeutel und trug ihn zusammen mit seinen Waffen zur Landefähre. Er hielt sich dicht an der Korridorwand, um den Leuten aus dem Weg zu gehen. Eine Gruppe von Flottensoldaten überholte ihn an der Ecke.

Der Korridor verbreiterte sich zu einer riesigen Landebucht. Er hatte das Gefühl, sich unter freiem Himmel zu befinden. Arbeiterdroiden wimmelten auf Gerüsten, die höher aufzuragen schienen als ein AT-AT; die Bucht war so groß, daß er Schwierigkeiten hatte, die gegenüberliegende Wand zu erkennen. Er machte sich auf den Weg zur Landefähre, die in der Mitte der gewaltigen Bucht stand, um sich der Abteilung Sturmtruppen anzuschließen.

»Zehn-dreiundzwanzig?«

Davin stellte sein Gepäck ab und drehte sich zu Captain Terrik um. »Zur Stelle, Sir.«

»Sie sind der Scouteinheit Zeta zugeteilt. Irgendwas ist im Busch. Wir werden die Garnison verspätet erreichen, also verstauen Sie Ihre Ausrüstung erst mal im Laderaum, und dann melden Sie sich bei Ihrer Abteilung.«

»Jawohl, Sir.«

Davin kam Terriks Befehl nach, stellte sich zu den anderen Männern und wartete, daß der Captain seinen Papierkram erledigt hatte. Captain Terrik nahm den Gruß des diensthabenden Offiziers entgegen und stellte sich vor die wartenden Sturmtruppler. Aus Davins Kom drang ein sirrender Laut, der ihn informierte, daß Captain Terrik in einen sicheren Kommunikationsmodus umschalten und Frequenzwechseltechniken benutzen würde, die nur die Sensoren der Sturmtruppen beherrschten. »Also los – die Befehle haben sich geändert. Wir fliegen nicht nach Mos Eisley, sondern landen an einem anderen Punkt der Planetenoberfläche, um ein bestimmtes Objekt zu suchen und zu zerstören.«

Jemand fragte: »Was ist das für ein Objekt?«

»Eine Rettungskapsel. Sie wurde von einer corellianischen Korvette abgeschossen, die auf der Flucht vor Lord Vaders Sternzerstörer war, und ist irgendwo auf Tatooine gelandet.«

Ein Raunen ging durch das Sonderkommando. »Lord Vader – hier?«

»So ist es«, bestätigte Captain Terrik grimmig. »Und jetzt an Bord der Landefähre mit euch, marsch, marsch!«

Obwohl Davin der letzte war, der das Raumschiff bestieg, war er noch vor allen anderen Sturmtrupplern des Sonderkommandos auf seinem Posten. Lord Vader! Allein der Gedanke, daß der Dunkle Lord der Sith in der Nähe dieses Hinterwäldlerplaneten war, ließ Davin frösteln. Er hatte sich nicht mehr so seltsam gefühlt, seit er durch die Hintertür erfahren hatte, daß Colonel Veers seine Vorgesetzten nicht über Davins »kniende« AT-AT-Verteidigungsstrategie informiert hatte. Es war fast so, als wollte Colonel Veers nicht, daß irgend jemand von dem fatalen Konstruktionsfehler des riesigen Läufers erfuhr.

Die Sturmtruppen saßen schweigend da, als die Fähre den Truppentransporter verließ, der im letzten Monat ihr Zuhause gewesen war. Über die Innenseiten ihrer Helmvisiere flimmerten Bilder von Tatooine, die von den Spionagesatelliten im Planetenorbit stammten. Computergenerierte Grafiken hoben den wahrscheinlichsten Landeplatz der kleinen Rettungskapsel hervor.

Als Teil der Scouteinheit Zeta hatte Davin den Auftrag, die felsigen Hochebenen zu erkunden. Er griff nach seinem Blastergewehr und warf den geduldig wartenden übrigen Sturmtrupplern in den beiden Sitzreihen an seiner Seite einen verstohlenen Blick zu. Alle studierten die Daten, die ihnen das Mutterschiff übermittelte. Er fragte sich, wie die anderen es schafften, so ruhig zu bleiben, während sie zu einer Mission unterwegs waren. Und dann noch im Auftrag von Lord Vader! Er hätte zu gern gewußt, warum die Kapsel so wichtig war.

