16

Me that ’ave watched ’arf a world

’Eave up all shiny with dew,

Kopje on kop to the sun,

An’ as soon as the mist let ’em through

Our ’elios winkin’ like fun –

Three sides of a ninety-mile square,

Over valleys as big as a shire –

»Are ye there? Are ye there? Are ye there?«

An’ then the blind drum of our fire ...

An’ I’m rollin’ ’is lawns for the Squire,

Me!

Chant Pagan, Rudyard Kipling

Faith sah vom Computer auf, da es an der Tür geklopft hatte, und dachte über das Geschriebene nach. Sie hatte einen Arsch voll Hausaufgaben an der Backe und musste diesen verschissenen Bericht fertig tippen.

»Es ist offen«, rief sie nach einem Augenblick.

Die Boadicea stank mittlerweile nicht länger nach verwesenden Zombies. Es roch wie in einem Krankenhaus. Überall hingen dicke Schwaden Desinfektionsmittel in der Luft.

In ihrer Kabine hatte ein Zombie gelegen. Das wusste sie nur, weil kein Teppich mehr da war. Stattdessen hatte man dicke Läufer, aus Persien oder so, ausgebreitet. Sie sahen hübsch aus. Der Rest der Kabine, mit Ausnahme einiger kleinerer Einrichtungsgegenstände, glich ihren Vorstellungen einer Kabine auf einem Kreuzfahrtschiff. Vor der Seuche war sie noch auf keinem gewesen und sie hatte nicht vor, jemals den Fuß auf eins zu setzen, selbst wenn jemand einen Knopf drückte und die Welt in ihren ehemaligen Zustand zurückversetzte. Allerdings gab es hier ein großes Bett, noch größer als das auf der Alpha, und ein wirklich tolles Bad. Eine geräumige Dusche und eine Wanne, die sie schon mehr als einmal ausgiebig genutzt hatte. Nicht ganz so nobel wie auf der Alpha, aber die Armaturen waren zumindest noch die Originale.

Eine Woche Räumung lag hinter ihr. Faith wusste nicht genau, wie Captain Wilkes es hingebogen hatte, aber sie war den Kabinenbereichen des Super-Max nicht einmal nahe gekommen. Sie hatte nur den Rumpf des Schiffes zu Gesicht bekommen. Die sattsam bekannten Vorratskammern und das Zombiechaos. Für einige Leute wäre das vielleicht eine Bestrafung gewesen. Sie empfand es hingegen als Erholung. Ab einem gewissen Zeitpunkt gab es nicht mehr viele Zombies, und sie hatten immerhin Überlebende gefunden.

Faith hatte an der Wellnesscenter-Räumung teilgenommen. Sie waren die Aufgabe mit jedem verfügbaren Marine angegangen, postiert an verschiedenen neuralgischen Zugangspunkten. Es hatte ziemlich viele überlebende Infizierte gegeben, aber nach nur zehn Minuten war alles vorbei gewesen. Kein einziges Gedränge. Faith verspürte fast so etwas wie Enttäuschung. Doch es handelte sich um die ›professionelle‹ Art, die Sache durchzuziehen. Mit der Zeit lernte sie diese Art von Professionalität sogar zu schätzen.

Die Hausaufgaben schmeckten ihr deutlich weniger. Captain Wilkes hatte Bücher für sie besorgt, mit denen sie lernen sollte. Es waren nicht nur Handbücher der Marines, Gott bewahre! Mathe, Naturwissenschaft, Englisch. Chemie. Pfui Teufel! Dazu noch wöchentliche Prüfungen. Darüber hinaus ließ er sie sämtliche Platoon-Berichte schreiben und zu allem Überfluss fügte er hinterher sogar noch Anmerkungen hinzu. Er hatte ihr unter anderem ein Wörterbuch und ein Synonym-Lexikon gegeben und bei Rückgabe ihres ersten Berichts gefordert, sie dürfe keine Worte mit mehr als zwei Silben verwenden. Schlimmer als in der Kack-Schule. Und in der großen Pause tötete sie eben Zombies, statt mit anderen Kindern auf dem Schulhof zu spielen.

»Hey, wie steht’s mit dem Bericht?«, fragte Wilkes.

»Alles bestens, Sir.« Faith stand stramm.

