Nachtlilie:

Die Geschichte der Liebenden

Barbara Hambly

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»Gnädigste, ich bin untröstlich.« Feltipern Trevagg schaltete den Computermonitor über seinem Schreibtisch aus und wirkte dabei nicht im geringsten zerknirscht. »Wenn Sie Ihre Wasserrechnung nicht bezahlen, kann ich nicht verhindern, daß man Ihnen die Wasserzufuhr sperrt. Ich bin es schließlich nicht, der die Gebühren festsetzt.«

In Wirklichkeit hatte er es in diesem Fall doch getan, vielmehr dem Stadtpräfekten des Mos Eisley Raumhafens vorgeschlagen, die Wassergebühren um fünfundzwanzig Prozent zu erhöhen. Aber, sagte sich Trevagg nüchtern, während er seine Stirnhöcker rieb und der verzweifelten Modbrek-Frau zuhörte, die ihn um einen Zahlungsaufschub anflehte, wahrscheinlich hätte sie auch die alten Gebühren nicht begleichen können, so daß es keine große Rolle spielte. Wichtig war jetzt nur, natürlich vorausgesetzt, alles lief nach Plan, daß er ihr ein paar tausend Kredits für ihr Haus anbieten konnte – die sie mit Freuden annehmen würde, nachdem sie schon einige Tage ohne Wasser oder Nahrung war –, um es dann zimmerweise zu vermieten. Aber er mußte schnell handeln, damit der Präfekt nicht hinter seine Pläne kam und ihn überbot.

Die Verzweiflung der Modbrek-Frau irritierte ihn. Wäre sie eine Gotal wie er, hätte er vielleicht Mitleid empfunden, obwohl Trevagg weit weniger als die meisten seiner Artgenossen für Emanationen der Verzweiflung und Furcht empfänglich war. Aber Modbreks waren nach Trevaggs Ansicht nur halbintelligente, unansehnliche, kurzlebige Wesen, bis auf die grotesk voluminöse blaue Mähne, die von ihren unterentwickelten Köpfen hing, haarlos wie Schnecken, mit großen Augen und winzigen Nasen und Mündern in spitzen, blassen Gesichtern. Diese Frau und ihre Töchter, die fortwährend Schwingungen der Angst ausstrahlten, wirkten auf ihn wie eine Art mißtönende Musik.

»Gnädigste«, sagte er schließlich seufzend, »ich bin nicht Ihr Vater. Und ich bin auch nicht von der Wohlfahrt. Und wenn Sie wußten, daß Sie Ihre Wasserrechnung nicht bezahlen können – wovon ich ausgehe, denn Sie sind seit zwei Monaten in Verzug, und weder Sie noch Ihre Töchter haben sich die Mühe gemacht, eine anständig bezahlte Arbeit zu suchen –, hätten Sie sich rechtzeitig an Ihre Familie oder eine Wohltätigkeitsorganisation wenden müssen.«

Er drückte einen Knopf am Kontrollpult seines Schreibtischs. Ein menschlicher Sicherheitsbeamter in einer zerknitterten Uniform kam herein und drängte die drei Frauen nach draußen. Trevagg konnte spüren, daß der Mann Mitleid mit ihnen hatte und, sehr zu Trevaggs Abscheu, die erbärmlichen Kreaturen körperlich anziehend, sogar sexuell interessant fand.

Natürlich hatte Trevagg schon immer Schwierigkeiten gehabt, das sexuelle Interesse, das die Menschen füreinander empfanden, zu verstehen. Sie waren bleich, wabbelig, schwammig und unfähig, wie die Gotal emotionale Schwingungen auszusenden. Außerdem fehlte ihnen der Gegensatz zwischen Stärke und Schwäche, der die Voraussetzung für erotische Spannung war. Wie konnte jemand nur…?

Er zuckte die Schultern und wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu, um einen Anruf zu erledigen. Hinter ihm trat jemand ins Zimmer. Er spürte die Wärme eines menschlichen Körpers und identifizierte die elektromagnetische Aura als die von Predne Balu, stellvertretender Sicherheitschef von Mos Eisley. Der Überdruß und die Abneigung des Mannes legten sich wie rauchige Dunkelheit auf ihn.

»Warum haben Sie ihr nicht einen Monat Aufschub gewährt?« Balus rauhe Stimme klang müde. Die Hitze der tatooinischen Sonnen schien schon vor langer Zeit die Wildheit und die Begeisterung aus Balu gebrannt zu haben, die für einen Jäger unverzichtbar waren. Trevagg verachtete ihn.

»Sie hat zwei Monate Zeit gehabt. Wasser ist ein teures Importgut.«

Über den schwarzen Empfangsmonitor flimmerte eine Nachricht: PYLOKAM 11:30. Trevagg bewegte einen Finger, und die Pixel verschwanden, als hätten sie nie existiert. Er drehte sich in seinem Sessel und sah Balu an: ein bulliger Mann mit herunterhängenden Schultern in einer zerknitterten dunkelblauen Uniform, mit schwarzen Haaren, dunklen Augen und graumelierten, erbärmlichen Stoppeln, die bei den Menschen als Bart durchgingen. Ein Kopf wie eine Melone. Trevagg konnte keinen Menschen ansehen, ohne Verachtung und leichte Belustigung zu empfinden. Er wußte, daß sie über andere Sinnesorgane als Kopfhöcker verfügten, aber selbst nach den vielen Jahren, die er in der Galaxis verbracht hatte – als Kopfgeldjäger, imperialer Leibwächter und Sicherheitschef an Bord diverser Raumschiffe – fand Trevagg alle Wesen ohne Höcker albern und ineffektiv. Auf Antar IV staffierten sich die Gotals, deren Höcker unterentwickelt waren, mit Attrappen aus Gummi aus, obwohl jeder im Grunde seines Herzens wußte, daß die Größe der Höcker die Fähigkeit zum Empfang sensorischer Schwingungen nicht beeinflußte.

Es war schlicht so, daß er vor einem Wesen ohne Höcker instinktiv keinen Respekt hatte.

»Sorgen Sie dafür, daß morgen die Wasserzufuhr zu ihrem Grundstück gesperrt wird.«

Balu kniff den Mund zusammen, aber er nickte.

»Ich gehe jetzt. In einer Stunde dürfte ich wieder zurück sein.«

 

Ein Spaziergang über den Marktplatz von Mos Eisley war für Trevagg immer ein berauschendes Erlebnis. Als geborener Jäger, der einst seine Neigung zum Beruf gemacht hatte, war seine derzeitige Stellung als Steuer- und Gebühreneintreiber eine Enttäuschung für ihn. Was ihm anfangs als eine Gelegenheit zum Zusammenraffen großer Summen Kredits erschienen war, hatte sich als wenig einträglicher Verwaltungsposten entpuppt.

Dennoch spürte er, wußte er, daß man hier eine Menge Kredits machen konnte.

Auf dem Marktplatz von Mos Eisley erwachte wieder der Jäger in ihm.

