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Franklin, North Carolina, Sol III

0726 EDI, 29. September 2014

Let Bacchus' sons be not dismayed

But join with me, each jovial blade

Come, drink and sing and lend your aid

To help me with the chorus:

CHORUS:

Instead of spa, well drink brown ale

And pay the reckoning on the nail;

No man for debt shall go to jail

From Garryowen in glory.

We'll beat the bailiffs out of fun,

Well make the mayor and sheriffs run

We are the boys no man dares dun

If he regards a whole skin.

CHORUS:

Our hearts so stout have got us fame

For soon 'tis known from whence we came

Where'er we go they fear the name

Of Garryowen in glory.

»Garryowen«

(Traditional 7th Cavalry Air)

Die Söhne Bacchus' sollen nicht erschrecken,

Jeder vergnügte Degen mag mit mir zieh'n.

Kommt, trinkt und singt und helfet mit

Helft mir mit dem Refrain:

REFRAIN:

Statt Wasser aus dem Heilquell woll'n braunes Ale wir trinken

und auf der Stell' die Rechnung zahlen.

Keiner soll der Schulden wegen in den Turm.

In Ruhm und Glanz soll von Garryowen er geh'n.

Wir prügeln aus den Bütteln den Spaß heraus,

machen Jagd auf Bürgermeister und Sheriffs.

Schulden? – Uns wagt doch keiner zu mahnen,

sonst geht es ihm an die Haut!

REFRAIN:

Unsere Herzen so mutig, sie brachten uns Ruhm

Denn bald weiß jeder, woher wir kamen

Und wohin wir auch geh'n, sie fürchten den Namen

Von Garryowen in Ruhm und Glanz.

»Garryowen«

(Traditionelles Lied der 7th Cavalry)

»Quebec-Einheit, mir nach!«, rief LeBlanc über die Bataillonsfrequenz und schaltete dann auf Interkom. »Drummond, Gas geben, die Straße hinunter!«

»Wo fahren wir hin?«

LeBlanc rief auf dem Bildschirm die Landkarte auf und runzelte die Stirn; die Frage war durchaus berechtigt. Nachdem sie die Karte eine Weile betrachtet hatte, fand sie das, was sie suchte.

»Die 28 hinunter«, sagte sie und schaltete auf das Bataillon zurück. »Sämtliche Quebec-Einheiten. Marschordnung, Bravo, Alpha, Charlie. Wir fahren in Richtung auf Highway 64 und dort auf die Böschung; wenn wir auf die Weise die Kanonen ein wenig höher bekommen, könnten die Abrams es schaffen, auf die K-Deks zu schießen.«

»Das ist verrückt, Ma'am«, murrte der Abrams-Kanonier. »Mit unseren Geschützen kratzen wir dieses Ding nicht mal!«

»Das SheVa hat nur noch vier Anti-Lander-Granaten übrig«, antwortete LeBlanc. »Und es sind sechs Schiffe.«

»Yes, Ma'am«, erwiderte der Geschützführer. »Baienton, eine Silberkugel laden.«

»Aye, aye!«, bestätigte der Ladekanonier. »Aber wenn sie jetzt noch anfängt, ›Garryowen‹ zu singen, bin ich hier weg.«

»Reeves, zurück, Beeilung«, sagte Mitchell und sah auf seine Karte. »Kurs Nordwest. Major Chan! Schalten Sie auf die Hundertfünfer, es könnte dazu kommen!«

»Was ist Nordwest?«, fragte Pruitt und richtete das Geschütz auf das erste Ziel. Die Frage war berechtigt; sollte er sich zuerst die äußeren Lander vornehmen und sich nach innen vorarbeiten oder die Inneren und sich von dort nach außen arbeiten? Ach, hol's der Teufel, rechts nach links. »Ziel K-Dek, halb eins.«

»Bestätigt«, erwiderte Mitchell und schnippte den zugehörigen Bildschirm an. Das Posleen-Schiff schob sich gerade über den Kamm des Pendergrass Mountain empor, keine fünf Meilen von ihnen entfernt. Andere standen allerdings näher, und das SheVa schwankte erneut unter einem Treffer aus einem der schweren Geschütze des Landers. »Dort drüben bei Windy Gap gibt's ein paar Hügel. Ich glaube nicht, dass wir es so weit schaffen, und wenn doch, stoßen wir vermutlich auf Hindernisse. Aber ein Problem nach dem anderen.«

