18.

Löffke erschien wenige Minuten später. Er trug Hose und Jackett und eine kleine Mappe, setzte sich unaufgefordert und zündete sich eine Zigarette an. Frodeleit schenkte sich einen Whisky ein. »Sie auch, Knobel?« Er hielt noch immer seine Waffe in der Hand.

Jetzt begriff Stephan. »Sie sind noch immer Freunde«, sagte er.

»Warum auch nicht?«, erwiderte Frodeleit.

»Sie gehören alle zusammen: Sie beide, Dörthe und Verena.«

Löffke schüttelte den Kopf. »Dörthe weiß nichts. Sie denkt wirklich, wir hätten keinen Kontakt mehr zueinander, aber das musste so sein. Mir war doch klar, dass Sie sie fragen würden, Kollege Knobel! Manchmal ist es so leicht, Sie zu lenken. Man serviere nur ein einziges Mal Nussecken statt Fleischwurst und schon erforschen Sie, ob unsere Ehe in die Brüche gegangen oder sonst etwas nicht in Ordnung ist. Dörthe ist glaubwürdig und eine liebenswerte Frau. Ich versichere Ihnen: Das ist das erste Mal, dass ich ihr etwas vorgemacht habe. Es ging nicht anders.«

»Warum nur?« Stephan rutschte tiefer in den Sessel. »Sie beide haben zusammengewirkt. Sie sind der zweite Mann, Löffke! Wir haben Sie nur ausgeschieden, weil wir Dörthe geglaubt haben.«

»Na, sehen Sie!« Löffke lachte auf.

»Was sollten die Übergriffe auf Marie? Sie waren doch in ihrer Wohnung, Frodeleit, auch gestern Abend.«

»Ich möchte wirklich wissen, wie Sie darauf kommen, Herr Knobel!«, sagte Frodeleit; er wirkte amüsiert.

Stephan blickte abwechselnd zu Löffke und zu Frodeleit.

»Keine Sorge, wir werden Sie nicht erschießen«, lächelte Frodeleit. »Aber wir werden heute hier einen Pakt besiegeln. Wie Sie wissen, bestreite ich ohnehin, der Geist aus der U-Bahn und der Eindringling in Marie Schwarz’ Wohnung zu sein. Sie können also unbesehen Ihre Vermutung zu belegen versuchen, Herr Knobel!« Er sah aufmunternd zu Stephan. Die Waffe wirkte wie ein Spielzeug in seiner Hand.

»Sie haben das Fenster geöffnet, Herr Frodeleit – oder vielleicht auch Sie, Herr Löffke. Wer war es?«

Beide blickten ihn erwartungsvoll an.

»Nun, Herr Knobel?«, setzte Frodeleit nach.

»Marie hatte mich angerufen, weil das Fenster geöffnet war«, sagte Stephan. »Zu diesem Zeitpunkt war ich gerade ein paar Minuten weg. Ich habe ihr gesagt, dass ich es geöffnet hatte. Als ich einige Stunden später wiederkam, stand das Fenster offen, aber es muss zwischendurch geschlossen gewesen sein. Denn es war noch recht warm im Raum, obwohl ein kalter Wind hineinblies. Und es waren trotz des starken Windes nur zwei Blätter vom Schreibtisch geweht worden. Das Fenster muss also erst kurz vorher ein zweites Mal geöffnet worden sein. Marie wird es nach unserem Telefonat geschlossen haben, aber sie hat es nicht später wieder geöffnet. Abgesehen davon, dass sie dies aus Angst nicht getan hätte, war sie viel zu betrunken, um aufzustehen und das Fenster zu öffnen.«

»Ein Sherlock Holmes der Anwaltsszene, was meinst du, Hubert?« Frodeleit schlug gelassen ein Bein über die Sessellehne und lehnte sich zurück. Er lag fast. Die Waffe ruhte auf seinem Bauch.

»Ich ahne auch, woher der Schlüssel kommt«, fuhr Stephan fort. »Sie, Löffke, haben von meinen Schlüsseln Abdrücke genommen, als ich irgendwann zu Gericht war. Sie wissen, dass ich meinen Schlüsselbund meistens in der Kanzlei lasse, wenn ich einen Termin in Dortmund wahrnehme. Dahin gehe ich zu Fuß. Ich brauche nicht einmal die Autoschlüssel.«

Löffke sagte nichts.

