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O makin’ mock o’ uniforms that guard you while you sleep
Is cheaper than them uniforms, an’ they’re starving cheap;
An’ hustlin’ drunken sodgers when they’re goin’ large a bit
Is five times better business than paradin’ in full kit.
Tommy, Rudyard Kipling
»Captain?« Captain Wilkes streckte seinen Kopf in die Kajüte. »Man hat mir gesagt, Sie wollten mich unmittelbar nach der Räumung sehen.« Der Captain trug keine Zombieausrüstung mehr, aber noch immer die gleiche Uniform. Und die war ziemlich schmuddelig.
»Setzen Sie sich, Milo.« Steve deutete auf einen Stuhl. »Sie werden so bald nicht wieder fliegen. Trinken Sie gern, Captain? Und was? Bourbon, Scotch ...«
»Scotch, Sir.« Wilkes setzte sich.
»Laut einem Bericht, den ich kürzlich gelesen habe, hat meine Tochter Sophia insgesamt 286 kleine Wasserfahrzeuge geräumt ...«
»Ach du liebe Güte.« Wilkes konnte es kaum glauben. »Wo sind die denn alle hergekommen, Sir?«
»Im Grunde genommen hat sie meine Frau aufgestöbert, Captain.« Steve lächelte. Er hatte eine Flasche aus der Schublade gezogen und goss den Inhalt in zwei Gläser, eins davon drückte er Wilkes in die Hand. »Ich halte sie wirklich für ausgezeichnete Mädchen. Die Sache ist die, dass jeder bei einer Evakuierung Schnaps mitnimmt. In dieser Hinsicht war ich etwas nachlässig. Offenbar hätte ich lieber 200 Jahre alten Brandy einpacken sollen, statt Waffen und Munition. Wer hätte das wissen sollen? Aber die reichen Leute mit den teuren Jachten, die damit aufs Meer fuhren, haben sich mit ziemlich gutem Fusel versorgt. Und aus Erfahrung weiß ich, dass man nach dem ersten Tag einer Räumung in den Eingeweiden eines Super-Max-Kreuzfahrtschiffs einen Drink vertragen kann. Cheers.«
»Semper fi, Sir.« Wilkes nippte. »Gott, ist der gut.«
»In einer Viertelstunde halten wir eine Besprechung über die erzielten Fortschritte ab. Es ist keine offizielle Versammlung, sondern eine Nachbesprechung, speziell für Sie. Es wird Zeit, dass Sie den Kopf freibekommen und wirklich offen reden können. Der erste Kommentar wäre wahrscheinlich so etwas wie ›Gütiger Gott‹, wie Sie es schon gesagt haben, oder möglichweise auch ›Heiliger Jesus‹.«
Wilkes lehnte sich zurück und legte eine Hand über den Mund. Er dachte unmissverständlich nach.
»Wie wäre es mit ›Heilige gequirlte Dreifachscheiße‹, Sir? Als ich mir die Einsatzbefehle durchlas, dachte ich zuerst: Das soll ich mit 30 Marines durchziehen? Mein zweiter Gedanke lautete: Es ist vollkommen unmöglich, dass das jemand mit vier Leuten geschafft hat. Das ist ein Einsatzbefehl für ein ganzes Bataillon. Ich will damit sagen, Sir, ich glaubte wirklich ...«
»Wir hätten uns das ausgedacht?« Steve prustete los. »Es gab jede Menge Leute, die dieser Meinung waren, Captain. Das kränkt mich nicht, aber ...«
»Das ist keine Sache, bei der man einfach zu jemandem hingeht und sagt: ›Du lügst mich doch an‹, Sir. Das war sogar noch, bevor ich eigenhändig an die Arbeit gegangen bin und merkte, was da wirklich abgeht. Als ich dann selbst geräumt habe ... da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt, Sir.«
»Fragen Sie sich immer noch, ob wir ...?«, hakte Steve nach. »Ich bin neugierig, nicht wütend.«
»Nein, Sir. Sir, ich habe das Video gesehen, logisch. Mit Shewolf zu arbeiten ist noch mal was ganz anderes. Ich bin Pilot. Wir kennen die Sache mit dem motorischen Gedächtnis und wissen, was nötig ist, um es zu entwickeln. Ihre Tochter, Sir, bekämpft die Zombies mit einem Muskelgedächtnis, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe.«
»Sie bekämpft sie im Schlaf.«
