25

The young recruit is silly – ’e thinks o’ suicide;

’E’s lost ’is gutter-devil; ’e ’asn’t got ’is pride;

But a day by day they kicks ’im, which ’elps ’im a bit,

Till ’e finds ’isself one mornin’ with a full an’ proper kit.

Gettin’ clear o’ dirtiness, gettin’ done with mess,

Gettin’ shut o’ doin’ things rather-more-or-less;

Not so fond of abby-nay, kul, nor hazar-ho,

Learns to keep ’is rifle an’ ’isself jus’ so!

The ’Eathen, Rudyard Kipling

»Amüsieren Sie sich, Sergeant Major?«, fragte Sophia. Sie hatte ihre Gruppe auf die Mole geführt und marschierte gerade an dem Sergeant Major und dem schwitzenden Steinholtz vorbei.

»Wir lernen gerade einige grundlegende Dinge, Ma’am«, antwortete Barney. »Matrose Bennett hat schon das Singer aufgestellt. Wenn Sie die Lage kurz überwachen könnten, wäre das ausgezeichnet. Ich bin sofort bei Ihnen.«

»Ich regle das schon, Sergeant Major.« Ein breites Grinsen zog sich über Sophias Gesicht, dann schaltete sie ihr Funkgerät ein. »Olga, wie weit ist die erste Jacht?«

»Die Tür nach unten ist verriegelt. Oben ist alles klar. Der Mechaniker macht sich gerade an das Schloss.«

»Können wir ein paar Leute erübrigen, Sergeant Major?«, erkundigte sich Sophia.

»Ein Zwei-Mann-Team. Hill und Hadley, wenn Sie dagegen keine Einwände haben, Ma’am.«

»Geht in Ordnung. Ich hol sie mal.«

»Wenn Sie erlauben, Ma’am.« Barney hatte einen Finger erhoben, um sie aufzuhalten. »Matrose, erheben Sie das Gesicht aus dem Schmutz der Straße und laufen Sie runter zum Sicherheitsteam. Holen Sie Hill und Hadley. Sie sollen sich beim Ensign melden. Haben Sie diese Befehle verstanden?«

»Ja, Sergeant Major.« Steinholtz rappelte sich auf.

»Wie lauten Ihre Befehle, Matrose Steinholtz?«, bohrte Barney nach.

»Hill und Hadley holen?« Steinholtz zögerte.

»Darf ich das übernehmen, Sergeant Major?« Sophia trat einen Schritt auf Steinholtz zu. »In der Navy antwortet man auf einen Befehl wie diesen mit ›Hill und Hadley holen, aye, Sergeant Major‹.«

»Wirklich, Ma’am?«, wunderte sich Barney.

»Ja, man nennt das eine Rückmeldung. Damit versichert man, dass der Befehlsempfänger den vom Befehlsgeber gegebenen Befehl ausführt, und nicht den, den er zu verstehen geglaubt hat.«

»Tja, das ergibt durchaus Sinn. Denn ich habe befohlen, dass Sie laufen sollen, um Hill und Hadley zu holen, Matrose. Also, hier noch mal der komplette Befehl: Laufen Sie los und holen Sie Hill und Hadley. Teilen Sie den beiden mit, dass sie sich beim Ensign melden sollen. Ist das klar?«

»Sie antworten nun folgendermaßen«, half Sophia Steinholtz auf die Sprünge. »›Loslaufen und Hill und Hadley holen, aye. Ihnen mitteilen, dass sie sich beim Ensign melden sollen, aye.‹«

»Loslaufen und Hill und Hadley holen, aye«, wiederholte Steinholtz. »Ihnen mitteilen, dass sie sich bei Ihnen melden sollen, aye.«

»Los jetzt.« Sergeant Major Barney zeigte in die entsprechende Richtung. Als Steinholtz langsam die Mole entlangschlenderte, seufzte Barney entgeistert. »WELCHEN TEIL VON LAUFEN HABEN SIE NICHT VERSTANDEN, MATROSE? Wollen wir ein wenig spazieren gehen, Ma’am?«

»Oh, es wäre mir eine Freude, Sergeant Major.« Sophia wirkte ganz verzückt.

