7.
Stephan Knobel nutzte die Gelegenheit, nach einer Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Hamm den Trakt mit den Dienstzimmern der Richter aufzusuchen. Als er hereingebeten wurde, stand Achim Frodeleit hinter seinem Schreibtisch.
»Herr Knobel!«, sagte er überrascht. »Nehmen Sie Platz!« Er wies auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch. »Sie sehen mich hier im Aufbruch.«
Stephan sah, dass die Seitenregale an den Wänden leer und die Bücher in Umzugskartons verstaut waren.
»Noch rund einen Monat«, erklärte Frodeleit.
»Dann?«
»Dann werde ich Vorsitzender. Aber ich darf schon jetzt in mein neues Dienstzimmer umziehen.«
Auf Stephans fragenden Blick ergänzte er:
»Die Vorsitzendenzimmer sind anders, die haben zwei Fenster. In den anderen Zimmern gibt es nur eins. Ich bekomme ab sofort ein Zimmer mit zwei Fenstern.«
Stephan antwortete nicht.
»Besuchen Sie mich eigens hier, Herr Knobel?« Frodeleit fixierte abschätzend seinen Gast.
»Nein«, beantwortete er sich selbst. »Sie sind nicht extra bis hier in die Provinz gekommen. Sie hatten hier eine Verhandlung, stimmt’s?«
Stephan nickte.
»Sie tragen keinen Langbinder«, stellte Frodeleit fest.
»Aber ich sehe Ihnen das nach. Sie sind ja nicht in meiner Sitzung.« Er lächelte.
»Ich komme wegen Büllesbach«, sagte Stephan.
»Ja?« Frodeleit blickte erwartungsvoll auf. »Was ist mit Büllesbach?«
»Ich möchte wissen, was wirklich passiert ist, nachdem wir uns im Stollen getrennt haben.«
»Aber das wissen Sie doch, lieber Knobel.« Frodeleit bat ihn nochmals, Platz zu nehmen.
»Nein, ich bleibe stehen. Sagen Sie mir nur, was passiert ist!«
»Sie wissen aus den Protokollen, was passiert ist, Herr Knobel«, antwortete Frodeleit ungeduldig. »Und ich weiß, dass Sie zu dieser Sache auch von der Polizei befragt worden sind. Völlig korrekt und absolut notwendig. Ich kann jetzt also nur das wiederholen, was ich bereits selbst bei der Vernehmung gesagt habe. Soll ich das tun, Herr Knobel?«
»Vielleicht … Ja, tun Sie es!«
»Vielleicht … Sie wissen, dass ich diese Unschlüssigkeit hasse.«
»Ja, tun Sie es!« Stephan setzte sich nun doch.
»Worauf wollen Sie hinaus, Herr Knobel? Lassen Sie uns die ganze Prozedur abkürzen. Sie kommen, weil Frau Schwarz Sie geschickt hat. Ist es so?«
»Nein«, widersprach Stephan. »Sie ist nicht die treibende Kraft. Mir selbst stellen sich Fragen, die ich nicht zu beantworten weiß.«
»Also?«
»Ich versteh die Geschichte mit dem Kurzschluss nicht, Herr Frodeleit!«
»Was verstehen Sie daran nicht?« Frodeleit begann, die Zimmerpflanzen von dem Fensterbrett seines Büros in einen leeren Karton zu stellen.