»Das ist der nächste Punkt auf der Liste, Sir. Sie braucht eine Pause. Das ist meine offizielle Stellungnahme als ihr befehlshabender Officer. Ich glaube wirklich, dass sie die Infizierten im Schlaf bekämpft. In jedem wachen Moment und jede Nacht hindurch, und das bekommt ihr nicht. Ihren Ausraster im Aufenthaltsraum kann ich jetzt viel besser nachvollziehen. Stand in diesem Bericht, den Sie erwähnten, wie viele Stunden sie seit Ausbruch der Seuche im Gefechtseinsatz verbracht hat, Sir?«
»Zählen wir New York mit? Denn da war sie ein regelrechter Zombiemagnet. Nein, daran arbeitet ein anderes Team. Etwa 250 Stunden ›harte Räumaktionen‹, die Sie gerade erledigen, allein auf der Voyage. Eine Woche mit 12-Stunden-Tagen auf der Iwo ...«
»Lieutenant Smith benötigt also dringend eine Auszeit. Erholung und Entspannung. Schwimmen. Einen Strand. Piña Colad... nun ja, sie ist 13, also ...«
»Und sie hat kein Interesse am Saufen. Wenn wir diese Räumung abgeschlossen haben, fahren wir über den Atlantik. Zwei Wochen, mindestens. Ich beabsichtige, auf dem Weg nach Gitmo zu jeder möglichen Bergung zu sausen. Halten Sie diesen Zeitraum für ausreichend?«
»Wahrscheinlich, Sir. Dies ist allerdings eine offizielle Empfehlung, und das nicht nur, weil sie als Ausbilder ein vollkommener Scheißkerl ist, Sir. Das ist tatsächlich ein Kompliment, Sir. Als Ausbilder ist sie ein vollkommener Scheißkerl aus der Hölle.«
»Was halten Sie eigentlich von den aktuellen Verfahren? Eine offizielle Frage.«
»Ich denke, sie sind ... institutionelles Gedächtnis, Sir. Keine wirklich ausgetüftelten SOPs. Und wir brauchen ausgearbeitete SOPs. Einige davon sind hart. Augen zu und durch. Ich weiß, Sie halten mich für einen ... nun ja, für einen regelrechten Militär-DAU, Sir ...«
»Ich bin mir durchaus bewusst, dass sich Methode in diesen Wahnsinn bringen lässt, Captain. Ich habe Faith diesbezüglich schon einen Rat gegeben. Und sie explizit auf die Bedeutung der Einhaltung militärischer Prozeduren hingewiesen. Wenn wir zu unserer Seereise aufbrechen, werden wir erneut Zeit haben, die derzeit gültigen SOPs zu überarbeiten. Was halten Sie davon?«
»Dafür haben wir im Augenblick wirklich keine Zeit, Sir. Ich weiß, warum es derzeit so langsam vorwärtsgeht. Und warum wir so verdammt viele Batterien brauchen. Ich wollte bei diesem Treffen eigentlich zur Sprache bringen, dass wir den Einsatz der Taschenlampen bei der Räumung einschränken sollten, Sir. Aber seit ich selbst geräumt habe, weiß ich, dass das nicht möglich ist. Das Licht reicht jetzt schon kaum aus.«
»Lieutenant Isham hat mich darauf aufmerksam gemacht. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn gern auf eine Räumung mitnehme, damit er selbst erlebt, wie es dabei zugeht. Es ist allerdings interessant, dass Sie ebenfalls darauf zu sprechen kommen. Vor allem, da Sie das gleiche Thema angeschnitten haben, aber inzwischen anderer Auffassung sind. Ich werde bei dem Meeting etliche Aspekte ansprechen, die mit Ihrem Auftrag zu tun haben. Wir verlegen die Marines auf die Boadicea. Und wir stecken sie in die guten Kajüten.«
»Sir?«
»Marines sollten leben wie die Spartaner. Aber Sie haben ja schon darauf hingewiesen: Es ist verdammt schrecklich, was sie hier leisten müssen. Die Reinigungsmannschaften sehen das Ergebnis, aber nicht, wie es passiert ist. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich Fallschirmjäger gewesen bin und es selbst durchgemacht habe. Ich denke, sie brauchen ... Ich finde dieses Gerede von Tender, Love and Care eigentlich albern, aber TLC ist genau das, was diese Kerle verdienen. Sie sind Spezialisten, und es sind die einzigen, die wir haben. Daher kommen sie in die Kabinen der Ersten Klasse, nicht mehr als zwei pro Kabine. Die Officers und Senior NCOs kommen in die besseren Privatkabinen. Sie gehören keinesfalls in die Mannschaftsunterkünfte, zu sechst auf engstem Raum zusammengepfercht, nachdem sie den ganzen Tag lang im Dunkeln geräumt haben. Es gibt eine Grenze, und die will ich nicht verschieben.«
