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Porter's Send, North Carolina, Sol III

0648 EDT, 29. September 2014

T'was sad I kissed away her tears

My fond arm round her flinging.

When a foe, man's shot burst on our ears

Front out the wild woods ringing.

A bullet pierced my true love's side

In life's young spring so early.

And on my breast in blood she died

While soft winds shook the barley.

But blood for blood without remorse

I've ta'en at Oulart Hollow.

I've laid my true love's clay-cold corpse

Where I full soon must follow.

Around her grave I've wandered drear

Noon, night, and morning early

With breaking heart when e'er I hear

The wind that shook the barley.

»The Wind That Shakes the Barley«

Dr. Robert Dwyer Joyce

Traurig war es, als ich ihr die Tränen weggeküsst,

den Arm um sie gelegt,

als eines Feindes Schuss uns in die Ohren barst,

laut hallend aus den wilden Wäldern.

Eine Kugel drang der Liebsten in die Seite

So früh in ihres Lebens jungem Lenz.

Und im Blut, an meiner Brust, starb sie,

während weich der Wind die Gerste zittern ließ.

Aber ohne Reue Blut für Blut

Ich nahm bei Oulart Hollow.

Der Liebsten Leiche, kalt wie Ton

Hab ich gelegt wohin ich bald muss folgen.

Betrübt ich wandert' um ihr Grab,

mittags, des Nachts und früh am Morgen

mir bricht das Herz, wann immer ich hör,

wie weich der Wind die Gerste zittern lässt.

»Der Wind, der die Gerste zittern lässt«

Tenalasan blickte nach Norden und wartete darauf, dass dort der große Panzer, das »SheVa«, auftauchte. Bis jetzt hatte das Monstrum zwei Gruppen niedergemacht, die es eigentlich hätte aufhalten sollen, und man erwartete nun, dass es jeden Augenblick die Straße herunterkam. Aber bis jetzt waren aus dem Norden keine Schüsse zu hören gewesen, geschweige denn irgendwelche anderen Anzeichen, die auf die große Bestie deuteten.

Der Mond war untergegangen, und für Menschen wäre die Nacht stockdunkel gewesen. Für die Heerschar war es auch ziemlich finster, aber ihre Augen weiteten sich und nahmen das wenige Licht der am Himmel glitzernden Sterne auf. Der Himmel hatte aufgeklart, es war kälter geworden, aber ebenso wie die meisten anderen physikalischen Umstände war das für die Po'oslena'ar nur von geringem Interesse; sie konnten Temperaturen überleben, die jeden ungeschützten Menschen töten würden.

Schnee war schlecht, nicht so sehr wegen der Kälte oder weil es ihr Vorrücken beeinträchtigte, sondern weil Schnee ihre Nahrungssuche beeinträchtigte. Wenn die Po'oslena'ar außerhalb ihrer Stützpunkte operierten, holten sie sich ihren Proviant gewöhnlich aus ihrer Umgebung. Sie waren für reine Effizienz gebaut und konnten sich tagelang auf den Beinen halten, wenn sie nur so viel Nahrung aufgenommen hatten, wie ein Mensch für einen einzigen Tag brauchte. Aber schließlich und endlich forderte das seinen Preis und sie mussten essen, doch bis es so weit war, blieben sie in Bewegung.

Sein Oolt hatte seit zwei Tagen nicht mehr richtig gegessen, und vermutlich würde noch ein weiterer Tag vergehen, ehe er erlaubte, dass sie ihre Proviantsäcke durchwühlten. Man hatte ihnen ein paar Fleischbrocken von den menschlichen Thresh gegeben und zuletzt auch noch von den Schlachten zwischen den Bergen, aber das war nicht ausreichend, um sie wieder aufzubauen. Wenn sie Glück hatten, würden sie das nächste Gefecht gewinnen, und dann würde es viel Thresh geben, von dem sie sich ernähren konnten.

Aber bis dahin mussten sie warten.

»Ich hasse das Warten«, sagte Artenayard. Der jüngere Kessentai ließ seinen Tenar gelangweilt hin und her schwanken und schlappte mit dem Kamm. »Wir sollten vorrücken, um es zu suchen.«

»Wir haben uns bereit erklärt, dem Estanaar zu gehorchen«, erwiderte Tenalasan. Er hatte genügend Kämpfe gegen die Menschen überlebt, um es schätzen zu können, in einem Hinterhalt zu warten, anstatt sich gegen deren Verteidigungslinien zu werfen. Es gefiel ihm nicht, aber es war besser als sterben.

»Wir sollten mit ihnen ziehen«, murrte der Kessentai und deutete auf die endlose Linie von Po'oslena'ar, die die Straße hinaufzogen. »Sie gehen den Weg zu den Reichtümern! Ein unberührtes Land liegt unmittelbar hinter den Bergen!«

»Und wenn das SheVa Franklin erreicht, werden alle, die dorthin vorgestoßen sind, abgeschnitten werden. Also warten wir.«

»Die Wege der Menschen!«

»Wege, die funktionieren«, erwiderte der ältere Kessentai. Es war Artenayards erstes Gefecht, und bis jetzt hatte dieses Gefecht daraus bestanden, dass er seine Truppen aufgereiht hatte, um durch den Pass zu ziehen und anschließend durch die Nacht zu marschieren. Bald genug würde er lernen, dass es alles andere als ein Witz war, gegen die Menschen zu kämpfen.

»Wieder eine Gruppe, die auf uns lauert«, sagte Pruitt und passte den Schusswinkel seines Geschützes an.