Markisen flatterten im heißen Wind, Sonnenschirme aus Kunststoff warfen tiefschwarze Schatten, während die billigeren Modelle aus Baumwolle und Lumpen die Gesichter der Wesen unter ihnen mit rotem und blauem Licht fleckten. Der würzige Geruch von Banthaburgern und altem Fritieröl umwaberte die zahllosen Verkaufsstände, die überall aus dem Boden wuchsen, wo ein geschäftstüchtiger Jawa oder Whiphide Platz für eine sonnenenergiebetriebene Friteuse gefunden hatte. Angehörige von Rassen aus allen Winkeln der Galaxis wanderten durch die schattigen Gänge dieses improvisierten Labyrinths. An einem Stand zeigte ein leichengesichtiger Durosianer einem neugierigen menschlichen Touristenpaar Ketten aus beige-grauen »Sandperlen« und verblichenem blauen Glas; an einem anderen Stand wand sich eine fast nackte gamorreanische Bauchtänzerin auf einer gelbgestreiften Decke zu den bewundernden Pfiffen einer Gruppe Sullustaner, die zu den vielen Rassen gehörten, die Gamorreaner attraktiv fanden.

Aber mehr als alles andere war es die Atmosphäre der Gefahr, die über dem Platz lag, der Unruhe, der Wachsamkeit, die von Trevaggs Höckern wie drogenversetzter Wein aufgesaugt wurde. Nach einem Spaziergang über den Marktplatz fragte er sich stets, ob er den imperialen Dienst nicht quittieren und wieder auf Jagd gehen sollte.

Aber wie immer sah er sich genauer um und stellte fest, daß viele von diesen Leuten zerschlissen oder zerlumpte Wüstenkleidung trugen. Er strich über sein neues Jackett aus dunkelgrüner Yullraseide, seine enganliegende, maßgeschneiderte Hose, und überlegte es sich noch einmal. Er würde auf diesem elenden Felsbrocken vielleicht kein großes Vermögen verdienen, aber zumindest ein kleines.

Und die Gelegenheit würde kommen.

Sie war sogar schon gekommen.

Sein Puls beschleunigte sich, als er an die Schwingungen dachte, die er vor zwei Wochen bei seinem Spaziergang über den Markt aufgefangen hatte. Er mußte sich lediglich wie ein Jäger verhalten, sagte er sich, und geduldig warten. Die Chance seines Lebens war gekommen, und wenn er wartete, würde sie zurückkehren.

Falls alles nach Plan lief.

Der Mittelsmann von Jabba dem Hutt, ein extrem fettleibiger Sullustaner namens Jub Vegnu, wartete auf ihn an Pylokams Biokostbude. Pylokam, ein alter, zerbrechlicher Mensch in schmutzfarbenen Lumpen und einem abscheulichen orangefarbenen Schal, bot schon seit Jahren voller Optimismus seine Fruchtsäfte und dampfenden Gemüsebällchen feil, während es an den Nachbarständen fetttriefende Taurückenrippchen und supersüße Beignets zu kaufen gab – kein Zucker, kein Salz, keine künstlichen Aromastoffe und keine Kunden. Selbst Jabba hatte es aufgegeben, von seinem nichtexistenten Profit Prozente einzutreiben.

Vegnu lehnte an seinem Tresen und verzehrte einen Karamel-Pkneb – etwas, das Pylokam niemals verkaufen würde –, und der Saft lief ihm am Kinn hinunter, sofern man seine untere Gesichtspartie überhaupt als Kinn bezeichnen konnte. Bei Pylokam konnten sie absolut sicher sein, daß niemand sie störte.

»Ich brauche einen Mittelsmann für ein Immobiliengeschäft«, sagte Trevagg mit seiner rauhen, monoton klingenden Stimme. »Die Übernahme erfolgt in drei Tagen, unbedingte Geheimhaltung ist erforderlich. Zehn Prozent aller Folgeeinnahmen gehen an Jabba.«

Sie feilschten eine Weile um die Prozente und die Geheimhaltungsvereinbarung. Trevagg wußte genau, daß, wenn der Präfekt oder gewisse andere Mitarbeiter der imperialen Verwaltung von dem Geschäft erfuhren, sie ihn höchstwahrscheinlich überbieten würden, noch bevor sich die verwitwete Modbrek überhaupt zum Verkauf entschieden hatte. Schließlich wurde Trevagg die Geheimhaltung garantiert, was immer das auch wert sein mochte, aber auf Kosten von vier weiteren Prozentpunkten. Unter diesen Bedingungen, dachte er bitter, würde er ein Jahr brauchen, um seine Investition wieder hereinzuholen…

»Ist das alles?« fragte der Sullustaner und leckte die letzten Reste Karamel und Fett von seinen plumpen Fingern.

Trevagg zögerte, und der Mittelsmann bewies fast gotalische Sensitivität, denn er neigte den Kopf und wartete auf seine nächsten Worte. Er schien zu spüren, dachte Trevagg, daß ihn ein noch größeres Geschäft erwartete.

»Nicht… ganz.«

Es gab keinen Grund, den Marktplatz visuell zu überprüfen. Trevagg wußte, daß die Schwingungen, die er vor zwei Wochen gespürt hatte, jene übermächtige, schreckenerregende Aura, im Moment nicht in der Nähe war. Und er wußte nicht, wann sie zurückkehren, wann die Person – die Kreatur – die diese Schwingungen erzeugt hatte, wieder nach Mos Eisley kommen würde.

Aber er mußte bereit sein, wenn es soweit war.

»Ich brauche einen Mittelsmann für ein anderes Geschäft«, sagte er bedächtig.

»Was für ein Geschäft?«

»Das kann ich nicht sagen.« Er hob die Hand, um Vegnus ungeduldigen Protest schon im Keim zu ersticken. »Noch nicht. Aber ich brauche jemanden, der an meiner Stelle handelt, wenn es zu einer Situation kommt, in der von mir, als Beamter der imperialen Regierung, erwartet wird, daß ich lediglich meine Pflicht erfülle.«

»Ah.« Vegnu lehnte sich an den Verkaufsstand. »Aber ein Zivilist, der an Ihrer Stelle handelt, würde belohnt werden?«

»Großzügig belohnt«, versicherte Trevagg, und sein Puls beschleunigte sich wieder bei dem Gedanken an die Höhe der Belohnung. »Und der Auftrag dürfte, sagen wir, Ihren Fähigkeiten entsprechen.«

»Wieviel?«

»Zwanzig Prozent.«

»Pah…«

»Fünfundzwanzig«, erhöhte Trevagg. »Und für diese fünf verlange ich absolute Diskretion.«

»Was Sie betrifft?«

»Und was die… Art des Auftrags betrifft.«

Die Art des Auftrags, dachte Trevagg ein paar Minuten später auf dem Rückweg zum Verwaltungsgebäude. Das ist der delikate Aspekt dieses Geschäfts. Die Aufgabe selbst war einfach. Es ging darum, den imperialen Mufti dieses Sektors über jemanden zu informieren – jemanden, den das Imperium schon seit langem suchte.