»Na also«, bemerkte Stephan. »Man kann genau nachverfolgen, was passiert ist. Und ich begreife auch, wie Sie zusammenarbeiten: Sie, Löffke, haben Frodeleit gebrieft, in welche U-Bahn er wo einsteigen muss, nachdem Sie Marie beobachtet haben. Sie wissen aus meinen Erzählungen, dass sie sich in letzter Zeit turnusmäßig mit ihren Freundinnen aus dem Studium trifft. Sie, Frodeleit, haben sich in der U-Bahn und auch auf dem Bahnsteig so positioniert, dass Sie von der Kamera nicht erfasst wurden. Den Brief haben Sie entwendet, nachdem Marie aus der Wohnung gelockt wurde. Das haben Sie geschafft, Löffke, nachdem Sie mich mit Pöbeleien aus der Kanzlei gejagt haben und anzügliche Worte über Marie fallen ließen. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass ich den Rest des Tages mit Marie verbringen würde. Die Rechnung ist aufgegangen. Und Sie, Herr Frodeleit, haben in der Brunnenstraße gewartet. Zeit haben Sie ja genug. Wenn gerade kein Sitzungstag ist, müssen Sie ja nicht im Gericht präsent sein.«

»Bei Ihnen ist Fleisch ein Reizbegriff«, frohlockte Löffke. »Gleich, ob es meine Fleischplatten sind oder die fleischlichen Vorzüge Ihrer Freundin. Sie sind so schön berechenbar, mein lieber Sozius! Sie reagieren auf Schlüsselworte.«

»Ich werde alles plausibel darstellen können«, trotzte Stephan.

»Darstellen ist das eine, beweisen das andere«, belehrte Frodeleit. »Darstellbar und beweisbar ist nur, dass Sie hier eingedrungen sind, Herr Knobel, dass Sie auf frischer Tat ertappt worden sind und ich von den Möglichkeiten der unzweifelhaft gegebenen Notwehrlage als rechtstreuer Bürger in besonnener Weise keinen Gebrauch gemacht habe. Stattdessen habe ich Sie gebeten, mit Ihrem Anwalt Rücksprache zu nehmen, dem Sie sich anvertraut haben, weil Ihre Freundin unter dem Wahn leidet, von Richter Frodeleit verfolgt zu werden.«

Er lächelte kalt. »Und nun, Herr Knobel?«

»Es gibt gar keine Beweise, dass Marie bedroht worden ist«, entgegnete Stephan. »Wir haben die Vorfälle nie angezeigt. Und ich habe auch nie mit Ihnen darüber gesprochen, Herr Löffke!«

»Doch!« Löffke öffnete seine Mappe. »Es ist eine vertrauliche Akte. Ich habe sie nicht über das Sekretariat anlegen und bearbeiten lassen. Ich verwalte sie selbst, weil ich Sie schützen möchte, Herr Knobel. Ich habe Vermerke über meine Gespräche gefertigt.« Er blätterte die Akte auf und las vor:

 

Mittwoch, 24.02., 10.15 Uhr

 

Kollege Knobel sucht mich zu einem vertraulichen Gespräch in meinem Büro auf. Er wirkt angestrengt und übernächtigt. Knobel berichtet, dass seine Freundin Marie sich verfolgt fühle. Sie habe an der U-Bahnstation Brunnenstraße einen Mann in einem dunklen Mantel gesehen, der sie frech angegrinst habe. Sie meint, es sei Herr Richter am Oberlandesgericht Hamm, Achim Frodeleit, gewesen. Ich frage Kollege Knobel, ob er das für möglich halte. Er ist mit mir der Meinung, dass sich Marie Schwarz geirrt haben müsse. Im Vertrauen gesteht er, dass er sogar davon ausgehe, dass es überhaupt keine Person gegeben habe, die Frau Schwarz bedrohte. Knobel teilt weiter mit, dass er im Anschluss mit Marie Schwarz noch einmal die U-Bahnstation aufgesucht habe. Als sie dort zufällig auf einen Jugendlichen in einem dunklen Anorak getroffen sind, habe Marie Schwarz hysterisch gelacht. Nunmehr war sie der Meinung, dass dieser Jugendliche die Person gewesen sei, die sie bedroht habe. Kollege Knobel habe erfolglos versucht, Frau Schwarz zu beruhigen. Natürlich weiß er, dass dieser Jugendliche mit der Sache nichts zu tun hat. Im Vertrauen teilt er mit, dass er sich Sorgen um den Gesundheitszustand von Marie Schwarz mache. Ich bestätige, dass man solche Dinge ernst nehmen müsse. Einstweilen soll nichts weiter unternommen werden. Ich rate Knobel, sich um Marie Schwarz zu kümmern und im Gesprächswege herauszufinden, mit welchen Problemen Marie Schwarz möglicherweise zu kämpfen hat. Ich biete ihm an, jederzeit mit mir das Gespräch zu suchen.

