»Es macht mir nichts aus, wenn dir meine Manieren nicht passen. Mir gefallen sie auch nicht. An langen Winterabenden bedauere ich diese Tatsache sehr.«

Humphrey Bogart zu Lauren Bacall, in »The Big Sleep«

 

4

 

AC/DCs »Highway to hell« hämmerte aus den Lautsprechern. Der Titel war durchaus passend, auch wenn ich mir vorkam, als sei ich längst dort. In der Hölle. Anders konnte man die Tortur nicht beschreiben, der uns Marie in gewohnter Form unterzog. Die Tae-Bo-Trainerin, die trotz ihrer fünfzig Jahre beneidenswert durchtrainiert war, hüpfte vor uns auf und ab, als hätte die Stunde gerade erst angefangen. Dabei waren schon fünfzig der sechzig Minuten vergangen, was man mir durchaus ansah. In dem Spiegel, der unbarmherzig die armseligen Gestalten zeigte, die noch mithalten konnten, sah ich aus, als hätte ich vierundzwanzig Stunden lang in der Sonne gelegen. Eine Tomate würde blass vor Neid angesichts meiner Hautfarbe.

»Und Jab, rechts, links, Haken«, brüllte Marie in ihr Headset. »Los, bewegt euch. Wir machen hier Boxen, nicht Tai-Chi.«

Keuchend atmete ich aus. Ich schwitzte, und meine Klamotten würde ich nach dem Training auswringen können. Trotzdem gab ich mein Bestes. Den gestrigen Tag hatte ich vorwiegend damit verbracht, in Selbstmitleid zu schwelgen. Allmählich reichte es. Fakt war, ich hatte die Sache mit Alan am Freitagabend vermasselt, aber das war kein Grund, im Bett zu liegen und Chips in mich hineinzustopfen.

»Und Kick. Eins, zwei …«, tönte es aus dem Lautsprecher.

Ich schaffte es kaum, den Tritt bis in Kniehöhe durchzuführen, geschweige denn so hoch, wie Marie es uns vormachte. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, wie sie zu diesem harmlosen Vornamen kam.

»Komm, Lauren. Lass mich diesen Kick sehen. Höher«, unterbrach sie meine Überlegungen.

Höher? Ich war kurz davor, tot umzufallen. Eines war sicher, ich hatte garantiert jedes Gramm Fett meiner Chips-, Cola- und Schokoladeneis-Orgie verbrannt. Und noch ein bisschen mehr. Wenigstens entsprach ich einem der vielen Schönheitsideale, die Hollywood hinsichtlich der weiblichen Figur hat: Ich war schlank. Meine Figur verdankte ich einer guten Veranlagung, die dafür sorgte, dass ich so viel essen konnte, wie ich wollte ohne, zuzunehmen, was für Stace eine ständige Quelle des Neides war. Mir fehlten zwar die Oberweite, die Schlauchbootlippen und der »weibliche Look«, aber wenigstens musste ich meinen Körper nicht verstecken.

 

Erstaunlicherweise überlebte ich das Tae-Bo-Training, ohne unter ein Sauerstoffzelt zu müssen. Dieser Erfolg verdiente es, gefeiert zu werden, und so saß ich eine halbe Stunde später frisch geduscht zusammen mit Jamie, einer Leidensgenossin aus der Schauspielschule, an der Vitaminbar des Fitnessstudios.

»Kann man das trinken?«, fragte ich Jamie mit einem zweifelnden Blick auf den Drink, der vor mir stand. Das Gebräu sah wie Schlamm aus und roch auch so.

»Klar, das ist super. Es gibt nichts Gesünderes!«

»Genau so sieht es auch aus«, murmelte ich und überlegte, ob ich das Zeug in einen Plastikbecher schütten und Stace mitbringen sollte. Im Gegensatz zu mir liebte sie dieses gesunde Grünzeug.

»Los, probier es. Du wirst begeistert sein.«

Das bezweifelte ich. Aber Jamies Enthusiasmus war ansteckend. Vorsichtig nahm ich einen Schluck. Genau wie ich es geahnt hatte, Gras vermischt mit Schlamm. Was hatten diese Gesundheitsfanatiker bloß gegen guten Geschmack einzuwenden? Cola zum Beispiel ist ein wundervolles Getränk. Voller Zucker, der Energie gibt, irgendwelchen Inhaltsstoffen, die niemand kennt, die aber super bei Magenverstimmungen sein sollen. Und dann noch jede Menge Koffein, um einen wach zu halten.