»Ja, allmählich lernen die«, sinnierte Mitchell. »Aber sie vergessen etwas, das sie dann hätten, wenn sie nicht so streng unter Kontrolle stünden.«

»Was denn?«

»Flankensicherheit.«

Der Boden fing zu grummeln an, und Bazzett stützte, sich auf sein Gewehr, als die erste Salve 40-mm-Geschosse über ihm hinwegzog. Da der Zielpunkt an der äußersten Grenze der Reichweite der Geschütze lag, waren die Geschosse weiter verteilt als normal, doch in einer Hinsicht war das gut; die Salve erfasste die Hälfte der Posleen-Einheit und brachte sie schnell durcheinander. Und als dann die Infanterie, die sich in aller Eile eingegraben hatte, das Feuer eröffnete, wuchs das Durcheinander noch.

»Wer braucht da ein Barrett?«, flüsterte er, als er einen Gottkönig, der sich gerade in Bewegung setzte, im Fadenkreuz seines Zielfernrohrs erfasste und dann abdrückte.

Tenalasan riss seinen Tenar zurück und deutete nach Osten, als Artenayards Kopf in einer Wolke aus gelbem Blut und Gehirnmasse explodierte.

»Nach Osten!«, brüllte er und winkte seinen Oolt'os zu, während er zugleich damit begann, Artenayards Oolt'os zu binden. »Angriff nach Osten!«

»Hübsch«, sagte Mitchell, als die erste Kamera die Posleen erfasste. Sie verteilten ihr Feuer zwischen dem SheVa und den Truppen an der Flanke des mächtigen Geschützes, und das war Mitchell ganz recht. Aber lange würde das nicht so bleiben.

»Major LeBlanc, sagen Sie Ihren Leuten, sie sollen sich in ihre Fahrzeuge zurückziehen. Jetzt gleich.«

»Zurückfallen!«

Bazzett sah zu dem Platoon Sergeant hinüber und schüttelte den Kopf. »Wir sind gut!«

»Befehl!«, rief der Sergeant. Er war nur ein E-5, aber er war der rangälteste Unteroffiziersdienstgrad des Platoon. Und ein harter Knochen, der es ernst meinte.

»Was soll der Blödsinn?«, rief der Specialist und arbeitete sich aus seinem Loch heraus. Das feindliche Feuer, das auf den Wald niederging, fetzte die Äste von den Stämmen, lag aber größtenteils zum Glück viel zu hoch. Er schlang sich die Waffe über den Rücken, robbte so schnell er konnte nach hinten und entdeckte weitere graue Schatten zwischen den Bäumen. Die Bradleys waren bis an den Waldrand vorgefahren und hatten die jungen Schösslinge weiter vorn niedergewalzt; dem Lieutenant musste es also durchaus mit dem Rückzug ernst gewesen sein.

»In die Brads!« Wolf rannte an der Front entlang und trieb Nachzügler an. »Seht NICHT nach den Posleen!«

»Colonel, wir sind größtenteils voll geladen«, rief LeBlanc ein wenig zweifelnd. »Und die Gäule kommen im gestreckten Galopp.«

»Na prima«, sagte der Colonel. »Dicht machen und bereithalten. Pruitt, Feuer.«

»Dämonenscheiße!«, brüllte Tenalasan, als ein Schuss aus dem gigantischen Panzer Dutzende von Oolt'os und Kessentai durch die Luft wirbelte. Aber das war das geringste seiner Probleme, denn diesmal grub sich der Penetrator in den Windy Gap Hill und fetzte die Hügelkuppe weg.

Dort hatten sich zwischen den menschlichen Gebäuden Posleen festgesetzt, Oolts, die versuchten, sich nach dem Feuer der Scharfschützen, der MetalStorms und der feindlichen Einheiten, die jetzt die Hügelflanke heraufkamen, neu zu formieren. Und sie alle verschwanden mit der Hügelkuppe, an deren Stelle jetzt eine recht hübsche, halbkugelförmige Vertiefung zu sehen war.

Der Granitkern der Hügelkuppe hatte sich in Staub verwandelt, aber die äußeren Partien flogen als Felsbrocken davon, manche nicht viel größer als Geröll, aber manche auch so groß wie ein Pkw, und alles das stob jetzt nach allen Richtungen davon.

Während die Lawine mit ihrem silbernen Kern nach draußen fegte, schlappte Tenalasan mit dem Kamm und staunte über die menschliche Genialität in der Kunst des Tötens.

»Quebec Acht Sechs, vorrücken, die Überlebenden erledigen und dann nach Süden schwenken.«

»Nächste Station Franklin«, sagte Pruitt, während er den nächsten Penetrator lud.

»Geht nicht«, sagte Pruitt und schüttelte den Kopf.

»Warum?«, fragte Mitchell und sah dabei auf die Karte.

»Der andere Schuss – ich meine, der Hügel war ziemlich steil; das war ein richtiges Ziel. Dieser hier hat auf unserer Seite einen langen, gewundenen Hang. Auch nicht steil. Da kann ich keinen Schuss hineinsetzen, wenn ich nicht eine steile Klippe oder dergleichen in der unmittelbaren Umgebung habe.«

»Das sind eine Menge Posleen«, sagte Mitchell und deutete auf die Karte. »Und die werden schließlich nicht einfach dort herumhocken.«

»Ich weiß, Sir«, erwiderte der Specialist. »Aber wir schaffen das nicht. Wenn wir auf der Südseite wären, ginge das, aber ich glaube nicht, dass Sie dorthin abschwenken wollen, oder?«

»Nicht so, wie die feindlichen Verbände hier verteilt sind«, erwiderte der Colonel.