 

gez.: Löffke, Rechtsanwalt

 

Donnerstag, 04.03., 9.30 Uhr

 

Kollege Knobel sucht mich erneut auf. Er ist noch besorgter als bei unserem ersten Gespräch. Er erklärt, dass Marie Schwarz behauptet habe, dass Herr Richter am Oberlandesgericht Hamm, Achim Frodeleit, am gestrigen Abend in ihre Wohnung eingedrungen sei. Frodeleit soll teuflische Fratzen geschnitten und sich über Frau Schwarz lustig gemacht haben. Sie sei kreischend in ihr Schlafzimmer geflüchtet. Kollege Knobel ist sich sicher, dass sich seine Freundin die Geschichte eingebildet hat. Wir erörtern, welche ärztliche Hilfe für Frau Schwarz geeignet sein kann. Knobel erklärt, dass er sich nicht mehr zu helfen wisse. Er befürchtet, dass Marie Schwarz die Kontrolle über sich verlieren könne. Wir vereinbaren, weiter im Gespräch zu bleiben. Ich sage zu, mit einem Facharzt für Psychiatrie Rücksprache zu nehmen, den ich aus dem Golfklub kenne. Er ist ein durch und durch verlässlicher Mensch.

 

gez.: Löffke, Rechtsanwalt

 

»Sie sind ein Schwein!«, zischte Stephan.

»Langsam«, mahnte Frodeleit. »Ganz ruhig, Herr Knobel. Wir halten zunächst einmal fest: Terror funktioniert am besten mit unkörperlicher Gewalt. Das haben wir von Büllesbach gelernt. Und wir lernen im Weiteren: Es gibt die Wahrheit der Akten. Diese kleine Akte hier ist ein Wahrheitsdokument. Kollege Löffke hat die Vermerke an den Tagen geschrieben, auf die sie datiert sind. Da ist nichts nachträglich zusammengebastelt worden. Sie waren an diesen Tagen in der Kanzlei, Herr Knobel. Die Sekretärin wird bestätigen können, dass Sie wirklich zu diesen Zeitpunkten in Löffkes Büro waren. Das sind Beweise. Dagegen ist Ihre Beweislage dünn, Herr Knobel, merken Sie das nicht? Sie sind doch Jurist. Ich liebe den Begriff der formellen Wahrheit. Haben Sie den mal richtig durchdrungen? Ich könnte darin suhlen, wirklich!«

Er schmeckte selbstverliebt den Begriff nach, dann konzentrierte er sich.

»Unser Problem ist Folgendes: Mit dem Ende unserer gemeinsamen Zeit im Bunker war die Geschichte eigentlich erledigt. Sie, Herr Knobel, haben eine eigene weitere Geschichte kreiert und sie der ersten aufgesetzt. Zum wiederholten und letzten Male: Büllesbach ist wirklich durch einen unglücklichen Zufall gestorben. Er sollte, wie meine Angeklagten gern zu sagen pflegen, kräftig etwas auf die Fresse kriegen. Das habe ich zusammen mit Hubert erledigt und das war auch so gewollt. Darum bin ich mit Hubert hinter ihm her. Ich lasse mir von so einem Hanswurst nicht vorwerfen, ich beuge das Recht. Meine Urteile sind rechtens. Und was mit wem vorher abgesprochen wird oder nicht, bleibt meine Angelegenheit. Absprachen in großen Prozessen sind die Regel. Es gibt genügend Stimmen, die diese Praxis angreifen. Aber so ist nun mal die Realität. Und hier geht es nicht um große Prozesse. Es geht um Bagatellen, um irgendeinen Niemand, der ohne Ticket mit dem Bus fährt oder bei Karstadt eine CD klaut oder Onkel Werner eine Spende aus dem Kreuz leiert. Bei den Kleinen geht es nicht um große Rechtsfragen. Das Kleine interessiert nicht. Ich will nicht umsonst nach vorn«, rief Frodeleit pathetisch.