»Hast du eigentlich schon von dem Casting gehört, das in zwei Wochen stattfindet? Für den neuen Film von Brad Bailey?«, unterbrach Jamie meine tiefsinnigen Überlegungen.

»Nein, aber es gibt doch laufend Castings von dem Film, der der Kassenschlager wird, und meistens ist es dann der Flop.«

»Kann sein, aber hast du schon einmal von einem Flop gehört, bei dem Brad Bailey Regie geführt hat?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Nein. Aber ich habe auch noch nie gehört, dass man als totaler Nobody bei einem Film von ihm unterkommt. Selbst die Nebenrollen besetzt er am liebsten mit Stars, die schon mindestens einen Oscar haben. Und irgendwo als Komparse in der Gegend rumzustehen ist bei ihm genauso langweilig wie überall sonst.«

Jamie rollte mit den Augen und beugte sich noch etwas näher zu mir heran.

»Du weißt aber auch gar nichts! Brad Bailey will nicht nur die Hauptrolle mit einem Neuling besetzen, sondern auch einige der Nebenrollen. Er behauptet, es wäre Zeit, neue Gesichter im Kino zu zeigen, die alten interessierten schon keinen mehr. Hast du nicht von dem Aufruhr gehört, den er damit verursacht hat?«

Jetzt erinnerte ich mich dunkel an etwas, das ich dazu gelesen hatte. Es hatte mich nicht sonderlich interessiert, die prominenten Regisseure und Schauspieler gaben des Öfteren provozierende Äußerungen von sich, wenn sie kostenlose Publicity für einen ihrer Filme haben wollten.

»Und du glaubst wirklich, er hat das ernst gemeint? Ich gehe jede Wette ein, dass er die Hauptrolle mit Johnny Depp und die Nebenrollen mit Robert Pattinson oder Angelina Jolie besetzt. Der will doch nur ein paar Wellen schlagen.«

»Die Hauptrolle kann er gar nicht mit Johnny Depp besetzen. Er braucht nämlich jemanden, den es unter den Stars in Hollywood zurzeit nicht gibt: Jemanden, der aussieht wie Humphrey Bogart.«

 

Fast wäre ich an meinem Drink erstickt. Ich musste daran denken, wie viele Wochenenden ich gemeinsam mit meinem Vater damit verbracht hatte, alte Humphrey-Bogart-Filme anzusehen. Und nicht nur das, ich hatte etliche seiner Rollen nachgespielt. Wenn ich mich kleidete wie er und meine Haare kurz trug, ähnelte ich dem Star sogar fast ein wenig.

Ich verschluckte mich so sehr, dass Jamie mir mit besorgtem Blick heftig auf den Rücken klopfte.

»Humphrey Bogart? Was will er denn mit Humphrey Bogart?«, hustete ich.

»Er will sein Leben verfilmen. Als Lauren Bacall hat er schon Mona Birmingham unter Vertrag. Für Humphrey Bogart aber und einige andere Rollen läuft nächste Woche das Casting an.«

»Hm.« Nachdenklich rührte ich mit dem Strohhalm in dem Glas herum. »Vielleicht sollte ich mich auf eine der Nebenrollen bewerben.« Noch während ich diese Worte sprach, stieg ein seltsames Gefühl in mir hoch. War das die Chance, auf die ich mein ganzes Leben gewartet hatte? Niemand in Hollywood war so dazu bestimmt wie ich, in diesem Film mitzuspielen. Niemand außer mir hatte sämtliche Rollen aus Humphrey Bogarts Filmen nachgespielt oder jahrelang das Leben und Wirken der großen Stars dieser Zeit studiert. Sollte überhaupt jemand in einer Hommage an den großen Star mitspielen, dann ich.

 

Ein paar Stunden später stand eines fest: Es gab keine Hauptrolle, die für mich geeignet war. Bogarts Tochter Leslie konnte ich nicht spielen. Die war erst fünf Jahre alt gewesen, als er starb. Aber wer kam dann in Frage?

