Die Suppe ist fertig:
Die Geschichte des Pfeifenrauchers
Jennifer Roberson
Schmerz/Lust… Schmerz/Lust. Untrennbar. Unbeschreiblich. Unausweichlich.
… komm näher, ein wenig näher…
Tatooine. Mos Eisley. Eine Jauchegrube von einem Planeten, eine Jauchegrube von einem Raumhafen, die den Unbedarften kaum mehr zu bieten hat als den Verlust von Geld, von Gliedern, des Lebens, aber den Risikobereiten, den Spielernaturen, den Glückspilzen das unendliche Wunder der Hoffnung schenkt – verbotene, verdammte, berauschende Hoffnung.
… komm näher, wenn du willst…
Für mich wie für alle blutsverwandten Krippenkinder halten Tatooine und Mos Eisley ein noch größeres potentielles Angebot bereit: das des Fleisches, des Blutes, der Eingeweide, das überwältigende Versprechen der Risiken, die bereits eingegangen wurden, und der Risiken, die erst eingegangen werden müssen; in der unaussprechlichen Unbestimmbarkeit, die meine Rasse als Suppe bezeichnet.
Lust/Schmerz… Schmerz/Lust. Tief in den Fleischtaschen unter meinen Nüstern, verborgen in den unauffälligen Hautlappen meines ansonsten humanoiden Gesichts, beben Rüssel.
… noch näher… noch…
Dafür lebe ich, danach fische ich, danach jage ich. Die Suppe, die heiß und schnell und süß im Gefängnis der Adern kreist, der Gefäße, des Gehirns. Im Gefängnis des Körpers.
Was uns zu Legenden macht. Was uns zu Mythen macht. Was uns zu Dämonen der Träume macht: Benimm dich, oder der Anzat wird dich holen und dir dein ganzes Blut aussaugen.
Aber in Wirklichkeit ist es gar kein Blut.
… fast greifbar nahe…
In der geblähten Grelle von Tatooines grausamem Mittag gibt es keine Schatten. Nur die Kühnheit des Tages, die gnadenlose Großzügigkeit der Doppelsonne und das noch leuchtendere Licht der Glorie meiner Lüste.
… es ist schon so lange her, zu lange…
Mos Eisley schläft nie, aber jene, die Tatooines ungestümen Charakter kennen, kennen auch seine übelwollenden, seine übelbringenden Absichten: verbacken, verkochen, versengen. Und so fliehen sie, die Wissenden, in den schattigen Schutz sandverkrusteter, sonnenlichtumflirrter Schänken.
Wozu brauche ich Schatten, wenn das Tageslicht mir genügt und die hurtige, höllische Hast eines Mannes, der ihm entflieht?
… nur noch drei Schritte…
Humanoid. Ich kann ihn riechen – ihn schmecken, und zwar dort, genau dort; all die Zeichen stimmen, die die Beute bezeichnen: ein Ton, ein Hauch, ein Flüstern, ein Kuß… ein Aroma, wenn Sie so wollen, das den Appetit anregt, der Dampf der körperwarmen Suppe, nur für meine Rasse wahrnehmbar.
… noch zwei…
Er ist kein Narr, nur ein halber; Narren sterben lange, bevor sie einem wie mir begegnen, was uns einige Schwierigkeiten erspart. Es ist bei weitem besser, dem Leben die Auswahl zu überlassen. Wenn wir nach Tatooine kommen, sind die echten Narren bereits tot. Jene, die überleben, haben Witz, Talent, Fähigkeiten, außergewöhnliche Körperkräfte – und sehr viel Glück.
Das Glück ist nicht greifbar; es ist eine Eigenschaft, die man nicht kaufen, nicht stehlen, nicht herstellen kann. Aber es ist endlich und unbeständig. Niemand weiß, wann es einen verläßt.
Niemand außer mir. Ich bin Dannik Jerriko, und ich bin der Esser des Glücks.
…nur noch ein Schritt…
…JA…
Er ist gut. Er ist schnell. Aber ich bin besser und schneller.
Nur ein Bild; ich bin zu beschäftigt, zu hungrig: der schwarzblinde Glanz des Schocks in seinen Augen, nackt und obszön für jene, die verstehen; aber er versteht nicht, er begreift nicht das geringste. Er weiß weder, wer ich bin noch was ich bin, nur daß ich bin – und daß Hände seine Ohren packen und seinen Schädel umklammern und ihn gierig umarmen, Auge in Auge.