»Ich würde ja vorschlagen, dass wir Arm in Arm lustwandeln, aber dann könnten die Leute tratschen.« Der Sergeant Major schlenderte die Straße entlang. »Wozu haben Sie Hill und Hadley angefordert, wenn ich fragen darf, Ma’am?«

»Ich dachte mir, sie könnten die Oberdecks der Boote überprüfen, solange Olga und Yu darauf warten, dass der Mechaniker das Schloss aufgebrochen hat. Wenn die Zugänge nach innen abgeriegelt sind, hält sich nur selten ein Infizierter an Bord auf. Zumindest kein lebender. Oder, in einem Fall wie diesem hier, Überlebende. Das Überprüfen der Oberdecks ist eindeutig weniger nervenaufreibend als das Abtauchen in die Eingeweide der Boote.«

»Ich danke Ihnen für die Erklärung, Ma’am. Jetzt leuchtet mir das Ganze ein.«

»Ich danke Ihnen, Sergeant Major.«

»Wenn ich noch eine Kleinigkeit nachfragen dürfte, Ma’am? Möchten Sie mich überhaupt nicht einbeziehen?«

»Wie meinen Sie das? Hätte ich etwa Ihnen befehlen sollen ›Sagen Sie Hill und Hadley, sie sollen die Oberdecks überprüfen‹?«

»Ma’am, Sie können die Aktion leiten, wie Sie es für richtig befinden. Sie sind die Befehlshaberin des Teams. Wenn Sie allerdings ein wenig Unterstützung wünschen, Ma’am, können Sie mir ›Stellen Sie ein Team zusammen und überprüfen Sie die Oberdecks‹ befehlen. Ich kümmere mich dann gern um den Rest. Das ist übrigens auch meine Aufgabe bei dieser Unternehmung. Ihre Befehle entgegenzunehmen und sie auf eine Art und Weise umzusetzen, der man hoffentlich meine taktische Intelligenz und Erfahrung anmerkt, Ma’am.«

»Nun denn, hier kommen Hill und Hadley.« Die beiden kamen Sophia und Barney entgegen.

»Sie wollten uns sprechen?«, fragte Hill.

»Sergeant Major?«, gab Sophia die Frage an Barney weiter.

»Zuerst einmal Folgendes«, begann der Sergeant Major. »Wenn Sie sich bei einem Officer melden, salutieren Sie, vor allem, wenn Sie bewaffnet sind. Die richtige Art, sich zu melden, wäre ›Ich melde mich auftragsgemäß, Ma’am‹. Dabei salutieren Sie. Also noch einmal und mit Überzeugung.«

»Ich melde mich auftragsgemäß ... äh ...«, plapperte Hill, während er und Hadley salutierten und die Hände anschließend zur Hüfte senkten.

»Man salutiert so lange, bis der Officer ebenfalls salutiert«, korrigierte Barney. »Ma’am, hätten Sie einen Moment Zeit, bis ich diese kleine Schulung abgeschlossen habe?«

»Natürlich, Sergeant Major.«

»Nun salutieren Sie noch einmal«, wandte sich Barney an Hill und Hadley. »Dann sprechen Sie mir nach: ›Ich melde mich auftragsgemäß, Ma’am.‹«

»Ich melde mich auftragsgemäß, Ma’am.« Hill salutierte.

»Muss ich auch salutieren?«, fragte Hadley.

»Eigentlich nicht«, erwiderte Barney. »Aber im Grunde genommen kann man gar nicht oft genug salutieren. Okay, Ma’am, wenn Sie nun bitte ebenfalls salutieren würden?«

»Geht klar.« Sophia salutierte.

Hill ließ den Arm nach unten sinken.

»Sie salutieren so lange, bis der Ensign mit dem Salutieren aufhört«, wies ihn Barney zurecht. »Also ... noch einmal salutieren und jetzt, Ma’am, wenn Sie mit dem Salutieren aufhören würden. Ich danke Ihnen.«

»Könnten Sie mir jetzt noch den tieferen Sinn des Ganzen verraten?«, bat Hadley.