»Weitermachen.« Wilkes trat ein und schaute ihr über die Schulter. »Ich würde sagen, dass es ›alles bestens‹ ziemlich gut trifft, Lieutenant. Sie stecken nicht beim ersten Satz fest.«

»Ich habe den Bericht von Lieutenant Fontana gelesen, Sir. Und ich wollte bessere Möglichkeiten finden, das auszudrücken, was ich ausdrücken möchte, Sir. Übrigens ... Sir, was genau ist ein ›Aktionsplan‹?«

»Als Aktionsplan wird jeder Plan bezeichnet, bei dem direkte Handlungen eine Rolle spielen, Lieutenant. Direkte Kampfhandlungen. Als Sie mir erklärt haben, dass ich mich darauf vorbereiten soll, mir den Weg durch die Zombies frei zu schießen, immer wieder, und dass ich meine Schüsse so platzieren soll, dass sie ohne Abpraller durch die Luke gehen, das war ein Aktionsplan.«

»Und ein Schlachtfeldvorbereitungsplan, Sir?«

»An der Tür anklopfen und sicherstellen, dass die Zombies wach sind. Sie bereiten das Schlachtfeld vor, um Ihre eigenen Stärken, den Beschuss durch die kinetischen Projektile, zu optimieren, und die Stärken der anderen, das Gefecht im direkten Nahkampf, zu schwächen.«

»Es ist also ein anderer Begriff für ›Lockt sie in unsere Killzone und lauft nicht in ihre rein‹, Sir?«

»Das ist eine alternative Art, es auszudrücken. Ihr Vater kennt sich mit Geschichte bestens aus. Das ist nützlich, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber er hat die Angewohnheit, auf Formulierungen zurückzugreifen, wie man sie eher in einer Besprechung, nun ja, der Operation Overlord benutzt hätte.«

»Das ... war am D-Day. 6. Juni 1944.«

»5. und 6. Juni, um genau zu sein. Wundert mich nicht, dass auch bei Ihnen etwas von diesem Wissen hängen geblieben ist.«

»Datumsangaben sind für mich trotzdem der Horror, Sir. Da gibt es allerdings eine Band, Sabaton, die haben einen ziemlich coolen Song darüber geschrieben.«

»Okay.« Wilkes schmunzelte. »Warum überrascht mich das nicht? Lieutenant, der Bericht kann warten. Es wird Zeit für ein wenig praktische Ausbildung.«

»Ja, Sir.«

»Begleiten Sie mich.« Wilkes winkte sie aus dem Zimmer.

Sie verließen die Kabine, liefen den Gang entlang und erreichten eine der, wie sich Faith erinnerte, ›großen‹ Kabinen. Ein verdammt luxuriöses Teil.

»Aha, die ist für die hohen Tiere reserviert?«, fragte sie.

»Wir haben derzeit nicht viele davon.« Wilkes ließ den Schlüssel um den Finger kreisen. Als er die Tür öffnete, hörte Faith das Lachen von Menschen. »Deswegen haben wir sie uns schnell unter den Nagel gerissen. Ich habe eine schriftliche Begründung eingereicht. Sie wurde akzeptiert.«

Fontana, Lieutenant Volpe, Janu und der Gunny saßen an einem Tisch und spielten Poker. Vor der Schottwand hatte jemand eine Bar eingerichtet und Snacks hingestellt.

»Wir sind einfach nicht genug Leute, um einen klassischen Offiziersclub zu gründen«, erklärte Wilkes. »Deshalb dürfen auch niedere Ränge mitmischen.«

»Der Mitgliedsbeitrag wird eingetrieben, indem wir uns die Sachen zusammenschnorren. Schuldet dir Seawolf noch einen Gefallen?« Fontana sah sie fordernd an.

»Zählt, dass sie meine Schwester und eine Nervensäge ist?«, hielt Faith dagegen.

»Ich hab ein wenig Eistee aufgetrieben, LT.« Janu holte ein Tetrapak aus dem Kühlschrank.

»Wir spielen ohne Einsatz«, betonte Wilkes. »Alles andere wäre gegen die Vorschriften. Wir genießen hier ein Kartenspiel unter Kameraden, bei dem zufällig einige Gegenstände ohne besonderen Wert auf dem Tisch stehen. Nur zum Zwecke der allgemeinen Begutachtung.«

»Jeder Cent ist ein Dollar«, rief Fontana dazwischen. »Wird auf die Lohnnachzahlung angerechnet.«

»Wir werden bezahlt?«, wunderte sich Faith.