»Geeeht ab!«, rief Pruitt und verfolgte die Granate visuell zum Schiff. »Ziel!«, rief er dann, als silbernes Feuer aus den Luken des Landers quoll. Der Lander begann abzustürzen und explodierte, noch bevor er den Boden erreicht hatte, aber nicht so, dass es eine Katastrophe gewesen wäre. Die Überreste gingen über dem Pendergrass Mountain nieder und rollten davon. »Ich denke, diesmal habe ich ein Magazin erwischt«, murmelte Pruitt und ließ die Zieleinheit nach Westen wandern. »Bun-Bun ist auf dem KRIEGSPFAD!«

»Verdammte Scheiße!«, fluchte Kilzer, als ein Schwall Flüssigkeit ihn am Rücken seines Strahlungsanzugs traf. Er sah zu dem riesigen Stoßdämpfer des SheVa-Geschützes hinüber und schüttelte den Kopf. »Colonel Mitchell, können wir eine Auszeit nehmen?«

»Boss, ich habe ein rotes Licht für die Hydraulik!«, rief Pruitt.

»Das ist nicht gut«, murmelte Mitchell. »Kilzer, Indy, bitte melden. Wie schlimm ist es?«

»Hier Indy«, erwiderte der weibliche Warrant Officer und kletterte, während sie es sagte, durch die Luke des Maschinendecks. »Wir haben überall Hydraulikflüssigkeit, aber ich sehe keinen Bruch.«

»Da ist auch keiner«, sagte Kilzer und rieb mit beiden Händen über die Außenwand des Dämpfers. »Die Flüssigkeit ist durch die Dichtungen ausgetreten. Wir sollten nachfüllen können und bald wieder einsatzfähig sein.«

»Wie bald?«, knurrte Mitchell, ohne den Blick von den näher rückenden K-Deks zu wenden. »Leute, wir sind hier unter Beschuss

»In Kürze eben«, sagte Indy und winkte einen der ausgeliehenen SheVa-Techniker mit einem Schlauch herüber. »Höchstens zwei Minuten!«

»Nicht gut«, murmelte Pruitt über Funk. Das SheVa erbebte unter einem weiteren Beinahe-Treffer, wie um seine Feststellung zu unterstreichen.

»Wir arbeiten daran«, sagte Indy.

»Reeves, weiter zurück«, befahl Mitchell. »Die kommen nicht sonderlich schnell ran.«

»Nein, schnell nicht, aber stetig«, sagte Pruitt. Er hatte eine Füllstandsanzeige für die Hydraulik aufgerufen und sah zu, wie das Reservoir zuerst Gelb und schließlich Grün anzeigte. »Sir…«

»Sie können wieder«, unterbrach ihn Indy über Funk. »Zwischen jedem Schuss wird es eine kurze Pause geben müssen, während wir nachfüllen. Und der Himmel möge uns beistehen, wenn uns die Hydraulikflüssigkeit ausgeht.«

»Ich werde gleich dafür sorgen, dass sich jemand darum kümmert«, erwiderte Mitchell. »Pruitt?«

»Ziel, K-Dek!«

»Nach eigenem Ermessen feuern«, erwiderte Mitchell. Plötzlich dröhnte ein gewaltiges WUMM durch die Aufbauten des SheVa. »Verdammte SCHEISSE!«

Indy duckte sich, als ein stromführendes Kabel Funken sprühend über ihr durch die Luft schwang. Das Kabel traf einen der SheVa-Techniker und ließ ihn zuckend über das Deck rutschen. Indys Hand schaffte es, sich an einem Stützträger festzuhalten, als der ganze Raum sich mit einem Schwall überhitzter Luft füllte, und krallte sich an dem Träger fest, als sie das Gefühl hatte, der ganze Schild mit der daran befestigten Panzerung würde losgerissen werden. Schließlich beruhigte sich das Monstrum wieder, das Zittern hörte auf, und die heiße Luft entwich viel zu schnell; sie blickte auf und sah Sterne, wo gerade noch vier MetalStorms gewesen waren.

»Oh mein Gott«, murmelte sie und drückte den Sendeknopf ihres Funkgeräts.