Das Scoutschiff landete mit einem lauten Dröhnen. Das Schott öffnete sich, und heiße Luft und grelles Sonnenlicht drangen herein. Davin folgte den anderen Sturmtrupplern nach draußen und nahm mit ihnen vor Captain Terrik Haltung an. Das Kom war tot, bis Davin Captain Terriks Stimme hörte.

»Lord Vaders Sternzerstörer kartografiert den Planeten mit einem Sensorscan, um die Rettungskapsel aufzuspüren. Sie muß sich bei der Landung in den Boden gegraben haben, oder sie wurde von Sympathisanten der Rebellen versteckt. Wir kennen die Position der Kapsel kurz vor dem Aufschlag, also werden wir ausschwärmen und notfalls den gesamten Sand dieses Planeten sieben, um sie zu finden.«

»Warum ist die Kapsel so wichtig, Sir?« Davin war selbst überrascht, daß er diese Frage gestellt hatte; er hoffte nur, daß Captain Terrik zu beschäftigt war, um ihn anzubrüllen.

»Sie enthält klassifiziertes Material, und das ist alles, was ihr wissen müßt. Wir müssen sie unbedingt finden… oder wir werden Lord Vader erklären müssen, warum ein Sonderkommando der Sturmtruppen des Imperators versagt hat. Verstanden?«

»Jawohl, Sir!«

»Dann hört zu. Die Züge Alvien und Drax übernehmen den nächsten Quadranten. Der Zeta-Zug kommt mit mir. Das Hauptquartier in Mos Eisley läßt mit einem Antigravtransporter drei Taurücken einfliegen, die uns bei der Suche helfen werden – sie können in kürzerer Zeit ein größeres Gebiet absuchen als wir und werden uns zu der Kapsel führen, sobald sie sie wittern. Wir beginnen mit einem kreisförmigen Suchmuster. Los, bewegt euch!«

Das Wüstenterrain war ohne besondere Merkmale und unterlag ständiger Veränderung. Davin stapfte durch den Sand, nicht sicher, wonach er Ausschau halten sollte, aber überzeugt, daß die Kapsel bei der Landung irgendwelche Spuren hinterlassen haben mußte. Er kletterte einen kleinen Hügel hinauf. Die Wüste erstreckte sich in alle Richtungen bis zum Horizont. Es war, als wären sie auf dem Planeten völlig allein.

Er entdeckte unter sich im Sand eine Erhebung, rutschte den Hang hinunter und stocherte mit dem Blastergewehr im Boden. Er traf etwas Hartes! Sofort aktivierte er sein Kom. »Captain Terrik, hier ist Zehn-dreiundzwanzig. Ich glaube, ich habe die Kapsel gefunden.«

»Sind Sie sicher?«

»Jawohl, Sir.« Aufgeregt begann Davin mit dem Gewehrkolben zu graben… und fand nur einen großen Felsen.

Im selben Moment, als Davin seine Entdeckung machte, tauchte Captain Terrik auf dem Hügelkamm auf. »Zehn-dreiundzwanzig, was soll der Mist?«

»Tut mir leid, Sir.« Entmutigt trottete er den niedrigen Hügel hinauf und setzte mit dem Rest seines Zuges die Suche fort.

Drei riesige eidechsenähnliche Taurücken trafen aus Mos Eisley ein und wurden den drei Zügen zugeteilt. Davin bekam keine Gelegenheit, das monströse Reptil zu reiten, aber das war ihm nur recht. Bei jedem Schritt des schuppigen Tieres bebte der Boden.

Die Suche schien ewig zu dauern. Davin wußte bald nicht mehr, wie viele Pausen er schon gemacht hatte, und die imperialen Befehle zwangen sie, in ihren Panzern zu bleiben und das destillierte Wasser zu trinken, das zusammen mit den Taurücken aus Mos Eisley eingeflogen worden war.