»Vorschläge?«

»Mhm«, Pruitt sah auf sein Display, nahm ein paar Anpassungen vor und maß dann etwas ab. »Wenn wir zu unserer letzten Feuerstellung zurückfahren…«

»Minimalabstände von viertausend Metern«, sagte der Colonel nach einem Blick auf die Landkarte. »Wir könnten es gerade schaffen. Was ist mit Seitenabweichung?«

»Das… wird problematisch sein«, räumte der Kanonier ein. »Im Allgemeinen ist die Windrichtung von Nordwest nach Südost. Wer weiß, vielleicht müssen wir zweimal feuern!«

»Wir werden praktisch senkrecht nach oben schießen; wenn das verdammte Ding auf uns zurückfällt, war das unser letzter Schuss!«

»Quebec Acht Sechs, vorgerückte Einheiten zurückziehen. Wir müssen die ganze Strecke praktisch bis zu unserem Ausgangspunkt zurückfahren. Bitte stellen Sie uns Fahrzeuge ab, die uns Deckung geben.«

LeBlanc dachte kurz nach und fröstelte dann trotz der Hitze, die aus dem Tankinneren zu ihr hochdrang.

»Heißt das, dass Ihre Antwort auf dieses Problem mit etwas zu tun hat, das verdammt nahe bei viertausend Metern liegt.«

»Roger, Ende.«

»Wenn wir den Fluss nicht überqueren, werden wir selbst an unserem Ausgangspunkt weniger als viertausend Meter vom Ziel entfernt sein, Ende.«

»Roger. Ich schlage vor, wir fahren zurück und ducken uns.«

»Das klingt gar nicht gut.«

»Nein, das ist es auch nicht.«

»Weißt du, was mich an den SheVas stört?«, sagte Utori. »Kein bisschen Feinheit und Eleganz.«

»Wie meinst du das?«, fragte Bazzett und schnitt ein MRE auf, während der Panzer heftig hin und her schwankte. Wenn sie ein paar Minuten lang anhielten, war das genau der richtige Zeitpunkt, einen Happen zu essen.

Das Bataillon war schnell zurückgefahren, hatte sich über Gelände zurückgezogen, das sie vorher teuer erkauft hatten. Sie hatten bloß einen einzigen Abrams zurückgelassen, ihn vom Zielort abgewandt eingebuddelt und die gesamte Elektronik abgeschaltet. Sämtliche Soldaten waren in die Fahrzeuge zurückgekehrt; wenn da eine Posleen-Einheit durchkam, so waren die wahrscheinlich erledigt.

Aber das war immer noch besser als im Freien rumzustehen, wenn hinter dem nächsten Hügel ein Nuke losging.

»Schau dir dieses Ding doch an. Es bietet die Wahl zwischen atomarer Vernichtung und gar nichts.« Der Minimi-Schütze hatte sein Mini-MG zerlegt und putzte den Verschluss jetzt mit einer abgewetzten grünen Zahnbürste.

»Es hat die MetalStorms«, wandte Bazzett ein. Beide ignorierten völlig, dass jeden Augenblick eine Antimateriegranate auf ihrem Kopf niedergehen konnte. Die Minimaldistanz für flächendeckende SheVa-Granaten war unter anderem deshalb auf viertausend Meter festgelegt worden, weil das Monstrum auf kurze Distanz notorisch ungenau war. Das SheVa war für Distanzen von fünfzig Kilometer und darüber gebaut, wenn man es auf kurze Distanz einsetzte, bedeutete das, dass es praktisch senkrecht in die Luft feuern musste. Und bei dem Winkel war es praktisch reine Glückssache, wo das Geschoss auftraf.

»Sicher, aber die haben bloß 40-mm-Kaliber.« Utori fügte seine Waffe mit ein paar geschickten Handgriffen wieder zusammen und nahm einen Schluck aus seiner Feldflasche. »Es bräuchte ein paar 105-mm mit kleinen Antimateriegranaten. So wie… ich weiß auch nicht, ein 10-kt-Geschoss, vielleicht. Um eine Hügelkuppe wegzupusten würde das vollauf ausreichen. Nicht beschissene hundert Kilotonnen, wofür man vorher das ganze Land evakuieren muss.«

»Vielleicht, aber es war ja schließlich auch nicht für den Kampf an vorderster Front konstruiert.« Bazzett legte den Löffel weg, als der Kommandant den Kopf ins Mannschaftsabteil streckte.

»Das SheVa hat gerade gefeuert.«

»Scheiße, wie lange fliegt das Ding?«, fragte Utori, schnappte sich seinen Helm und stülpte ihn sich über, als wäre er am liebsten hineingekrochen.

»Ich denke, fast eine Minute«, antwortete der Kommandant und krabbelte wieder auf seinen Sitz. »Gut festhalten«, fügte er hinzu, schaltete den Funk ab und legte sämtliche Sicherungshebel um; wenn die Granate auftraf, würde sie einen höchst unangenehmen elektromagnetischen Puls erzeugen, der sonst ihre Elektronik beschädigen würde.

Bazzett führte den Beutel aus metallverstärktem Plastik an den Mund, quetschte die letzten Reste der Mahlzeit, Rindfleisch mit Bohnen, heraus und warf das leere Päckchen dann in den Munitionsbehälter, den sie als Abfalleimer benutzten. Er spülte den letzten Bissen mit einem Schluck Wasser hinunter und hielt sich dann die Finger in die Ohren, beugte sich vor und sperrte den Mund auf. »Das wird unangenehm.«

»Verdammt«, murmelte Pruitt und sah zu, wie sich das Fadenkreuz über der geschätzten Trefferzone verschob. Das SheVa verfolgte die Granate beim Flug nach oben und sagte ihren vermutlichen Auftreffpunkt aus der beobachteten Flugbahn voraus. »Nicht gut.«

»Wo geht's denn hin?«, fragte Mitchell.

»Sieht so aus, als würde es nach Nordosten abschwenken«, erwiderte der Kanonier. »Wenn es nicht zurückschwenkt, landet es etwa ebenso dicht bei LeBlancs Einheit wie bei den Posleen. Das einzig Gute ist, dass ich auf Annäherungszünder programmiert habe. Solange es auf der Franklin-Seite des Tals auftrifft, sollten die von der Detonation eigentlich nichts abkriegen.«

Mitchell stieß bloß einen Grunzlaut aus; in diesem Augenblick gab es nichts, was irgendjemand hätte tun können.