… heiße, süße Suppe…
Er wird kämpfen, wenn er die Möglichkeit dazu bekommt, wenn ich ihn loslasse. Und ich gebe ihm die Möglichkeit und lasse ihn los – nacktes Grauen würzt die Suppe –, kurz, oh, nur kurz, damit er denkt, er wäre besser als ich; damit er denkt, das Schicksal wäre auf seiner Seite und das Glück ihm hold. Es ist nicht Furcht, was ich begehre, noch Feigheit, sondern Mut. Der unbeugsame Wille, das Leben zu riskieren, das eigene Leben, ins Ungewisse zu springen und darauf zu vertrauen, daß das Können und das Glück und das Schicksal das Sprungtuch spannen.
Er ist gut, ist schnell, ist bereit, ins Ungewisse zu springen; und er springt, er stürzt, er segelt… aber niemand ist besser oder schneller als ich, und ich habe das Sprungtuch entfernt. Schicksal und Glück sind so vereint, doch sie gehorchen mir allein: Schließlich bin ich ein Anzati.
Das Werk ist schnell und mühelos vollbracht, mit dem unvergleichlichen Geschick meiner Art: Saugrüssel schnellen aus Wangentaschen und bohren sich durch die Nase ins Gehirn. Die Lähmung tritt sofort ein.
Ich esse sein Glück. Ich trinke seine Suppe. Ich lasse den Körper fallen.
Sie werden nicht erkennen, was geschehen ist, wenn sie ihn finden; am Anfang erkennen sie es nie. Das kommt erst später, wenn und falls sich jemand die Mühe macht, ihn zu scannen. Ich träume meinen eigenen Alptraum, erschaffe meinen eigenen Mythos. Ein schneller, sauberer Tod, keine Spuren, keine Probleme.
Professionelle Attentäter haben keine Freunde und keinen, der sich Sorgen um sie macht. Deshalb ermorde ich die Mörder.
Exterminator. Terminator. Des Attentäters Attentäter.
Suppe ist Suppe ist Suppe, aber die Dose, die am längsten im Regal steht, schmeckt am süßesten.
… oh, so süß…
Aber Süße ist – wie das Glück, das Schicksal – endlich. Immer. Und so beginnt der Zyklus, endet, beginnt erneut und endet, aber es gibt immer einen neuen Anfang.
Ich bin Anzat der Anzati. Sie kennen mich als Dannik Jerriko, aber ich trage viele Namen.
Sie kannten sie alle als Kind, vergaßen sie als Erwachsener. Legende ist Fiktion, Mythen sind irreal; es ist einfacher, sich in der falschen Sicherheit des Erwachsenseins zu wiegen und die Ängste der Kindheit beiseite zu schieben, denn die Ängste der Kindheit beruhen immer auf Wahrheiten. Einige Wahrheiten sind härter als andere. Einige Märchen sind viel beängstigender.
Möge die Furcht enden. Nicht Furcht ist mein Begehr und auch nicht meine Begierde. Sie zerfrißt den Gaumen, wie Essig, der gegen Wein ausgetauscht wurde.
Nach Mut sehne ich mich, nicht nach Feigheit; Arroganz ist immer willkommen. Selbstvertrauen statt Selbstzweifel, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Und der Wille, die ruhelose, ungestüme Bereitschaft, die eigenen Grenzen zu überschreiten. Risikobereitschaft, nicht risikoscheu sein. Die Herausforderung des Schicksals.
Ich brauche keine Voraussagen. Verschonen Sie mich mit Prophezeiungen. Erlauben Sie mir, Ihr Bestes zu nehmen, das Beste in Ihnen.
Lassen Sie es mich befreien. In mir werden Sie ewig weiterleben.
Es ist nicht so, daß ich Lebewesen töten will.
Ja, ich weiß – Sie kennen die Geschichten. Aber dies ist eine tiefe Wahrheit, sofern Sie glauben können, daß ich die Wahrheit sage: Lebewesen schmücken.
Ich bin nicht verrückt, ich schleiche nicht herum; ich trinke kein Blut. Ich bin stolz auf meine Erscheinung, stolz auf meine Herkunft, stolz auf meine Arbeit. Ich nehme sie ernst, diese Arbeit; sie duldet keine Fehler, verzeiht kein Versagen.