»Zur formellen Wahrheit kommt die falsche Wahrheit, das Relative, das kleine und das große Recht«, nickte Stephan. »Jetzt verstehe ich das Unrecht.«

»Recht und Unrecht«, wiederholte Frodeleit gedehnt. »Wie naiv sind Sie denn? Sie sind seit Jahren im Geschäft. Glauben Sie tatsächlich, es geht um Recht? Man gewinnt Prozesse, weil die anderen Fehler machen. Der kluge Anwalt lauert auf die Fehler des anderen. Wir haben doch alle das Lauern gelernt, Kollege Knobel! – Gucken Sie sich die Juristen an! Sie finden kaum eine feigere Spezies. Juristen legen sich nie fest. Sie formulieren im Konjunktiv. Sie glauben gar nicht, wie ich diese Gestalten hasse, wenn sie devot neben ihrem Mandanten sitzen. Wir sind anders, Knobel! Wir lauern nicht, wir tun was. In Ihrem Fall mussten wir handeln. Wir mussten Ihrer Geschichte etwas entgegensetzen. Wenn Sie Löffke und mich bezichtigen, Büllesbach getötet zu haben, dann war es an uns, Sie selbst in die Sache einzubeziehen. Verstehen Sie: Jetzt haben wir Sie in der Hand. Hausfriedensbruch, gewaltsames Eindringen, Bedrohung, all das ist kein Kinderspiel. Wir wollen einfach nur, dass Sie und Ihre Marie endlich die Klappe halten. Ich werde mich jetzt wieder bewerben, Herr Knobel. Und ich werde den Vorsitz kriegen. Nichts wird mich hindern. Und auch keine Gerüchte über eine vermeintliche Verstrickung in den Todesfall Büllesbach. Haben Sie das begriffen?«

Frodeleit hatte die Waffe zur Seite gelegt. Ohne sie wirkte er noch bedrohlicher.

»Ich werde die Kanzlei verlassen«, schrie Stephan. »Ich will nichts mehr mit Ihnen beiden zu tun haben. Und auch mit unserem Büro nicht.«

Löffke bewegte sich unruhig in seinem Sessel. »Ich verstehe Sie mehr, als Sie glauben, Knobel!« Er sah Stephan freundschaftlich an. »Aber wir gehören zusammen. Wir beide stützen die Kanzlei. Jeder auf seine Art. Und ich darf sagen: Jeder gleicht die Schwächen des anderen aus. Besser kann es nicht gehen.«

»Säuseln Sie nicht so einen Unsinn, Löffke! Sie brechen doch selbst das Recht. Mich versuchen Sie mit diesem konstruierten Blödsinn zu fangen. Irgendwann bricht Ihr Kartenhaus zusammen, das wissen Sie doch.«

»Aber Sie werden schweigen und mit Löffke konstruktiv weiter zusammenarbeiten, da bin ich mir sicher«, sagte Frodeleit ruhig. »Hubert, zeig ihm die Fotos!«

Löffke kramte in seiner Mappe. Er holte aus einem Umschlag vier Fotos hervor und reichte sie Stephan. »Es sind natürlich Abzüge«, erklärte er.

Stephan sah auf die Bilder. Er sah die Villa von Britta Stein und Peter Stiezel. Die Sonne stand tief im Hintergrund und der Dampf über dem Pool trieb in kleinen Fetzen in den Himmel. Er sah Peter und Britta am Pool stehen, dann, dass Britta in das Wasser stieg, schließlich Marie und sich, wie sie aus dem Haus traten, ebenfalls in den Pool stiegen und schließlich ihre Köpfe, die knapp über den Rand des Bassins hinausragten. Die Sektgläser am Beckenrand funkelten im Gegenlicht.

»Wissen Sie«, trumpfte Löffke auf, »ich habe mich immer gefragt, wie Britta Stein an die Namen der Mandate gekommen ist, in denen zu hoch abgerechnet worden ist. Ein technischer Laie wie ich glaubt, Büllesbach habe sich irgendwie Zugriff auf den Computer verschafft. Aber nein, es ist viel simpler. Büllesbach wusste nur gerüchteweise etwas und sonst überhaupt nichts. Sie, Herr Knobel, haben Britta Stein die Informationen verschafft und sie hat sie in einem Erpresserbrief verwendet, mit dem ich mich vertrauensvoll an Sie gewandt habe. Sie haben mir versichert, die Schweigepflicht zu achten, Knobel! Erinnern Sie sich oder muss ich nachhelfen?«

Er fingerte ein kleines Aufnahmegerät aus der Mappe. »Erzählen Sie mir jetzt nicht, dass technische Aufnahmen von Gesprächen nicht gerichtlich verwertbar seien. Ich halte mich nicht mit Petitessen auf, Kollege Knobel. Mir reicht der faktische Beweis.« Er streichelte das Aufnahmegerät. »Ich habe den Braten gerochen. Die Aufnahmen waren jede Stunde wert, die ich in diesem Matsch am Wald verbringen musste. Irgendwie war mir klar, dass ich Sie früher oder später alle zusammen in der Villa erwischen würde.«

»Verstoß gegen die anwaltliche Schweigepflicht; das ist aber gewichtig«, tadelte Frodeleit.