»Colonel, wir sind getroffen«, sagte Indy unnötigerweise. »Wir haben gerade die obere linke Seite unserer Abdeckung verloren. Und mit ihr drei MetalStorm-Türme.«

Mitchell schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Pruitt, wie sieht's aus?«

»Das Geschütz zeigt ›Einsatzbereit‹ an, Sir.«

»Das Geschütz ist nicht getroffen worden«, schaltete Indy sich ein. »Bloß die Abdeckung. Aber ich glaube nicht, dass wir irgendeine Storni-Einheit abfeuern können, solange wir nicht sicher sind, dass die Strukturintegrität hält.«

»Colonel Mitchell, hier Kilzer«, tönte die Stimme des Zivilisten über das Funkgerät. »Ich habe mir den Schaden ebenfalls angesehen. Möglicherweise könnten wir die Storms rechts hinten abfeuern. Aber bei allen anderen reicht die Struktur nicht aus, um dem Rückstoß standzuhalten. Und die vordere Panzerung ist… sagen wir angeknackt. Bei dem Treffer sind ein paar Stützen auf der linken Seite draufgegangen, und ich sehe, dass ein paar Träger runterhängen. Das Ganze sieht aus, als ob jemand versucht hätte, Brezeln zu drehen. Vermutlich sind die Schweißnähte wegen der Hitze und dem Aufprall gerissen. Und wir haben eine ganze Menge elektrische Schäden.«

»Aber das Hauptgeschütz können wir doch noch benutzen, oder?«, beharrte Mitchell auf seiner Frage.

»Ja, solange es hält, Sir«, erwiderte Indy nervös.

»Pruitt, sehen Sie zu, dass Sie solange Sie noch können möglichst viele erwischen.«

Der Geschützführer schwenkte den Turm etwas zur Seite und nahm das nächste Ziel aufs Korn, während das SheVa sich mühsam nach Norden schleppte. Deckung war weit und breit nicht in Sicht; sie konnten bloß darauf hoffen, dass die Posties es weiterhin nicht schafften, einen entscheidenden Treffer zu erzielen. Bis jetzt hatten sie ihnen den Gefallen getan.

Pruitt visierte den dritten K-Dek an, als ein weiterer Schuss knisternd über sie hinwegzog und gleich darauf einer gegen den Boden klatschte, das Erdreich aufriss und einen rauchenden Krater hinterließ, der groß genug war, um einen Abrams zu verschlucken.

»Kommt!«, rief er und gleich darauf »Ziel!«

Diesmal verschwand das Ziel in silbernem Feuer, und gleich darauf bildete sich eine Pilzwolke, wo gerade noch der Lander gewesen war. Aber obwohl der K-Dek daneben von der Druckwelle erfasst wurde, brachte ihn das nicht von seinem Kurs ab.

»Verdammt, die Dinger sind zu weit auseinander!«, knurrte Pruitt. »Ich möchte bloß wissen, warum die Gäule plötzlich schlau werden mussten.« Er zielte auf das vierte Schiff, zögerte dann aber. »Ich möchte, dass es noch ein Stück näher rankommt, Sir.«

»Okay«, erwiderte Mitchell. Bis jetzt war ja ihre Trefferbilanz gar nicht so schlecht. Mitchell sah auf seine Landkarte und dann auf die Bilder, die ihm die Außenkameras lieferten. Die meisten waren ausgefallen, aber ein paar an der rechten Seite funktionierten noch. »Reeves, rechts hinten, sehen Sie diesen Einschnitt dort?«

»Ja, Sir«, erwiderte der Fahrer und schwenkte das SheVa leicht nach rechts.

»Näher«, erwiderte der Kommandant.

»Okay, die rücken näher«, sagte Pruitt. »Hydraulik ist okay. Kommt!« Die Granate schoss auf ihr Ziel zu, traf »ins Schwarze«, und der K-Dek rollte seitlich ab, machte einen Augenblick lang den Eindruck, als würde sein Antrieb noch funktionieren, plumpste aber dann in den Fluss, ehe er davonrollte und ihren Augen entschwand.

Als Pruitt die gewaltige Wasserfontäne sah, seufzte er. »Das war's, Sir. Vier Schuss. Jetzt sind wir leer.« Er sah auf seine Displays und dann auf die Ziele. »Andererseits vielleicht auch nicht. Sir, wo sind die Spitzen der Division?«

»General Simosin, hier SheVa Neun, Ende!«

»Station im Netz, identifizieren!«

Mitchell betrachtete sein Funkgerät mit gefurchter Stirn; bis jetzt hatte er den General jedes Mal auch bekommen, wenn er versucht hatte, eine Verbindung zu ihm herzustellen. Was zum Teufel war da jetzt wieder los?