Die Aura, die er vor zwei Wochen hier auf dem Marktplatz erspürt hatte, war wie ein Juwel gewesen, das im Dreck lag und von ihm gefunden wurde; die Schwingungen selbst waren wie der Duft eines Parfüms, das er früher, unter anderen Umständen, gerochen und niemals vergessen hatte. Das Problem war natürlich, seinen Mittelsmann davon abzuhalten, dieses Juwel – diese eine Information, diesen Namen – in die eigene Tasche zu stecken.

Trevagg der Gotal wußte, daß er bei dieser Person, für die eine derart hohe Belohnung winkte, daß sie den Grundstein für ein wahrhaft großes Vermögen legen konnte, überaus vorsichtig sein mußte.

Vor zwei Wochen, bei seinem Spaziergang über den Marktplatz, hatte er die unverkennbaren Schwingungen eines Jedi-Meisters gespürt.

 

»Eine Dame möchte Sie sprechen«, informierte ihn die Rezeptionistin im Foyer, als Trevagg in das Verwaltungsgebäude zurückkehrte. Nach der glühenden Mittagshitze auf den Straßen kam ihm die Präfektur schattig und kühl vor – die Solardeflektoren auf dem Dach wurden erst ab drei oder vier Uhr nachmittags richtig gefordert. Ohne die mit Disketten vollgestopften Regale, die staubigen Ausdrucke, die aus den an der Wand gestapelten Kartons quollen – und ohne die fast greifbare Atmosphäre aus Enttäuschungen, schmutzigen Hoffnungen und kleinlicher Bosheit – hätte es sogar Spaß gemacht, die Büros zu betreten und der Hitze zu entkommen.

Nur noch eine kleine Weile, dachte Trevagg auf dem Weg zu seinem Büro. Nur noch eine kleine Weile muß ich es an diesem Ort aushalten. Es war kein Ort für einen Jäger, kein Ort für einen richtigen Gotal.

Er mußte nur noch diese letzte Jagd erfolgreich beenden, seine letzte Beute erlegen, dem Imperium die Information über diesen Jedi zuspielen, wer immer er auch sein mochte…

Trevagg wußte, daß er kein Durchreisender gewesen war. Nachdem er die Schwingungsspur des Jedi auf dem Marktplatz verloren hatte – jenes durchdringende, seltsame Summen in seinen Höckern, das von der Konzentration der unbekannten Macht, der Magie der Jedi, stammte, wie er seit langem wußte – hatte er die Andockbuchten aufgesucht und sich vergewissert, daß in den letzten Stunden kein Raumschiff gestartet war. Als Steuer- und Gebühreneintreiber hatte er Zugang zu den Passagierlisten und persönlich jeden Reisenden überprüft.

Und in den zwei Wochen, in denen er jeden Winkel von Mos Eisley durchstöbert hatte, war er nie wieder auf jene Schwingungen gestoßen.

Also mußte sich die betreffende Person noch immer auf dem Planeten aufhalten, irgendwo außerhalb der Stadt. Es mußte jemand sein, der beispielsweise zum Einkaufen nach Mos Eisley gekommen war.

Trevagg war ein Jäger. Er konnte warten.

Er war noch immer ganz mit diesen Überlegungen beschäftigt, ohne einen Gedanken an die Dame und den zweifellos langweiligen Grund für ihren Besuch zu verschwenden, als er sein Büro betrat – und sich Hals über Kopf verliebte.

Ihre Schwingungen erfüllten das ganze Zimmer, noch ehe sie sich zu ihm umdrehte. Es war eine berauschende, eine sinnverwirrende Mischung aus milchiger Wärme und bebender Verwundbarkeit, die ihn förmlich durchflutete, eine elektrospektrale Aura, die wie eine rosa Teelablume erblühte, eine unschuldige und unbewußte Sexualität, die Trevagg fast umwarf.

Sie drehte sich um, schlug die weiße Gaze ihres Schleiers zurück und enthüllte ein Gesicht von derart fremdartigem Liebreiz, daß ihm der Atem stockte.

Welcher Rasse, welcher Spezies sie angehörte, wußte er nicht. Es spielte keine Rolle. Ihre Haut, blaugrau wie das letzte Abendlicht, spannte sich straff über stolze, hohe, dreifach gestaffelte Wangenknochen, für die jede Frau auf seiner Heimatwelt Antar ihr Leben geben würde, und die sanft in die zarten Rippen ihres Kinns übergingen. Weitere Rippen führten das Auge zu ihrem anmutig geschwungenen Rüssel, ein Merkmal, das Trevagg bei Rassen wie den Kubaz oder Rodianern schon immer faszinierend gefunden hatte. Riesige Augen, grün wie Gras und von farnartigen Wimpern gesäumt, blickten scheu unter einem prachtvollen, weit vorstehenden Brauenkamm hervor, wie die Augen eines Felskaninchens, das zuviel Angst hatte, um vor den Schritten des nahenden Jägers zu fliehen.

Aber über den Brauen lag das, was Trevaggs Blicke magisch anzog. Halb versteckt unter der verhüllenden Gaze des Schleiers wölbte sich der Schädel zu vier perfekt geformten, exquisiten Höckerchen. Ihre Zierlichkeit und Glätte schienen die Berührung einer männlichen Hand, die Zärtlichkeit männlicher Lippen geradezu herauszufordern.

Natürlich handelte es sich dabei nicht wirklich um Höcker, dachte Trevagg im nächsten Moment. Sie war keine Gotal, sondern gehörte einer der primitiven, geistig beschränkten Rassen an… Aber die Imitation war perfekt, und das genügte ihm.

Er begehrte sie.

Er begehrte sie mit jeder Faser seines Körpers.

»Sir…« Sie sprach unsicher, aber ihre Stimme hatte einen wunderschönen, angenehmen Klang, als wäre eine Baßflöte in ihrem Rüssel versteckt. Ihre dreifingrigen Hände mit den juwelengleichen Gelenken, über die sich die Haut wie Seide spannte, schienen sich schutzsuchend an den Schleier zu klammern, den sie soeben zur Seite geschoben hatte. »Sir, Sie müssen mir helfen. Man sagte mir, ich sollte mich direkt an Sie wenden…«

Trevagg ertappte sich dabei, wie er sagte: »Alles, was Sie wollen…« Dann, sich hastig korrigierend, denn schließlich war er ein offizieller Vertreter des Imperiums, fügte er hinzu: »Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Ihnen zu helfen, Gnädigste. Was ist denn das Problem?«

»Ich bin gestrandet.« Bebende Wellen aus Kummer und Furcht gingen von ihr aus. »Man sagte mir, mit meinen Papieren wäre etwas nicht in Ordnung; es ging um die Transitgebühr.«

Trevagg kannte sich mit der Transitgebühr bestens aus. Sie war ebenfalls seine Erfindung.

»Ich… ich mußte meine letzten finanziellen Reserven anbrechen, um meine Schwester auf Cona zu besuchen. Ich… meine Familie ist nicht reich. Jetzt habe ich meinen Platz auf der Telliva Lady verloren. Aber wenn ich die Transitgebühr bezahle, habe ich nicht mehr genug Geld, um zu meiner Mutter auf H’nemthe zurückzukehren. « Der Name ihrer Heimatwelt klang aus ihrem Mund wie ein leiser Nieser und war von ungeheurem Liebreiz. Die Schwingungen ihres Kummers erinnerten an den Geschmack von Bluthonig.