Tulo'stenaloor sah den Bericht über den Abschuss einer ballistischen Waffe und schlappte erregt mit dem Kamm.

»Dämonen des Himmels und des Feuers, fresst ihre Seelen!«, knurrte er. »Orostan!«

Aber der Oolt'ondai hatte bereits die Feuerzunge himmelwärts schießen sehen. Es war weit entfernt, aber er wusste, dass das nur eines bedeuten konnte.

»Es tut mir Leid, Estanaar«, sagte er, ohne auch nur auf seinen Kommunikator zu sehen. »Jetzt liegt es bei dir.«

Dann wandte er den Blick zum Himmel und wartete auf das Feuer.

Die 100-kt-Granate war schwerer als der Penetrator. Das lag an einer Kohlenstoff-Uran-Matrix, die dazu bestimmt war, das potenziell gefährliche Geschoss vor Beschädigungen zu schützen. Nach dem Abschuss fiel die Hülle allerdings ab, und das Geschoss stieg in die Höhe, erreichte sein Apogäum, worauf das Peilsystem die Verbindung verlor und das Geschoss unberechenbar wurde.

Zum Glück für alle betroffenen Menschen bekam es von der vor kurzem vorbeigezogenen Kaltluftfront einen weiteren Windstoß ab, der es eine Idee weiter nach Süden drückte, was seine Flugbahn so veränderte, dass es südlich des Wasserturms von Franklin auftreffen würde. Und dann, hundert Meter über der Erde, unmittelbar über dem Tanklager, detonierte es.

Die Antimaterieexplosion erzeugte eine Halbkugel aus Feuer, die Ground-Zero-Zone, in der alles, mit Ausnahme allermassivster Strukturen, zerstört wurde. Direkt im Zentrum war ein kleiner Fleck, die Toroid-Zone, in der erstaunlicherweise eine große Zahl von Gebäuden praktisch unversehrt blieb.

Ein Stück außerhalb von Ground Zero dehnte sich ein Schwall aus Plasma und Detonationsschutt halbkugelförmig aus und zerstörte alles, was sich ihm in den Weg stellte. Diese Druckwelle richtete den größten Schaden an, fegte über die im Stadtzentrum versammelten Posleen hinweg und, unglücklicherweise, auch über den auf der Hügelkuppe zurückgebliebenen Panzer. Der Abrams wurde von der gewaltigen Druckwelle zum Schwanken gebracht, aber die noch in den siebziger Jahren für den Krieg gegen die inzwischen nicht mehr existierende Sowjetunion entwickelten Abdichtungen hielten und die Mannschaft überlebte. Sie wurden heftig durchgeschüttelt, lebten aber.

Die Explosion breitete sich aus, fegte über die Hügelkuppe, auf der sich das Stadtzentrum befand, und zerstörte die Mehrzahl der historischen Gebäude dieser einstmals idyllischen Stadt. Und in dem Maße wie die unter hohem Druck stehende Luft sich ausweitete, nahm die Energie der Druckwelle ab, bis schließlich ein Gleichgewicht mit der Umgebung erreicht war… und verlosch. Jetzt strömte die Luft von draußen herein, um das Vakuum in der Mitte zu füllen, und die jetzt umkehrende Welle kollabierte nach innen und zerstörte den größten Teil dessen, was die nach außen gerichtete Welle überlebt hatte. Als die beiden Druckwellen sich gelegt hatten, konnte man auf der Hügelkuppe nur noch den Keller und das Fundament des Gerichtsgebäudes und die Hälfte des Bergbaumuseums erkennen.

Bazzett wurde zuerst von der einen dann von der nächsten Druckwelle hin und her geschleudert, kippte in seinem Mannschaftssitz nach hinten und dann wieder nach vorne und fing dann an, in seinem Sitz zu tanzen.

»›If the Brad is a rockin' then don't come a knockin'…‹« Er sah zu Utori hinüber, der gerade das erste Mal unter seinem Helm heraussah, und zuckte die Achseln. »Ich habe gerade festgestellt, dass unser Brad im Takt tanzt.« Er hob sein AIW aus dem Gestell, schaltete das Zielfernrohr ein und überprüfte die Elektronik. »Ich werde mich tätowieren lassen. Ich habe immer gesagt, dass ich mich nie tätowieren lasse, solange ich nicht in einem Atomkrieg war. Aber ich glaube, das hier zählt. Selbst wenn die eigene Seite auf uns schießt.«

»Du spinnst, Mann«, murmelte der Minimi-Schütze, als der Bradley polternd zum Leben erwachte.

»Die meisten Panzer sind fahrbereit«, rief der Kommandant. »Wir machen jetzt einen Eilmarsch. Festhalten.«

»›If the track is a rockin' then don't come a knockin'.‹«

»Tango Acht Neun, hier Quebec Vier Sechs«, sagte LeBlanc. »Ich habe drei Panzer an den EMP verloren; beim Rest haben die Schilde gehalten. Und zusätzlich diverse Elektronik und dann noch ein paar Schäden von der Druckwelle.«

»Aber Sie sind fahrbereit, stimmt's?«

LeBlanc musterte ihre Fahrzeuge, die durch die Morgendämmerung polterten, und schüttelte den Kopf. »Na ja, man könnte es so nennen, Tango.«

»Nächste Station Feuerstellung Omega, Quebec. Tango Acht Neun, Ende.«

»Richtig, unser Einsatzbefehl lautet, das SheVa an einen Punkt zu bringen, wo es die GKA unterstützen kann. Nicht jeden Posleen im Tal umzubringen.« Glennis LeBlanc betrachtete die verwüstete Landschaft, die zerschmetterten Häuser, die wirr verstreuten Baumstämme, das geschwärzte Erdreich und schüttelte dann den Kopf. »Obwohl…«