Als sich Davin einem anderen Teil des Quadranten zuwandte, bemerkte er aus den Augenwinkeln ein Glitzern. Dort… irgend etwas hatte soeben das Licht von Tatooines zweiter Sonne reflektiert.

Fast hätte er aufgeschrien. Mit schußbereitem Blaster näherte er sich dem Glitzern. Langsam nahm das Objekt Formen an. Es war halb im Sand begraben und sah versengt aus. Als er näher kam, konnte er die matten roten und blauen Markierungen einer Rettungskapsel ausmachen.

Diesmal gab es keinen Zweifel mehr. »Captain Terrik, hier ist Zehn-dreiundzwanzig. Ich habe die Rettungskapsel gefunden!«

»Wenn das wieder einer Ihrer Tagträume ist, Zehn-dreiundzwanzig…«

»Es ist definitiv eine Kapsel. Vielleicht nicht die, die wir suchen, aber sie trägt die Hoheitsabzeichen des Imperiums.«

Minuten später erreichte Captain Terrik Davin und das Objekt. Ein Sturmtruppler auf einem Taurücken erschien auf einem Dünenkamm und wartete auf ein Zeichen, daß es die richtige Kapsel war.

Captain Terrik musterte den Fundort. »Jemand war in der Kapsel. Die Spuren führen in diese Richtung.«

Davin angelte einen Mechanismus aus der Kapsel. Es gab nur ein Objekt, das ein derartiges Gerät benutzte – eine R2-Einheit. Er hielt es hoch, damit alle es sehen konnten. »Schauen Sie, Sir, Droiden!«

»In Ordnung. Antreten, Männer. Ich werde Lord Vader informieren, daß die Kapsel nicht zerstört wurde. Jetzt geht es richtig los.«

 

»Hier ist Zehn-dreiundzwanzig. Sie sind nicht im Reparaturhangar, Sir«, meldete Davin Felth. Er stand in der Mitte eines Hangars voller Droiden tief im Bauch eines Jawa-Sandkrabblers. Kabel hingen von der Decke; überall standen Tische voller Ersatzteile herum.

»Haben Sie den gesamten Sandkrabbler durchsucht?«

»Positiv«, antwortete jeder Sturmtruppler und fügte seine jeweilige Truppenkennziffer hinzu.

»Draußen antreten, Männer.«

Davin stieg über einen auf dem Boden liegenden Roche-J9-Ar-beiterdroiden hinweg. Vor dem Reparaturhangar standen zwei Jawas und tuschelten miteinander; offenbar gefiel es ihnen nicht, daß die Sturmtruppen ihr Fahrzeug durchsuchten. Davin scannte die Halle ein letztes Mal vor dem Gehen und zählte einen Arakyd-BT-16-Meßdroiden, einen Abrißdroiden, einen R4-Agromechdro-iden, einen WEDl5-Planierdroiden und einen EG-6-Energiedro-iden – aber es gab keinen R2, nicht einmal eine Protokolleinheit, die oft zusammen mit einem R2-Droiden eingesetzt wurde.

Eine Horde Jawas folgte ihm nach draußen, als er das Vehikel verließ. Davin konnte von den kleinen Nichtmenschen nur die leuchtenden Augen im schwarzen Oval ihrer Kapuzenöffnung erkennen. Der Rest des Zeta-Zuges wartete bereits auf ihn. Die Sturmtruppler hielten ihre Blastergewehre locker in den Händen, standen aber Rücken an Rücken und überwachten die Umgebung, um auf einen etwaigen Angriff sofort reagieren zu können.

Als sich Davin zu seinen Kameraden stellte, hörte er mit, wie Captain Terrik über Helmlautsprecher mit dem Anführer der Jawas sprach. »Bist du sicher, daß die Droiden bei eurem letzten Zwischenhalt an einen Feuchtfarmer verkauft wurden?« Der Jawa schnatterte schrill, dann wandte sich Captain Terrik ab und gab dem Zeta-Zug ein Zeichen; er wechselte auf die gesicherte Sturmtruppenfrequenz. »Wir stoßen zum Rest des Kommandos.«

Der Zeta-Zug ließ den Jawa-Sandkrabbler hinter sich zurück und marschierte durch den Sand, um sich mit den restlichen Sturmtrupplern neu zu formieren. Von einer Düne im Süden aus behielten sie den Sandkrabbler im Auge. Auf der anderen Seite der Düne warteten drei riesige, haarige Banthas, die von irgendwoher eingeflogen worden waren, zwei umgebaute Go-Corp-Arunskin-32-Frachtskiffs und eine Ubrikkian-HAVr-A9-Schwe-befestung mit zwei schweren Blasterkanonen.