»Hören Sie, hier SheVa Neun. Ich habe keine Zeit, mich zu identifizieren, weil wir nämlich Posleen-Lander im Anflug haben, falls Sie das noch nicht bemerkt haben sollten. Wir werden jetzt versuchen, die letzten beiden zu erledigen, aber da gibt es ein kleines Problem; unser nächster Schuss wird vermutlich die Division treffen. Also, wo sind Ihre vordersten Einheiten?«

»Ich kann das nicht beantworten, wenn Sie sich nicht identifizieren, und ich kann Ihnen ganz sicherlich den Standort unserer Einheiten nicht bekannt geben.«

»Okay, also, in dem Fall hoffe ich nur, dass die alle hinter der Hügelkette um den Wooten Mountain sind. Falls sie bis East Franklin vorgerückt sein sollten, sagen Sie den Leuten, sie sollen die Köpfe einziehen und Deckung suchen, weil es gleich ziemlich unangenehm wird. Ende.«

»Okay, Pruitt, wann immer Sie so weit sind«, sagte der Colonel.

»Sir, sind Sie da auch ganz sicher?«, fragte der Kanonier zurück. Er hatte die Daten eingegeben und war gerade dabei, den Zielpunkt zu aktualisieren. »Wir werden nämlich die Division erwischen.«

»Das gefällt mir auch nicht, aber wir haben keine andere Wahl«, erwiderte Mitchell müde. »Feuer.«

»Roger, Sir«, erwiderte Pruitt und sah dabei in die aufgehende Sonne. »Geht ab.«

Die Flächenbeschussgranate beschrieb eine perfekte Bahn zu einem Punkt, der zweitausend Meter über einer imaginären Linie zwischen den beiden K-Deks lag, und detonierte dann.

K-Deks wurden von den Posleen sowohl als interstellare Schlachtkreuzer wie auch als Truppentransporter eingesetzt. Und unter normalen Umständen hätten sie eine in zweitausend Metern Entfernung detonierende paar hundert Kilotonnen Granate mit dem Äquivalent eines Achselzuckens abgetan. Im Vakuum. Zwischen den Planeten.

In diesem Fall allerdings erfolgte die Explosion nicht im Vakuum und auch nach noch so großzügiger Definition nicht zwischen den Planeten. Und das machte einen ganz entscheidenden Unterschied. Einen zugunsten der Menschen.

Die Druckwelle der Explosion schwappte nach unten und fegte die Schiffe zur Seite. Falls die von dem atomar ausgelösten Orkan erzeugte heftige Beschleunigung nicht ausreichte, um sie zu besiegen, bewirkte das die plötzliche Abbremsung, als die Lander nämlich gegen den Boden geschleudert wurden, der dabei nicht nachgab. Kräften ausgesetzt, die in ihrer Konstruktion nicht vorgesehen waren, trafen die beiden Schiffe auf das Felsgestein auf, prallten ab, wurden zerdrückt und rollten weg, um schließlich zum Stillstand zu kommen, das eine östlich der Cullasaja-Brücke, das andere auf dem Dach des Wal-Mart von West Franklin.

LeBlanc klappte den Lukendeckel auf, sah sich um und schüttelte den Kopf, um das Klingeln in den Ohren loszuwerden. Das Gros ihrer Panzer schien noch intakt zu sein, was auch immer man daraus für Schlüsse bezüglich der Besatzungen ziehen mochte. Jeder, der eine Luke offen gehabt hatte, war vermutlich tot, und bei mindestens einem Abrams sah es so aus, als ob das der Fall wäre; seine Ladeluke war nach außen geblasen worden. Einer ihrer Bradleys lag umgekippt da, was darauf hindeutete, dass die Besatzung es vermutlich nicht geschafft hatte.

Sie blickte nach Osten und sah eine Facette eines der K-Deks aus dem Cullasaja-Tal ragen. Auf der Facette war ein Plasmageschütz zu sehen, aus dem infolge elektrischer Überladung Funken in die Luft sprühten. Jetzt quoll ein Schwall purpurnes Feuer aus der Geschützbettung und schoss bestimmt tausend Fuß in die Höhe.

»Scheißspiel«, murmelte sie. »Ich will zurück zum Nachrichtendienst.«

Alles in allem betrachtet freilich und wenn man bedachte, dass sie mehr als nur die äußeren Ränder einer Atomexplosion mitbekommen hatten, sahen die Panzer ziemlich gut aus.

Sämtliche Funkgeräte waren natürlich ausgefallen.

Aber sie hätte ohnehin nichts hören können. Aber alles in allem betrachtet…

»Fahren wir also zurück und beschweren uns bei Mitchell?«, fragte sie sich. »Oder bleiben wir einfach hier?«

Sie sah sich um, betrachtete die verwüstete Landschaft und die Mannschaften, die allmählich aus ihren Panzern geklettert kamen, und schüttelte schließlich den Kopf. »Blöde Frage.«

»Wenn jemand noch ein Funkgerät hat, das funktioniert, soll er das SheVa anrufen und fragen, wie lange es noch dauert, bis die hierher kommen!«, brüllte sie ihren verstreuten Soldaten zu. »Wir fahren keinen Zoll mehr weiter!«

Sie lächelte, als sie ein paar Beifallsrufe hörte, und ließ sich auf ihren Sitz plumpsen.