»Boss«, rief McEvoy über die Platoon-Frequenz. »Emissionen von Posleen-Landers. Drei Quellen, eine schwer, zwei leicht. System meldet zwei Lampreys und ein K-Dek. Sollten wir zurückgehen und Anti-Lander-Systeme fassen?«

Da die Anzüge den Auftrag gehabt hatten, die Marauders zu versorgen, hatte Tommy sie die schweren Gravkarabiner gegen Flechette-Kanonen austauschen lassen. Wenn die Scheiße wirklich zum Dampfen kam, war die Wahrscheinlichkeit wesentlich größer, dass sie einen Angriff von Bodentruppen der Posleen zum Stehen bringen mussten, als dass sie sich mit Landers auseinander setzen mussten. Für den größten Teil des Bataillons sah es so aus, als ob die Entscheidung richtig gewesen wäre.

Tommy hatte dieselben Displays betrachtet und grinste jetzt. »Nee, ich kümmere mich drum.«

Der Lieutenant überließ es dem verwirrten McEvoy, sich selbst einen Reim auf diese Bemerkung zu machen, und legte zwei Energiepacks bereit, während er den Gegenstand vorbereitete, den er bis jetzt unter einer Decke versteckt gehalten hatte.

Er drehte sich um, als seine Sensoren anzeigten, dass ein Anzug ins Loch kam, und setzte dazu an, dem Bataillonschef zuzunicken. Das Zeug in seinem Helm war so verteilt, dass er nicht gleich klar sehen konnte. Aber gleich darauf korrigierte er sich und salutierte.

»Würden Sie mir vielleicht sagen, wie Sie vorhaben, drei Lander zu erledigen, Lieutenant?«, fragte Mike und erwiderte die Ehrenbezeigung mit einer lockeren Handbewegung.

»Damit, Sir!«, erwiderte Tommy und zog das silberfarbene Tuch von dem Gerät, das er in seinem Loch versteckt hatte. »Ta-da!«

»Mhmpf«, machte O'Neal und musterte den Tera-watt-Laser. Zu Anfang des Krieges waren diese Waffen weit verbreitet gewesen, waren aber dann in den ersten zwei oder drei Jahren weitgehend verschwunden. Dabei handelte sich zugegebenermaßen um recht beeindruckende Anti-Lander-Systeme, zumindest gegen Lampreys und nichts ahnende K-Deks. Und deshalb würde es in diesem Fall vermutlich funktionieren. »Warum haben Sie es geheim gehalten?«

»Ich dachte mir, wenn keiner davon weiß, erfahren es die Posleen auch nicht, Sir«, sagte Tommy. »Ich hoffe, das war so in Ordnung.«

»Ihr AID wusste es«, meinte Mike nachdenklich.

»Ich habe es aufgefordert, die Inventarliste, die es zurückgeschickt hat, zu korrigieren«, erwiderte der Lieutenant bedächtig. »Wenn Sie es nicht erfahren haben, dann wissen es die Posleen auch nicht. Entschuldigung, Sir.«

»Oh, ist schon in Ordnung«, meinte Mike mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Wissen Sie, warum man diese Dinger aus dem Verkehr gezogen hat?«, fragte er.

»Nein, Sir«, sagte Tommy. »Ich habe das nie begriffen.«

»Na ja, in diesem Gefecht wird das keine Auswirkungen haben«, erwiderte der Bataillonschef. »Ich gehe jetzt zum Bataillonsstand zurück. Viel Glück, Lieutenant. Waidmannsheil.«

Mike glitt in das Loch, das man als Bataillonsbefehlsstand ausgehoben hatte, als der erste Lander über dem Kamm sichtbar wurde.

»Weshalb lässt er seine Anzüge nicht neue Waffen fassen?«, knurrte Stewart.

»Oh, Sunday hat eine bessere Idee«, schmunzelte Mike. »Ich hatte einen Terawatt-Laser in dem Versteck.«

»Und den wird er einsetzen?«, fragte der Bataillons S-2.

»Sieht so aus. Sollte ganz lustig sein, da zuzusehen. Vorzugsweise aus sicherer Entfernung.«

»Ich glaube, diesmal meinen die es ernst.«

SheVa Neun kroch langsam über die Ruinen der Innenstadt von Franklin und suchte nach einer Schussposition.

Der Hügel, auf dem sich einmal der Stadtkern von Franklin befunden hatte, und all die sanften Hänge, so weit das Auge ringsum reichte, waren von den Spuren des Atomschlags bedeckt. Die Straßen waren mit Trümmerteilen der Häuser und kleinerem Schutt übersät, in den Vororten rings um die Stadt waren Bäume über die Straßen gestürzt, überall loderten Flammen. Vor ihnen waren Panzer ausgeschwärmt, aber das SheVa kam zum ersten Mal seit den schweren Wunden, die ihm geschlagen worden waren, fast genauso schnell voran wie die Abrams und Bradleys; Trümmerteile, denen die kleineren Panzer ausweichen mussten, konnte es einfach zermalmen.

Irgendwo in der Umgebung von Franklin sollten sie einen Punkt in Schussweite des Passes erreichen. Das Problem war ein zweifaches: Angularität – sie mussten in den Pass feuern können – und Höhe – der Pass lag etwas höher als Franklin, und da sie Höhenkrepierer einsetzen mussten, brauchten sie ein wenig mehr Reichweite als das bei einem direkten Treffer erforderlich gewesen wäre. Die erste und beste Gelegenheit bot der Hügel, auf dem einmal Franklin gestanden hatte, obwohl sie dort auch selbst ein besseres Ziel abgeben würden. Und wenn der Hügel als Stellung nicht infrage kam, würden sie weiter vorrücken müssen, so lange eben, bis sie eine gute und sichere Schussposition hatten.