»Meine Liebe…« Er zögerte.

»M’iiyoom Onith«, sagte sie. »Die M’iiyoom ist die weiße Blume, die in der Zeit der Trinität blüht, jene Zeit, wenn alle drei Monde am Himmel stehen. Die Nachtlilie.«

»Und ich bin Feltipern Trevagg, imperialer Beamter. Meine liebe Nachtlilie, ich werde diese Angelegenheit umgehend überprüfen. Bedauerlicherweise kann ich Ihnen kein besseres Quartier für die Wartezeit anbieten, denn Mos Eisley ist eine arme Stadt. Ich bin gleich wieder da.«

Balu saß im Vorzimmer, hatte die Stiefel auf den Schreibtisch gelegt und schlürfte Brause aus einem Glas, das in der stickigen Hitze Kondenswasser auszuschwitzen schien. Er warf dem Gotal einen finsteren Blick zu, als Trevagg die Tür zu seinem Büro schloß. »Geben Sie dem Kind ihren Platz zurück, Trevagg«, grunzte er. »Sie brauchen die fünfundsiebzig Kredits nicht. Wenn Sie sich beeilen, können Sie die Tellie abfangen, bevor sie startet.«

Trevagg beugte sich über den Sicherheitschef und drückte eine Taste an seinem Schreibtisch. Über den Bildschirm flimmerte der Startplan. Im Gegensatz zu den meisten Gotals kam Trevagg mit Computern hervorragend zurecht. Die Tellivar Lady startet um 14:00 Uhr, und er wußte, daß Captain Fane pünktlich war.

Aber eine Stunde war nicht genug.

»Trevagg…« Die Stimme des Sicherheitschefs ließ ihn an der Tür verharren. Trevagg drehte sich um, hauptsächlich, um Zeit zu schinden – er würde sehr langsam gehen müssen, um den Start der Tellivar Lady zu verpassen. »Sie sind Jäger. Haben Sie je von der Macht gehört?«

Trevagg erstarrte innerlich. Er sagte nur: »Nein.«

»Ich schätze, es ist so eine Art magisches Feld…« Balu schüttelte den Kopf. »Die alten Jedi sollen über die Macht verfügt haben.« Er hob eine Hand und wies auf das imperiale Dekret, das hinter ihm an der verfärbten Wand hing und fünfzigtausend Kredits für »die Auslieferung jedes Angehörigen des sogenannten Ordens der Jedi-Ritter« bot. Zehntausend für Informationen, die zur Ergreifung derselben führte.

Natürlich nur, solange der Auslieferer oder Informant nicht von Berufs wegen ausliefern oder informieren mußte. Dann bekam er nur sein Gehalt. Und ein nettes Belobigungsschreiben vom örtlichen Mufti.

»Ich habe Gerüchte gehört, nach denen der Jedi auf Tatooine gesehen wurde«, sagte Balu. »Deshalb habe ich Pylokams Stand beobachten lassen – denn wenn ein Jedi irgendwo auftaucht, dann dort. Schließlich muß irgend jemand diesen Kräutertee trinken. Ist Ihnen vielleicht etwas… Ungewöhnliches aufgefallen?«

»Nur das, was Pylokam an seinem Stand feilbietet«, knurrte Trevagg und machte sich viel schneller davon, als er geplant hatte.

Auf seinem Weg zur Andockbucht 9 mußte er ausgiebig bummeln, um so spät einzutreffen, daß er den Start der Lady nicht mehr verhindern konnte.

 

Nachtlilie war geradezu überwältigt von seiner Einladung zum Mittagessen im Quellhof, dem einzigen Lokal in ganz Mos Eisley, das einem erstklassigen Restaurant nahekam. Es war in einem der vielen Stein-und-Stuck-Paläste aus Mos Eisleys lange zurückliegender Blütezeit untergebracht. Reflektierende Sonnenschirme überspannten die zahlreichen Höfe, wo zwischen exotischen Pflanzen und juwelengleichen Fliesen Springbrunnen plätscherten und gurgelten. Es war natürlich klein und wurde hauptsächlich von Touristen besucht, aber Nachtlilie war eine Touristin, und sie war wie verzaubert. Jabba der Hutt – denn das Lokal gehörte natürlich Jabba – prahlte damit, daß es in der Galaxis keinen Appetit gab, der nicht von seinem persönlichen Küchenchef Porcellus gestillt werden konnte.

Porcellus, der nur dann für wenige Stunden im Quellhof arbeitete, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, die gewaltigen Mahlzeiten des Geblähten zuzubereiten, wußte sehr genau, daß er Jabbas Schoßrancor zum Fraß vorgeworfen wurde, sollte er je den Hutt mit seinen Menüs langweilen, und so war er als Küchenchef mit ganzem Herzen bei der Arbeit. Und er war mit Recht stolz auf seine Leistung. Das Filet vom Taurückenlamm mit Kapernsoße und Fleikleberpastete war das beste, das Trevagg je gegessen hatte, und als Nachtlilie mit scheu niedergeschlagenen Augen säuselte, daß den Jungfrauen ihres Volkes nur Früchte und Gemüse erlaubt waren, übertraf sich Porcellus und zauberte in Windeseile ein Vier-Gänge-Menü herbei: Lipanabeeren mit Honig, Puptons aus getrockneten Magicoten und Psibara, eine gebackene Felbar mit Bohnenkrautcreme und zum Nachtisch einen atemberaubend leckeren Brotpudding.

Und dazu natürlich jede Menge Wein.

»Nichts ist zu teuer für Sie, meine Schöne«, erwiderte Trevagg auf ihren gesäuselten Protest wegen der hohen Preise. »Oder zu gut. Trinken Sie doch noch etwas, meine Liebe.« Wenn er seine Belohnung kassiert hatte, dachte er, würde er auch einen Koch einstellen, der Taurücken derart delikat zubereiten konnte. »Erkennen Sie nicht, daß uns das Schicksal zusammengeführt hat, das Schicksal in Gestalt eines korrupten Beamten, der eine alberne Verordnung erlassen hat?« Er ergriff ihre Hand und ergötzte sich an ihrer samtenen Haut, dem erotischen Spiel ihrer knotigen Muskeln, die sich unter seiner Berührung spannten und wieder erschlafften. »Erkennen Sie nicht, was ich für Sie empfinde? Was ich schon in dem Moment empfand, als Sie das Büro betraten, dem Moment, als ich zum ersten Mal Ihre Stimme hörte?«

Dem Moment, als ich in dir das ultimative Opfer erspürte, die schönste Eroberung, die überhaupt denkbar ist?

Sie wandte verschämt ihr Gesicht ab. Die lange Silberschlange ihrer messerspitzen Zunge leckte nervös und auf geradezu unerträglich verführerische Weise einen Krümel Brotpudding aus ihrem Mundwinkel. Unvorstellbar, was sie mit dieser Zunge alles machen konnte!