»Hinterfragen Sie niemals einen meiner Befehle, wenn wir gerade dabei sind, etwas Neues zu lernen. Haben Sie mich verstanden, Matrose?«

»Logisch.«

»Matrose, kennen Sie die Bedeutung des Begriffs ›Vorwärtsgebeugte Ruhestellung‹?«

»Nein.«

»Das ist die Position für Liegestütze. Nehmen Sie diese Stellung ein. Arme ausgestreckt.«

»Ist das Ihr Ernst?«

Barney sprang nach vorn, in einem Winkel entgegengesetzt zum Waffenlauf des Sicherheitsfachmanns, und brachte sein Gesicht auf Tuchfühlung.

»SIE LEGEN SICH JETZT SOFORT AUF DEN BODEN, REKRUT!« Speichel flog in Hadleys Gesicht. »LEGEN ... SIE ... SICH ... HIN!«

Hadley nahm die befohlene Position ein.

»Wiederholen Sie meine Worte, Rekrut.« Barney kniete sich neben ihn, sodass sich sein Gesicht direkt neben dem Ohr des Rekruten befand. »ICH WERDE DIE MIR GEGEBENEN BEFEHLE AUSFÜHREN UND KEINE DÄMLICHEN FRAGEN STELLEN!«

Hadley wiederholte wie ein Papagei: »Ich werde die mir gegebenen Befehle ausführen und keine dämlichen Fragen stellen!«

»Ich bin ein wenig taub, weil ich so lange in der Armee Ihrer Majestät gedient habe. ICH KANN SIE NICHT RICHTIG VERSTEHEN!«

»ICH WERDE ... ICH WERDE DIE MIR GEGEBENEN BEFEHLE AUSFÜHREN UND KEINE DÄMLICHEN FRAGEN STELLEN!«

»Nehmen Sie Haltung an.« Barney stand auf. »Das heißt, Sie sollen sich erheben, Sie dämliche Schwuchtel. Stehen Sie stramm. Sie auch, Hill, nebeneinander, die Arme an den Körper ...«

Nachdem er ihnen die richtige Haltung beim Strammstehen beigebracht hatte, fing er an, sie zu umkreisen.

»In der Tat, es gibt wirklich einen Grund, warum man nicht mit dem Salutieren aufhört, bis der Officer ebenfalls salutiert«, erklärte Barney. »Früher, und es hat den Anschein, als hätte jemand die Zeit zurückgedreht, konnten die Officers den Rekruten nicht über den Weg trauen. Einen Vorgesetzten ›versehentlich‹ umzubringen, oder ›Fragging‹, wie ihr Amerikaner das nennt, hat eine sehr lange Tradition. Indem man die Rekruten dazu zwang, das Salutieren beizubehalten, bis der Vorgesetzte damit aufhörte, vor allem und immer unter Waffen, erhielt der Officer einen Augenblick mehr Zeit, nach seiner Waffe zu greifen, falls der Rekrut den besagten Officer töten wollte.«

»Wirklich?« Sophia lachte. »Mir hat man erzählt, es handele sich um eine Respektbezeugung zwischen zwei Kriegern.«

