20

 

Mein Herz hämmert in der Brust, als ich unser Haus betrete. Es wirkt verlassen, als ob es schon längere Zeit leer stünde. Düstere Schatten im Flur. Draußen nieselt es. Genauso wie an dem Tag, an dem ich … Lieber nicht daran denken.

Ich bleibe stehen und lausche. Versuche herauszufinden, ob ich allein bin, oder ob sich noch jemand in den Räumen aufhält. Obwohl das dumm ist. Wer soll hier sein? Ron ist im Büro. Geister? Mir stellen sich die Nackenhaare auf. Um mich von meiner Angst abzulenken, gehe ich mit entschlossenen Schritten ins Wohnzimmer. Hier werde ich meine Arbeit fortsetzen und meine Sachen einpacken. Je mehr ich schaffe, bevor der Makler kommt, desto besser.

Erstaunlicherweise war Ron meiner Meinung. Auch er will das Haus so schnell wie möglich verkaufen. Was schade ist, denn so kommt er nicht mehr in den Genuss meiner neuen Wohnzimmerdekoration.

 

Als es schließlich an der Tür klingelt, habe ich bereits einiges erledigt. Mehrere Kisten stehen fertig gepackt im Flur.

„Schade. Das ist ein tolles Haus, das Sie da verkaufen wollen. Wird aber trotzdem schwer. In der derzeitigen Wirtschaftslage will keiner Geld ausgeben. Alle warten darauf, dass die Grundstückspreise noch mehr sinken“, bemerkt der Makler, kaum dass er über die Schwelle getreten ist.

Ich zucke mit den Schultern. Es ist mir egal, wie viel wir dafür bekommen. Mir geht es nur darum, alle Verbindungen zu Ron so schnell wie möglich zu beenden.

„Verkaufen Sie es, egal zu welchem Preis.“ Diesen Nachsatz kann ich mir nicht verkneifen. Allein die Vorstellung von Rons Gesicht, wenn er einen Verlust beim Verkauf des Hauses macht … Okay, ich sollte nicht so rachsüchtig sein.

„Es ist ihr Geld.“ Der Makler zückt eine Kamera und beginnt, alles zu fotografieren. Wenn er so weiter macht, sind wir morgen früh noch hier.

„Tut mir leid“, sagt er mit einem schiefen Grinsen, als er meinen genervten Blick bemerkt. „Je mehr Bilder wir haben, desto besser. Die Käufer wollen ganz genau wissen, wie ein Haus aussieht, bevor sie sich die Mühe machen, es sich anzusehen.“

„Ist schon in Ordnung. Machen Sie so viele Aufnahmen, wie Sie brauchen. Ich bin in der Küche beim Packen. Sagen Sie Bescheid, wenn Sie fertig sind.“

Es kommt mir vor, als seien mehrere Stunden vergangen, als der Makler sich verabschiedet und sagt, er habe jetzt alles, was er brauche.. Alles Weitere soll er mit Ron besprechen, denn ich werde nicht hier sein.

Mit einem erleichterten Seufzer beobachte ich, wie der Mann in sein Auto steigt. Endlich! Nichts wie raus hier. In meiner Eile stolpere ich fast die Treppe hinunter. Die Atmosphäre in diesen Räumen wird immer bedrückender. Fast meine ich, ein Wispern in den Schatten zu hören, aber das bilde ich mir nur ein. Es ist mein schlechtes Gewissen, das mich vorantreibt. Mir den Angstschweiß den Rücken hinunterrinnen lässt.

Wenn es Geister gibt, dann bin ich mir sicher, dass jetzt einer in diesem Haus umgeht und wütend darüber ist, dass ich ihn einfach im Garten verscharrt habe. Ich hätte herausfinden sollen, wer ihn umgebracht hat. Wer für seinen Tod verantwortlich ist. Nur so kann er Ruhe finden. Nur so … Stopp! Ich muss damit aufhören, sonst werde ich noch verrückt. Es gibt keine Geister. Und keinen Toten, der wütend auf mich ist. Trotzdem bin ich schuldig. Ich muss etwas unternehmen, kann die Sache nicht auf sich beruhen lassen und so tun, als wäre das Ganze niemals passiert.