»Die Polizei hat mir erklärt, was passiert ist. Sie haben in dieser sogenannten Sitzungspause Wasser getrunken und danach die unverschlossene Flasche wieder in den Wasserkasten stellen wollen. Aus welchen Gründen auch immer ist sie nicht in ihr Fach gerutscht, sondern umgefallen und ausgelaufen. Just in den alten Heizlüfter, der daneben stand und zwar ausgeschaltet, aber immerhin unter Strom war. Mit anderen Worten: Das Wasser kann in dem Heizlüfter auch dann einen Kurzschluss auslösen, wenn das Gerät gar nicht eingeschaltet ist.«
»Korrekt, Kollege Knobel. Was stört Sie daran?«
»Der Vorgang ist zu kompliziert. Wie soll so etwas zufällig funktionieren?«
Frodeleit hob vorsichtig eine Wasserranke an und stellte sie behutsam in einen Karton. »Ob etwas zufällig geschieht, hängt nicht davon ab, ob es insgesamt lebenswahrscheinlich ist oder nicht. Das sollten Sie als Jurist wissen, Herr Knobel! Vor vielen Jahren sind in München Menschen in einem Linienbus ertrunken, der in eine unter der Straße befindliche U-Bahn-Baustelle eingebrochen war. Würde man statistisch untersuchen, wie wahrscheinlich es ist, in einem Linienbus zu ertrinken, dann dürfte das Ergebnis um ein Vielfaches unwahrscheinlicher als sogar ein mehrfacher Lottogewinn im Leben eines Menschen sein. Ich verstehe Ihre Frage nicht. Trauen Sie mir nicht zu, eine Sprudelflasche richtig in den Kasten zu stellen? Natürlich mache ich das genauso gut oder so schlecht wie Sie, Herr Knobel. Und Sie wissen ebenso wie ich, dass die Flaschen manchmal nicht gerade in den Kasten rutschen. Wenn Sie ganz entspannt zu Hause sind, richten Sie die Flasche neu aus und dann flutscht sie in ihr Fach. Soweit die Theorie. Aber die Praxis war eine andere, Herr Knobel. Ich war aufs Äußerste erregt: Mein Freund Löffke stellt mich als Rechtsbeuger dar. Er will sich strategische Vorteile gegenüber dem zu diesem Zeitpunkt unkalkulierbaren Büllesbach alias Bromscheidt verschaffen. Menschlich ist das doch verständlich, Herr Knobel. Jeder für sich, das ist die Parole, wenn Menschen in Not sind. Es gibt Tausende Beispiele, die das belegen. Wissen Sie, für mich ist es immer ein Vergnügen, wenn ich in einem Kinosaal die schwach beleuchteten Hinweisschilder zu den Notausgängen sehe. Was meinen Sie, Herr Knobel, wie viele zu Tode getrampelt werden, wenn in so einer Bude das Feuer ausbricht und sich Dutzende, nein Hunderte, zu diesen Ausgängen drängen? Da ist sich jeder selbst der Nächste. Meinem Freund Hubert ging es nicht anders. Er sah seine Chance. Und ganz ehrlich: Umgekehrt wäre es mir vielleicht ähnlich ergangen. Wir sind keine Heiligen, Herr Knobel.«
»Aber Sie beide sind Freunde gewesen.«
»Wir sind Freunde«, betonte Frodeleit. »Nach wie vor. Natürlich war das eine Extremsituation, die unser Verhältnis belastet hat. Aber ich wage zu behaupten: Es ist einerlei, ob Löffke oder ich in diesem teuflischen Spiel die eine oder die andere Rolle eingenommen haben. Sie, Herr Knobel, hätten sich an Löffkes Stelle wie Löffke und an meiner Stelle wie ich verhalten. Oder behaupten Sie etwas anderes?«
Frodeleit wartete Stephans Antwort nicht ab.
»Sehen Sie!«, sagte er. »Es ist auch nur normal. Wir sollten nicht so tun, als würden wir unter bestimmten äußeren Bedingungen nicht vieles von dem über Bord werfen, was wir unter normalen Umständen als den Inbegriff unserer Moral begreifen.«
»Das ist schön«, befand Stephan. »Umso mehr, wenn diese Lossagung in einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg erfolgt. Die Symbolkraft ist beeindruckend.«
»Ich verstehe durchaus Ihre Spitze, Herr Knobel, aber ich sage nur die Wahrheit. Und ich erlaube mir, Ihnen zu verbieten, von Ihrem rein hypothetischen Standpunkt aus zu werten und zu richten. Sie und Ihre hübsche Frau Schwarz waren in der Bunkeranlage lediglich Zuschauer und in der bequemen Situation, dies von Anfang an zu wissen und sich in der Gewissheit zu sonnen, dass Ihnen nichts passieren würde. Büllesbach hat Löffke und mich gegeneinander positioniert und seinen Terror durch ein Droh- und Bestrafungssystem perfektioniert, das wir ernst nehmen mussten. Heute ist es leicht zu sagen, dass der ganze technische Kram nur Spielerei war. Ich habe es nicht gewusst. Wussten oder ahnten Sie es, Herr Knobel?«
Stephan verneinte.