»Das ist es auch, Ma’am. Wenn sich zwei Krieger begegnen, gibt es immer Spannungen. Der Grund dafür, dass man keine Fragen stellt, wenn man nicht ausdrücklich darum gebeten wird, Fragen zu stellen, ist die Tatsache, dass man in vielen Fällen keine Zeit für Fragen oder eigenständige Gedankengänge hat. Man weiß im entsprechenden Augenblick nicht genug darüber, wie man seinen Auftrag richtig ausführen sollte, weil man nicht alle wichtigen Details kennt. Man glaubt vielleicht, dass man genug weiß. Das stimmt aber nicht. Jeder Einfall, der einem in den Sinn kommt, ist höchstwahrscheinlich vollkommener Schwachsinn. Ein Beispiel hierfür ist Steinholtz, der versucht hat, einen Infizierten von einer schaukelnden Plattform aus auf 400 Meter Entfernung zu treffen. Durch die räumliche Beschränkung dieser Plattform hat er sein gesamtes Team davon abgehalten, den Auftrag korrekt auszuführen. Das habe ich ihm bereits verdeutlicht. Daher stellt man keine Fragen, wenn man nicht gebeten wird, Fragen zu stellen. Ich will dieses ›Warum?‹ nie wieder hören, außer ich bitte ausdrücklich darum, mir Fragen zu stellen. Haben Sie mich verstanden? Die richtige Antwort lautet ›Ja, Sergeant Major‹.«

»Ja, Sergeant Major«, erklang die Antwort wie aus einer Kehle.

»Man salutiert immer in Gegenwart eines Officers«, führte der Sergeant Major weiter aus. »Man macht das, weil einem der Officer befehlen kann, in einen Jachthafen zu springen, in dem es von Haien nur so wimmelt, und wenn man den gegebenen Befehl nicht befolgt, erschieße ich Sie wegen Befehlsverweigerung. Ich werde nicht zögern. Und der Officer salutiert immer zurück. Denn dieses Salutieren erinnert den Vorgesetzten daran, dass ihm die Pflicht auferlegt wurde, Befehle zu erteilen, die zum Tod der Rekruten führen können. Das ist kein verdammtes Videospiel. Sie haben hier nur ein Leben.

Gestern hat dieser Officer neben mir einen Befehl gegeben, der einen beklagenswerten Verlust zur Folge hatte. Es war der richtige Befehl, daran gibt es keinen Zweifel. Sie wird diese Verantwortung ihr ganzes Leben lang mit sich herumschleppen. Sie waren nicht dafür verantwortlich. Ich war nicht dafür verantwortlich. Dieser Officer trägt die Verantwortung. Diese Bürde trägt sie allein. Das erkennt man mit diesem Salutieren an. Dass man nicht denken und sich keine Sorgen machen und nicht planen muss. Dass man keine Verantwortung für den Tod eines Kameraden trägt. Dass der Officer daran schuld ist. Sie haben die Aufgabe, Befehle zu befolgen und das Maul zu halten. Sie braucht Ihre Informationen nicht und Ihre Meinung ist keine Hilfe. Sie werden sie nur zusätzlich belasten, und genau das, verdammt noch mal, kann sie überhaupt nicht gebrauchen. Ist das alles angekommen? Die richtige Antwort lautet wie schon eben: ›Ja, Sergeant Major‹.«

»Ja, Sergeant Major«, antworteten sie im Chor.

»Ich kann sie NICHT HÖREN!«

»JA, SERGEANT MAJOR!«

»Hervorragend.« Barney wirkte zufrieden. »Das hätten wir also geklärt. Der Ensign hat mir befohlen, die Oberdecks der Jachten mit einem zweiten Sicherheitsteam zu räumen. Dafür habe ich Sie eingeteilt. Sie werden die Jachten räumen, und Sie werden dabei vorsichtig vorgehen und sich gegenseitig decken. Ist das klar?«

»JA, SERGEANT MAJOR!«

»Ensign, haben Sie noch weitere Informationen für die beiden?«

»Machen Sie Krach, bevor Sie an Bord gehen. Wir haben die Gegend bereits geräumt, daher werden Sie keine Infizierten anlocken. Einer von Ihnen, Hill, hält seine geladene Waffe bereit. Hadley, Sie schreien und brüllen, als wollten sie einen Toten aufwecken. Wenn Sie keine Antwort erhalten, sichern Sie Ihre Waffe und betreten das Schiff. Sehen Sie nach, ob Sie offene Luken finden. Dringen Sie nicht in das Innere der Jacht vor. Bleiben Sie auf den Oberdecks. Verstanden?«

»Ja, Ma’am«, bestätigte Hill.