Er war sich nicht sicher, welche inneren Schwingungen er aussenden sollte, um sie von seinem überwältigenden Verlangen nach ihr zu überzeugen – sie verfügte offenbar nicht über die zivilisierte Sensitivität der Gotals, empfing vielleicht sogar überhaupt keine Vibrationen und reagierte allein auf seine Worte. Nach ihrem Beitrag zu dieser Unterhaltung zu urteilen, war sie entweder halbintelligent oder hoffnungslos dumm, aber Trevagg hatte ohnehin kein Interesse an den Gedanken oder Wünschen von Frauen.

Er streichelte ihre Wange und genoß die Zartheit ihrer Wangenknochen unter seiner starken Klauenhand. Er spürte ihre Scheu und dann eine zunächst zaghafte, aber immer stärker werdende Erregung.

»Erkennen Sie denn nicht, daß ich Sie brauche?«

»Soll das etwa ein… Heiratsantrag sein?« Sie blickte auf, hingerissen, gebannt, schon halb zur Hingabe bereit.

Sanft küßte er ihre Wange. Dumm wie Bohnenstroh, dachte er. Aber noch ehe dieser Tag endete, würde er sie in seinem Bett haben.

 

»Trevagg, lassen Sie das Mädchen in Ruhe.« Balu sprach leise, damit Nachtlilie, die im Vorzimmer saß, ihn nicht hörte. Der Sicherheitschef lehnte an der Tür von Trevaggs Büro, während der Gotal für morgen früh eine Kabine auf der Sternenschwan buchte – natürlich dritter Klasse. Das war das mindeste, was er für das Mädchen tun konnte, dachte er. Außerdem wollte er ganz bestimmt nicht, daß sie hier herumhing und sich einbildete, er würde ein halbintelligentes, artfremdes Trampel wie sie heiraten, ganz gleich, wie gut sie im Bett sein mochte.

»Sie in Ruhe lassen?« Trevagg drehte sich ungläubig um und starrte den Menschen an. Er dämpfte seine Stimme mit Rücksicht auf Nachtlilie, die hinter Balu an einem leeren Schreibtisch saß und den Kopf mit dem halb verschleierten Gesicht in scheuer Ekstase gesenkt hielt. »Sie sind kaum vier Meter von diesem… diesem Liebeshappen entfernt und bringen es fertig, sie in Ruhe zu lassen?«

Balu drehte den Kopf und musterte sie. Selbst aus dieser Entfernung konnte Trevagg anhand seiner Körpertemperatur und Pulsfrequenz erkennen, daß er sie sexuell nicht stimulierender fand als einen Jawa. Die dumpfe, erbärmliche Empfindungslosigkeit der Menschen erfüllte ihn mit Abscheu.

»Trevagg«, sagte der Offizier, »die meisten Spezies – die meisten Zivilisationen – verstoßen Angehörige, die Hybridkinder bekommen. Wenn Sie sie attraktiv finden, dann sind Ihre Enzyme wahrscheinlich kompatibel genug, um sie zu schwängern. Sie würden ihr Leben ruinieren.«

Trevagg gab ein kurzes, bellendes Lachen von sich. »Ich glaube es einfach nicht. Sie stehen zwei Meter von dieser Sexbombe entfernt, und Sie faseln etwas von Enzymkompatibilität? Mann, lassen Sie sich doch endlich Gonaden wachsen! Wenn es für sie ein Problem ist, warum läuft sie dann überhaupt mit diesem aufreizenden Fummel von einem Schleier in der Galaxis herum?«

Balu legte Trevagg warnend eine Hand auf den Arm, und der Gotal verstummte überrascht. Balu zeigte gewöhnlich wenig Interesse am Schicksal seiner Mitwesen, aber in seinen Augen funkelte eindeutig eine Drohung.

Geduldig versprach Trevagg: »In Ordnung. Ich werde mit ihr nur einen kleinen Spaziergang machen. Sie kann immer noch nein sagen.«

Aber nach drei Drinks in der Mos Eisley Bar, sagte er sich, als er wieder das Vorzimmer betrat und Nachtlilies Arm ergriff, war es höchst unwahrscheinlich, daß sie das tun würde – ganz zu schweigen von der Aussicht auf eine Heirat, die offenbar bei ihr alle Sicherungen durchbrennen ließ.

»Ich kann immer noch nicht glauben, daß du… daß du mich wirklich genug liebst, um mich zu heiraten«, flötete das Mädchen, als sie hinaus in die Ofenglut der staubigen, sonnendurchfluteten Straße traten. »Die Männer meiner Spezies… fürchten sich vor dieser Verpflichtung. Sie haben Angst, um der Liebe willen alles aufzugeben.«

»Die Männer deiner Spezies sind Idioten«, knurrte Trevagg, während er ihr tief in die Augen sah und das berauschende Parfüm ihrer Sexualität einatmete. Seiner Meinung nach traf dies auch auf die Frauen zu, aber er sprach es nicht laut aus. Er sah zu den Schatten der gegenüberliegenden Häuser hinüber und entdeckte eine Gestalt in einer staubigen Robe und mit einem grellen, orangefarbenen Schal…

Pylokam der Biokostverkäufer. Er überquerte die Straße zum Verwaltungsgebäude.

In dem Gotal machte es Klick. Alles schien sich wie von selbst zusammenzufügen. Balu. Pylokam hatte den Jedi gesehen.

Seine erste Reaktion war pure Wut. Er hatte Nachtlilie bereits erzählt, daß er für sie eine Passage auf der Sternenschwan gebucht hatte, und sie hatte sich ihm um den Hals geworfen und gefragt, ob er mitkommen und sie auf H’nemthe im Beisein ihrer Mutter und Schwestern heiraten würde. Er hatte sich herausgeredet und ihr versprochen, in ein paar Tagen nachzukommen. »Du weißt, daß ich Beamter des Imperiums bin. Ich kann nicht einfach alles stehen- und liegenlassen, aber glaube mir, ich werde die Tage zählen.« Doch das bedeutete, daß er sie jetzt nicht versetzen konnte.

Pylokam hatte keinen Grund, die Präfektur aufzusuchen – außer, er wollte Balu über den Jedi informieren. Und Trevagg kannte Balu. Er mochte vielleicht schlampig und gelangweilt sein, aber er gehörte nicht zu den Leuten, die Zeit verschwendeten. Er würde die Angelegenheit untersuchen – und dem Imperium berichten.

Und das bedeutete, daß Trevagg noch an diesem Nachmittag jemanden finden mußte, der Balu umbrachte.

Normalerweise hätte er sich natürlich mit Jub Vegnu in Verbindung gesetzt, ein Treffen vereinbart, sich einen Termin bei Jabba dem Hutt geben lassen und den Mordauftrag bezahlt.