»Irgendwann, unter der Annahme, dass sich jemals wieder ein Wirtschaftssystem ausbildet«, philosophierte Wilkes. »Wir sollten bezahlt werden. Armeen, die nicht bezahlt werden, gehen zwangsläufig zugrunde, oder es kommt zu einer Revolte. Wir Marines sind keine Revoluzzer. Und mit Zugrundegehen haben wir’s auch nicht so.«

»Ich schätze, im Augenblick werden wir mit Schnaps, Essen und Beute entlohnt«, meldete sich Januscheitis zu Wort. »Und damit macht man Marines schon lange glücklich.«

»Dann tauscht ihr die Beute bei den Schlampen auf der Money for Nothing ein und habt all eure Bedürfnisse abgedeckt«, schlussfolgerte Faith.

»Olga ist keine Schlampe«, sagte Volpe fromm. »Und wir pflegen eine rein intellektuelle Freundschaft.«

»Jetzt weiß ich endlich, wo Sie Ihr Gehirn haben, Mike«, spottete Wilkes.

»Ich habe ein Problem damit, dass unser Lohn auf Plünderungen beruht«, maulte Gunny Sands. »Das zerstört die Disziplin.«

»Da stimme ich voll und ganz zu.« Fontana nickte. »Und das kommt jetzt von einem Special-Forcer. Das Problem gab es früher schon mal. Wenn die Jungs mehr drauf achten, was sie sich als Nächstes unter den Nagel reißen können, als ihre Arbeit zu erledigen ... kann das böse enden.«

»Vor allem, wenn ein Officer Kleider shoppen geht«, merkte Faith an. »Das war ein wirklich schlimmer Ausrutscher von meiner Seite.«

»Da bin ich mir nicht so sicher, Faith«, widersprach Januscheitis. »Das ist eine dieser Sachen, aus denen Legenden geboren werden. So sind Sie eben, LT. Für uns war das ein echter Brüller. Im Übrigen sind die Infizierten nicht mal besonders dicht rangekommen.«

»Trotzdem geht das mit dem Plündern nicht«, sagte der Gunny. »Generell.«

»Die einzige Methode, wie wir zu einem verfügbaren Einkommen kommen, Gunny ...«, sagte Januscheitis, »... sind meiner Meinung nach Vorschriften, die das regeln. Außerdem plündern wir nicht, sondern bergen.«

»Bergungen sind was anderes, St... Januscheitis.« Gunny Sands knirschte mit den Zähnen. Sie hatten sich auf die Maxime ›Kein Rang nach Feierabend‹ geeinigt.

»Gunny, bei allem Respekt, in diesen Städten sind alle tot, okay? Niemand wird es je erfahren, wenn wir uns ein paar Sachen aus den Häusern nehmen, und ihre Verwandten werden damit ebenfalls kein Problem haben, weil sie auch tot sind. Natürlich bin ich nicht glücklich darüber, mich wie ein Leichenfledderer zu verhalten, Gunny. Doch es ist nun mal so, wie Miss Faith sagt: Wir haben kein anderes verfügbares Einkommen.«

»Ich schätze, wir müssen bei der Kommandantur auf eine andere Regelung drängen. Es muss doch ein besseres System geben.«

»Ach, warum denn?«, fragte Volpe. »Auf diese Weise sichert sich jeder Nahrung, Kleidung und eine Unterkunft.«

»Und wie sichert man sich besseres Essen, bessere Anziehsachen oder ein besseres Dach über dem Kopf?«, sagte Wilkes. »Dafür brauchen wir klare Prinzipien.«

»Herrgott«, grummelte der Gunny. »Ehe man sichs versieht, gibt es dann wieder Banker und Darlehen und Pfandhäuser.«

»Es gibt schon Pfandhäuser, Gunny«, klärte ihn Januscheitis auf. »Zumindest Orte, an denen man seine Beute gegen anderes Zeug eintauschen kann. Hochwertigere Sachen, besseren Schnaps.«

»Boote wie das meiner Schwester«, fügte Faith hinzu. »Sie sind voll mit Alkohol. Und Vorräten. Einen Teil davon laden sie ab, aber die guten Sachen behalten sie für sich. Das ist für mich ein klarer Fall von Plünderung. Man kann die Beute jederzeit gegen Kleider eintauschen. Oder, klar, bessere Kleidung. Nur weil ein Mädchen etwas umsonst bekommt, heißt das noch lange nicht, dass sie sich nicht etwas Besseres wünscht. Okay, wieder ein schlechtes Beispiel.«