»Zusammen, der Ensign kann Sie AUCH NICHT HÖREN!«

»JA, MA’AM!«

»Dann hätte ich gern eine Rückmeldung«, forderte Sophia sie auf. »Von Hill. Und ohne das Gebrüll.«

»Die Oberdecks überprüfen, aye. Äh ... Hadley wird rumbrüllen. Ich gebe Deckung. Nicht an Bord gehen, bis wir sicher sind, dass dort keine Infizierten sind. Nur die Oberdecks checken. Ähm ... Ich würde gern eine Frage stellen ...«

»Noch nicht«, fuhr ihm Barney in die Parade.

»Fragen, Anmerkungen, Bedenken?«, fragte Sophia.

»Was sollen wir tun, wenn wir auf eine offene Luke stoßen, Ma’am?«, wollte Hill wissen.

»Melden Sie es«, antwortete Sophia. »Ansonsten fassen Sie Ihre Funkgeräte nicht an, außer um über eine geräumte Jacht zu informieren. Prüfen Sie aber lückenlos, ob es offene Luken gibt.«

»Ja, Ma’am.«

»Hill, Sie übernehmen die Leitung des Teams«, bestimmte Barney. »Sollten Sie noch weitere Fragen haben, und das gilt nur für wichtige und berechtigte Fragen, können Sie mich anfunken und ich werde Ihnen Anweisungen erteilen. Verstanden?«

»JA, SERGEANT MAJOR!«

»Sehr gut«, freute er sich. »Dann mal los, Burschen.«

»Ich möchte mich entschuldigen.« Sophia sah den beiden nach. »Wir haben das mit der Disziplin wirklich auf die lange Bank geschoben. Ich weiß, das war ein Fehler.«

»Die Army und die Navy haben ziemlich unterschiedliche Herangehensweisen an, tja, die meisten Themengebiete, Ma’am.« Sergeant Major Barney seufzte. »Disziplin ist bei beiden wichtig, Ma’am.«

»Bin ich wirklich für Anarchys Tod verantwortlich?«, fragte Sophia traurig.

»Offiziell und rechtlich betrachtet ja, Ma’am. Das ist der schwierige Teil, wenn man einen Offiziersrang bekleidet. Wenn er eine Familie hätte, wäre es Ihre Aufgabe, nicht meine, seinen Angehörigen einen Brief zu schreiben, um sie über die Umstände seines Ablebens zu informieren. Sie haben die Autorität, Ihren Männern zu befehlen, Aufträge durchzuführen, die ich nicht anordnen darf. Ebenso tragen Sie die Verantwortung für den Ausgang dieser Aufträge. Soweit ich das erfahren habe, hätten Sie wenig unternehmen können, um seinen Tod zu verhindern. Sie hatten Ihre eigenen Befehle erhalten, die Boote zu holen. Er starb infolge eines Unfalls, während er diesen Auftrag ausführte. Es wird weitere Todesfälle dieser Art geben, Ma’am. So ist das eben in diesem Metier. Das Meer an sich fordert regelmäßig Leben. Das ist einer der Gründe, weswegen ich bezweifle, dass der Einsatz eines Teenagers als Officer ein besonders geschickter Schachzug ist. Es ist eine schreckliche Last, die Sie zu tragen haben. Andererseits leisten Sie wirklich gute Arbeit.«

»Vielen Dank.« Es war Sophia anzusehen, dass sie über seine Worte nachdachte. Dabei beobachtete sie Hill und Hadley, die zögerlich bei einer der Jachten an Bord gingen.