»Wenn das keine beschissene Nacht ist«, murmelte sie und zog ein Anforderungsformular für Ersatz heraus. »Mal sehen, wir brauchen etwa hundert Leute, eine volle Ladung Munition…«

Am Ende, selbst nach der Nachschublieferung und den Sensenmännern und den mehrfachen Atomschlägen, gab es für O'Neals Bataillon nichts mehr zu tun.

Die Posleen hatten schließlich Mittel und Wege gefunden, an der Straßensperre vorbeizukommen und waren pausenlos gegen sie angerannt, eine Welle gelber Zentauren nach der anderen, die über die Leichen ihrer Toten kletterten, um die verhassten Anzüge anzugreifen. Da nur noch hundertvierzig Soldaten übrig waren, konnten die sie einfach nicht zum Stehen bringen, und so rückten die Zentauren gegen gnadenloses Feuer der Menschen Meter um Meter näher.

»Ich steige aus!«, rief einer der Soldaten, als selbst die scheinbar unerschöpflichen Vorräte an Munition für ihre Gravwaffen zu Ende gingen. »Ich brauche Munition!«

Der Ruf pflanzte sich entlang der ganzen Front fort, als ein Soldat nach dem anderen feststellte, dass sein Munitionsvorrat zur Neige ging und dass die Zähler von den Tausendern auf die Hunderter und schließlich auf Null sanken.

»Durchbruch links!«, rief Duncan, kroch aus seinem Loch und senkte die Waffe, um zu feuern. Die Gruppe Zentauren hatte sich durch die Überreste der Charlie-Kompanie durchgekämpft und die Front aufgerissen, indem sie einfach mit ihren Bomasäbeln über die Anzüge hergefallen waren.

Die Posleen in der vordersten Reihe hatten aufgehört zu schießen, stürmten einfach die Säbel schwingend vorwärts. Die monomolekulare Schneide eines Bomasäbels konnte zwar die von Indowy geschmiedeten Panzer nicht mit einem Schlag durchdringen, aber bei stetigen Schlägen gab die Panzerung schließlich nach, und die Menschen wurden förmlich zu Tode gehackt.

Nach dem Aufbrechen der Front schien es, als würden die bedrängten Anzüge die Hoffnung aufgeben. Ein Soldat nach dem anderen stemmte sich aus seinem Loch und zog sich zurück, und wer noch Munition hatte, feuerte und versuchte damit die Posleen auf Distanz zu halten.

»NEIN!«, brüllte O'Neal und verließ seine eigene Stellung, wo ihm die Anzüge vor ihm die Sicht verdeckten. »AUF SIE! GREIFT SIE AN!« Er stürmte an seinen Soldaten vorbei und warf sich auf die vorderste Reihe der Zentauren, hatte selbst die Säbel gezogen und hackte auf sie ein, ließ die Säbel kreisen wie ein Irrer.

»Captain down!«, rief ein Soldat der Charlie-Kompanie, aber der Ruf erstarb ihm in der Kehle.

»Verdammte Hölle, Boss!«, schimpfte Stewart laut, rannte nach vorn zu seinem Vorgesetzten und feuerte dabei pausenlos aus seinem Gravkarabiner. »ZURÜCK!«

»Ich Werde Nicht Zulassen, Dass Die Diesen Pass Kriegen!«, knurrte O'Neal und hieb um sich. Aber die Flut der Posleen war nicht zu erschüttern, und selbst er musste das schließlich erkennen. Bravo und Charlie fielen entweder zurück oder waren einfach dahin. Die Posleen hatten die Front aufgerollt, und da war keiner mehr, der sie verteidigen konnte. Die Anzüge, die noch aktiv waren, zeigten zuerst Gelb, dann Rot an und verschwanden von seinem Bildschirm.

»Zurückfallen!«, rief er und sah auf seine Displays. All die Kurven und Symbole bedeuteten ihm jetzt nichts mehr, als ein Indikator nach dem anderen von Grün auf Rot wechselte. »Auf die Sensenmänner zurückfallen!«

Sunday feuerte aus der Hüfte, zog mit der anderen Hand die Magazine heraus und lud nach, als ein leer geschossenes Magazin nach dem anderen aus seiner Waffe plumpste. Aber nichts schien zu helfen. Die verbliebenen Anzüge rannten vor der sich heranwälzenden gelben Flut davon, und nichts auf der Welt schien sie aufhalten zu können.