»Ich werde mit Sicherheit nicht dafür plädieren, sie in einen Laderaum zu stecken, Sir.«
»Damit komme ich gleich auf meinen nächsten Punkt zu sprechen. Nach der Räumung werden die Waffen gereinigt. Für die Säuberung der Ausrüstung wird künftig ein externes Team zuständig sein. Die Arbeit muss natürlich kontrolliert werden, am besten erledigt das der Gunny. Mir ist klar, dass dabei anfangs etwas verbockt wird. Wir werden keine Raketenwissenschaftler und auch keine Marines für die Reinigung bekommen. Aber ich weiß, wie sehr die Ausrüstung beim Räumen leidet, und wenn man durch das Schlachtfeld gewatet ist, will man am Ende eines langen Tages nach endlosen Gefechten gegen die Zombies nicht auch noch Fleischbrocken von der Ausrüstung kratzen müssen.«
»Sind Sie sicher, Sir?«, hakte Wilkes nach. »Ich meine mit den Officers, das verstehe ich. Wir haben heute Abend noch mindestens zwei Meetings vor uns. Aber für die anderen Mannschaftsgrade?«
»Wie oft soll ich Sie noch in diesen Höllenpfuhl schicken, Captain? Das ist keine Drohung, sondern ich meine das ganz ernst. Haben Sie es denn noch nicht kapiert?«
»Ich habe prinzipiell nichts dagegen einzuwenden, Sir. Aber wer soll das erledigen?«
»Es gibt einige Leute, die auf meiner Abschussliste stehen. Man muss ihnen nur den richtigen Anreiz geben.«
»Mr. Zumwald«, forderte Steve ihn auf. »Gehen wir ein Stück.«
»Sie sind Captain Smith«, wunderte sich Zumwald. »Ich dachte, Ihr australischer Akzent sei wesentlich stärker ausgeprägt. Wo geht’s hin?«
»Ein wenig spazieren, danach eine Bootsfahrt und ein kleiner Rundgang. Hier entlang.«
»In Schuhen aus Zement?«, fragte Zumwald.
»Ich gebe Ihnen meine persönliche und auch meine offizielle Zusicherung, dass Sie lebend von diesem kleinen Ausflug zurückkehren«, sagte Steve ernst. »Sie sind kein Idiot. Ich würde meinem Ruf außerordentlich schaden, wenn ich Sie im Meer versenke. Die Leitung dieses Unternehmens basiert, wenigstens zum Teil, auf Vertrauen. Niemand traut einem Captain über den Weg, der selbstherrlich handelt. Das würde mich meine Stellung kosten, und zwar zu Recht. Sie werden wohlauf zurückkehren. Alles andere wird sich zeigen.«
»Nun, ich möchte mich wegen der Vorkommnisse mit Ihrer Tochter entschuldigen, Captain«, sagte der ehemalige Manager. »Ich war ein wenig betrunken und wirklich froh darüber, nicht mehr auf diesem Boot zu versauern. Es hätte nicht so weit kommen dürfen, und mit Sicherheit hätte es keine Heldin treffen sollen, wie Ihre Tochter eine ist.«
»Wussten Sie, dass die Social Alpha die Megajacht von Mike Mickerberg gewesen ist?«
»Ja. Vor der Seuche habe ich dort sogar einmal eine Party mitgefeiert. Ich habe gehört, dass er umgenietet wurde. Geschieht ihm recht, diesem Hurensohn. Sein Börsengang hat mich das letzte Hemd gekostet.«
»Faith, Sergeant Fontana und ich haben die Jacht geräumt.« Steve deutete auf ein Beiboot. »Nach Ihnen.«
»Nein, Sie sollten als Erster einsteigen.«
»Das ist ein Kuriosum der Navy. Der Rangniedere geht zuerst an Bord. Auf diese Weise verlässt der Ranghöhere das Boot als Erster. Sie gehen vor. Ach ja, haben Sie gehört, was passiert ist, ehe die Infektion auf der Alpha um sich griff?«, fragte Steve, während Zumwald ins Schlauchboot kletterte.