»Wenn ich noch etwas hinzufügen dürfte, Ma’am. In Ihrer Position müssen Sie sich angewöhnen, derartige Gedanken aus Ihrem Gedächtnis zu verbannen. Ich habe die Aufgabe, die Teams zu überwachen und zu gewährleisten, dass jeder seine Aufgabe erledigt, und zwar so, dass dabei vorzugsweise niemand seine Kameraden über den Haufen schießt. Da wir gerade davon sprechen: Ich muss in Kürze das Verteidigungsteam zusammenstellen. Ihr Job, Ma’am, ist es hingegen, alle anderen Gedanken zu verdrängen, die nicht akute Probleme und die kurzfristige Planung betreffen. Sie konzentrieren sich rein auf die Zukunft. Denn das ist etwas, womit ich mich nicht auskenne. Ich habe keinerlei Ahnung, was hier alles schiefgehen könnte.«

»Jacht ist sauber. Batterien leer. Treibstoff. Einige Vorräte. Keine Infizierten. Der Mechaniker arbeitet daran. Er hat wie immer Angst im Dunklen. Was sollen wir als Nächstes machen?«

»Bleiben Sie dran.« Sophia schnappte sich ihr eigenes Funkgerät. »Division, können Sie uns eine weitere Reparaturmannschaft schicken? Wir haben vier Jachten. Bei zweien sind zumindest die Oberdecks sauber. Türen sind verriegelt. Alle brauchen frische Batterien. Over.«

»Away Team, hier Division. Roger, wir treiben einen weiteren Mechaniker für Sie auf.«

»Hill und Hadley sollen die Oberdecks überprüfen«, befahl Sophia. »Einer kann den Mechaniker auf der ersten Jacht unterstützen, der andere den auf der zweiten.«

»Ja, Ma’am«, antwortete Sergeant Major Barney. »Wir brauchen mehr als eine Frequenz. Hill, Sergeant Major, Status.«

»Oben ist alles klar. Die Tür ist zu.«

»Schicken Sie Hadley zurück auf die erste Jacht. Sie bleiben auf der zweiten, also auf der, auf der Sie gerade stehen. Warten Sie einfach dort. Over.«

»Okay ... Roger, Sergeant Major.«

»Ähm ... Sergeant Major, hier Rusty. Da kommt ein Infizierter angerannt ...«

»Kanonenboot«, funkte Sophia und spähte durch ihren Feldstecher. »Der gehört mir.«

»Wie Sie wünschen, Ma’am.« Sergeant Major Barney überließ ihr das Feld. »Wenn ich mir erlauben darf ... Singer-Team. Abwarten. Das Kanonenboot sollte ihn erledigen. Feuern Sie nur auf Befehl.«

»Äh ... Roger, Sergeant Major.«

»Sind wir das Singer-Team?«, fragte Rusty verwirrt.

»Woher zum Teufel soll ich das denn wissen ...«

»Guppy, hier Away Team, over.«

»Away Team, hier Guppy. Ja, kein Problem.«

»Wenn Sie bitte so freundlich wären«, sprach Sophia in das Funkgerät. »Sprengen Sie ihn aus der Umlaufbahn. Anders klappt es nicht.«

»Zielen«, grummelte Chief Schmidt und deutete mit dem Finger auf den Infizierten. Er hielt mehr oder weniger auf direktem Weg auf die Position des Kanonenboots zu. »Wenn Sie ihn nicht gleich mit der ersten Salve treffen, such ich mir einen neuen Richtschützen und Sie werden für den Rest Ihrer Karriere Munition schleppen.«

»Ja, Chief.« Dem Matrosen brach der Schweiß aus.

»Ein Feuerstoß«, erinnerte ihn Schmidt. »Lassen Sie sich Zeit.«

»Ja, Chief.«

»Moment mal. Auf diese Reichweite benutzen Sie das falsche Visier.« Er klappte das Leitervisier hoch.

»Danke.«

»Feuer.«

Der Richtschütze hatte Glück, dass eine Kugel den Infizierten traf.

»Und damit behalten Sie Ihren Job.« Schmidt nahm die Gehörschutzkapseln aus den Ohren. »Vorerst.«

»Danke.«

»Wie ... haben Sie zu antworten?«

»Danke, Chief.« Der Richtschütze schluckte.

»Schon besser.«

»Okay«, murmelte Sophia, als die letzte Jacht den Jachthafen verließ und sich der wachsenden Flottille anschloss. »Jetzt brauchen wir einen fahrbaren Untersatz, um die Stadt zu räumen.«

Nachdem die Jachten geräumt waren, versammelte sich das Team an der Schnittstelle, an der sich die Mole mit dem Ufer vereinte.