»Sensenmänner, Salvenfeuer aus kurzer Distanz«, rief er, als die Posleen die Reihe von Löchern passierten, in denen einmal GKA-Soldaten gesteckt hatten. Er dachte nicht einmal darüber nach, wer noch übrig war. Da waren er und seine Leute, und das war mehr oder weniger alles.

»Irgendwo muss man ja sterben«, murmelte er, froh, wenigstens ein letztes Mal mit Wendy zusammen gewesen zu sein. Er schob wieder ein Magazin ein, als Stewart, gefolgt von dem Major, in sein Schützenloch rutschte.

»Auf die Sensenmänner zurückfallen!«, rief O'Neal erneut, drehte sich um und fing wieder zu schießen an.

»Munition! Bin leer!« Einer der Marauder-Anzüge rannte in das Versorgungslager, riss dort Kartons auf und fluchte dann. »Sensenmänner-Munition!«

»Sensenmänner, Feuer eröffnen!«, rief Tommy, als die Front der Posleen auf dreißig Meter herangerückt war.

Die vier Sensenmänner-Anzüge waren mit je vier Flechette-Kanonen ausgestattet, und der Hagel von Metallbolzen riss ein gewaltiges Loch in die Masse der Posleen, brachte die Flut einen Augenblick lang zum Stillstand. Aber dann schob der Druck von hinten die vorderen Reihen erneut gegen die Feuerwand. Und der Nachteil der gewaltigen Feuerstärke der Flechette-Kanonen war, dass sie dafür auch sehr schnell leer geschossen waren.

»Steige aus!«, rief McEvoy. »Ich melde mich ab!«

»Geht klar«, sagte der Marauder, klappte den Munitionsbehälter auf und öffnete die Ladekammer des Reapers. »Munition kommt!«, sagte er und kippte den Inhalt des Behälters hinein.

»Munition!«, rief ein weiterer Sensenmann und zog eine Wand aus Feuer nach Norden.

Aber während die Sensenmänner einen Munitionsbehälter nach dem anderen leerten und die verbliebenen Anzüge pausenlos feuerten, wurde die Munition immer knapper, bis die Wand von Posleen sich um das umzingelte Loch schloss.

»Ich bin kalt«, rief McEvoy und sah sich dann zu der Person um, die hinter ihm stand. »Hi, Major.«

»Dann schmeiß eben mit Steinen!« O'Neal schnaubte, als sein Magazin in das Loch plumpste.

»Die Kisten sind leer!«

»Ich auch!«, rief Sunday, als sein letztes Magazin herausfiel. Er drehte den Karabiner um und schwang ihn nach dem ersten Posleen vor seinem Loch. Der massive Kolben zerbrach bei dem Aufprall, sodass ihm nur der Iridiumlauf in der Hand blieb. Und mit dem schlug er dem nächsten Posleen den Schädel ein.

»Verdammte Scheiße«, murmelte O'Neal. »VERDAMMTE SCHEISSE! Ich werde nicht in einem stinkenden LOCH sterben!«

»MOTHERFUCKERS!«, brüllte Sunday, als der Major aus dem Loch kletterte und auf die Zentauren einschlug. »Zurück, Major!«

Sunday schlug zwei weitere Zentauren nieder, ehe ihn der erste Bomasäbel an der Schulter traf. Er bemerkte es kaum, aber dann traf ihn ein zweiter Hieb, und dann noch einer, und er konnte spüren, wie er müde wurde, dabei immer noch versuchte, nach allen Seiten zu schlagen, aber es hatte keinen Sinn, die Sensenmänner waren ans hintere Ende der Stellung zurückgedrängt und versuchten, die Posleen mit den Fäusten zurückzutreiben, und Stewart und McEvoy waren unter einer Flut gelber Körper zu Boden gegangen, und der Major war weg und…

Plötzlich wurde der Himmel taghell erleuchtet. Einen Augenblick lang konnte er sehen, wie die Pupillen der gelben Posleen-Augen sich auf Punktgröße verengten, die Glühbirne Gottes spiegelte sich in ihrer Iris. Er warf sich gerade noch rechtzeitig auf den Boden.