»Sehen Sie! Und deswegen gibt es an dem, was Löffke oder ich getan oder unterlassen haben, auch nichts zu werten oder zu deuten. Wir haben beide die Grenzen unserer menschlichen Stärken erfahren. Diese Grenzen sind nicht so weit gesteckt, wie wir es uns in der Theorie gewünscht haben, aber mit dieser Erkenntnis müssen Hubert und ich gleichermaßen leben. Wir haben uns auf neuer Ebene wiedergefunden. – Wissen Sie überhaupt, was ich meine, Herr Knobel?«
Stephan merkte, dass sich Frodeleit wütend auflud, obwohl er sachlich zu argumentieren versuchte. »Im Allgemeinen sagt man, dass sich Freundschaften in Extremsituationen bewähren«, erwiderte Stephan, »doch bei Ihnen scheint es so zu sein, dass Sie sich in der Gefahrensituation wechselseitig in die Pfanne gehauen haben. Offensichtlich pflegen Sie und Herr Löffke eine Freundschaft ganz besonderer Qualität. Ich muss Ihre Freundschaft nicht verstehen, Herr Frodeleit. Ich bin nur dem zufällig ausgelösten Stromausfall auf der Spur. Wie ich erfahren habe, lag der Heizlüfter mehr als einen Meter neben dem Wasserkasten. Sie wissen wie ich, dass sich der Heizlüfter, auch wenn er ausgeschaltet war, nie in der Nähe des Wasserkastens befand. Ganz im Gegenteil: Der Wasserkasten stand, soweit ich es erinnere, die ganze Zeit über auf der anderen Stollenseite.«
»Das heißt?«
»Sie haben den Wasserkasten auf die andere Seite geschafft, ihn direkt neben den Heizlüfter gestellt, eine oder vielleicht auch mehrere gefüllte Wasserflaschen geöffnet und sie waagerecht oder schräg auf den Kasten gelegt, damit sich das Wasser in den Heizlüfter ergießen kann. Vielleicht haben Sie das Wasser auch direkt in den Heizlüfter hineingeschüttet. Wie auch immer: Sie haben den Kurzschluss bewusst herbeigeführt, Herr Frodeleit. Und nach der Attacke auf Büllesbach sind Sie auf dem Weg zurück nochmals in diesen Stollen gegangen und haben den Wasserkasten rund einen Meter weiter geschoben, damit der Kurzschluss durch auslaufendes Wasser noch irgendwie darstellbar ist, aber nicht als Ergebnis eines Planes gelten kann. Eine Flasche haben Sie dann schräg oder waagerecht auf den Kasten gelegt.«
»Dann müsste Herr Löffke dies bestätigen können, Herr Knobel. Wie Sie wissen, war Löffke nach dem Kurzschluss die ganze Zeit bei mir.«
»Ich spare mir die Frage«, antwortete Stephan lakonisch. »Ich weiß, dass Löffke blind Ihre Version bestätigen wird. Sie sind ja schließlich Freunde.«
»Sie gehen ziemlich weit, Herr Knobel.« Frodeleits Stimme war schärfer geworden. »Warum meinen Sie, unterlässt es die Polizei, sich mit dieser hochinteressanten Frage zu beschäftigen, Herr Knobel? Warum lässt sie es bei dem Zufall bewenden? Nun?«
»Sie werden es mir sagen.«
»Wenn es so wäre, wie Sie vermuten, dann gälte doch nach wie vor, dass dieser Kurzschluss uns alle befreit hat. Sie säßen womöglich noch immer in diesem Loch, wenn uns nicht dieser Zufall zur Hilfe gekommen wäre. Wenn es jetzt sogar so sein soll, dass ich den Kurzschluss herbeigeführt habe, dann sollten Sie mir also dankbar sein. Und ich denke, der Polizei ist es deshalb auch völlig egal, warum die Stromversorgung ausgefallen ist. Das war der Anfang vom Ende unserer Haft, Herr Knobel! Wir waren die Opfer dieses Verrückten und nicht die Täter.«