»Sehr schön«, kommentierte der Sergeant Major. »Darf ich?«

»Ich bitte darum, Sergeant Major.« Sophia nickte ihm anerkennend zu.

»Nun denn, außer Team Zelenova und Team Singer entfernen alle die Magazine und nehmen die letzte Patrone aus dem Lauf.«

»Sergeant Major?« Rusty hob die Hand. Die 240er hing ihm an einem Tragriemen um den Hals.

»Sie sind hier nicht in der Grundschule, verdammt noch mal«, fluchte der Sergeant Major. »Matrose Steinholtz, wie stellt man ordnungsgemäß eine Frage?«

»Erbitte die Erlaubnis, zu sprechen, Sergeant Major«, erinnerte sich Steinholtz.

»Nun, Matrose. Versuchen Sie es noch einmal.«

»Erbitte die Erlaubnis, zu sprechen, Sergeant Major.«

»Erlaubnis erteilt, Matrose.«

»Äh ... Jetzt hab ich vergessen, was ich fragen wollte ...«

Sophia drehte sich um und presste sich die Hand auf den Mund, um nicht vor Lachen loszuprusten. Stattdessen hustete sie verschämt.

»Verdammte Scheiße ...« Sergeant Major Barney wurde gerade warm.

»Sergeant Major!« Die Ladeschützin hob eilig die Hand. »Bitte um Erlaubnis, zu sprechen, Sergeant Major!«

»Erlaubnis gewährt, verflucht. Es sollte besser wichtig sein!«

»Sind wir das Team Singer, Sergeant Major?«, fragte die Ladeschützin.

»Ach ja.« Rusty ging ein Licht auf. »Das wollte ich wissen ...«

»Ja«, antwortete Sergeant Major Barney und nickte. »Sie und Matrose Bennett bilden das Team Singer. Das war mein Fehler. Singer ist britischer Army-Slang für ein Maschinengewehr. Okay, jeder außer dem Maschinengewehr-Team und Olgas Team ... nehmen Sie die Munition aus den Waffen. Und fragen Sie nicht nach dem Grund. Sie kennen ihn. Okay. Hadley, nehmen Sie die Überbrückungskabel. Steinholtz, Sie tragen die Batterie. Team Zelenova geht voran. Dann der Ensign, Team Singer, Hadley und Steinholtz, meine Wenigkeit und Hill. Ist das klar?«

»Klar, Sergeant Major«, bestätigte Olga.

»Bei diesem Jachthafen gibt es Tore«, sagte Sophia. »Schließen Sie sie, damit wir einen sicheren Rückzugspunkt haben.«

»Ja, Ma’am«, antwortete Barney. »SR Zelenova, auf geht’s.«

Der Grund, weshalb die Infizierten nur sporadisch im Jachthafen aufgetaucht waren, wurde offensichtlich, als sie sich dem Tor näherten. Es gab zwei davon. Das größere Rolltor war abgesperrt. Das kleinere Drehtor wurde von einem kleinen Auto blockiert, das gegen das leicht geöffnete Tor geprallt war und sich dabei überschlagen hatte. Der Wagen hatte sich im Tor verklemmt. Jemand hatte das Fenster auf der Beifahrerseite von innen zertrümmert.

»Yu«, sagte Barney. »Steigen Sie auf das Fahrzeug und sehen Sie nach, wie es auf der anderen Seite aussieht.«

Yu sah sich um. »Da ist nichts, Sergeant Major. Ein paar vereinzelte Wagen. Ich sehe keine Infizierten.«

»Befehle, Ma’am?« Barney richtete die Frage an Sophia. »Räumen wir das Tor oder sollen wir probieren, das andere aufzubekommen?«

»Können wir es denn räumen?«

»Aber natürlich, Ma’am«, versicherte der Sergeant Major.

»Räumen Sie das Tor, Sergeant Major.« Sophia trat zurück.