Während ich nachdachte, lief ich in unserem Wohnzimmer auf und ab. Welche Frau war wichtig genug in seinem Leben, um mir mehr als eine belanglose Nebenrolle zu bescheren? Eine seiner Ex-Frauen? Wieder konsultierte ich die Casting-Informationen, die im Internet zu finden waren, aber außer Mayo Methot wurden Bogarts Ehefrauen in dem Film eher stiefmütterlich behandelt. Ganz anders als Lauren Bacall, die immerhin bis zu seinem Tod mit ihm verheiratet gewesen war. Aber beide Rollen waren schon vergeben.

Ich nahm einen Schluck aus der Cola-Dose, die ich mir geholt hatte, um mir einen Ausgleich zu dem Schlammtrunk zu verschaffen. Zu viel gesunde Ernährung war auch nicht gut …

Katherine Hepburn. Meine Augen saugten sich förmlich an dem Namen fest. Die Schauspielerin war jahrelang heimlich mit Spencer Tracy liiert gewesen. Der wiederum war einer der besten Freunde von Humphrey Bogart gewesen. Zusammen waren sie Teil des berühmten »Holmby Hills Rat Pack« gewesen. Einer Clique, deren Mittelpunkt Humphrey Bogart und seine Frau Lauren Bacall bildeten. Außerdem hatte Katherine Hepburn den Film mit der Hollywood-Ikone gedreht, für den er den einzigen Oscar seiner Karriere bekommen hatte: »African Queen«.

»Das wird schwierig«, sprach ich zu mir selbst, während ich einige Bilder im Internet betrachtete: Katherine war schlank gewesen und noch dazu eine äußerst attraktive Frau. Mit einem Seufzer starrte ich auf das Foto, das eine etwa zwanzigjährige Katherine Hepburn zeigte. Ich würde es nie schaffen, so auszusehen. Während mein Gesicht schmal war und eher länglich, war ihres im Vergleich dazu flächig angelegt mit prominenten Wangenknochen und weit auseinanderstehenden Augen. Die einzige Ähnlichkeit, mit der ich aufwarten konnte, waren meine Haare, die in etwa den gleichen Farbton hatten.

Toll. Haare konnte man färben. Aber wie sollte ich aus einem schmalen Pferdegesicht ein schönes, ebenmäßiges machen?

Auf diese Frage gab es nur eine Antwort: Staceys Fundus an Schminkutensilien. Vielleicht gelang mir damit ein Wunder.

 

Wenig später hatte ich es geschafft, Staceys Zimmer in ein Chaos zu verwandeln. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube ließ ich meinen Blick über die zusammengeknüllten Papiertücher, Schminkutensilien, Haarsprays und Fotoausdrucke von Katherine Hepburn wandern. Stacey wird bestimmt nicht vor Mitternacht zurückkommen, versuchte ich die aufsteigende Panik einzudämmen. Bis dahin hätte ich längst alles aufgeräumt. Statt über die Unordnung zu sinnieren, war es wichtiger, meine Mission zu erfüllen. Also wandte ich mich wieder dem Spiegel zu und versuchte meine Haare in die Wellen zu zwängen, die damals anscheinend der letzte Schrei waren. Nach gefühlten drei Stunden war mir auch zum Schreien zumute, allerdings aus anderen Gründen. Während die Lockenwickler meine Frisur in ein Kunstwerk verwandeln sollten, hatte ich mich auf meine Augenbrauen konzentriert. Die von Katherine waren formvollendet geschwungen. Kein Problem, wenn man einen Rasierer hatte und diesen zu benutzen wusste.

»Autsch! Verdammt …« Die gekonnte Nutzung des Rasierers war schwieriger, als ich gedacht hatte. Statt zweier perfekter Bögen starrte mir aus dem Spiegelbild eine Augenbraue entgegen, die meiner Behandlung glücklicherweise entgangen war, während die andere statt einer geschwungenen Kontur einen Irokesenschnitt verpasst bekommen hatte. Ich hatte es geschafft, mir die halbe Braue wegzurasieren und in dem Prozess eine Blutspur zu hinterlassen. Verflixt, tat das weh!