»Aber meine Variante erklärt Ihr nachfolgendes Verhalten, Herr Frodeleit.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie sind nach Ihrer Pause bis zur Stollentür zurückgekommen und haben dort gewartet. Sie haben nichts oder jedenfalls nichts Wesentliches gesagt. Unterstellt, Sie wussten, dass in Kürze der Strom ausfallen würde, macht das Sinn. Sie konnten uns nicht darauf vorbereiten, denn die Mikrofone waren zu dieser Zeit ja noch intakt. Folgerichtig hatten Sie auch nicht bereits die Taschenlampe in der Hand. Es durfte nicht danach aussehen, als würden Sie damit rechnen, dass jeden Moment der Strom ausfällt. Plötzlich wurde es dunkel. Ihre Frau bekam einen Schreikrampf. Marie war es schließlich, die bemerkte, dass auch die Lichtschranken ausgefallen waren.«
»Ja, und?« Frodeleit grinste triumphierend. »Wenn es so wäre, wie Sie behaupten, Herr Knobel: Wie konnte ich wissen, dass mit dem Kurzschluss tatsächlich alles ausfällt? Es war doch viel wahrscheinlicher, dass dieser verrückte Bastler seine elektrische Anlage gesichert hat. Es war doch für uns alle nur ein Glücksfall, dass dann wirklich alles ausfiel.«
»Geschenkt, Herr Frodeleit! Das war, wie ich meine, der einzige wirkliche Zufall. Sie konnten nicht kalkulieren, dass tatsächlich alle elektrischen Installationen ausfallen. Sie mussten abwarten, ob es klappt. Aber die Frage ist doch, warum Sie Ihr Tun immer noch nicht aufdeckten, als klar war, dass Sie tatsächlich Bromscheidts elektrische Anlagen lahmgelegt hatten und für alle die Gelegenheit bestand zu flüchten?«
»Ich höre Ihnen zu, Herr Rechtsanwalt.«
»Sie mussten die Ursache des Stromausfalls im Dunkeln lassen, weil nur so offenbleiben konnte, ob es ein technischer Defekt oder vielleicht doch ein Trick von Büllesbach war. Nur so konnten Sie Löffke gewinnen, mit Ihnen nach ihm zu suchen. Und das war das Wichtigste überhaupt: Sie benötigten jemand als Zeugen, als Sie sich Büllesbach zur Brust nahmen. Mindestens das. Vielleicht brauchten Sie auch einen Mittäter. Denn dass Büllesbach mit seinem Wissen für Ihre Karriere eine Gefahr war, war nur allzu deutlich.«
»Jetzt gehen Sie zu weit, Herr Knobel«, bellte Frodeleit.
»Wir sind unter uns, Herr Frodeleit.«
»Meine Urteile halten jeder Überprüfung stand. Man hat sogar im Laufe der Ermittlungen mein Urteil gegen Büllesbach unter die Lupe genommen. Es ist nicht nur formal unanfechtbar, man hält es auch juristisch in vollem Umfang für vertretbar. Ich sagte doch bereits, dass ich den Strafrahmen eingehalten habe. Es ist doch meine Angelegenheit, wie ich das Vergehen sanktioniere. Hart, aber gerecht, das ist mein Ruf, und ich genieße ihn.«
Frodeleit hatte sich aufgerichtet und die Arme verschränkt. Stephan spürte, dass er sich seiner Sache immer sicherer wurde.
»In Anwaltskreisen heißen Sie Richter Gnadenlos, das ist etwas anderes.«
»Ich weiß.« Frodeleit grinste breit. »Und ich sage Ihnen, dass ich stolz auf diesen Ruf bin.«
»Wussten Sie, dass Büllesbach früher ein Dauerticket der Verkehrsbetriebe hatte, bevor er vom Kontrolleur erwischt wurde? Gerade vor diesem Hintergrund kann man ihm eher glauben, das Lösen einer Fahrkarte bloß vergessen zu haben: Er war es nicht mehr gewohnt, eine Fahrkarte zu kaufen.«
»Natürlich kann man glauben, Herr Knobel! Aber ich glaube ihm nicht. Er ist zweimal ertappt worden. Einmal ist keinmal, zweimal ist einmal zu viel, Sie kennen doch den Spruch. Und im Übrigen wusste ich davon nichts. Es wäre Löffkes Sache gewesen, das vorzutragen.«
»Aber das ließ Ihre Absprache nicht zu«, hielt Stephan dagegen.