»Team Singer, stellen Sie das Singer ab. Team Jumper, legen Sie Ihre Ausrüstung ab. Da drüben, wo sie nicht im Weg ist, ihr dämlichen Volltrottel. Team Zelenova, nach außen, alle Richtungen überwachen. Team Hill ... das sind Hadley und Hill ... zur anderen Seite des Fahrzeugs.

Team Singer, zur Motorhaube. Steinholtz, diese Seite, ich stelle mich hierhin. Der Clou dabei ist, dass alle gleichzeitig anheben, aus dem Knien ... Der Befehl besteht aus zwei Kommandos, ›Fertigmachen zum Heben‹ und ›Heben‹. Team, Fertigmachen zum Heben ... Heben! Wir tragen es zum Wasser ... Vorsichtig ...«

Der Fiat 500 wog lediglich 1200 Kilogramm. Sechs Leute in halbwegs guter körperlicher Verfassung konnten ihn ohne Schwierigkeiten hochwuchten. Nachdem sie ihn vom Tor weggetragen hatten, setzten sie ihn auf dem Boden ab.

»Die Schlüssel stecken, Ma’am. Sollen wir ihn auf die Räder drehen und versuchen, ob er anspringt?«

»Die Fahrzeuge, die wir brauchen, müssen etwas größer sein. Sie können ihn aber einfach aus dem Weg schaffen.«

»Geht klar, und das machen wir so ...«

Nach einigen Monaten auf dem Dach wollte der Fiat nicht mehr losrattern, doch jenseits der Tore warteten noch jede Menge verlassene Fahrzeuge auf sie.

»Befehle, Ma’am.« Der Sergeant Major sah Sophia erwartungsvoll an, als der kleine SUV endlich ansprang.

»Die Marines erledigen das gewöhnlich in Zwei-Mann-Teams. Ich bin allerdings nicht der Meinung, dass wir aufteilen sollten. Suchen Sie nach einem Wagen mit Schiebedach und bringen Sie darin das Singer in Position. Er soll vorausfahren. Ich werde dort zusteigen. Dann das restliche Team, zwei in jedem Auto. Warten Sie ...« Sie dachte kurz nach. »Einen Moment. Division, hier Away Team.«

»Away Team, hier Division.«

»Wir können diesen Jachthafen sichern. Es gibt Tore und man kann sie schließen. Fordere zusätzliche Unterstützung zur Übergabe der Flüchtlinge am Tor des Jachthafens an. Wir übernehmen die Stadt. Over.«

»Roger, Away Team. Wir kümmern uns darum. Wir entladen das Sicherheitselement von der Guppy, um das Tor zu halten, over. Außerdem überprüfen wir die Treibstoffvorräte. Eine der Jachten hat einen fast leeren Tank.«

»Danke, Division, Seawolf out. Okay, damit haben wir eine sichere Position, auf die wir bei Bedarf zurückfallen können. Wir bewegen uns als Gruppe vorwärts. Wenn wir auf Überlebende stoßen, schicken wir sie mit Zwei-Mann-Teams zurück. Klingt das vernünftig?«

»Hört sich vernünftig an, Ma’am«, bekräftigte Sergeant Major Barney. »Okay, hört zu, wilder Haufen ...!«

»¡Hola!«, rief Sophia, als ein ausgehungerter Mann aus der Wohnanlage schlurfte. Olga und Yu stützten ihn. »¡Buenos días!«

»Buenos días, verdaderamente«, entgegnete der Mann. »¡Bendice a la Armada de los Estados Unidos!«

Ihn begleiteten vier weitere Flüchtlinge, jeder dünn wie ein Johannisbeerstrauch. Das traf allerdings auf die meisten Menschen zu, die sie auflasen. Die Apokalypse ließ alle anderen Diäten alt aussehen.

»Saludos a los residentes de las Islas Canarias«, erwiderte Sophia. »Sergeant Major?«

»Hill, Hadley, bringen Sie diese Leute zurück zum Jachthafen, dann kommen Sie nach.«

»JA, SERGEANT MAJOR.«