»Nein, aber ich kann’s mir denken. Eine Meuterei oder so was in der Art?«
»Mr. Mickerberg hat eine drittklassige Sicherheitsfirma angeheuert, die überwiegend westafrikanische Söldner beschäftigte. Wie ehemalige Kindersoldaten. Vielleicht hat er angesichts der drohenden Apokalypse langsam den Verstand verloren.«
»Klingt ganz nach Mickey.« Zumwald gackerte wie ein kleiner Junge. »Beim Social Networking war er ein Ass, aber er hat nie selbst in einer Uniform gesteckt.«
»Die Söldner haben das Kommando übernommen. Ihr Anführer war ein durchgeknallter ehemaliger Major der Special Forces.« Steve gab der Crew das Zeichen zum Ablegen. »Sie injizierten Mr. Mickerberg den lebenden Erreger, um sicherzustellen, dass er zombifiziert. Sie haben alle männlichen Passagiere erschossen und sie den Haien zum Fraß vorgeworfen. Anschließend haben sie sich, wenn man es so ausdrücken will, an den mitgebrachten Frauen gütlich getan.«
»Gott im Himmel.« Der Hollywood-Manager keuchte fassungslos. »Ich wollte schon sagen, dass sich das wie ein Drehbuch für einen Low-Budget-Apokalypse-Film anhört, aber ...«
»Stimmt, es gibt ein Aber. Es kam zu den üblichen Ausfällen, die man erwarten kann, denn die Zahl der Infizierten wuchs rasch. Faith war Teil des Teams, das in die große Suite eindrang, die wir derzeit als Kommandostand nutzen. Keiner mit einem Funken Menschenverstand wollte darin übernachten. Es sah ganz danach aus, dass sich der Major darin mit den Schönsten der Schönen verbarrikadiert hatte. Als der teuflische Oberbefehlshaber kurz davor stand, überrannt zu werden, hat er sie nebeneinander aufgereiht, mit Kabelbindern gefesselt und ihnen der Reihe nach einen Kopfschuss verpasst. Hinterher hat er sich selbst gerichtet.«
»Fuck.« Zumwald lief es kalt über den Rücken. »Und Ihre Tochter ...«
»Hat alles mit angesehen. Sie war Mitglied des ersten Trupps. Daher ... geht Faith mit jedem Mann hart ins Gericht, der denkt, und ich zitiere, er könne eine Frau besitzen. Oder der glaubt, er müsse sich die erstbeste Schnitte krallen, die gerade durch den Aufenthaltsraum spaziert.«
»Okay, jetzt wird mir wirklich klar, was für einen Mist ich gebaut habe. Ich möchte mich noch mal dafür entschuldigen.« Zumwald hatte darauf geachtet, wohin ihre Reise führte, und erkannte in diesem Augenblick, dass sie in eine beleuchtete Öffnung des Super-Max einfuhren. »Wir gehen auf das Kreuzfahrtschiff? Hatten Sie nicht gesagt, dass ich unser Abenteuer lebend überstehe?«
»Wir betreten nur die geräumten Bereiche.« Steve zauberte einen Tyvek-Anzug und eine Gasmaske hervor. »Die werden Sie allerdings tragen wollen.«
»Kacke, das meinen Sie doch nicht ernst. Wenn Sie meinen Mut ausloten wollen, haben Sie gewonnen. Ich bin ein Feigling.«
»Das ist keine Mutprobe. Es ist nicht mal eine Prüfung. Gewöhnlich spricht man eher von einer lehrreichen Erfahrung. Ich weiß, dass Sie ein Feigling sind. Das sind nicht alle Rüpel, aber Sie sind einer. Ist schon in Ordnung. Ich kann auch Feiglinge gebrauchen. Jack Isham ist ein leibhaftiger Drückeberger, trotzdem gibt er einen ganz passablen Stabschef ab. Ich werde Sie nicht bitten, Infizierte zu töten. Sie werden nur ein wenig durch das Schiff laufen. Und ich empfehle nachdrücklich das Tragen des Tyvek-Anzugs. Stiefel hab ich Ihnen auch mitgebracht. Sie werden sich Ihre Guccis einsauen, wenn Sie auf den Anzug verzichten.«
»Nur wir beide?« Zumwald wollte Zeit schinden. Der Gestank, der von dem Boot ausging, ließ sich selbst auf dem Wasser nur schwer ignorieren. Es roch nach Scheiße und Kupfer und dem schlimmsten fauligen Unrat der Menschheitsgeschichte. Ihm kam jetzt schon das Kotzen. »Sie kriegen mich keinesfalls da rein.«
»Oh, ich habe Leute dabei, die Sie notfalls tragen, Mr. Zumwald. Wie gesagt, wir werden uns ausschließlich in bereits geräumten Bereichen aufhalten. Geräumt von einem Profi, wie ich hinzufügen möchte, ich bin schließlich kein Idiot. Außerdem bin ich nicht für einen schweren Einsatz ausgerüstet. Es ist also völlig sicher. Ich glaube nicht, dass Sie sich der Erniedrigung aussetzen wollen, von Lieutenant Fontana und Staff Sergeant Januscheitis durch die Eingeweide des Schiffs geschleift zu werden. Legen Sie den Anzug an, Mr. Zumwald. Da gibt es einiges, was Sie verstehen müssen.«
»Heilige Scheiße«, ächzte Zumwald.