Gäbe es für mich eine anständige und ehrenhafte Alternative, würde ich mit dem Töten aufhören… aber ich habe Glücksdrogen probiert, und sie sind nicht effektiv; die Wirkung ist vorübergehend und kontraproduktiv. Synthetische Derivate und Ersatzmittel sind völlig nutzlos; um genau zu sein, sie machen mich krank. Was mir nur einen einzigen Ausweg läßt, den Ausweg für alle Anzati: die Suppe in ihrer reinsten Form, frisch entnommen und sofort verzehrt. Sie verdirbt außerhalb des Körpers.
Was bedeutet, daß ein Körper da sein muß.
Mos Eisley ist eine Hauptschlagader, eine riesige Konzentration von Wesen aller Gattungen, die genau wie ich ihren jeweiligen Geschäften nachgehen. Auf der einen Seite mein Beruf, auf der anderen Urlaub, Freizeit, die Gelegenheit, auf Jagd zu gehen. Das Blutgefäß zu finden, das meinem Gaumen am besten mundet. Nennen Sie mich ruhig einen Gourmet, wenn Sie wollen; ich sehe keinen Grund, Arbeit und Vergnügen nicht zu verbinden. Wird der Auftrag mit Freude erledigt, freut sich auch der Auftraggeber.
Ich habe Zeit. Ich habe Geld. Ich bin, um offen zu sein, steinreich, obwohl ich normalerweise nicht darüber spreche, Kredits sind ein schrecklich vulgäres Thema. Wenn Sie es sich nicht leisten können, mich zu engagieren, werden Sie nicht einmal erfahren, daß ich existiere.
Nur ein Auftraggeber, mein erster, beschwerte sich über mein Honorar. Er war ein dummer Mann mit wenig Phantasie… ich trank seine Suppe, aber sie befriedigte mich nicht. Die Wesen, die mich engagieren, sind gewöhnlich selbst Feiglinge, unfähig, irgend etwas anderes als Machtlüsternheit und Geldgier zu empfinden, und ihre Suppe ist dünn. Aber er erfüllte seinen Zweck, dieser Tod; seitdem hat sich niemand mehr beschwert.
Loyalität ist wie Glück nicht käuflich, nur für eine begrenzte Zeitspanne als Leihgabe erhältlich, und in dieser Zeit diene ich sowohl mir als auch den anderen, indem ich ihre ehrgeizigen Pläne unterstütze oder ihre lächerlichen Auseinandersetzungen beende. Alles in allem ist es ein für alle Seiten befriedigendes Arrangement: Meine Auftraggeber genießen das Privileg, daß ein bestimmter »Störenfried« nicht länger stören wird, ich trinke die Suppe der besiegten Feinde, und meine Auftraggeber bezahlen mich obendrein dafür.
Aber was diese Wesen nicht begreifen, ist die Tatsache, daß meine Loyalität nicht ihnen, sondern nur der Suppe gilt.
Andere Anzati binden sich an kleine Leben, an ein Leben, das ganz auf die Jagd konzentriert ist. Aber es gibt noch mehr, so viel mehr: Man muß nur genug Phantasie haben, um zu erkennen, was dort draußen alles auf einen wartet, und einen Weg finden, es sich zu nehmen.
Sollen sie sich doch selbst Fesseln anlegen. Sollen sie doch ihre kleinen Leben leben und aus unwürdigen Gefäßen Suppe trinken. Ich nehme dafür die besten. Solche Suppen sind beschwingender, weitaus berauschender – und deshalb wirkungsvoller – als der Durchschnitt, mit dem sich andere Anzati zufriedengeben.
Und außerdem werde ich dafür bezahlt, das zu tun, was ich tun muß.
Ja. Oh, ja. Die beste aller Welten.
Es sind immer die Raumhäfen, immer die Bars. Man sollte eigentlich annehmen, daß die Stundenhotels demselben Zweck dienen, aber dort werden ganz andere Geschäfte gemacht, die von Natur aus zeitlich begrenzt und ohne Risiko sind, abgesehen von dem Risiko, das mit der Wahl des Partners und – vielleicht – der Mechanik der körperlichen Betätigung einhergeht. In Bars wird getrunken, wird gespielt, wird gehandelt. Die einen gehen nach einem erfolgreichen Geschäftsabschluß in die nächste Bar, um sich dort mit Wein, Weib und Gewürz zu vergnügen, die anderen suchen Arbeit. Raumpiraten, Blockadebrecher, Kopfgeldjäger, sogar eine Handvoll Rebellen. Das Imperium hat die letzteren aus derartigen Lokalen vertrieben und gutherzige, unschuldige Wesen in Seelen verwandelt, so verzweifelt wie alle anderen, aber mit einer Vision so rein und brennend wie die Doppelsonne über Tatooine, unbeeindruckt von der harten Realität des Lebens.
