11.

Marie rannte nach Hause. Sie schlug die Tür hinter sich zu und verriegelte sie. Stephan war wach geworden. Als er in die Diele kam, lehnte Marie heftig atmend mit dem Rücken an der Wohnungstür. Dann fiel sie in seine Arme und heulte. Sie verschluckte bebend ihre Worte. Sein Streicheln konnte das Zittern nicht ersticken.

»Es war Frodeleit«, sagte sie immer wieder. »Frag mich nicht, woher er wusste, dass ich diese Bahn nehme! Aber er war es, Stephan, glaub mir! Ich habe sein Gesicht lange genug gesehen.«

»Und er hat wirklich kein Wort gesagt?«, fragte Stephan.

»Ich weiß, wie bescheuert sich das anhört. Aber es ist wahr. Ich werde nie wieder mit der Bahn fahren, so viel steht fest.«

Sie begann zu heulen.

»Marie …!«

»Nein!«

Sie fasste nach, ob die Wohnungstür auch wirklich verschlossen war. Was sollte Frodeleit um Mitternacht in der verlassenen U-Bahn-Haltestelle in der Nordstadt wollen? Aber Stephan wagte nicht, Marie zu fragen, ob sie sich vielleicht geirrt habe. Frodeleit hatte ein Dutzendgesicht. So wie er sahen viele Männer seines Alters aus, die in der Mitte ihres Lebens begannen, ihr Äußeres zu pflegen und einen Rest Jugendlichkeit mit vorgeblicher reifer Männlichkeit zu verbinden. Es waren die hoch aufgeschossenen sportlichen Gestalten mit bräunlichem Teint und kurzen Haaren, die Macher, die lässig und strebsam, locker und verspannt waren und stets Aufmerksamkeit erheischten. Sie waren aller Orten und in allen Schichten anzutreffen. Der Typ Frodeleit war Richter und Banker, Lehrer und Sachbearbeiter in der Versicherung, Frührentner und Zuhälter. Aber Marie war sich sicher gewesen.