»Was machen sie eigentlich mit den ganzen Kleidern?«

»Sie haben es noch nicht bekannt gegeben, aber die Marines dürfen sich zuerst etwas für den Ball aussuchen.« Wilkes zwinkerte ihr zu. »Für ihre Begleiterinnen, möchte ich hinzufügen. Wenn ein Marine in einem Kleid auf dem Ball auftaucht, werfen wir ihn raus.«

»Na, vielen Dank«, beschwerte sich Faith. »Soll ich etwa MarPat tragen?«

»Ich meinte damit die männlichen Marines.« Wilkes seufzte. »Ich gebe auf. Ihr wisst, wie ich’s meine. Man bekommt einen Gutschein für ein Kleid, und den kann man seiner Begleiterin schenken. Ein Kleid. Einige davon werden zurückgehalten. Aber aus den anderen darf man sich eins aussuchen.«

»Ich stelle mir gerade vor, wie sich die Frauen darum prügeln.« Januscheitis grinste breit.

»Da wir gerade davon sprechen«, fuhr Fontana dazwischen. »Miss Faith: Haben Sie schon einen Begleiter für den Marine-Corps-Ball?«

»Um dieses Thema auf professioneller Ebene zu behandeln«, glättete Wilkes die aufbrandenden Wogen, »als Officer, Miss Faith, muss Ihr Begleiter entweder ein Officer oder ein Zivilist sein. Kein nieder Rang. Und niemand aus Ihrer Befehlskette.«

»Ich würde Sie liebend gern auf den Ball begleiten, Lieutenant Fontana«, säuselte Faith. »Da Mike diese russische Schl... Lady, Olga, ausführt, muss ich mich zwischen Ihnen und meiner Schwester entscheiden.«

»Hey, Olga ist eine nette Schlampe«, verteidigte sich Mike.

»Das stimmt, Mike«, lachte Faith. »Ich wollte Sie nur aufziehen. Und darum kommt Tom zum Zug. Nun ja, weil er kein Marine ist.«

»Ich bin daran gewöhnt, der Außenseiter zu sein«, sagte Fontana. »Im RC East ist man ziemlich einsam. Es freut mich allerdings, dass Sie das Angebot annehmen. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt.«

»Da bin ich mir sicher.« Faith klimperte mit den Wimpern. »Aber ich muss Sie enttäuschen, ich werde Sie nicht flachlegen. Ich nehme ein Messer mit.«

»Gehen Sie jemals ohne aus?«, scherzte Volpe.

»Niemals.« Faith zog ihr Kampfmesser aus der Scheide. »Bitte sehr.«

»Sieht so aus, als wartet bald ein Ausflug zur Money auf mich.« Januscheitis blickte sich hektisch nach allen Richtungen um. »Wenn man bedenkt, wie schnell sich unsere LT einverstanden erklärt hat, müsste ich im Handumdrehen eine Begleiterin haben.«

»Ich sehe es schon vor mir.« Faith kratzte sich mit dem Zeigefinger an der Schläfe. »Die Marines ziehen durch den Hafen und winken mit ihren Gutscheinen. ›Wer will ein Original aus Paris? Es gibt eine Besetzungscouch ...‹ Mann, Mann, Jungs. Wie soll das bloß enden?«

»Es gibt eine lange Version«, sagte Fontana. »Und es gibt eine kurze. Welche wollen Sie hören?«

»Sie klingen wie mein Vater. Die Langfassung kenn ich schon. Dad hat sie mir in den verschiedensten Versionen kredenzt, und jedes Mal wurde er etwas deutlicher. Es fing an, als ich zehn war. Die Gene sind egoistisch. Die Männer sind Raubtiere, die Frauen sind bieder. Männer wollen mit möglichst vielen Frauen schlafen und achten nicht so sehr auf die Qualität. Dabei ist das die einzig vernünftige Art, seine Gene weiterzugeben, wenn es wirklich zur Fortpflanzung kommt. Frauen wollen einen einzigen Mann, und zwar den besten. Ich kann noch weiter in allen Einzelheiten darüber plaudern, wenn Sie wollen. Mit ausschweifenden Gesten und einem Diagramm, wenn mir jemand ein Whiteboard besorgt.«