»Wenn Sie kotzen müssen, während Sie eine Maske tragen, halten Sie sich an folgende Technik«, erläuterte der schwarze Lieutenant höflich. »Atmen Sie tief ein, wenn Sie bemerken, dass es Ihnen hochkommt. Schieben Sie die Maske rauf bis zur Stirn. Übergeben Sie sich. Sie werden automatisch einatmen. Versuchen Sie, die Luft in der Umgebung auszublenden. Das Erbrochene wird es wahrscheinlich überdecken. Setzen Sie die Maske so schnell wie möglich wieder auf, säubern Sie sie, wie wir es Ihnen gezeigt haben, und atmen Sie tief durch. Wenn Sie noch einmal kübeln müssen, und das ist bestimmt der Fall: einseifen, spülen, Prozedere wiederholen.«
Zumwald wäre lieber in Ohnmacht gefallen, statt nur zu reihern. Im Schiff war es stockdunkel und er hatte längst die Orientierung verloren. Er hielt eine Taschenlampe in der Hand, aber den Weg zurück fand er niemals. Erst recht nicht ohne die schwer bewaffneten Marines, die direkt hinter ihm liefen. Bisher hatten sie noch kein einziges Wort gesagt, und das machte ihm am meisten Angst.
Smith untersuchte die Leichen. »Alles Barbie-Kugeln. Wo sind die anderen?«
»Hier entlang, Sir«, forderte sie der schwarze Lieutenant auf.
Zumwald wusste über das Militär nur, dass die Generals die Bosse waren. Allerdings bekleidete der schwarze Kerl den gleichen Rang wie die kleine Schlampe, die ihm diese Sache eingebrockt hatte. Und Smith hatte behauptet, dass er mit dem Mädchen die Jacht geräumt hatte. Daher waren er und das Küken wahrscheinlich dicke Freunde. Zum Teufel, wahrscheinlich knallte er sie sogar. So waren Schwarze nun mal.
Im Inneren des Kahns sah es aus wie in einem Tarantino-Film, nur real. Er machte sich eine geistige Notiz, dass selbst Tarantino zu wenig Blut einsetzte. In manchen Räumlichkeiten trocknete es gerade und stand mehrere Zentimeter hoch. Wenn man hindurchlief, fühlte es sich an wie Klebstoff. Jeder Schritt erzeugte dieses Übelkeit hervorrufende Schmatz-Geräusch. Manchmal konnte er nicht um die Leichen herumlaufen. Als er einmal stehen blieb, packten ihn die beiden Marines wortlos an den Armen und trugen ihn über den Haufen nackter Toter.
Er übergab sich. Mehrere Male. Das Boot stank schlimmer, als es aussah. Keiner dieser Scheißkerle schien es zu bemerken. Sie wirkten entspannt wie bei einem Spaziergang durch den Park.
Endlich kamen sie zum Schlimmsten. Er konnte sich nicht mal vorstellen, was in diesem Raum vorgefallen sein mochte, aber diese Zombies waren nicht einfach nur tot, sondern regelrecht zerfetzt. In ihren Oberkörpern klafften riesige Löcher. Er übergab sich einmal mehr, als ihm bewusst wurde, dass er Rippen und Eingeweide anstarrte.