Die Jawas heulten und schüttelten ihre Fäuste, als die Sturmtruppen abzogen. Dann huschten die kleinen, braungekleideten Nichtmenschen zu ihrem Sandkrabbler, um ihre Reise fortzusetzen.

Aus Davins Helmempfänger drang Captain Terriks Stimme. »Schwebefestung – feuern Sie auf den Jawa-Sandkrabbler, sobald Sie bereit sind. Wenn er zerstört ist, schaffen Sie diese Banthas zu dem Wrack und hinterlassen Sie das Material, das wir bei den Sandleuten beschlagnahmt haben. Die Jawas sollen glauben, daß die Sandleute den Sandkrabbler angegriffen haben. Alle anderen besteigen die Frachtschiffe – wir werden diese Droiden auf dieser Feuchtfarm finden.«

Die Schwebefestung löste sich sofort vom Boden und stieg im Kurvenflug über die Düne. Davin kletterte auf einen der massigen Frachtskiffs und sah, wie die Schwebefestung zwei Blasterenergiestöße abgab.

Die anderen Sturmtruppler jubelten, aber Davin blieb still. Seine Gedanken waren bei den kleinen Jawas und der Tatsache, daß sie nicht mehr lebten.

 

Davin war zurückgefallen und hielt sich gerade so weit hinter den anderen Sturmtrupplern, daß er keine Aufmerksamkeit erregte. Der Zeta-Zug durchwühlte die unteren Etagen des Feuchtfarmhauses, kippte Tische um, riß Schranktüren aus den Angeln und bearbeitete Metallschubläden so lange mit den Kolben ihrer Blastergewehre, bis sie aufsprangen. Nacheinander meldeten die Sturmtruppler Captain Terrik: »Keine Spur von den Droiden, Sir.«

Davin beobachtete, wie der Sturmtruppler vor ihm ein Ölfaß umkippte, bevor er hinauf ins Obergeschoß ging. Das Haus des Feuchtfarmers war ein einziges Chaos.

»Zeta-Zug, melden und antreten«, befahl Captain Terrik knapp.

»Zehn-dreiundzwanzig«, sagte Davin. Er bemühte sich, ruhig zu atmen, aber der Gedanke an das, was als nächstes passieren würde, war fast zuviel für ihn. Er trottete ins grelle Licht der tatooinischen Doppelsonne und nahm zusammen mit dem Rest seines Zuges Haltung an. Captain Terrik hatte sich vor dem Feuchtfarmer und seiner Frau aufgebaut. Das Gesicht des Feuchtfarmers war zornesrot, die Frau weinte mit gesenktem Kopf. Davin aktivierte mit dem Kinn seinen externen Audiosensor und hörte den Wortwechsel mit.

»… Ihre Männer sind nichts weiter als Kriminelle! Ich habe Ihnen gesagt, daß ich die Droiden seit gestern nacht nicht mehr gesehen habe. Und schauen Sie sich an, was sie mit meinem Haus gemacht haben! Der Gouverneur wird dafür bezahlen.«

»Ich frage Sie noch einmal«, sagte Captain Terrik über Helmlautsprecher. »Wohin hat Ihr Neffe die R2-Einheit gebracht?«

»Haben Sie nicht zugehört?« Der Feuchtfarmer schüttelte wütend die Faust. »Ich weiß es nicht – und ich würde es Ihnen auch nicht sagen, wenn ich es wüßte! Ihr imperialen Strolche seid schlimmer, als ich dachte.« Er trat dicht vor Captain Terriks helmverhülltes Gesicht und spuckte. Speichel rann über das Visier des Offiziers.