Pruitt sah zu, wie das ballistische Zielfadenkreuz langsam das Rabun-Tal hinaufkroch, manchmal näher an den Pass heranrückte, dann wieder weiter weg, wenn das SheVa unter der Druckwelle eines schweren Plasmatreffers ins Schwanken geriet.

»Herrgott!«, schrie der Kanonier, schwenkte den Turm und schaltete sein Fernradar sowie das Lidar ein.

»Colonel! Da kommen vier, nein, sechs K-Deks über die Kämme! Und die sind ausgeschwärmt.«

»Scheiße«, murmelte Mitchell und schnippte die Terrainkarte an. Das SheVa hatte sich während des Rückzugs mit mehr als sechs Landers angelegt, gelegentlich sogar gleichzeitig. Aber in jedem einzelnen Fall hatten sie sich in günstigem Terrain befunden, in dem sie Deckung gefunden und deshalb nach dem Motto »schießen und abhauen« hatten operieren können. Unglücklicherweise war das Franklin-Tal relativ offen, zumindest für etwas von der Größenordnung des SheVa: flache Hügel mit gelegentlich felsigen Vorsprüngen dazwischen. Für die Bodentruppen der Posleen bot das Gelände einigen Schutz, aber wenn es darum ging, Schiffe unter Beschuss zu nehmen, dann lag es so offen wie das Putting Green eines Golfplatzes da.

Ihre einzige Chance bestand darin, dass die artilleristischen Fähigkeiten der Posleen nicht gerade berauschend waren; sie mussten die Schiffsgeschütze manuell auf Bodenziele wie das SheVa richten, und während des Rückzugs war offenkundig geworden, dass den Invasoren Begriffe wie »Ausbildung« völlig fremd waren. Ihr Feuer wurde also erst dann wirklich genau, wenn sie sich bereits in Schussweite des SheVa befanden. Aber sich mit sechs K-Deks auseinander zu setzen, ohne dass es irgendwo Deckung gab, besonders wo sie doch nur noch vier Anti-Lander-Granaten übrig hatten und ihre maximale Marschgeschwindigkeit bei fünfundzwanzig Stundenkilometern lag, war nicht gerade eine hoffnungsvolle Situation.

»Rufen Sie besser die GKA an und sagen Sie denen, dass wir uns ein wenig verspäten werden.«

Tommy kauerte hinter dem Laser und nahm den ersten K-Dek aufs Korn, der sich gerade über den Hügelkamm schob. Das würde verdammt knapp werden.

Das holographische Visier zeigte innere und äußere Ziele sowie das Antimaterie-Eindämmungssystem. Letzteres vermied Tommy bewusst und schickte den Strahl auf einem Vektor, der sicherstellen sollte, dass der Strahl einen Schwachpunkt traf und in den Maschinenraum des Schlachtkreuzers eindrang.

Exakt in dem Augenblick, als der K-Dek mit einem Plasmageschütz das Feuer eröffnete, spie die Waffe einen Strahl aus kohärentem purpurnem Licht. Das Geschützfeuer verfehlte das Bataillon und traf stattdessen die von den Posleen gebaute Straße ein Stück nördlich davon und riss dort einen Krater von der Größe eines Einfamilienhauses auf.

Das Wirkungsprinzip der Waffe war eine schlecht kontrollierte Kernreaktion, die zwischen massiven elektromagnetischen Feldern gebannt war und in Photonen konvertiert wurde. Der Strahl selbst lag im Gigajoule-Bereich pro Sekunde und durchstieß die schwere Panzerung des Posleen-Schiffs wie Papier. Er durchbohrte die Innenschotts, zerstörte das Antigravitationssystem und nahm damit zugleich dem Gros der Waffensysteme die Energie. Seiner Antigravitationsstütze beraubt, geriet der Kreuzer ins Trudeln und stürzte ab.

»Oh Scheiße«, schnaubte Duncan nach einem Blick zum Himmel. Er hatte gesehen, wie der Kreuzer auf seinen augenblicklichen Standort zutrieb, aber die Waffen der drei Männer auf dem Bergkamm wären für das Schiff nicht viel mehr als Streicheleinheiten gewesen, und deshalb hatte er einfach den Kopf eingezogen und gehofft, dass der Lander sich ein anderes Ziel aussuchen würde. Als der Terawatt-Laser den Lander dann an der Seite traf, stand er fast unmittelbar über ihrer Position.

Der Kreuzer geriet ins Trudeln und begann abzustürzen, schnell abzustürzen, und Duncan wusste, dass er nichts, aber auch gar nichts tun konnte.

Das Schiff stürzte senkrecht mit zehn Metern pro Sekundenquadrat und prallte keine fünfzehn Meter von seiner Position entfernt, aber glücklicherweise auf der Posleen-Seite des Berges auf. Dann fing es an, talwärts zu rollen.

Der Aufprall des schweren Landers hatte alle drei Anzüge hoch in die Luft geschleudert. Als sie wieder herunterfielen, prallten sie beim ersten Mal ab und wurden erneut hochgeschleudert. Aber dann war Duncan fast sofort oben am Bergkamm. Den Anblick wollte er sich nicht entgehen lassen!

Das Schiff, das die Form eines Dodekaeders hatte, eignete sich nicht besonders gut zum Rollen, aber der Abhang war steil, und es hatte keine große Wahl. Immer noch ungezielt aus den einzelnen Geschützpositionen feuernd, rollte das gigantische Schiff den Hügel hinunter, überrollte die Posleen, die verzweifelt versuchten, sich irgendwo festzuhalten, und schließlich hinunter auf die Straße, die es zum Teil versperrte.