»Herrgott, Smith, es reicht, klar?« Zumwald beugte sich vor. Inzwischen kotzte er direkt in seine Maske. Es kam sowieso nichts mehr hoch. »Ich hab genug.«
»Sind Ihnen die Unterschiede bei den Wunden aufgefallen? Die großen Löcher? Das ist die Signatur meiner Tochter. Dann sind da noch diese hier ...« Er ging zu einem Haufen und zog einen der toten Zombies an den Haaren hoch. »An dieser Stelle wurde Captain Wilkes bei seiner Ausbildung von den Zombies überrannt. Würden Sie bitte mal kurz mit dem Kotzen aufhören, um die Schnitte im Genick zu bewundern? Sehen Sie?«
»Klar.« Zumwald schaute kurz hin und direkt wieder weg. »Man sieht das verfluchte Rückgrat.«
»Man hat mir zugetragen, dass Ihnen Faith unter anderem eine Sache ans Herz legte, als Sie sie am Arm gepackt hatten: ›Der letzten Person, die mich angetatscht hat, habe ich buchstäblich die verschissene Hand vom Handgelenk geschnitten‹. Es war eine hitzige Situation, vielleicht erinnern Sie sich nicht mehr daran.«
»Ich weiß es noch.«
»Sie hat das wirklich wörtlich gemeint, das sollten Sie wissen. Sie schneidet den Infizierten tatsächlich die Hände ab, wenn sie nach ihr greifen.«
»Sie haben sich klar und deutlich ausgedrückt, okay? Sie ist verflucht krass drauf. Ich werde einen Film darüber drehen.«
»Das bezweifle ich. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in naher Zukunft wieder eine Filmbranche gibt, die mit nennenswerten Budgets produziert, liegt bei nahezu null. Es gibt nur das hier. Blut und Tod und Scheiße und Dreck und Entsetzen. Wir leben in einer Realität, die viel grausamer ist als jeder Film, den Sie drehen könnten, okay? Oder Sie schnappen sich einfach eine Kamera. Das ist Reality-TV. Allerdings im Turbo-Modus. Und die Leute machen das an jedem gottverdammten Tag durch, Zumwald.«
»Und wenn es dabei einen Star gibt, ist es die kleine Lady, die Sie so grob angefasst haben«, klärte ihn der schwarze Lieutenant auf.
»Das ist wirklich ganz ähnlich wie bei Survivor. Manche Leute werden von der Insel geschmissen. Oder von den Schiffen. Wie dem auch sei, Mr. Zumwald, ich werde Ihnen definitiv kein Boot überlassen. Wir brauchen jedes einzelne, das wir zum Laufen bekommen. Und nein, wie schon angemerkt, ich werde Sie auch nicht in den Hafen werfen, in dem es von Haien nur so wimmelt. Ich werde Sie in der Stadt La Puntilla absetzen ... einem bezaubernden Ort, nach allem, was ich so gehört habe. Für fantasievolle Menschen, wie Sie einer sind, gibt es dort eine Menge Zerstreuung. Das wird so ähnlich wie in I Am Legend ablaufen. Nur Sie, wie Sie während der Zombieapokalypse nach brauchbaren Sachen stöbern. Klingt doch verlockend, oder, Mr. Zumwald? Ich gebe Ihnen sogar eine Pistole mit. Wenn ich gerade besonders gut drauf bin, schenke ich Ihnen sogar Kugeln dafür. Mehr als eine, um genau zu sein.«
»Sie sind geisteskrank.« Zumwald wimmerte. »Das wäre Mord.«
»Nein. Wenn ich Sie in den Hafen werfe, mit oder ohne Beton an den Schuhen, das wäre Mord«, belehrte ihn Smith. »Denn die Haie hier in der Gegend haben einen gewaltigen Appetit auf Menschenfleisch entwickelt. Wenn ich Sie in Puntilla von Bord lasse, setze ich Sie allenfalls aus.