Captain Terrik traf keine Anstalten, den Speichel abzuwischen. »Wo ist der Junge?«

»Ich habe nie viel für die Rebellen-Bewegung übrig gehabt, aber jetzt hoffe ich, daß sie jeden von euch Banthaschleimern erwischen und eure Kadaver verbrennen!«

Der Feuchtfarmer legte einen Arm um seine Frau und drückte sie an sich. Die beiden wandten sich ab und wollten in ihr Haus zurückkehren.

Emotionslos nickte Captain Terrik den Sturmtrupplern zu. Seine Stimme drang aus den abgeschirmten Koms. »Es gibt nur einen Ort, wohin der Junge die Droiden gebracht haben kann – nach Mos Eisley, um vom Planeten zu fliehen. Zeta-Zug, aufsitzen. Schwebefestung, dieses Haus wird in Schutt und Asche gelegt, als Warnung an alle, was passiert, wenn man den Rebellen Unterschlupf gewährt. Feuer frei!«

Davin Felth kletterte hastig auf den Frachtskiff und drehte dem Haus den Rücken zu. Ein bitterer Geschmack lag auf seiner Zunge. Zuerst hatten sie die Jawas exekutiert und jetzt diese Menschen. Und das alles wegen ein paar lausiger Droiden! Was konnte so wichtig sein, daß es die Hinrichtung dieser Leute rechtfertigte?

Auf seinem Heimatplaneten hatte der Militärdienst ein Leben voller Aufregung und Abenteuer versprochen. Er war mit stolzgeschwellter Brust an Bord des Schiffes gegangen, das ihn nach Carida brachte. Aber das hier war die Wirklichkeit. Leute starben, wurden wahllos getötet.

Der Frachtskiff stieg in die Höhe, und Davin erhaschte einen Blick auf das Massaker am Boden. Rauch hing über dem Haus. Er konnte die verbrannten Überreste von zwei menschlichen Körpern auf dem aschgrauen Sand erkennen. Als der Skiff zur Wüstenstadt Mos Eisley abdrehte, wußte Davin nicht, was er tun würde, wenn man ihm den Befehl zum Töten gab.

 

Die Sturmtruppler landeten am Rand von Mos Eisley und sprangen vom Frachtskiff. In den nächsten Stunden durchforschten sie die Datenspeicher der Raumhafenbehörde, verhörten Charterschiffseigner und durchsuchten Reparaturwerkstätten, bis Captain Terrik frustriert aufgab und eine systematische Durchsuchung der Straßen anordnete.

Der Geruch nach fettigem Essen, schmutzigen Körpern und Treibstoff drang sogar durch ihre Kampfanzüge, als sie sich um Captain Terrik sammelten. »In Ordnung, hört zu«, sagte er. »Alvien-Zug, ihr errichtet an jeder Ausfallstraße der Stadt Kontrollposten oder verstärkt die bereits vorhandenen Posten. Drax und Zeta, ihr patrouilliert durch die Stadt und durchkämmt jedes Haus nach diesen Droiden. Wenn die Droiden und dieser Junge den Planeten verlassen wollen, müssen sie sich in dieses Höllenloch von einer Stadt wagen. Bewegt euch!«

Davin und seine Kameraden vom Zeta-Zug marschierten los. Vor ihnen lag Mos Eisley, eine Ansammlung staubiger, niedriger brauner Gebäude, die aussahen, als wären sie von einem Jurisaft-Junkie über die Landschaft verstreut worden. Kreaturen in langen wallenden Roben wanderten schweigend durch die schmutzigen Straßen. Seit der Holovidübertragung der galaktischen Olympiade hatte Davin nicht mehr so viele Nichtmenschen an einem Ort gesehen.

Jede Tür war luftdicht verschlossen, angeblich wegen des Flugsandes, aber Davin vermutete, daß die zwielichtigen Gestalten, die bei ihrem Anblick zurück in die Schatten huschten, nur keinen unangemeldeten Besuch schätzten.