»Ich glaube, da verzichten wir lieber«, wiegelte Wilkes ab. »Vielen Dank, Faith.«

»Haben Sie schon mal erlebt, dass es ein Zombie darauf abgesehen hat?«, fragte Faith. »Ich schon. Bin mir nicht sicher, ob ich darauf scharf bin, danke.«

»Schneller Themenwechsel, bevor das Gespräch endgültig entgleist«, beschloss Fontana. »Ich finde, die Operation Wellnessbereich war heute ein voller Erfolg.«

»Klar, in Rekordzeit geräumt«, stimmte Faith zu. »Aber kein einziges Gedränge. Fast schon enttäuschend.«

»Bin mir da nicht so sicher«, schränkte Janu ein. »Tut mir leid, Sir. Die Sache mit den vielen Zugängen war ... Wir haben uns beinahe gegenseitig abgeschossen. Ich denke, mit einem einzigen Einstiegspunkt wäre es besser gelaufen. Und mit einem Strahler.«

»Einerseits ja, andererseits nein.« Janu konnte sich nicht entscheiden. »Mit Hadschis wäre es wahrscheinlich zu einem Albtraum ausgeartet. Aber das Laserzielsuchgerät von euch Marines arbeitet ziemlich zuverlässig. Trotz der geringen Reichweite.«

»Da bin ich ganz anderer Meinung«, warf Gunny Sands ein. »Diese verschissene Treffsicherheit geht bei der kurzen Entfernung den Bach runter. Wir brauchen Zeit, um die Marines auf größere Entfernung ins Gefecht einzuklinken. Vorzugsweise ein KD. Drei.«

»Typisch Marine Gunny.« Fontana lachte. »Ein Schuss, ein Kill, sonst war’s kein Erfolg.«

»Und das Problem dabei wäre?«, wollte Sands wissen.

»Barbie-Knarren.« Faith sah sie der Reihe nach an. »Außer bei einem Kopfschuss reißt eine Barbie-Knarre keinen Zombie um, Gunny, ein Schuss, ein Kill, selbst mitten durchs Herz. Sie bluten nur etwas mehr. Manchmal brauche ich bei meinen Hadschis zwei oder drei Kugeln. Ich weiß nicht, wann wir auf große Reichweite kämpfen werden. Sogar beim Räumen der Städte kämpfen wir meist auf Distanzen von unter 100 Metern. Okay, wir sollen Gitmo räumen. Dort könnte es einige Bereiche geben, bei denen wir mehr als 100 Meter weit schießen müssen. Keine Ahnung. Aber dafür haben wir unsere MGs, richtig? Die meiste Zeit werden wir das tun, was wir schon gewohnt sind. Ich meine, was werden wir auf dem Festland räumen, wenn wir jemals dort ankommen?«

»Denken Sie, dass wir auf dem Kontinent räumen werden?« Wilkes klang skeptisch. »Das wäre ... Nun ja, sie würden uns überrennen.«

»Dad äußert sich nicht darüber, was nach Gitmo geplant ist. Aber sein Ziel lautet, die Vereinigten Staaten zu räumen und sich danach auf Europa und Asien zu konzentrieren. Wie er das durchziehen will, weiß ich nicht. Er will es mir nicht verraten. Er weiß allerdings, dass es auf der ganzen Welt nicht genug Kugeln gibt, also können wir nicht einfach bum-bum eine Fantastilliarde Zombies abknallen. Als ich ihn fragte, ob wir sie einfach alle erschießen wollen, antwortete er: ›Dazu gibt es nicht genug Munition. Aber mit dieser Frage beschäftigen wir uns, wenn es so weit ist.‹«

»Vielleicht mit mechanischen Waffen?«, schlug Fontana vor.

»Das könnte in den Hafenstädten klappen«, sinnierte Wilkes. »Weiß jemand, wie es da läuft?«

»Shewolf warnt davor, in den Südhafen zu fahren«, meinte Volpe. »Die Haie faulenzen mit vollen Bäuchen an der Oberfläche, sagt sie, und selbst die Seemöwen hocken dort einfach auf den Leichen herum.«

»Klingt ja zum Kotzen!«, erklärte Jan.