Tommy Sunday krallte die Finger in die Erde und konzentrierte seine ganze Kraft darauf, sich festzuhalten, als erneut Hammerschläge auf seinen Rücken herunterprasselten, ihn hochhoben und dann immer wieder herunterschleuderten. Er spürte, wie er hochgehoben und gegen die Wand der Stellung geschmettert wurde, und sein Arm krachte schmerzhaft nach hinten. Er konnte erkennen, dass der Arm gebrochen war, aber die Anzugintegrität hielt. Wenn nicht, hätte das Feuer ihn mit Sicherheit getötet. Sunday wartete und wartete, einen Augenblick, eine Ewigkeit, aber dann verstummte das letzte Echo des Feuers, und er konnte sich umsehen.

Eine Zeit lang, ihm kam es wie Stunden vor, konnte keines seiner Systeme irgendetwas in seiner Umgebung feststellen. Aber dann erwachten die Sensoren allmählich wieder zum Leben, und er fing an, einige Erkenntnisse über das Geschehen rings um ihn zu sammeln. Als Erstes stellte sich die Telemetrie der Anzüge wieder ein, und da war nicht viel. Hier ein Anzug. Dort ein Anzug.

Er suchte nach dem Icon, das seinen Bataillonschef anzeigte, aber das war nirgends zu sehen.

Im Gegensatz zu Sunday hatte Mike sich außerhalb seines Lochs inmitten der Posleen-Masse befunden, als das SheVa-Antimateriegeschoss losging, und er konnte nicht viel tun. Und so fand er sich zum zweiten Mal in seinem Leben in der Trefferzone einer Atomexplosion. Diesmal war er zumindest einen Augenblick vorher gewarnt worden, und so krallte er sich nicht in der Erde fest, was vermutlich nichts genützt hätte, sondern sprang hoch, rollte sich zu einem Ball zusammen und fragte sich, wo er wohl landen würde. Die Explosionswelle erfasste ihn und schleuderte ihn in südlicher Richtung in die Höhe. Er spürte, wie er von etwas sehr Hartem abprallte; es tat trotz der Unterschicht und der überlasteten Trägheitskompensatoren höllisch weh. Aber dann war eigentlich außer Luft nichts mehr. Seine Sensoren waren noch ausgefallen, aber schließlich spürte er, dass die Explosionswelle sich legte, und bildete sich ein, sich im freien Fall zu befinden. Er schaffte es, die Trägheitssysteme in bescheidenem Maße unter Kontrolle zu bekommen und benutzte sie dazu, seinen Flug zu stabilisieren. Aber da seine Außensensoren immer noch über tausend Grad Celsius anzeigten, war es völlig unmöglich, irgendwelche kohärenten Daten über seinen Standort zu gewinnen.

Schließlich begann sich die immense Energie der Kernexplosion zu verteilen, und die Welle flutete zurück, erfasste ihn und schleuderte ihn zurück, aber nicht so weit wie beim letzten Mal.

Insgesamt war er weniger als fünfzehn Sekunden in der Luft. Es fühlte sich nur an wie eine Ewigkeit. Und dann konnte er wieder sehen. Er blickte nach unten und fing hysterisch zu lachen an. Er befand sich auf einer perfekten Delta-Parabel, zweitausend Fuß in die Höhe mit Kurs auf die Ruinen seiner alten High School. Wo es von noch lebenden Posleen wimmelte.

»Ich hatte mir schon immer gewünscht, einmal dorthin zurückzukehren und einen großen Auftritt zu haben…«

»Sunday?«

»Major?«

Sunday suchte die Karte ab, aber das Icon des Bataillonschefs war nach wie vor nicht zu sehen. Stewart und Duncan waren beide schwer verletzt, und sonst waren keine Offiziere mehr am Leben. Selbst mit einem Arm, der so ausgerenkt und gebrochen war, dass auch dem Anzug keine andere Wahl blieb als ihn zu betäuben, war er mit seinem Zustand eigentlich zufrieden. Aber er hatte weniger als ein Platoon übrig, und deshalb war er hinsichtlich seiner Führungspflichten nicht gerade überlastet.

»Yeah. Ich lebe. Weil ich immer ein guter Christ war. Ich bin jetzt außerhalb von Clayton. Ich habe das SheVa kontaktiert; es kann uns von nun an Feuer auf Anforderung liefern, bis die örtlichen Posleen es überrennen oder jemand kommt, um unseren Hintern zu retten. Bei Ihnen scheint ja alles in Ordnung zu sein.«

»Yes, Sir. Keine Posleen zu sehen.«

»Die sammeln sich in der Nähe von Clayton. Ich fordere Beschuss an. Aber das sollte Ihnen nichts ausmachen. Ziehen Sie den Schädel ein und halten Sie die Stellung. Sieht so aus, als wären Sie in nächster Zeit ziemlich sauber.«

»Yes, Sir.«

»O'Neal Ende.«

»SheVa Neun?«

»Major?«

»Eine Granate Flächenbeschuss, UZB Nord 386187 Ost 280579.«

»Roger. Äh, wie ist Ihre Position, Ende.«

Mike blickte zu Boden; er steckte bis zu den Achselhöhlen in Erde und Felsgestein.