Sie marschierten ins Herz der Stadt, passierten Lups Kaufhaus, den Marktplatz, Gaps Grill und den Raumhafen-Expreß. Ein Potpourri aus schnatternden Lauten und stechenden Gerüchen marterte Davins Sinne zusätzlich zu dem allgegenwärtigen Sand. Seit man ihn mit seiner Abteilung mitten in der Wüste abgesetzt hatte, war Davin noch nicht dazu gekommen, sich diese fremde neue Welt in Ruhe anzusehen. Aber, sagte er sich bitter, wahrscheinlich würde noch viel Zeit vergehen, bis er den Planeten wieder verlassen konnte.

Ein Schrei riß ihn aus seinen Gedanken, gefolgt von mehreren lauten Stimmen, die aus einem alten Blockhaus drangen. Davin erinnerte sich an das, was man ihnen bei der Einsatzbesprechung auf der Landefähre gesagt hatte – viele der Gebäude waren so erbaut worden, daß sie bei einem Angriff der Tusken-Reiter als befestigter Unterschlupf dienen konnten. Dies war zweifellos eines dieser Häuser.

Außer ihm schien niemand sonst vom Zeta-Zug den Tumult gehört zu haben.

Davin sah eine Chance, für eine Weile dem Wahnsinn zu entkommen, und schaltete sein Kom ein. »Zehn-dreiundzwanzig, ich überprüfe eine Auseinandersetzung in einem Blockhaus.«

»Genehmigung erteilt«, sagte Captain Terrik. »Zehn-siebenundvierzig, geben Sie ihm Rückendeckung.«

Davin legte sein Gewehr an und löste sich von seinem Trupp. Kreaturen in den unterschiedlichsten Aufmachungen wichen zur Seite, als sich Davin und sein Kamerad näherten. Über der Tür des Blockhauses hing ein unscheinbares Schild mit dem verblaßten Schriftzug Mos Eisley Bar.

Ein 2,8 Meter großes grünhäutiges Insektenwesen krabbelte aus der Bar, als sie die Tür erreichten. Es hatte knollige Augen an dünnen Stielen, vier Beine und einen schmalen Rumpf mit eingeschnürtem Unterleib. Das Wesen schnatterte bei Davins Anblick sofort los.

»Wenn man nicht für meine Sicherheit sorgt, mache ich meine Gewürzgeschäfte eben woanders!«

Davin wandte sich an seinen Kameraden 1047. »Klingt nach Ärger.«

»In derartigen Lokalen haben Droiden keinen Zutritt«, meinte 1047. »Gehen wir weiter.«

Davin hatte keine Lust, die Droidenjagd fortzusetzen. Er ignorierte 1047 und betrat die düstere Bar. Der Restlichtverstärker in Davins Helmvisier kompensierte die schlechten Sichtverhältnisse. Er blieb dicht hinter der Tür auf dem erhöhten Treppenabsatz stehen. Die Bar schien Schmugglern, Kopfgeldjägern und anderen Dunkelmännern als Treffpunkt zu dienen.

Davin entdeckte im hinteren Teil des Lokals zwei Menschen, einen Jungen und einen alten Mann, die soeben eine Nische verließen und eilig Richtung Hintertür verschwanden. Er ignorierte sie und trat zu dem Barkeeper.

Davin aktivierte seinen Außenlautsprecher. »Ich habe gehört, daß es hier Krawall gegeben hat.«

»Nicht mehr als sonst«, meinte der Barkeeper. »Die Leute amüsieren sich nur. Aber wenn Sie wollen, können Sie sich gerne umschauen.«

»In Ordnung – wir überprüfen es.«

Davin hielt sein Gewehr mit beiden Händen und wanderte langsam durch die Bar. Er kam an zwei schlanken Menschenfrauen und einem durchdringend riechenden Rodianer vorbei; ein gehörnter Devaronianer nickte ihm höflich zu und machte ihm Platz. Als Davin die Nische erreichte, aus der der Junge und der alte Mann gekommen waren, fand er einen athletisch gebauten Menschen vor, der mürrisch auf den Tisch starrte und ihn ignorierte.

Davin wandte sich an 1047. »Du hattest recht – sie sind nicht hier.«

»Kehren wir zu den anderen zurück.«

Davin grunzte nur. Er hatte keine Eile, Zeuge weiterer sinnloser Morde zu werden. Aber was konnte er sonst tun?