»So oder so, Dad wird noch eine Menge räumen lassen. Gebäude, Wolkenkratzer ...«

»Bei der Vorstellung, einen Wolkenkratzer zu räumen, bin ich erst mal zusammengezuckt«, gab Januscheitis zu. »Aber dann wurde mir klar, dass so ein Super-Max im Prinzip auch einer ist. Der einzige Unterschied besteht darin, dass er auf der Seite liegt.«

»Und genau deswegen sollte dir der Gedanke Sorgen machen«, fand Fontana. »Denn auf der Welt gibt es deutlich mehr Hochhäuser als Super-Max-Kreuzfahrtschiffe.«

»Okay, langsam ahne ich, worauf es hinausläuft.« Wilkes biss sich auf die Unterlippe. »Gottverdammte Scheiße. Wie soll man bloß New York räumen?«

»Fuck.« Jan schloss die Augen und ließ den Kopf hängen. »Lieber fick ich ’ne tote Ente. Dazu brauchen wir eine Menge Marines. Das ist wirklich ein Job für ein ganzes Bataillon. Wie viele Bats braucht man wohl, um New York zu räumen?«

»Nun, eins steht jedenfalls fest, Miss Faith«, erklärte der Gunny. »Sie brauchen Platz zum Schießen. Das ist eine Grundvoraussetzung für einen Marine. Man muss die Kugeln ins Ziel bringen können. Egal welche Art von Munition man verwendet.«

»Stimmt, Gunny«, pflichtete Faith bei. »Ich frage mich nur gerade, ob es eine gute Idee ist, sich auf Entfernungen von 500 oder 1000 Metern einzulassen. Nun ja ... Sophia ist eine echte Koryphäe am Scharfschützengewehr. Wusstet ihr das?«

»Nein.« Wilkes lehnte sich zurück.

»In ihrem Alter hat sie bereits an Scharfschützenwettbewerben teilgenommen. Aber wenn 20 Zombies auf sie zukommen, schießt sie höchstens fünf davon über den Haufen. Vielleicht auch nur drei. Ich schaffe locker 15. Ich habe an Tac-Wettbewerben meiner Altersstufe teilgenommen. Auch an Zombie-Tac-Turnieren. Ich besaß tatsächlich schon vor der Apokalypse so eine Barbie-Knarre. Na ja, gehört hat sie meinem Dad, aber ich hab sie als Einzige benutzt. Ganz süß, so mit Haltepunkt und 100 Schuss Beta C. Ich hab bei den Zombieturnieren ganz schön abgeräumt, ausschließlich mit Kopfschüssen unter 50 Metern. Andererseits bewegten sich diese Zombies echt langsam, drängten sich nicht aneinander vorbei und wackelten auch nicht mit dem Kopf. Außerdem gingen sie nach einem Schuss zu Boden. Ich hab erlebt, wie Infizierte selbst nach einem Kopfschuss mit einer Barbie-Knarre weiter in meine Richtung kamen.«

»Wo ist diese Barbie-Knarre?«, erkundigte sich Fontana.

»Zu Hause im Tresor. Wir haben damals nur mitgenommen, was wir brauchten, nicht alles, was wir besaßen. Wahrscheinlich ist später irgend so ein Spasti eingebrochen und hat sie sich geschnappt. Die Leute in der Gegend wussten, dass es in unserer Familie mehrere Schützen gab. Es ist so ... Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, Gunny. Sie wollen, dass die Marines zielgenau schießen. Ich will, dass die Marines die Zombies in den Lagerräumen und Korridoren niederknallen, schnell und zielgenau.«

»Im Gegensatz zu gewissen Piloten.« Lieutenant Volpe grinste.

»Okay, diesmal geht der Punkt an mich.« Wilkes lächelte ebenfalls. »Ja, ich bin Pilot, okay? Aber geben Sie mir eine Seacobra und eine 20er und ich zeig Ihnen, wer hier der Boss ist, Mike.«

»Aye, aye, Captain Pilot, Sir.« Volpe salutierte.

»Ich frag mich, ob das der Plan ist«, orakelte Fontana.

»Was?« Faith kapierte nicht auf Anhieb, was er meinte.