»Verdammt, besser hätte ich das Ding gar nicht unterbringen können!«, murmelte Duncan und sah zu den beiden anderen Schiffen hinüber. Es waren Lampreys, viel kleiner und weniger gefährlich als der K-Dek. Aber nichtsdestoweniger gefährlich. »Jetzt hoffe ich nur, dass dieser verdammte Laser hält.«

Tommy schwang den Laser zu dem Lamprey ganz links hinüber, der ein Stück höher stand und damit in besserer Position war, um auf das Bataillon zu schießen. Er hatte bereits mit einem der schweren Laser aus einer seiner fünf Facetten das Feuer eröffnet, und die Plasmaeinschläge wanderten scheinbar ungezielt über den Boden, bewegten sich aber auf den Befehlsstand des Bataillons zu. In diesem Fall zielte Sunday nicht so sorgfältig; das Schiff war weiter entfernt, und wenn das Antimaterie-Eindämmungssystem detonierte, würde es nicht ganz so viel Schaden anrichten.

Wieder schoss der purpurfarbene Laserstrahl hinaus, bohrte sich in einem silbernen Blitz in die Schiffswand und drang tief in seine Eingeweide. Der Schuss verfehlte das Eindämmungssystem, durchschnitt aber die Leitungen, die es mit den Antriebsaggregaten verband. Das Schiff blieb in der Luft stehen, als ob die Hand eines unsichtbaren Riesen es gepackt hätte, und fiel dann runter wie ein Stein. Einige der Posleen in beiden Schiffen würden den Absturz zwar lebend überstehen, aber sie waren relativ belanglos im Vergleich mit dem Schaden, den Tommy dadurch anrichtete, dass er die Schiffe selbst außer Gefecht setzte.

Er schwenkte die Waffe schnell zu dem dritten Schiff herum, aber diesmal geschah das eine Idee zu spät.

»Captain Slight!«, rief Mike und unterdrückte dabei eine Verwünschung. »Hinter Ihnen!«

In den fünf Jahren, seit sie das Kommando über die Bravo-Kompanie übernommen hatte, hatte Karen Slight zahllose Gefechte und Scharmützel überlebt. Manchmal kam sie sich vor, als wäre sie den Gesetzen der Statistik entronnen. Aber wenn das zutraf, so hatten die sie soeben eingeholt.

Sie schnippte die Sicht nach hinten und sprang auf, als sie sah, wie die Blitze eines schweren HVM-Werfers auf ihre Position zujagten, aber das tat sie gerade den Bruchteil eines Augenblicks zu spät. Ehe sie oder First Sergeant Bogdanovich mehr tun konnten als sich aufzurappeln, hatten die Projektile ihr Loch erreicht. Und als der nächste Schuss ein paar Meter weiter hinten auftraf, war in dem Loch nichts mehr als rauchende Anzugfragmente.

»Scheiße«, murmelte Tommy, als er das dritte Schiff aufs Korn nahm. Es hatte von seinen abgeschossenen Vorgängern gelernt und versuchte seitwärts abzukippen und sein Feuer auszubreiten. Aber der Terawatt-Laser hatte keine Ähnlichkeit mit den leichteren Gravkarabinern, die nur über einen Bruchteil der Energie des Lasers verfügten. Der Strahl schnitt wie ein Messer in das dritte Schiff, fraß sich durch Mannschaftsquartiere und Kommandobrücke. Zu allem Überfluss war der Pilot für Flüge auf so geringer Höhe kaum ausgebildet worden. Im Großen und Ganzen wurden die Posleen-Schiffe automatisch gesteuert, mit der Folge, dass nur sehr wenige Posleen für manuelle Steuerung ausgebildet oder darauf vorbereitet waren. Und dafür lieferte dieses Schiff den Beweis, indem es zuerst seitlieh beschleunigte, um dem Laserstrahl auszuweichen, gleich darauf gegen den Black Rock Mountain krachte und hart davon abprallte, wieder hinein in den Laserstrahl, dem es auszuweichen versucht hatte.

In diesem Fall war unklar, ob dies dem Laserfeuer oder dem plötzlichen Aufprall zuzuschreiben war, jedenfalls kam das dritte Schiff in der Luft zum Stillstand, stürzte, rollte den Hügel hinunter und traf dort auf den K-Dek, worauf beide den engen Pass fast völlig blockierten.

Tommy sah zu, wie das Schiff den Abhang hinunterrollte, und verstellte dann das Dreibeinstativ seines Lasers, um damit auf die näher rückenden Posleen schießen zu können. Die mussten es dort unten sehr schwer haben, sich an der Straßensperre vorbeizuzwängen, die die beiden abgestürzten Schiffe bildeten, aber das hieß nicht, dass nicht dennoch eine massive Wand aus Zentauren die vordersten Reihen angriff. Aber nach dem Tod ihres First Sergeant und der Kompaniechefin hatte das Feuer der Bravo-Kompanie etwas nachgelassen, was die Posleen sich sofort zu Nutze machten.

Dagegen hatte Tommy etwas einzuwenden, und deshalb eröffnete er wutschnaubend das Feuer auf die näher rückenden Zentauren.

»Saubere Arbeit, Lieutenant«, sagte Mike mit einem Seufzer der Erleichterung, den Tommy nicht hörte. »Aber vielleicht sollten Sie jetzt das Feuer einstellen.«

»Bei allem gebotenen Respekt, Sir, Bravo braucht meine Unterstützung«, erwiderte Tommy und jagte der vorrückenden Phalanx von Posleen-Laserfeuer entgegen. Die purpurnen Strahlen, eigentlich dazu gedacht, Schiffe zu zerstören, hatten sich tief in die Ränge der Posleen gebohrt, meist fünf oder sechs Zentauren hintereinander aufgespießt, während er seine Waffe hin und her wandern ließ.