Sie verließen die schattige Bar und traten hinaus in das grelle tatooinische Sonnenlicht. Davin wollte schon vorschlagen, die Suche nach den verschwundenen Droiden auf eigene Faust fortzusetzen, statt sich wieder ihrer Abteilung anzuschließen, als der Rest des Zeta-Zuges im Gleichschritt um die Ecke marschiert kam.

Bevor Davin etwas in sein Helmmikrofon sagen konnte, hörte er einen durchdringenden Schrei, der nur von einem wütenden Jawa stammen konnte! Er erinnerte sich noch genau an das schrille Geschnatter der kleinen Kreaturen, die sie brutal abgeschlachtet hatten.

Davin duckte sich instinktiv und riß sein Gewehr hoch. Auf halber Höhe eines Raumschiffwracks, das irgendwann auf dem Platz abgestürzt war, sprang ein Jawa in einem langen Mantel aus einem Versteck hervor. Der Jawa schwankte unter dem Gewicht eines übergroßen Blastergewehrs, das die lächerlich aussehende Kreatur wie einen Zwerg erscheinen ließ.

Endlich gelang es dem Jawa, das Blastergewehr auf den Zeta-Zug zu richten. Er stieß einen letzten schrillen Schrei aus und drückte den Feuerknopf…

Nichts geschah. Der Jawa heulte vor Wut und Überraschung. Er drückte weiter den Knopf. Alles geschah so schnell, daß Davin nicht reagieren konnte.

Oder vielleicht hinderten ihn nach all dem sinnlosen Töten, das er hatte mitansehen müssen, seine Instinkte an einer Reaktion…

»Verrückter Jawa«, knurrte 1047. Der Sturmtruppler zog seinen Blaster und gab einen Schuß auf den Jawa ab, der noch immer mit der Waffe kämpfte. Die Wucht des Treffers schleuderte den Jawa rücklings gegen das Wrack. Er rutschte zu Boden. »Ein Jawaschleimer weniger, mit dem wir uns rumschlagen müssen«, brummte 1047, als er seinen Blaster wieder einsteckte.

Davin trat geschockt zurück. Was ist nur aus uns geworden? Er hatte den imperialen Sturmtruppen fast vergeben, daß sie die Jawas in dem Sandkrabbler wahllos getötet hatten, denn schließlich stellten sie eine Bedrohung für den Imperator dar. Aber der Feuchtfarmer und jetzt dieser neueste Gewaltakt… Dafür konnte es keine Entschuldigung geben. Die einzige Erklärung für diese Taten war: Das Imperium war durch und durch böse. Und er wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben.

Aber ich kann nicht einfach meinen Abschied einreichen, dachte er. Was soll ich bloß machen?

 

Wie betäubt marschierte er eine scheinbare Ewigkeit mit dem Zeta-Zug durch die Straßen, als er plötzlich eine Stimme aus seinem Helmlautsprecher hörte: »Wir haben die Droiden aufgespürt! Alle Mann zur Andockbucht Vierundneunzig! Wir brauchen Hilfe!«

»Los, Zehn-dreiundzwanzig!« schrie 1047. »Mir nach!« Davin umklammerte sein Blastergewehr und trottete hinter dem weißgepanzerten Mann her. Seine Zeit auf Tatooine war ihm wie ein Traum vorgekommen – er wußte nicht, wie lange er schon auf dem Planeten war, aber er lebte schon länger, als er je für möglich gehalten hatte, von seinen Notrationen.

In seinem Helm erklang Captain Terriks Stimme. »Schnappt euch die Droiden! Die Rebellen haben sie – laßt sie nicht entkommen!«

Blasterfeuer hallte durch die schmalen Straßen. Vor der Andockbucht hatten sich eine Menge Schaulustiger eingefunden, die versuchten, einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen.

1047 schaltete seinen Außenlautsprecher ein. »Aus dem Weg – sofort!«

Davin folgte blindlings seinem Kameraden, verwirrter als je zuvor. Rebellen? Warum sollten die Rebellen so tollkühn sein und ausgerechnet jetzt einen Fluchtversuch wagen?