»Sicher. Bitte feuern.«

»Schuss Ende.«

Eine kurze Pause. »Treffer, Ende.«

»Treffer, Ende.«

Mike lächelte, als der atomare Feuerball seine alten Jagdgründe verschlang.

»Eigentlich habe ich meine High School nie gemocht.«

Er wartete, bis der Großteil des Staubes sich verteilt hatte und sah sich dann nach weiteren Zielen um.

»Das Problem mit Nukes ist, das man eine gute Stelle finden muss, um Fernspäher zu sein«, sinnierte er. Er drehte die Vergrößerung hoch und schüttelte den Kopf. »SheVa, können Sie UZB Nord 385846 Ost 278994 erreichen? Ich könnte schwören, dass die sich drüben bei Tiger neu sammeln.«

»Äh, negativ, GKA. Immer noch außer Reichweite. Und wir… stecken irgendwie fest. Schon wieder. Aber die Quetschies sind schon unterwegs. Sobald die sich darüber klar sind, wie sie durch die Strahlung kommen, werden sie uns behilflich sein.«

»555-Kommandeur, wir können diesen Zielpunkt erreichen. Und wir werden früher dort sein.«

Die Stimme sprach Englisch mit deutschem Akzent, und im Hintergrund war ein Lied zu hören, zu schwach, als dass Mike es hätte erkennen können. Jetzt schoss vor Mikes Augen ein feuriger Strahl wie ein Meteor vom Himmel, und dann breitete sich über Tiger ein atomarer Feuerball aus, dem gleich darauf eine Pilzwolke folgte.

In der Ferne konnte er Lichtstrahlen in den Himmel springen sehen, dann weitere Strahlen, und solche, die aus dem Himmel herunterschossen. Er sah sich um, und dann waren überall in der Ferne ähnliche Bilder zu erkennen.

»Amerikanisches Verteidigungskommando, halten Sie, was Sie haben«, schaltete sich eine andere Stimme ins Netz ein. Vermutlich in alle Netze. »Hier Vizeadmiral Huber, Kommandeur Task Force 77. Stellen Sie sich auf massiven Beschuss ein.«

In der Ferne schien eine Welle von Feuer in die Höhe zu springen, als am Himmel ein Feuerball nach dem anderen aufblühte. Es war klar zu erkennen, dass die kinetischen Energiewaffen jedes einzelne Posleen-Schiff und jede Ansiedlung, so weit das Auge reichte, vernichteten. Und ohne Zweifel auch außerhalb ihrer Sichtweite. Rings um den ganzen Globus.

Mike blickte auf und schüttelte leicht den Kopf, als eine Reihe von Shuttles, die halb wie Luft und halb wie konkrete Materie aussahen, aus dem Himmel sanken. Soldaten sprangen heraus, sanken auf feurigen Säulen zur Erde und sammelten sich dann unglaublich schnell. Ebenso wie die Schiffe schienen auch ihre Anzüge nur halb da zu sein, als wären sie mit dem Land und dem Himmel eins. Und auf seinen Sensoren tauchten sie überhaupt nicht auf. Die Luft um ihn war von Musik erfüllt, und er schüttelte den Kopf und fing dann wieder hysterisch an zu lachen, als die Klänge des »Walkürenritts« ertönten.

Er stemmte sich aus der Erde, als ein Shuttle herankam, aus dem eine gepanzerte Gestalt auf die orange gefärbte Erde heruntersank. Er wartete, bis sie näher kam, und salutierte dann der Gestalt, die auf den Schultern die zwei Sterne eines Major General von Fleet Strike trug.

»General«, sagte Mike und beendete seine Ehrenbezeigung, als der andere sie erwiderte.

»Colonel«, erwiderte der General und nahm den Helm ab. Sein Gesicht war hart und kantig, ein teutonisches Gesicht und ihm wohl vertraut.

»Oh Scheiße«, sagte Mike und lachte dann. »Verdammt noch mal, Steuben, hier draußen ist es radioaktiv wie in der Hölle. Setzen Sie Ihren verdammten Helm wieder auf, wenn Sie so gut wären, General, Sir.«

»›Tut mir Leid, wenn's ein wenig lang gedauert hat, aber unterwegs hat's ein bisschen Ärger gegeben‹«, sagte der General und legte dann die Arme um den kleineren Anzug.