Aber natürlich wußte er – wie alle anderen –, daß man in Mos Eisley zehn freischaffende Attentäter für einen halben Kredit bekommen konnte und daß sie sich meistens in der Mos Eisley Bar herumtrieben. Es konnte so schwer nicht sein, einen zu finden. Das Treffen würde wahrscheinlich nicht lange dauern und angenehm verlaufen – schließlich waren Attentäter dafür da, jenen, die andere Dinge zu tun hatten, das Leben zu erleichtern. Danach würde er den Rest des Nachmittags und den ganzen Abend Zeit haben, eine Begegnung der anderen Art mit Nachtlilie in der Mos Eisley Herberge zu genießen.

Wenn die Präfektur in der Mittagshitze (mehr oder weniger) wie eine kühle Höhle war, so war die Bar nach dem Staub und der Glut des späten Nachmittags wie ein Bantha mit Verdauungsstörungen, der einen verschluckte. Trevaggs Jägeraugen schalteten fast sofort von der Tag- zur Nachtsicht um, während er von einer wahren Flutwelle von Schwingungen getroffen wurde: überlappende elektrospektrale Felder, persönliche Magnetauren, die wie Bienenstöcke summten, Halos aus Ärger und Feindseligkeit, die durch die Gegenwart vieler Fremder verstärkt und durch jede denkbare Sorte von Psycho- und Neuralrelaxans gedämpft wurden.

Es war wie auf dem Marktplatz, nur unheimlicher, ohne die grelle Würze, die jene auszeichnete, die sich ihren Lebensunterhalt mit Arbeit verdienen mußten. Die durch den halbdunklen Raum schwingenden Gedanken und Gefühle waren düsterer, gefährlicher und wurden noch von der blechernen Musik der kleinen, ganz in Schwarz gekleideten insektoiden Band intensiviert. »Sind wir hier wirklich sicher?« summte Nachtlilie. Sie klammerte sich wieder an seinen Arm, und Trevagg tätschelte ihre Hand. Ihre Furcht wirkte auf seine Jagdinstinkte wie früher am Tag ihr Kummer und ihre Verzweiflung – Beutesignale, die für ihn eine Einladung zur Eroberung waren. Er spürte ein fast unwiderstehliches Verlangen, sie in seinen Armen zu zerquetschen.

Statt dessen streichelte er ihren süßen, höckerbesetzten Kopf und sagte: »Bei mir bist du sicher, meine Blume. Bei mir wirst du immer sicher sein.«

Sie setzten sich in eine der kleinen Nischen links vom erhöhten Foyer. Nachtlilie sah sich staunend und leicht verschreckt um. Beim Mittagessen hatte sie Trevagg gestanden, nicht nur Jungfrau zu sein, sondern auch noch nie zuvor ihren Heimatplaneten verlassen, noch nie zuvor etwas derartiges gesehen zu haben. Ebensowenig, dachte der Gotal amüsiert, hatte sie je zuvor die entspannende Wirkung der computergenerierten Drinks von Wuher dem Barkeeper erlebt. In einer anderen Nische war zwischen einem ghulischen Givin, einem riesigen, einäugigen Abyssiner und einem großen, flauschigen weißen Geschöpf, wie es Trevagg noch nie gesehen hatte, ein absolut illegales Kartenspiel im Gang. In einer anderen schlürfte ein zotteliger, wild dreinblickender Wolfsmann einsam seinen Drink. Während Nachtlilie in ihr zweites Glas seufzte und kicherte und ihn dann fragte: »Bist du dir wirklich sicher, Geliebter? Eine Hochzeit ist eine schrecklich ernste, eine ehrfurchtgebietende Angelegenheit…«, durchforschte Trevagg die Menge mit seinen Augen und, viel wichtiger, mit seinen Höckern und suchte nach den Schwingungen der Gefahr und des Blutes, den Schwingungen eines anderen Jägers.

»Das macht nichts«, erklärte Trevagg. »Kein Opfer ist mir zu groß, um dir meine Gefühle zu beweisen.« Die Tatsache, daß sie ihn nicht einmal bei einer Lüge ertappen konnte – daß sie für die Schwingungen seines Geistes nicht empfänglich war –, verdoppelte nur noch seine Verachtung für sie. So begehrenswert – so unschuldig – so dumm… Kein Wunder, daß ihr Volk keiner Jungfrau erlaubt, den Heimatplaneten zu verlassen. Sie hatte ihm auch das erzählt. Sie würden nie zurück nach Hause finden.

Zumindest nicht als Jungfrauen.

Währenddessen wanderten seine Jägersinne von einer finsteren Gestalt zur anderen und suchten nach einem Jäger.

Die beiden hochgewachsenen Frauen, die am Tresen ihre Drinks schlürften, kamen möglicherweise in Frage. Sie glitzerten vor Gefahr, ein feuerähnliches Leuchten, das von vielen Attentätern ausging. Aber die Farbe ihrer Auren war nicht ganz richtig. Der Rodianer an einem der anderen Kartentische, dessen kleine, ohrenähnliche Antennen nervös zuckten – ja. Er war eindeutig ein Killer, auch wenn Trevagg nicht ganz sicher war, ob er es mit Predne Balu aufnehmen konnte. Der Wolfsmann – ja; er wirkte stark und brutal genug, um sich mit einem Menschen anzulegen und zu siegen. Der braunhaarige Mann, der in einer anderen Nische leise mit einem riesigen Wookiee sprach – vielleicht. Er verbreitete zwar die entsprechenden Schwingungen, aber ihnen fehlte die Düsterkeit. Der dünne Mann, der an der Bar eine Hookah rauchte – absolut. Seine Aura war schwarz, furchterregend, doch von ihm ging eine Kälte aus, die Trevagg daran zweifeln ließ, ob er es überhaupt wagen konnte, sich an ihn zu wenden. Das war jemand, dachte er, der für viel Geld tötete… oder zum Vergnügen. Dazwischen gab es nichts.

Die anderen waren Einheimische: Der verkommene Dr. Evazan und sein abscheulicher aqualishanischer Freund waren Trevagg wohlbekannt, gefährlich, aber nicht zu engagieren. Der gehörnte und finster dreinblickende Devaronianer, der verträumt mit den Fingern zur Musik der Band schnippte, war weit weniger gefährlich, als er aussah. Der alte Raumfahrer in der abgewetzten Bordmontur war ein Trevagg bekannter Schmuggler, der für das Kloster arbeitete und vermutlich in etwas Illegales verwickelt – wie die meisten religiösen Brüder dieser Organisation –, doch vor Mord würde er zurückschrecken.

Und dann spürte er es. Das brausende, brummende Gefühl in seinen Höckern, die seltsame, summende Verwirrung, fast wie in der Nähe einer Hochenergiemaschine…

Und der Jedi betrat die Bar.

Er war ein alter Mensch mit weißem Bart und weißen Haaren, wie sie für Menschen im hohen Alter typisch waren, die Robe schäbig, vielfach geflickt und vom Wüstenstaub bedeckt. In seinem Schlepptau befand sich ein menschlicher Junge – ein Feuchtfarmer aus der Provinz, wenn man seine Kleidung und die Art bedachte, wie er alles mit großen Augen bestaunte, ganz so wie Nachtlilie, überwältigt von dem, was er für die Großstadt hielt. Das Schlußlicht bildeten zwei reichlich ramponiert aussehende Droiden, deren Energiezellen Trevaggs Höcker zum Prickeln brachten. Wuher der Barkeeper fuhr sofort herum. »He, Typen wie ihr haben hier keinen Zutritt!«

»Was?« sagte der Junge, und der größere der beiden Droiden, ein verbeultes C-3PO-Modell, blickte so beunruhigt drein, wie es einem Droiden überhaupt möglich war.