Hektisch versuchte ich, wenigstens der Blutung Einhalt zu gebieten. Dabei ging fast die ganze Schachtel Kleenex drauf, die ich Stacey aus dem Badezimmer stibitzt hatte. Gerade als ich den größten Schaden behoben hatte, ertönte ein lauter Knall. Stacey! Wie immer hatte sie es nicht geschafft, unsere Wohnungstür leise zu schließen. Wenige Sekunden später fiel sie auf das Sofa, das in ihrem Zimmer stand.

»Hallo, was machst du denn hier?«, begrüßte sie mich.

»Ähm … ja, also … ich wollte … ich brauchte Schminksachen. Viele Schminksachen, und da dachte ich …«

»Ach so. Ja, klar, kein Problem.« Stace winkte ab. Es war nicht das erste Mal, dass ich mir ihre Sachen auslieh. Allerdings hatte ich dabei noch nie ihr Zimmer in eine Müllhalde verwandelt. Trotzdem machte sich ein Gefühl der Erleichterung in mir breit, anscheinend bemerkte sie die Unordnung gar nicht. Möglicherweise war ihr Zimmer schon vorher in diesem Zustand gewesen.

»Bist du vollkommen übergeschnappt?«, unterbrach Stace meine hoffnungsvollen Gedanken.

»Warum bist du eigentlich so früh zurück?«, rettete ich mich in eine Gegenfrage, während ich im Geiste hektisch versuchte, eine Entschuldigung zu formulieren. Ich konnte Stace ansehen, dass sie kurz davor war, einen Mord zu begehen.

»Ich fasse es nicht!« Anstatt auf meine Frage einzugehen, betrachtete sie das Chaos. Dann lenkte sie ihren Blick auf mich. »Wie siehst du denn aus?« Der wütende Gesichtsausdruck wich allmählich, als sie meine Erscheinung musterte. Dann brach sie in prustendes Lachen aus. »Bist du schon dabei, dich für Halloween herzurichten? Du siehst zum Fürchten aus!«

»Haha«, antwortete ich mürrisch. Die Erleichterung darüber, einem Donnerwetter entkommen zu sein, wurde ziemlich schnell durch Irritation ersetzt. So schlimm war mein Anblick nun auch wieder nicht.

»Du … du … das ist das Beste.« Weiter kam Stace nicht. Ein weiterer Lachanfall schüttelte sie. Keuchend rutschte sie von der Couch auf den Boden.

»Ich weiß nicht, was so witzig ist«, entgegnete ich kühl.

»Schau … doch … einfach mal in … den … Spiegel«, japste Stace.

Als ob ich in den letzten Stunden etwas anderes getan hätte. Trotzdem tat ich ihr den Gefallen. »Also ich finde …« Und dann prustete ich ebenfalls los. Der Anblick war grotesk. Ich saß mit rotem Lippenstift – das war der Teil des Make-ups gewesen, den ich am besten hinbekam – einer rasierten Augenbraue, einem Lockenwicklerturm auf dem Kopf, in einen alten Bademantel gehüllt vor dem Spiegel. Neben meinem Konterfei konnte man ein vergrößertes Bild von Katherine Hepburn sehen, die in ihrer Schönheit geradezu erstrahlte. Das einzige Strahlen, das von mir ausging, war meine glänzende Haut, die ich in bester Absicht mit einer von Staceys sündhaft teuren Cremes bearbeitet hatte.

 

Es dauerte eine Weile, bis wir uns von unserem Heiterkeitsanfall erholt hatten. Dann aber verriet Stace, was sie so früh nach Hause getrieben hatte.

»Weißt du, was ich eben erfahren habe? In zwei Wochen steigt das Casting! Für den Film, der den Beginn deiner Karriere markieren wird. Ist das nicht super?«

»Natürlich weiß ich das, weshalb glaubst du, sehe ich wie eine Verrückte aus? Ich versuche gerade in dem Casting für diesen Film eine Rolle zu bekommen.«

»Ich will ja nicht unken, aber so schaffst du es bestimmt nicht. War Bogart mit Frankenstein befreundet?«

»Ach, verdammt. Es ist ohnehin sinnlos. Ich werde niemals in der Lage sein, Katherine Hepburn zu spielen«, stöhnte ich und begann mir die Lockenwickler aus dem Haar zu quälen.