»Herr Knobel!« Frodeleit lächelte leutselig. »Ich behaupte eine unangefochtene Stellung in der Justiz. Meine Beförderung steht bevor. Die Karriere ist nicht erschlichen, sondern erarbeitet. Glauben Sie mir: Man kommt nicht so weit, wenn es irgendwo dunkle Flecken gäbe. Ich bete Ihnen, wenn Sie wollen, die Prozessordnung auswendig herunter. Ich liefere Ihnen aus dem Kopf die maßgebliche Rechtsprechung zur Auslegung aller relevanten Fragen. Dieses Gewicht gilt. Und dann kommt von der anderen Seite ein Büllesbach, ich nenne ihn einfach ein Nichts, und arbeitet ein Fällchen auf, das rund 20 Jahre zurückliegt. Allein daran sehen Sie, dass dieser Mensch krank sein muss. Für diese Kreatur setzen Sie sich gerade ein, Herr Knobel, und das, obwohl Sie selbst Opfer dieses Wahnsinnigen geworden sind.
Nehmen Sie es mir nicht übel: Aber Sie scheinen eine ganz spezifische Ausprägung Ihres Berufsstandes zu sein. Oder ist es Ihre Frau Schwarz, die bei Ihnen die Revolutionärin gibt?«
Er lächelte mit nachsichtiger Siegesgewissheit.»Wen wollen Sie mit dieser Geschichte denn locken, Herr Knobel? Die Justiz interessiert sich jedenfalls nicht dafür, das wissen Sie. Man hat das Ermittlungsverfahren gegen Löffke und mich nach gerade mal sechs Tagen Laufzeit eingestellt. Dabei sind, mit Verlaub, sechs Tage für so eine Geschichte schon viel zu lang. Ein Richter und ein Anwalt werden von einem Kriminellen gepeinigt. Glauben Sie, dass Sie einen aus der Justiz finden, der überhaupt ernsthaft den Gedanken fasst, dass wir die Täter sein könnten? Das ist schon rein theoretisch Unsinn, ganz abgesehen davon, dass der Vorwurf in der Sache völlig unbegründet ist. Und ganz nebenbei, verehrter Herr Knobel: Wir reden bei der damaligen Geschichte über ein Bagatelldelikt, einen juristischen Fliegenschiss.«
»Also ist die Gerechtigkeit in diesen Fällen auch nur eine Bagatelle? Wollen Sie das sagen, Herr Frodeleit?«
»Sie verstehen nicht, dass es wie immer im Leben auch hier um die Relationen geht.«
»Ich verstehe es zum Glück nicht«, bekannte Stephan. Er wandte sich der Tür zu. Es machte keinen Sinn, mit Frodeleit weiter zu reden. Er und Löffke würden sich auch weiterhin wechselseitig decken.
»Warten Sie!«, rief Frodeleit. Er strebte an Stephan vorbei, öffnete die Tür und sah zu beiden Seiten auf den Flur.
»Gehen Sie jetzt«, forderte er leise. »Es ist nicht gut, wenn man Anwälte in den Richterzimmern sieht. So etwas riecht schnell nach Mauschelei.«
»Ich freue mich, mit Ihnen noch nie beruflich zu tun gehabt zu haben, Herr Frodeleit!«, setzte Stephan nach.
»Ach wissen Sie, Herr Knobel, ich sehe das entspannt. Sie setzen sich für den Mandanten ein und ich spreche Recht. Wir haben doch beide unsere Rollen.«
Er reichte Stephan die Hand. »Nächsten Monat finden Sie mich drei Zimmer weiter.«
»Ich weiß, Herr Frodeleit! Sie bekommen noch ein Fenster dazu.«