Wenn jemand fest genug glaubt, wenn die Überzeugung absolut ist, dann kümmern ihn die Risiken nicht. Seine Suppe ist sehr süß.
Der Sand ist überall. Er ist ein eigenständiges Wesen, verschämt und aufdringlich zugleich. Er schleicht sich in Stiefel, schleicht sich in Stoff, schleicht sich sogar in die Falten des Fleisches. Er bringt selbst einen Anzati dazu, Erleichterung zu suchen, und deshalb fliehe ich vor der Hitze der Doppelsonne und gehe in die Bar. An der Tür bleibe ich stehen – erinnere mich an einen Tag vor vielen Jahren, an einen aufgequollenen, nachtragenden Hutt – und schließe die Augen, um mich schneller an das trübe, ockergelbe Licht zu gewöhnen, dick und ranzig wie Banthabutter.
Es ist müßig, darauf zu hoffen, daß der Barbesitzer mehr Lampen anbringt oder seinen Queblux-Stromgenerator überholen läßt, dessen hervorstechendste Eigenschaften eine lächerliche Leistungsschwäche und ein tiefes, fast unhörbares Brummen sind. Aber Reparaturen widersprechen Chalmuns Natur, die von Mißtrauen bestimmt ist. Geschäfte werden im Dunkeln gemacht, nicht im grellen, erbarmungslosen Licht von Tatoo I und Tatoo II, gleißende Augen im galaktischen Gesicht, das, wie das Gesicht des Imperators, aus einer dunklen Kapuze hervorsieht.
Ah, aber in der Bar erwartet mich mehr als nur Erlösung vom Sand, von der Hitze. Dort ist der Duft, die Aussicht auf Sättigung.
… Suppe…
Sie ist dick, so dick – im ersten Moment bin ich überwältigt. Ich kann mich nicht erinnern, etwas derartiges schon einmal erlebt zu haben – so viele Geschmacksrichtungen: die Töne, die Aromen, das Flüstern… hier werde ich vielleicht bis in alle Ewigkeit trinken und in der Fülle schwelgen können.
Ahh.
So viele Wesen, so viele Aromen, so viel Glück zum Essen. Die Chancen sind hier körperlich spürbar, die Möglichkeiten unendlich. Es ist eine Symphonie aus Suppe, heiß und schnell und naß, wie Blut, das unter dem dünnen Gewebe des Fleisches ewig kocht.
Ich bin kein Droide, bestätigt der Detektor, ich bin in Chalmuns Bar willkommen. Und ich lache mir ins Fäustchen, denn Chalmun, im Kerker seiner Vorurteile gefangen, weiß nicht, daß es in der Welt Dinge gibt, die verabscheuungswürdiger als Droiden sind. Droiden sind im großen und ganzen ungefährlich, anspruchslos und überaus nützlich. Aber überlassen wir den Mann seiner Bigotterie; wären alle wie die Rebellen von der Allianz, so unerschütterlich ehrenhaft, dann wäre die Suppe widerlich wie Haferschleim.
… Suppe…
In meinen Wangentaschen beben die Rüssel. Für einen Augenblick, nur für einen Augenblick, schieben sie sich um einen Millimeter heraus, überwältigt von dem berauschenden Aroma, das nur wir Anzati wahrnehmen können. Die anderen, ganz gleich, welcher Rasse oder welchem Geschlecht sie angehören, bemerken nichts davon. Aber zuerst kommt die Vorfreude; sie erfrischt und belebt und rechtfertigt die Selbstbeherrschung.
Also ziehe ich die Rüssel wieder ein, verberge sie in den Taschen neben meinen Nüstern. Ich wische einen dünnen Sandfilm von meinen Ärmeln, streiche meine Jacke glatt und gehe die vier Stufen hinunter in den Bauch der Bar.
Hier gibt es genug Suppe.
Geduld wird belohnt.