»Deine Droiden. Sie müssen draußen warten. Wir wollen sie hier nicht haben.«

Trevagg, der nur ein paar Schritte entfernt saß, konnte dem nur zustimmen. Es war schon schwierig genug, hier zu denken und um eine Entscheidung zu ringen, während die weiche und verwundbare und kichernde Nachtlilie an seiner Seite saß und die dunklen Schwingungen der Attentäter ihn überfluteten.

»Hört mal, warum wartet ihr nicht draußen am Gleiter?« sagte der Junge leise. Seine Höflichkeit kam Trevagg völlig überflüssig vor. Ein C-3PO sah nur menschlich aus, und auf den R2-D2 traf nicht einmal das zu. »Wir wollen keinen Ärger bekommen.«

Der alte Mann war in der Zwischenzeit an den Tresen getreten und jetzt in eine gemurmelte Unterhaltung mit dem älteren Klosterraumfahrer in der Bordmontur vertieft. Trevagg spitzte die Ohren, um mitzuhören, was sie sagten, aber die Musik der Band machte es ihm nicht gerade einfach.

Dabei hatte er schon genug Probleme, etwas anderes als Nachtlilies sanfte, leicht trunken klingende Stimme zu hören, die ihn zum wiederholten Mal scheu fragte, ob er sie wirklich ehrlich liebte.

»Natürlich liebe ich dich, natürlich«, sagte Trevagg, während er beobachtete, wie der alte Jedi mit dem riesigen Wookiee sprach. Er schien für eine Weile beschäftigt zu sein, und Trevagg sah wieder Nachtlilie an und ergriff ihre weichen, dunklen Elfenbeinhände. »Nachtlilie, du bedeutest… alles. Alles für mich.«

»Oh…«, hauchte sie und sah ihm schmachtend in die Augen. »Oh… Oh, Trevagg. Daß wir uns getroffen haben… daß du auf diese Weise in mein Leben getreten bist…«

Er fragte sich, ob er sich unter einem Vorwand davonmachen und die Stadtpolizei alarmieren sollte… Aber er brauchte einen Mittelsmann, um an das Geld zu kommen. Er mußte sich mit Jub Vegnu in Verbindung setzen – aber zuerst mußte er mit einem der Attentäter sprechen, falls Balu die Spur des alten Mannes bis in diese Bar verfolgt hatte.

Er spürte die hochkochenden Emotionen, die irrationale Wut und die trunkene Aggression, noch bevor das Geschrei losging. Trevagg fuhr auf seinem Stuhl herum und sah zu seinem Entsetzen, daß der sinistre Dr. Evazan einen Streit mit dem Farmerjungen angezettelt und ihn gegen einen Tisch geschleudert hatte, während sein Kumpan, der Aqualishaner, eine Waffe zückte und Wuher sich hinter den Tresen duckte und verzweifelt brüllte: »Keine Blaster! Keine Blaster!«

Das Dröhnen der Macht in Trevaggs Höckern schwoll zum ohrenbetäubend lauten Donnern eines Steinsturms an. Der alte Mann hielt plötzlich einen glühenden Stab aus Licht in der Hand. Ein mörderischer Hieb, und schon landete ein blutender, abgetrennter Arm auf dem Boden. Nachtlilie wimmerte entsetzt, dann folgte Stille – eine Stille, die weniger auf Schock und mehr auf Vorsicht beruhte, als alle Anwesenden die Lage neu einschätzten.

Dann spielte die Band weiter. Auch die Unterhaltungen setzten wieder ein. Der verwundete Möchtegern-Kämpfer wurde weggebracht. Ebenso der Arm, und zwar von Wuhers kleinem Gehilfen Nackhar, der nebenbei einen Schnellimbißstand auf dem Marktplatz betrieb. Der alte Jedi ergriff die Hand seines jungen Begleiters und folgte dem Wookiee in die Nische, wo der braunhaarige Schmuggler mit der Narbe am Kinn wartete. Trevagg wurde bewußt, daß sich Nachtlilie an seinen Arm klammerte, und all seine Instinkte sagten ihm, daß jetzt der richtige Zeitpunkt war, sie endgültig zu erobern.

Unglücklicherweise war jetzt auch die günstigste Gelegenheit, den Jedi und seine Begleiter zu belauschen. Trevagg entzog dem zitternden Mädchen seinen Arm und erklärte: »Du brauchst etwas, um dich zu beruhigen, meine Blume.« Er ging hinüber zum Tresen und horchte angestrengt. Durch das Plärren der Musik und das Gemurmel der Gäste vernahm er die Worte »Zum Alderaan-System«, und ein Adrenalinstoß durchfuhr ihn. Es hieß tatsächlich jetzt oder nie.

Dann, einen Moment später, hörte er den alten Mann sagen: »Zweitausend jetzt, plus fünfzehn, wenn wir Alderaan erreichen…«

Trevagg seufzte erleichtert. Das bedeutete, daß sie das restliche Geld erst auftreiben mußten, und das kostete Zeit. Wahrscheinlich würden sie den Gleiter verkaufen, den der Junge erwähnt hatte, oder die Droiden, vielleicht sogar alle drei. Damit blieb nur noch das Problem Balu übrig.

Der braunhaarige Mensch und der Wookiee waren offensichtlich keine professionellen Attentäter. Nach den Gesprächsfetzen zu urteilen, die Trevagg hörte, handelte es sich bei ihnen bloß um Schmuggler. Der Wolfsmann war in eine heftige Auseinandersetzung mit einem brickenähnlichen Wesen vertieft, dessen Schwingungen Trevagg sofort zurückschrecken ließen, und der Hookah-Raucher ein Stück weiter fühlte sich zu unheimlich, zu gefährlich, zu tödlich an. Blieb nur noch der Rodianer…

»Andockbucht Vierundneunzig«, hörte er den Schmuggler sagen, und der alte Mann wiederholte: »Vierundneunzig«, als Trevagg mit einem Drink für sich und einem doppelten Drink für Nachtlilie zu ihrer Nische zurückkehrte. Er hatte Nachtlilies Drink mit einer Liebesschockpille präpariert, die er in weiser Voraussicht in die Tasche gesteckt hatte, bevor er aus dem Büro gegangen war. Er wußte, wieviel Wuher für eine Dosis verlangte. Jetzt, soviel stand fest, würde er eine Menge Zeit haben.

Wundervoll, dachte er, als sich die betörend schöne Kreatur an ihm schmiegte und säuselte: »Oh, mein Liebster, mein Liebster.« Vielleicht würde er ihr sogar ein Erster-Klasse-Ticket spendieren. Schließlich war dies das mindeste, was er für sie tun konnte.