»Katherine Hepburn? Du willst in einem Film über Humphrey Bogart Katherine Hepburn spielen?«

»Ich weiß. Eine blöde Idee. Im Vergleich zu ihr bin ich eine tollpatschige Kuh mit einem Pferdegesicht.«

»So ein Unsinn! Ich meine etwas ganz anderes«, protestierte Stace. »Was ich damit sagen wollte: Du musst Humphrey Bogart spielen.«

»Ich? Humphrey Bogart? Ja, klar. Hätte ich auch selbst draufkommen können, dass die eine Frau für die Rolle suchen. Logisch!« Ich schlug mir an die Stirn. »Warum habe ich nicht gleich daran gedacht?«

»Lauren, manchmal bist du wirklich zu blöd. Niemand, wirklich niemand in ganz Hollywood kann jeden Humphrey-Bogart-Film nachspielen, kennt jede einzelne Handbewegung, jede Zeile, die er jemals in einem Film gesprochen hat, so wie du. Ich habe noch niemals jemanden gesehen, der Humphrey Bogart darstellt und bei dem man vergisst, dass es nicht der Meister selbst ist, der vor einem steht. Und du lässt dich von deinem Geschlecht davon abhalten, diese Rolle zu wollen? Spinnst du eigentlich?«

Das musste ich erst einmal verdauen. Auf diese Idee wäre ich nie gekommen, aber jetzt, nachdem Stace es gesagt hatte, schien es mir logisch. Warum nicht? Ich würde ihnen das ganze Paket liefern. Mein Aussehen gepaart mit einer Kenntnis der Materie, wie sie sonst wohl kaum jemand aufweisen konnte.

»Stace, du bist ein Genie!«

»Merkst du das jetzt erst?«, antwortete sie und ließ sich zurückfallen. »Als Dank kannst du mir einen Saft holen.«

»Okay.« Ich rappelte mich mühsam auf, denn mir tat noch immer alles weh von der Tae-Bo-Stunde. »Aber nur, weil du’s bist.«

 

Spät am nächsten Nachmittag kam ich erschöpft von der Arbeit nach Hause. Die Aufräumaktion in Staceys Zimmer hatte mich bis ein Uhr morgens wach gehalten. Danach brauchte ich ewig, um einzuschlafen, denn ihre Worte gingen mir im Kopf herum. Adrenalin pulsierte durch meine Adern, wenn ich mir vorstellte, dass ich den besten Regisseur Hollywoods und mit ihm die ganze Welt an der Nase herumführen sollte. War das überhaupt möglich?

Mit einem Seufzer ließ ich mich in einen Sessel fallen und dachte über diese verrückte Idee nach. Es könnte klappen, wenn …

Das Telefon klingelte und unterbrach meine Überlegungen für ein paar Sekunden, in denen ich darüber sinnierte, ob ich aufstehen und abnehmen sollte oder lieber … Aber da hatte Stace das Gespräch schon entgegengenommen. Sie erschien mit einem Grinsen im Gesicht und dem Hörer in der Hand im Wohnzimmer.

»Es ist George, dein Vater«, verkündete sie.

Oh verflixt. Noch bevor ich seine Stimme hören konnte, wusste ich auch schon, warum er angerufen hatte. Und richtig…

»Lauren, es ist so weit! Paramount dreht den Film, auf den ich seit Jahren warte. Endlich ein Projekt, das gut genug ist für dich.«

»Ja, nur waren sie bisher immer der Meinung, ich sei nicht gut genug für ihre Projekte.«

»Unsinn. Du hast dich nur für die falschen Rollen beworben. Das sage ich dir schon seit langem. Jetzt aber ist es so weit. Brad Bailey hat endlich einmal eine gute Idee. Er will …«

»Ich weiß«, unterbrach ich seinen Redefluss. »Es ist der Film des Jahres, und er will neue Gesichter engagieren. Dad, das habe ich alles schon gehört.«

»Dann ist ja gut«, entgegnete er, und ich konnte seiner Stimme anhören, dass ich ihn aus dem Konzept gebracht hatte. »Hast du schon die Casting-Informationen?«

»Ja, aber es ist kein einziger Part für mich dabei.«

»Unmöglich. Mein Gefühl sagt mir, dieser Film wird der Durchbruch für dich.«

Diplomatisch verzichtete ich darauf, meinen Vater an all die Gelegenheiten zu erinnern, bei denen ihn sein Gefühl in die Irre geführt hatte. Jeder andere Mann, den ich kenne, schwört auf klares Denken und überlegtes Handeln, nur mein Vater glaubt, er müsse »auf seinen Bauch hören«.