Zuerst reagiert er ungläubig. Ein mürrischer, mißmutiger, miesepetriger Mann, trotz der Doppelsonne ungesund blaß, irgendwie unförmig und plump, als wäre er unfertig zur Welt gekommen oder als hätten ihn die Schicksalsschläge des Lebens entstellt. Der Mund ist schief und schlafflippig, die Nase ein knolliges Gewächs. Seine Kleidung ist zerknittert, sein Haar fettig und strähnig. Er erkennt mich nicht wieder.
Höflichkeit ist eine Illusion; in Mos Eisley, in Chalmuns BEUT, von Chalmuns Barkeeper erwartet niemand Höflichkeit. »Sie wollen was?«
»Wasser«, wiederhole ich.
Er kneift die dunklen Augen zusammen. »Wissen Sie eigentlich, wo Sie sind?«
»Oh«, sage ich lächelnd, »gewiß.«
Er deutet mit einem plumpen Daumen über seine Schulter. »Ich habe da hinten einen Computer stehen, der sechzehnhundert verschiedene Drinks mixen kann.«
»Oh, sicher, das dachte ich mir schon. Aber ich will den Drink, den er nicht mixen kann.«
Er runzelt die Stirn. »Wasser ist nicht billig, klar? Wir sind hier auf Tatooine. Haben Sie genug Kredits dabei?«
Seine Suppe ist zähflüssig und schwach, ihr Aroma kaum wahrnehmbar. Er ist der Anrichter, nicht das Gericht. Er überschreitet keine Grenzen, und das einzige Risiko geht er ein, wenn er einem Gast einen Drink serviert. Er bietet wenig Genuß und noch weniger Befriedigung.
Aber es gibt andere, die mehr zu bieten haben. Und alle sind hier.
Ich ziehe eine flache Münze aus meiner Tasche. Sie glitzert im trüben Licht, pures Gold. Nicht direkt ein Kreditchip, aber sie genügt, um mein Wasser zu bezahlen. Auf Tatooine sind diese Münzen bekannt. In Mos Eisley werden sie gefürchtet.
Der Barkeeper befeuchtet seine Lippen. Dreht den Kopf zur Seite und funkelt eine kleine, betrunkene Chadra-Fan an, die um mehr Jurisaft bettelt. »Jabbas Münzen sind hier nicht gern gesehen«, knurrt er, doch er greift unter den Tresen und bringt eine beschlagene Kristallkaraffe mit teurem eisgekühlten Wasser zum Vorschein.
Ich lasse die Münze auf dem Tresen liegen. Sie spricht für sich selbst, und wer zuhört, versteht die Botschaft: Jabba zahlt gut, und wer für ihn arbeitet – oder für jene arbeitet, die für ihn arbeiten – erkennt den sichtbaren Beweis für Jabbas Wohlwollen.
Es ist schon lange her. Ich habe zahllose andere Auftraggeber aus allen Sektoren der Galaxis gehabt, aber Jabba ist… unvergessen. Vielleicht ist es Zeit, daß ich mich um einen zweiten Auftrag von ihm bemühe; es gibt immer Attentäter, die versagen und die der Hutt tot sehen will. Er schätzt Versager nicht.
Für einen Moment versuche ich mir vorzustellen, wie es wohl sein mag, seine Suppe zu trinken… aber Jabba wird gut bewacht, und selbst einem Anzati dürfte es schwerfallen, in seinem massigen Leib die richtigen Öffnungen für die Rüssel zu finden.
Ich schließe meine Hand um das Glas und spüre den Biß des Eises. Auf Tatooine ist Wasser Luxus. Es läßt sich in keiner Weise mit Suppe vergleichen, aber es rechtfertigt die Vorfreude. Während sich der Barkeeper umdreht, um barsch zwei Menschen anzufahren, die sich in Droidenbegleitung in die Bar gewagt haben, schlürfe ich langsam und genüßlich mein Wasser.
Alkohol trübt den Geist, lähmt den Körper, bringt keine Sättigung, nur Schwäche. Anzati meiden derartige Dinge, genau wie wir auch Glücksdrogen und Synthetika meiden. Was natürlich ist, ist auch am besten, und dies trifft sogar auf die Suppe zu. In der Reinheit liegt die Kraft.
Im Laster liegt die Schwäche – und ich muß es schließlich wissen. Hinter der Freiheit meines Lebensstils verbirgt sich ein Kerker. Es gibt keine Gitter, keine Mauer, keine Energiefelder, keine Stasiskapseln. Der Kerker, den ich meine, ist heimtückischer als diese Dinge, und ein Anzat verabscheut ihn mehr als die Suppe eines Feiglings.