Löffke grinste breit. »Sehen Sie, Kollege Knobel, so hat jeder ein bisschen Dreck am Stecken.«

Stephan schwieg.

»So ist das mit Justiz und Gewissen«, sinnierte Frodeleit. »Wir haben, wenn Sie wollen, nun ein Gleichgewicht des Schreckens. Solche Systeme funktionieren, wie Sie wissen. Und jeder hat seine Freunde. Das ist ein Wert an sich, Herr Knobel! Ich habe, wenn es Ihnen recht ist, die Staatsanwaltschaft nicht mehr gebeten, den Fall Büllesbach noch einmal richtig aufzurollen. Hinsichtlich unserer vermeintlichen Täterschaft wird ohnehin nichts Neues herauskommen. Aber stellen Sie sich vor, die Ermittlungen würden nun auch gegen Britta Stein und Herrn Stiezel ausgeweitet. Es liegt doch auf der Hand, dass sie bei der Vorbereitung der Aktion von Büllesbach geholfen haben. Ich bin doch nicht doof, Herr Knobel! – Und ich schütze Ihre Freunde. Sie sollten mir dankbar sein!«

Stephan erhob sich.

»Denken Sie über alles nach, bitte!« Löffke lächelte eigentümlich unsicher.

»Lassen Sie überall die Schlösser austauschen, damit Sie sicher sind, dass ich keinen Zugriff mehr habe. Wir buchen das über die Kanzlei, abgemacht?« Er zwinkerte mit den Augen. »Also morgen in alter Frische, Kollege Knobel! Und bringen Sie dem Mariechen Rosen mit! Dörthe sagte, dass Sie das sonst nicht tun. Marie ist eine bezaubernde Frau, wirklich. Ich wünschte, wir alle kämen uns ein bisschen näher.«

»Wir als Freunde? Das meinen Sie nicht ernsthaft«, entrüstete sich Knobel. Er wies mit dem Kopf zur Diele. »Wenn ich nicht irre, ist dahinter die Wohnungstür.«

»Es wäre mir lieber, wenn Sie den Weg nähmen, den Sie gekommen sind«, sagte Frodeleit. »Wegen der Spurenlage, Sie wissen schon. Vergessen Sie nicht, dass Sie nur ein Eindringling sind. Ich werde vorsorglich den Vorfall der Polizei melden und Spuren sichern lassen. Wer weiß schon heute, welche Wahrheit wir irgendwann mal brauchen werden. Sie verstehen mich auch ohne Waffe, Herr Knobel! – Bitte gehen Sie über die Terrasse zur Straße zurück. Ich meine das ganz ernst. – Nur die Freunde gehen vorn raus. Soviel ist sicher. So ist die Kultur.«

Stephan verließ das Haus durch den Garten. Er setzte sich in sein Auto in der Nebenstraße und wartete. Einige Minuten später huschte Löffke an ihm vorbei. Frodeleits Freund hatte es nicht weit nach Hause.

Es dauerte nicht lange, bis ein Polizeiwagen langsam an ihm vorbeifuhr und in die Sackgasse einbog. Frodeleit hatte tatsächlich die Polizei gerufen. Er und die abgeschminkte Verena würden jetzt aufgelöst in ihrer Wohnung warten und dann die Beamten ins Wohnzimmer führen. Frodeleit würde von dem Eindringling berichten, der ein Messer ergriffen und ihn bedroht habe. Die Beamten würden Spuren sichern und die Spurenträger asservieren. Das Verfahren ›Bedrohung und Hausfriedensbruch zum Nachteil Frodeleit‹ würde eingestellt werden, weil man den Täter nicht ermitteln konnte. Aber die Akte mit den Beweisen würde wie eine schlafende Bombe im Keller des Polizeipräsidiums ruhen. Das war das Gleichgewicht des Schreckens, das Frodeleit meinte. Er könnte jederzeit die Bombe aktivieren und gegen Stephan richten. Sicher würde Frodeleit dann erklären können, warum er den Täter nicht bereits am Tatabend identifiziert hatte. Stephan lachte bitter. Frodeleit und Löffke zusammen würden das Theater vom heutigen Tage zur Wahrheit machen.