Ich möchte aber, dass Sie sich umsehen. Wenn man ein solches Schlachtfest veranstaltet, wird das Aufräumen zur wahren Drecksarbeit. Wir werden nicht mal versuchen, dieses Boot zu reinigen. Diese Marines kämpfen sich allerdings durch diese Scheiße, jeden verdammten Tag, und suchen nach den wenigen Überlebenden, wie Sie selbst einer sind. Sie tun es, weil sie den Befehl dazu erhalten und weil sie knallharte Marines sind. Jeder Marine ist davon überzeugt, dass er ein Held ist. Danach, Mr. Zumwald, nachdem sie durch die Hölle gegangen sind, schleppen sie sich zurück auf das Boot und müssen ihre gesamte Ausrüstung putzen. Es ist schon schlimm genug, dass sie das hier durchziehen müssen, doch danach müssen sie noch ihre Waffen polieren. Und das tun sie auch. Blitzblank. Jede Nacht. Am nächsten Tag brechen sie dann erneut auf, und wie die Spartaner in alten Zeiten – ich wiederhole mich, Sie kennen sicherlich die entsprechenden Sandalenfilme – wienern sie ihre Schilde und ziehen in die Schlacht.«
»Worauf wollen Sie hinaus?« Zumwald grübelte über den Sinn der ganzen Aktion nach.
»Eine Sache wird in den Filmen nicht erwähnt. Die Spartaner haben ihren Schilden nur die abschließende Politur verliehen, quasi das Finish. Jeder von ihnen hatte persönliche Diener, die den Großteil der Arbeit für sie erledigten. Daher konnten sich die Spartaner darauf konzentrieren, was sie am besten konnten: töten. Nun ja, Leibeigene sind inzwischen etwas aus der Mode gekommen. Heutzutage wird alles organisiert und verwaltet. In Hollywood geht es doch um nichts anderes. Nun kommt das Angebot. Es ist das Geschäft Ihres Lebens. Sie sind ab sofort dafür verantwortlich, den ganzen Dreck von der Ausrüstung der Marines zu kratzen. Jede Nacht.«
»Ach du Scheiße!«
»Wissen Sie, was das hier ist, Sir?« Einer der Marines näherte sich dem ehemaligen Produzenten von hinten und hielt ihm etwas vor die Nase, das er für einen Augenblick mit einem Baseball verwechselte.
»Scheiße.« Zumwald wollte zurückweichen. Es gab keinen Fluchtweg. Hinter ihm stand ein Berg von einem Marine. »Das ist eine Granate, verdammt, ihr ... Ihr habt sie doch nicht mehr alle!«
»Das meint Miss Faith, wenn sie sagt, dass manchmal ein ›Fuck‹ einfach nicht reicht«, klärte ihn der Marine auf. »Möchten Sie den nächsten Schritt kennenlernen, der nach dem ›Fuck‹ kommt, Sir?«
»Ich bitte Sie, Staff Sergeant«, ging Steve dazwischen. »Ein wenig kultivierter bitte. Ich habe nicht gesagt und auch nicht angedeutet, dass Sie, Mr. Zumwald, eine Zahnbürste schwingen werden ...«
»Und dazu werden Sie wirklich eine Zahnbürste brauchen«, knurrte der andere Marine. »Denn ich werde das Ganze überprüfen. Und wenn es nicht sauber ist, bin ich nicht so nett wie der Captain, Mister Zumwald.«
Der Scheißkerl klang exakt so wie R. Lee Ermey in seiner Paraderolle als Drill-Instructor in Full Metal Jacket. Zumwald hatte einmal mit diesem Saftsack zu tun gehabt, und er hasste R. Lee Ermey. Was für ein bescheuertes Arschloch!
»Ich sagte, Sie sind dafür ›verantwortlich‹, Mr. Zumwald.« Dann zog Smith seine Pistole.
Ernest glaubte, jeden Moment sterben zu müssen, aber dieser Mistkerl zog stattdessen den anderen Teil heraus. Den Teil, in dem die Kugeln steckten. Mit beiden Händen hielt er die Waffe in die Luft.
»Sie werden also die Leute anheuern und einteilen, die für das Reinigen der Ausrüstung entsprechend den Vorgaben des Gunnery Sergeants verantwortlich sind. Andernfalls heißt es für Sie: eine Pistole, 21 Kugeln und La Puntilla. Das ist das Angebot, das ich Ihnen hiermit unterbreite.«
»Herrje, Sie haben Ihre Berufung verfehlt.« Zumwald entfuhr ein Stöhnen. »Sie hätten in meiner Branche arbeiten sollen. Abgemacht.«