Sie rannten die Gasse hinunter, bogen um eine Ecke und erreichten das Kampfgeschehen. In der Mitte der Andockbucht stand ein modifizierter leichter Frachter mit offener Heckschleuse. Davin sah, wie ein Junge die Rampe hinauflief und im Schiff verschwand. Blasterstrahlen zuckten.

Mehr als zwanzig Sturmtruppler hatten sich auf dem Gelände verteilt und feuerten auf den leichten Frachter. Das Fauchen ihrer Laserschüsse zerriß die Luft.

Verblüfft starrte Davin den athletisch gebauten Mann an, der die Sturmtruppen in Schach hielt – er kämpfte gegen eine zwanzigfache Übermacht! War er einer der geheimnisumwitterten Rebellen, die es gewagt hatten, sich gegen den Imperator zu erheben? Es war derselbe Mann, den Davin in der Bar gesehen hatte! Das also war derjenige, der zwei Abteilungen Sturmtruppen in Atem gehalten hatte!

Von der bloßen Vorstellung verzaubert, daß ein Einzelner soviel erreichen konnte, empfand Davin plötzlich Sympathie und Begeisterung für die Rebellen, die gegen eine derart erdrückende Übermacht kämpften… und überlebten. Seit dem Tag seines Abflugs von Carida hatte er nicht mehr so intensive Gefühle gehabt…

Der Lärm und das Durcheinander waren überwältigend. Verirrte Laserschüsse setzten Gebäude in Brand. Rauch hing in der Luft. Sturmtruppler schrien widersprüchliche Befehle.

Direkt vor Davin hatte sich Captain Terrik hingekniet und zielte sorgfältig auf den athletisch gebauten Mann, der noch immer die Elitetruppe des Imperators in Schach hielt. Captain Terrik wartete geduldig auf den günstigsten Moment, dann krümmte er langsam den Finger um den Abzug seines Blastergewehrs, um den Rebellen auszuschalten…

Davin sah sich rasch um. Niemand war hinter ihm… und wichtiger noch, niemand beobachtete ihn.

Ohne zu zögern riß Davin seinen Blaster hoch und schoß Captain Terrik in den Rücken.

Der Offizier brach unbemerkt von den anderen zusammen.

Der athletisch gebaute Rebell verschwand im Schiff, dann wurde die Rampe eingezogen und die Schleuse geschlossen. Ein ohrenbetäubendes Heulen auf der Sturmtruppenfrequenz ließ Davins Kopf dröhnen. »Gebiet sofort verlassen, die Rebellen starten! Gebiet sofort verlassen!«

Besiegt zogen sich die Sturmtruppen eilig zurück. Wer in der Andockbucht blieb, würde von den Triebwerken des Sternenschiffs gegrillt werden. Eine Stimme fragte auf der abgeschirmten Frequenz: »Wo ist Captain Terrik?«

»Vergiß ihn«, sagte eine andere Stimme. »Er ist tot. Im Kreuzfeuer umgekommen.«

Aus Davins Helmempfänger drangen Flüche. Einige Sturmtruppler schmetterten in hilfloser Wut ihre Blaster gegen die Wand.

Aber als sich Davin mit dem Rest zurückzog, hatte er plötzlich das Gefühl, als ob sein Leben einen neuen Sinn bekommen hätte. Es war wie ein kühler Wind, der die endlose Hitze vertrieb. Er fühlte sich mit den Rebellen verbunden und hätte sich ihrer Sache am liebsten angeschlossen.

Aber wie?

Vielleicht konnte er sie über die Schwachstelle der AT-ATs informieren. Vielleicht konnte er auch als »Maulwurf« für sie arbeiten und sie mit lebenswichtigen Informationen versorgen…

Ein Spion? Vielleicht war das die Lösung. Er würde etwas haben, für das er leben, an das er glauben konnte. Er fühlte sich beschwingt, als sich plötzlich alles zusammenfügte.

Während sich die Sturmtruppen neu formierten, erkannte Davin, daß er den Rebellen am besten helfen konnte, wenn er in der Höhle des Löwen blieb.