»Stacey meint, ich solle mich als Humphrey Bogart casten lassen.«

»Hat sie völlig den Verstand verloren?«

»Ich finde ihre Idee gar nicht so schlecht.« Stace, die meine Worte hörte, zog die Augenbrauen hoch.

»Bist du noch dran, Lauren?«

»Was? Ja, klar.«

»Ich habe gesagt, dass Stacey vielleicht doch nicht so unrecht hat.«

»Was?«

»Warum nicht? Du bist ohnehin nicht der weibliche Typ, dafür aber eine hervorragende Schauspielerin.«

»Uhm. Ja, vielleicht. Nur ist das bis jetzt noch niemandem aufgefallen.«

»Stell dich nicht so an. Das ist die Hauptrolle in dem besten Film, der dieses Jahr gedreht wird. Wenn keine weibliche Rolle für dich drin ist, musst du eben aufs Ganze gehen.«

»Ich überleg’s mir, Dad. Okay? Und jetzt muss ich Schluss machen, ich bin verabredet.«

»Und hält er mich noch immer für das dumme Blondinchen?« Stace klimperte mit ihren langen Wimpern und fuhr sich theatralisch durch die Haare. Die Zeiten der Blondine waren zwar seit langem vorbei, da sie jede Woche eine andere Haarfarbe trug. Für meinen Vater aber waren Staceys Verwandlungen der Beweis dafür, dass sie nicht mit ihrer Energie im Einklang stand.

»Ich glaube nicht, dass er dich jemals für eine dumme Blondine gehalten hat«, gab ich zur Antwort. »Aber immerhin hält er deine Idee für gut.«

»Dein Vater ist mit mir einer Meinung? Den Tag müssen wir im Kalender ankreuzen«, konterte Stace sarkastisch. Sie hatte meinem Vater seine letzte Bemerkung zu ihrer Marilyn-Manson-Personifikation noch immer nicht verziehen.

»Ich weiß nicht, Stace. Brad Bailey ist der beste Regisseur von Hollywood. Er wird mich bestimmt durchschauen.«

»Was hast du schon zu verlieren?«, fragte sie und stand auf. »Und außerdem, wenn ich mit dir fertig bin, wird jeder glauben, du wärst ein Mann.«

»Was willst du machen? Mich umoperieren?«

»Nein, meine Liebe.« Stace kam mit einer Nagelfeile in der Hand ins Wohnzimmer zurück und setzte sich auf die Couch. »Wenn ich mit dir fertig bin, werden dich nicht einmal deine Freundinnen wiedererkennen. Wozu hast du einen Profi als Wohnungsgenossin? Am besten wir fangen gleich an!«

»Bist du vom Arbeitsfieber gepackt worden? Ich habe die Casting-Informationen gerade mal überflogen, vielleicht ist ja doch noch eine andere Rolle für mich dabei.«

»Vergiss es, Lauren. Hast du nicht gesagt, du möchtest endlich den Durchbruch schaffen, sonst gibst du die Schauspielerei auf? Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt dafür. Du bist die beste Schauspielerin, die ich kenne, und du hast die Chance, das neue Gesicht zu werden, das Brad Bailey für seinen nächsten Film sucht. So eine Chance bekommst du nie wieder.«

»Du klingst wie Dad.«

Stace grinste. »Sieht so aus, als wären dein Vater und ich endlich einer Meinung. Vielleicht ist das ja der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.«

 

Trau niemals einem Callboy!
titlepage.xhtml
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_000.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_001.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_002.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_003.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_004.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_005.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_006.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_007.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_008.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_009.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_010.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_011.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_012.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_013.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_014.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_015.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_016.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_017.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_018.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_019.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_020.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_021.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_022.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_023.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_024.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_025.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_026.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_027.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_028.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_029.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_030.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_031.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_032.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_033.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_034.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_035.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_036.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_037.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_038.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_039.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_040.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_041.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_042.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_043.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_044.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_045.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_046.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_047.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_048.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_049.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_050.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_051.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_052.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_053.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_054.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_055.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_056.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_057.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_058.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_059.html