Ich trank die verdorbene Suppe eines verdorbenen Mannes und nahm sein Laster in mich auf: die Sucht nach einer verbotenen, aber oft geschmuggelten Substanz von den Außenwelten, die unter dem Namen Nic-o-Tin bekannt und in einem Stoff namens T’bak enthalten ist.
Ich bin Dannik Jerriko. Anzat der Anzati und Esser des Glücks.
Aber ich habe nie behauptet, daß ich vollkommen bin.
Wie bei Kneipenschlägereien üblich, braut sich der Ärger schnell zusammen, vergleichbar mit einem Sandsturm im Herzen der Dünensee. Ich kümmere mich nicht darum, sondern stopfe in aller Ruhe meine Pfeife – das Ritual spendet Trost, das Vorspiel verschafft Befriedigung –, klemme das Mundstück zwischen meine Zähne und inhaliere tief den T’bakrauch. Es ist eine scheußliche Angewohnheit, doch eine, die nicht einmal ich ablegen kann.
Hinter mir jault die Musik. Seit meinem letzten Besuch hat Chalmun eine neue Band engagiert. Es ist die passende Musik für eine Bar düster wie eine Wüstennacht. Die klagende Melodie dringt wimmernd und winselnd durch den übelriechenden Nebel aus Rauch und Schweiß und kriecht wie Dünenstaub in alle Ritzen.
… Suppe…
Ein Ausbruch, plötzlich und grell, roh und ursprünglich. Ich brauche nur einen Moment, um die Quelle zu identifizieren, das Wesen zu identifizieren: menschlich und jung. Furcht, Kühnheit, Besorgnis; ein Hauch spröden Mutes – ah, aber er ist zu jung, zu unerfahren. Sein Kinn ist zwar trotzig vorgestreckt, seine blauen Augen funkeln rebellisch, doch er lebt noch nicht lange genug, um zu wissen, was er riskiert. Er ist noch unreif.
Die Jungen kennen das Leben nicht, kennen nicht seine Gefahren, die kleinen und großen Schicksalsschläge. Sie leben nur für den Moment, sind blind gegenüber den Möglichkeiten; nicht Mut ist in den Jungen, nur die Torheit der Jugend. Die männlichen Jugendlichen sind am schlimmsten: eine Mischung aus banthahafter Sturheit und hormoneller Unausgeglichenheit. Ihre Suppe ist unreif und durch und durch unbefriedigend. Es ist besser, sie reifen zu lassen.
Ich inhaliere den Rauch, halte ihn in der Lunge, stoße ihn wieder aus. Währenddessen eskaliert der Streit. Zwei Wesen fordern jetzt den Jungen heraus: ein Mensch und ein Aqualishaner. Ihre Aggressivität ist bartypisch, beruht auf Trunkenheit und Unsicherheit; der lächerliche Versuch, einen grünen Jungen einzuschüchtern, dessen Unerfahrenheit jenen, die an derartigen Dingen Vergnügen finden, nur seichte Unterhaltung verspricht. Wie immer kommt es zu einem Handgemenge; der Junge erhält einen Stoß und fällt gegen einen Tisch.
Die Musik bricht abrupt ab. Es verrät mir einiges über die Bandmitglieder: Zweifellos sind sie mit Lokalen wie Chalmuns Bar nicht vertraut, sonst hätten sie nicht aufgehört zu spielen. Erfahrene Musiker hätten sich von dem Geschrei, dem Geschimpfe, dem Gekreische zu einer neuen Melodie inspirieren lassen.
Dann höre ich einen Laut, mit dem ich nie gerechnet hätte, einen Laut, den ich seit hundert Jahren nicht mehr gehört habe: das tiefe, pulsierende Summen eines aktivierten Lichtschwerts.
…Suppe…
Ich fahre sofort herum… mit bebenden Rüsseln, kaum bezähmbarer Gier. Denn sie wissen, was auch ich weiß: Irgendwo in Chalmuns Bar ist das Gefäß, das ich brauche.
Es ist ein schneller, entschlossener Kampf, ein Scharmützel, das nur Sekunden dauert. Ein einziger Schlag des Lichtschwerts genügt, und der Aqualishaner verliert den Kampf, verliert den Arm.