»Dein Dad hat angedeutet, dass er einen Piloten braucht. Ich weiß noch, dass er beim Räumen der Iwo regelrecht angefressen war, dass es in den Pilotenquartieren keine Überlebenden gab.«

»Das hätten Sie nicht erwähnen müssen, Tom.« Wilkes wirkte bedrückt. »Das waren meine Freunde.«

»Sorry, Sir«, entschuldigte sich Fontana. »Aber er war praktisch ganz versessen darauf, Piloten zu finden. Heli-Piloten. Also ... vielleicht will er mit einem Helikopter rumfliegen und sie mit 20ern wegblasen, wenn sie sich als Horde zusammenrotten.«

»Oh, bitte, Gott im Himmel, ja«, betete Wilkes. »Wenn es einen gütigen Gott gibt, ja.«

»Da sind nicht genug 20er in einem LHD«, erinnerte ihn der Gunny. »Nicht mal in einem Pre-Po. Nicht für das ganze Festland.«

»Es wäre cool, wenn wir ein Pre-Po finden.« Volpe rieb sich die Hände.

»Ein Pre-Po?« Faith hatte den Begriff noch nie gehört.

»Ein Unterstützungsschiff, das man irgendwo positioniert«, erklärte Fontana. »Im Prinzip ein stinknormaler Frachter zum Be- und Entladen, ein Vorratslager, vollgestopft mit lauter schönen Sachen.«

»Da ist das ganze Material drauf, das man für eine Marine Expeditionary Unit und 30 Tage Gefecht braucht.« Wilkes gab sein Wissen zum Besten.

»Nicht übel.« Faith nickte. »Nur ... wo finden wir eins von den Dingern?«

»Norfolk«, sprang Sands ein. »Da lag eins vor Anker und es war nicht vorgesehen, es zu verlegen. Oder Blount Island, da werden die MPF-Schiffe be- und entladen. Eigentlich gibt es auf der Iwo mehr als genug Munition und Vorräte angesichts der wenigen Marines, die wir aktuell haben.«

»Damit sind wir wieder beim Schießtraining«, sagte Faith. »Klar, ihr werdet auf Genauigkeit geschult. Aber beim Entern braucht man Leute, die nicht nur exakt, sondern auch schnell möglichst viele Kugeln ins Ziel bringen. Und das zumeist auf kurze Entfernung. Das ist was ganz anderes als ›Hast du mitten ins Schwarze getroffen?‹.«

»Das ist noch nicht alles«, merkte Jan an. »Wir wurden im Entern und Räumen ausgebildet. Ziemlich gut sogar. Aber es fehlt uns trotzdem an Routine. Außerdem müssen wir in schwerer Ausrüstung trainieren, damit wir uns an das zusätzliche Gewicht gewöhnen.«

»In Ausrüstung mit Gewichten dran«, murrte Gunny Sands. »In überschwerer Ausrüstung. Je mehr man schwitzt, desto weniger blutet man.«

»Gunny, wir müssen wirklich dafür sorgen, dass Sie mal flachgelegt werden.« Volpe grinste, dann zog er den Kopf ein und sah zu Faith hinüber.

»Hey, seht nicht mich an!« Sie hob abwehrend die Hände. »Hallo? Ich bin 13!«

»Ich glaube, so hat er das nicht gemeint«, glättete Fontana die Wogen.

»Ich hänge seit meiner Kindheit mit Jungs rum.« Faith hob die Schultern. »Das war ganz okay. Wir haben Ball gespielt. Ich drohte damit, sie zu küssen, und sie rannten davon wie der Teufel. Dann reden sie plötzlich nur noch über Pu... Mädchen. Ich mein, was geht da ab? Hab ich was verpasst? Aber machen Sie sich um mich keine Sorgen. Wenn Sie was erwähnen, das ich nicht hören will, erzähl ich Ihnen einfach, wie das so ist, wenn man von einem Haufen Zombies zu Boden gerissen wird. Das ist echt ätzend, klar ...?«

»Okay, okay.« Volpe sah seinen Fehler ein. »Wir geben uns geschlagen.«

»Gut, dass wir das geklärt haben.« Der Gunny atmete durch. »Und zu Ihrer Information, Lieutenant, ich bin verheiratet.« Er zeigte ihr seinen Ehering. »Und ich betrüge meine Frau nicht im Einsatz.«

»Tut mir leid, Gunny«, entschuldigte sich Volpe, als sich alle verstohlen umblickten. All ihre Angehörigen waren in Lejeune, mittlerweile eine Zombiestadt. »Hatte ich vergessen.«

»Ist schon in Ordnung«, sagte Gunny Sands. »Ich hoffe nur, wir haben die Sache bald hinter uns. Ich freu mich auf ein kühles Bier zu Hause.«