Diese Entscheidung beunruhigt mich ein wenig.. Auch wenn ich noch nicht weiß, was ich tun soll, so bin ich mir zumindest sicher, dass ich handeln werde. Ich muss mir nur vorher genau überlegen, wie meine nächsten Schritte aussehen sollen. Aber dazu brauche ich Ruhe. Ich muss zurück ins Hotel, denn hier bin ich zu nervös. Werde durch die Schemen an der Wand, von dem Nieselregen, der mich zu sehr an diese Nacht erinnert, von dem wirklich Wichtigen abgelenkt.

Gerade als ich mit einem erleichterten Seufzer die Haustür hinter mir zuziehe, fällt mir ein, dass ich meinen Seidenpullover vergessen habe. Den kann ich bei diesem Wetter gut gebrauchen.

 

Wo ist das verdammte Ding?

 

Ich durchwühle den Schrank, zerre alles aus den Fächern, bis ein Berg Kleidung auf dem Boden liegt. Aber ich finde ihn nicht, dabei bin ich sicher, dass ich Frau Bernecke den Pullover für die Reinigung gab. Normalerweise legt sie ihn danach in den Schrank. Warum also, ist er dort nicht zu finden?

Ärgerlich gehe ich ins Bad und ziehe ein Kleidungsstück nach dem anderen aus dem Wäschekorb. Natürlich quillt er wieder über von Rons Hemden, die er nach der Geschäftsreise hier reingestopft hat. Da wäre das teure mit den hellblauen Streifen, das andere aus ägyptischer Seide und dann ist da endlich mein Pullover. Ein dunkler, rostroter Fleck lässt mich innehalten. Sieht wie Blut aus …

 

Die Haustür. Jemand klingelt wie ein Wilder. Mühsam rappele ich mich auf, stopfe alles in den Wäschekorb zurück. Knalle den Deckel drauf und bete, dass jetzt nicht wieder die Polizei vor der Tür steht.

Mit leisen Schritten gehe ich auf die Eingangstür zu. Versuche, keinen Laut zu machen, denn ich will erst herausfinden, wer auf der anderen Seite wartet. Wenn es die Polizei ist, werde ich tun, als sei ich nicht zu Hause. Verdammt, mein Auto steht in der Einfahrt. Okay. Wenn es die Polizei ist, werde ich die nichts ahnende Putzfrau spielen. Eine Putzfrau, die einen Mercedes fährt. Ein Blick durch den Spion zeigt: Ich kann die Tür aufmachen. Es ist der Makler. Idiot! Musste der mich so erschrecken?

„Es tut mir furchtbar leid, Frau Hartwig, aber ich habe vergessen, mir den Schlüssel geben zu lassen. So kann ich ja niemandem Ihre wunderschöne Immobilie zeigen.“

„Warten Sie hier“, fauche ich ihn unwirsch an. Gehe in Rons Arbeitszimmer und drücke ihm kurz darauf den Schlüssel in die Hand. Dann knalle ich die Tür zu. Ich muss weg hier. Diese wunderschöne Immobilie macht mich verrückt. Ich rase in den ersten Stock, stopfe den Pullover in eine Plastiktüte und haste die Treppe hinunter.

 

Trau niemals einem Callboy!
titlepage.xhtml
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_000.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_001.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_002.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_003.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_004.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_005.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_006.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_007.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_008.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_009.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_010.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_011.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_012.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_013.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_014.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_015.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_016.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_017.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_018.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_019.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_020.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_021.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_022.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_023.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_024.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_025.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_026.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_027.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_028.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_029.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_030.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_031.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_032.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_033.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_034.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_035.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_036.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_037.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_038.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_039.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_040.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_041.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_042.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_043.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_044.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_045.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_046.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_047.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_048.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_049.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_050.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_051.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_052.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_053.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_054.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_055.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_056.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_057.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_058.html
CR!B859XS7B0H2W33FHHMX8WPVP5WVJ_split_059.html