Der Junge hält sich im Hintergrund. Ich fange wieder seinen Geruch auf, wild und unkontrolliert. Aber da ist noch mehr, viel mehr als ich erwartet habe, ein Geruch, der mich allein durch seine Existenz verwirrt, verlockt, verführt… und dann sehe ich den alten Mann, wie er gelassen sein Lichtschwert einsteckt, und ich erkenne, was er ist.
Ein Meister trotz seiner Zurückhaltung, nicht auf Wortgefechte aus, nicht auf Gewalt. Was für eine Art Meister er ist… ah, in Zeiten wie diesen ist es besser, Stillschweigen zu bewahren, denn die Ohren des Imperators sind überall. Aber ich weiß, was er ist: ein Jedi. Ich weiß es mit letzter Sicherheit. Er ist zu diszipliniert, zu gut gegen die forschenden Sinne der Anzati geschützt, und dieser Schutz verrät mir die Wahrheit über ihn.
Ich bewahre Stillschweigen. Es gibt keinen Grund, es laut auszusprechen. Soll er ruhig sein, was er ist; niemand sonst wird Verdacht schöpfen. Für eine Weile ist er sicher.
Der Junge hat sich damit mein Interesse verdient. Wenn die beiden tatsächlich zusammengehören, will ich wissen, warum. Wenn der Junge der Schüler des alten Mannes ist, gibt es wirklich Grund zur Furcht – sofern man dem Imperium dient und sich an die alten Zeiten erinnert.
Wenn man nicht dem Imperium dient wie ich – obwohl ich mich an die alten Zeiten erinnere, selbst an die noch älteren Zeiten –, spielt es nicht die geringste Rolle. Natürlich nur, wenn man das Geld nicht braucht, das Jabba für diese Information zahlen würde, oder Darth Vader.
Oder der Imperator.
Braggadocio. Es ist typisch für derartige Lokale, das Ritual der Prahlerei, Wesen, die ihr Gesicht wahren wollen, Wesen, die sich einen Namen machen wollen; die einen Platz in der Welt suchen oder die sich ihren Platz einfach nehmen, ein Versuch, mehr aus sich zu machen, als man ist.
Es gibt welche, die tatsächlich mehr sind – als Anzat bin ich weit mehr, als irgend jemand ahnt (oder ahnen möchte) –, aber sie greifen nur selten zu Braggadocio, weil jeder weiß, wer sie sind und was sie vollbracht haben. Es ist überflüssig, darüber auch nur ein einziges Wort zu verlieren, denn dies torpediert nur ihre Taten.
Aber im unerbittlichen Angesicht eines Jedi-Meisters, der diese Taten für Tand hält, bleibt selbst den Fähigsten, selbst den Berüchtigsten manchmal keine andere Wahl, als ihr Heil in Braggadocio zu suchen. Wesen wie der alte Mann können – ohne viel zu sagen, ohne viel zu tun – die Stärksten zu Krippenkindern reduzieren.
Die Band hat sich inzwischen wieder gefaßt, oder man hat ihr mit einer Kürzung der Gage gedroht, wenn die Musiker nicht umgehend weiterspielen. Die Musik, nur weniger schrill, übertönt alle Gespräche bis auf jene in meiner unmittelbaren Nähe, aber ich bin nicht auf Worte oder Laute angewiesen, um Informationen zu sammeln. Aus Braggadocio entsteht oft der Duft der Suppe.
Ich atme aus, spüre meine Rüssel beben und drehe mich langsam, um die Bar zu durchforschen. Die richtige Richtung ist leicht gefunden, und ich muß lächeln, als ich den alten Mann und seinen Schüler in einer der Nischen verschwinden sehe. Es sind nicht sie, die ich jetzt wittere, sondern jene, mit denen sie sprechen: ein riesiger Wookiee und ein humanoider Mann.
… Suppe…
Ihr Duft ist so würzig, so durchdringend, daß ich keine Zweifel mehr habe. Ich keuche unwillkürlich.
Nicht der alte Jedi, der diszipliniert und geschützt ist. Nicht der Schüler, der jung und unreif ist. Nicht der Wookiee, der in allem außer der Treue passiv ist. Der Humanoide. Der Corellianer.
Anzati sind langlebig. Erinnerungen sind hartnäckig.