Er war nicht überrascht oder besonders verärgert, als die Sturmtruppler auftauchten. Ein wenig verächtlich beobachtete er, wie sie sich umschauten, aber natürlich waren der alte Mann und der Junge längst verschwunden. Wie auch diverse andere Gäste, darunter der Hookah-Raucher. Der Rodianer war geblieben, stellte Trevagg fest, während er eine Hand von Nachtlilies weicher Hüfte nahm, um nach dem Geld in seiner Gürteltasche zu tasten. Einhundert Kredits, hatte man ihm gesagt, kostete es derzeit, einen Menschen umbringen zu lassen.

Er würde froh sein, wenn dieses Ärgernis endlich beseitigt war und keine Gefahr mehr bestand, daß Balu ihn um die Belohnung brachte, die rechtmäßig ihm gehörte.

Aber als Trevagg gerade aufstehen wollte, um zum Tisch des Rodianers zu gehen, erhob sich unglücklicherweise auch der Rodianer, und gleichzeitig kam es zu einer Veränderung seiner Aura, die Trevagg verriet, daß er tatsächlich ein Jäger war und sich nun an seine Beute anpirschen wollte. Die Beute entpuppte sich als der braunhaarige Schmuggler, der nach einem längeren Wortwechsel unter dem Tisch seinen Blaster zog und den Rodianer erschoß.

Nachtlilie schrie erneut auf und klammerte sich an Trevaggs Arm; Wuhers Gehilfe stürzte zu der Leiche, um zu verhindern, daß sie gefleddert wurde, während der Schmuggler und sein Wookiee-Kumpel dem Barkeeper ein paar Kredits zuwarfen und die Bar verließen. »Die Schweinerei tut mir leid.« Nach einem Moment der Stille spielte die Band nahtlos ihren Song weiter.

Verärgert und enttäuscht – denn der Wolfsmann war inzwischen ebenfalls verschwunden – nahm Trevagg die nervöse und sehnsuchtsvoll schmachtende Nachtlilie in die Arme. Soviel, dachte er, zu dem Versuch, einen Attentäter anzuheuern. Wenn er sich mit Jub Vegnu in Verbindung setzte, damit der den Stadtpräfekten veranlaßte, den alten Mann und den Jungen am Raumhafen festzunehmen, würde er auch erwähnen, daß er hundert Kredits für die Beseitigung Balus bot. Das sollte jeden Konkurrenten davon abhalten, sich für die Belohnung zu interessieren, die auf den Kopf des alten Mannes ausgesetzt war.

Und in der Zwischenzeit, dachte Trevagg, während er das bebende Bündel aromatischer Sinnlichkeit auf seinem Schoß an sich drückte, konnte er sich um das Mädchen kümmern und ein Zimmer in der Mos Eisley Herberge mieten, um mit dem zu beginnen, was sie für den Beginn einer wundervollen Ehe hielt – diese unverbesserliche Närrin! –, was aber in Wirklichkeit bloß die genußvollere der beiden Jagden war, die er heute unternommen hatte.

Wirklich, dachte Trevagg, als er die trippelnde Nachtlilie hinaus in das Goldlicht und die Schatten der Straße führte, er hatte sich vielleicht aus dem Gewerbe zurückgezogen, aber er war noch immer ein passabler Jäger.

 

Im Lauf der Nacht drangen imperiale Truppen in Mos Eisley ein und durchsuchten die ganze Stadt nach zwei Droiden. Es verbreiteten sich Gerüchte über ein Massaker an den Sandleuten auf einer abgelegenen Farm, und dann kam es an der Andockbucht 94 zu einer Schießerei, die mit dem illegalen Start eines Schmugglerschiffs endete. Die ganze Aufregung führte dazu, daß Trevaggs Leiche erst am nächsten Nachmittag gefunden wurde.

»Hat ihn denn niemand gewarnt?« fragte Wuher der Barkeeper, als er von einem von Balus Beamten in die Mos Eisley Herberge geführt wurde, um sich die Leiche anzusehen und vor dem Sicherheitschef seine Aussage zu machen.

»Wovor gewarnt?« Balu blickte von seinem Datenblock auf. Er hatte den Gotal noch nie besonders gemocht, aber diesen Tod – er schien mit einem langen, scharfen Messer erstochen und dann sorgfältig ausgeweidet worden zu sein – wünschte er nicht einmal seinem ärgsten Feind.

»Vor der H’nemthe.« Als ihn Balu weiter verständnislos ansah, fügte der Barkeeper hinzu: »Vor dem Mädchen, mit dem er zusammen war. Dem H’nemthe-Mädchen.«

»Nachtlilie?« fragte Balu verblüfft. Das Mädchen schien von ihrer Umgebung viel zu verschreckt – und von Trevaggs Charme viel zu überwältigt – gewesen zu sein, um dem Gotal auch nur ein Haar zu krümmen.

»War das ihr Name?« Wuher verdrehte die Augen. »Er paßt.«

Inzwischen hatte sich eine kleine Menge eingefunden. Natürlich waren keine imperialen Sturmtruppen und keine der Wachen des Präfekten darunter. Dieser Mord war zu unbedeutend und ihre Zeit zu kostbar. Balu verfolgte aus den Augenwinkeln, wie Nackhar dem Gerichtsmediziner ein paar Kredits zusteckte, aber er wollte lieber nicht wissen, wofür.

»Die M’iiyoom – die Nachtlilie – ist eine fleischfressende Pflanze, die sich von kleinen Nagern und Insekten ernährt, die ihren Nektar trinken wollen«, erklärte der Barkeeper. Er stemmte die Hände in die Hüften und starrte das dunkelgefleckte Laken an, das der Gerichtsmediziner über Trevaggs Überreste gebreitet hatte. »Nach der Paarung weiden die H’nemthe-Frauen die Männer mit ihren Zungen aus – sie sind scharf wie Schwertklingen und viel kräftiger, als sie aussehen. Es muß sich um eine biologische Reaktion auf die Tatsache handeln, daß zwanzig H’nemthe-Männer auf eine Frau kommen. Die Männer scheinen der Ansicht zu sein, daß der Liebesakt das Opfer wert ist. Ich habe sie zusammen in der Bar gesehen, aber ich habe nicht geglaubt, daß Trevagg verrückt genug ist, mit dem Mädchen ins Bett zu gehen.«

»Er hat immer damit geprahlt, was für ein toller Jäger er ist«, sagte Balu nachdenklich und trat zur Seite, damit die Sanitäter die Leiche aus dem schmuddeligen, blutbefleckten Zimmer tragen konnten. »Eigentlich hätte er spüren müssen, was ihm drohte.«

»Wie denn?« Der Barkeeper vergrub seine mächtigen Hände in den Taschen und folgte dem Offizier auf die Straße. »Für sie war es auch ein Akt der Liebe.«

Er zuckte die Schultern und zitierte eine alte ithorianische Redensart, die in einigen Sektoren der Galaxis verbreitet war. »N’ygyng mth’une vned ‘sobec’ k’chuv ‘ysobeck.’«

Was frei übersetzt bedeutet: »Das Wort für Liebe in der einen Sprache ist das Wort für Essen in der anderen.«