Rauch steigt von meiner Pfeife auf. Ich lächle durch den Kringel. Er wird gesucht, genau wie der Wookiee, aber alle Wesen in Chalmuns Bar werden irgendwo gesucht. Selbst ich werde gesucht, oder zumindest würde man mich suchen, wenn man wüßte, wer oder was ich bin und weshalb man mich suchen sollte, und darin liegt Kontinuität.
Ich jage mit Vorsicht und Bedacht, achte stets sorgfältig auf jene Kleinigkeiten, die andere ignorieren, oft mit tödlichen Folgen; ich brauche Bestätigung. Ich unternehme nichts, solange ich nicht sicher bin.
In dieser Situation erfordern Bestätigung und Sicherheit wenig Zeit und wenig Geduld. Der Jedi und sein Schüler gehen, aber an ihre Stelle tritt sofort ein Rodianer. Er ist nervös. Seine Suppe ist so dünn, daß sie fast nicht vorhanden ist; er ist der Speisende, nicht die Speise.
Er ist feige. Er ist töricht. Er ist unfähig. Er ist unentschlossen. Und deshalb stirbt er durch den Schuß des illegalen Blasters in der Hand eines zu allem entschlossenen und skrupellosen Piraten.
… Suppe…
Ich triumphiere mit erwartungsvoll zuckenden Rüsseln. Dies ist der Ort und dies ist der Moment… der Ton, der Hauch, das Flüstern, das Schreien, die Vergänglichkeit der fleischgewordenen Suppe, angerichtet und serviert, und würzig, so würzig…
Ich muß nur hingehen und sie mir holen, sie trinken, sie umarmen, wie nur Anzati umarmen, den Tanz mit dem Corellianer tanzen, dessen Suppe so dick ist und heiß und süß, viel süßer als alles, was ich seit viel zu langer Zeit gekostet habe…
Jetzt.
Jetzt.
Aber Hast mindert die Erfüllung. Zeit und Geduld sind unverzichtbar.
… diese herrliche Suppe…
Die Band spielt weiter ihre schrille Musik. Der beißende Geruch von Rauch hängt in der Luft, der schmutzig-staubige Gestank von Dünensand, von Stadtsand; die Brutalität des Blastertods, gewürzt mit rodianischer Feigheit, rodianischer Dummheit. Nicht einmal das Wesen, das ihn engagiert hat, wird ihn betrauern.
Er ist – war – natürlich eine Kreatur des Hutts. Irgendwelche Zweifel? Es gibt sonst keinen anderen, der es wagen würde, in Mos Eisley, auf Tatooine, Attentäter zu engagieren.
Abgesehen von Lord Vader und dem Imperator.
Aber sie sind nicht hier. Nur Jabba.
Der Hutt ist überall, er selbst ist alles und in allem auf Tatooine, in Mos Eisley, in Chalmuns Bar.
… diese herrliche Suppe…
Ein letzter Zug T’bak. Ich inhaliere tief und genieße den Rauch wie den Moment, das Wissen, die Gier. Kurz erhellt sengendes Sonnenlicht das Innere der Bar, als der corellianische Pirat und sein Wookiee-Gefährte mit schnellen Schritten Chalmuns Bar verlassen, um sich den imperialen Nachstellungen zu entziehen. Es ist Jabbas Raumhafen, nur nicht dem Namen nach, und dieser Name ist der des Imperators, der nichts vom Treiben des Hutts wissen muß, oder vielleicht weiß er Bescheid, nur kümmert es ihn nicht.
Es ist wieder dämmrig in der Bar. Man wird die Leiche fortschaffen, und irgend jemand wird Jabba berichten, daß sein Beauftragter tot ist.
Nein, es ist schon geschehen; er weiß inzwischen, was passiert und wer verantwortlich ist.
… diese herrliche Suppe…
Aber warum soll ich sie aus eigener Tasche bezahlen? Jabbas Taschen sind voller.
Oh, ja, der Hutt zahlt gut. Aber ich bin es, der die Suppe trinken wird.
… diese herrliche Suppe…
Meine Rüssel zucken, als ich langsam und gelassen den Rauch ausstoße, still und zufrieden, während meine eigene Suppe erwartungsvoll kocht.
… Han Solos Suppe…
Ah, es verspricht eine lohnende Jagd zu werden… denn eine derartige Suppe habe ich – selbst ich, Dannik Jerriko, Anzat der Anzati, Esser des Glücks, des Schicksals – noch nie, niemals zuvor gekostet.