»Schon, aber es gibt da ein kleines Problem«, sagte Mike. »Ich will es mal so formulieren…«

Man hatte das »kleine Problem«, das der Terawatt-Laser an sich hatte, schon ein Jahr nach dem ersten Kampfeinsatz der Waffe entdeckt. Wie schon erwähnt, stellte die Waffe eine nur unzureichend eingedämmte Kernexplosion dar. Anti-Wasserstoff wurde in sorgfältig bemessener Dosis in eine mit Argongas gefüllte Laserkammer injiziert. Der Anti-Wasserstoff traf auf das Argon und verwandelte sich und einen Teil des Argon blitzschnell in pure Energie.

Diese Energie wurde von anderen Argonatomen aufgenommen, die ihre Energie als Lichtphotonen abgaben, welche dann eingefangen und festgehalten wurden, bis ein Überdruck entstand, worauf sie freigegeben wurden.

All das vollzog sich in allerhöchstens einer Nanosekunde und wurde von vibrierenden Magnetfeldern gelenkt, die ihre Energie aus derselben Reaktion bezogen.

Praktisch derselbe Laser wurde auch auf Raumkreuzern und Weltraumjägern eingesetzt, wo man ihm Ehrfurcht und großen Respekt entgegenbrachte, wohl wissend, dass die Sonnenreaktion in seinem Herzen eine beinahe ebenso große Gefahr für das eigene Schiff wie für den Feind darstellte. Auf Kriegsschiffen stellten deshalb massive Sekundärfelder sicher, dass das System beim kleinsten »Ausrutscher« der Primärfelder einfach einen Augenblick lang abschaltete. Das führte vielleicht zu einem kleinen »Bäuerchen« der Waffe, sonst aber zu nichts.

Im Erdeinsatz waren diese Sekundärsysteme einfach nicht verfügbar. Und deshalb konnte es passieren, dass das hoch angeregte Argon und eine geringe Menge noch nicht konvertierter Anti-Wasserstoff bei einem Ansteigen der Energiewerte über den maximalen Eindämmungswert der Magnetfelder hinaus der Eindämmung entkamen. Und die Waffe zerstörten. Den ganzen Rest des hochgradig angeregten Argons auf höchst katastrophale Art entweichen ließen.

Tommy feuerte gerade noch den Laser ab – da flog er im nächsten Moment durch die Luft. Nun, er flog eigentlich nicht, sondern wurde unkontrolliert in die Höhe geschleudert. Wieder fielen seine Sensoren aus, aber was er inmitten der Beschleunigungskräfte von seinem Display ablesen konnte, was also durch die Kompensatoren kam, ließ erkennen, dass der Außendruck zwar schnell abfiel, aber ziemlich genau dem Druck entsprach, den man in der Photosphäre eines Sterns vorfand.

Es gab einen kurzen, scharfen Ruck, dann endete sein Flug. Soweit er das feststellen konnte, rutschte er jetzt wahrscheinlich eine Bergflanke hinunter.

Etwa zu dem Zeitpunkt, als er die Besinnung verlor, stellte er fest, dass er nicht mehr sonderlich klar dachte.

Mike blickte aus dem Loch, das er etwas euphemistisch als seinen Bataillonsgefechtsstand bezeichnete, in die raucherfüllte Atmosphäre und seufzte.

»Ich habe ihm doch gesagt, dass er aufhören soll, solange es noch gut geht«, sagte er. Die Luft war mit unglaublich heißen Gasen und Staub geschwängert, aber die Systeme fingen bereits wieder an sich zu stabilisieren, und es war klar, dass sie bei der Detonation niemand verloren hatten. Tatsächlich sah es so aus, als ob der Laser, der wie üblich hochgegangen war, tatsächlich die Posleen aus ihrer Stellung weggefegt hatte. Erneut.

»Nukes«, murmelte er. »Wir hätten Nukes mitbringen sollen.«

»Oh«, sagte Stewart und lachte dann. »Yeah. Warum haben wir bloß nicht früher daran gedacht?«

»Keine Ahnung, vielleicht weil man sie uns doch nicht gegeben hätte?«, murmelte O'Neal. »Aber vielleicht ein paar verdammt große Bomben? Warum müssen wir ständig andere Leute bitten, uns am Rücken zu kratzen?«

»Oder vielleicht hätten wir einfach Laser mitbringen müssen«, lachte Stewart. »Warum haben Sie ihm denn nichts von den Sekundär-›Thematiken‹ erzählt, wie der Hersteller das nennt?«

»Na ja, aus Schaden wird man am schnellsten klug«, antwortete O'Neal. »Und verdammt noch mal, sonst war ja keiner bereit, mit dem verdammten Ding zu schießen.« Er sah auf seine Anzeigen und zuckte dann leicht die Achseln. »Er lebt. Im Augenblick ist er zwar weggetreten, aber er lebt. Und die Schiffe sind weg und die Posleen auch. Mir scheint, er hat das verdammt gut gemacht.«

»Finde ich auch.« Stewart schmunzelte. Dann wurde er wieder ernst. »Aber Slight haben wir verloren. Verdammt.«

»Yeah«, nickte Mike. »Ich könnte Sunday die Kompanie geben, sobald er wieder bei Bewusstsein ist, aber ich denke, ich werde sie einem der Platoon Sergeants geben. Sie ist ja ohnehin auf eineinhalb Platoons zusammengeschrumpft. «

Stewart stand auf und sah sich in dem sich langsam setzenden Staub um. »Ich sehe mich mal draußen um, wie's denen geht.«

»Yeah, und ich werde Duncan zurückrufen. Dort oben ist nicht mehr viel zu tun.«

O'Neal warf einen Blick auf die Lagedarstellung. »Eigentlich ist überhaupt nicht mehr viel zu tun. Punktum.«

»Na ja«, sagte Stewart. »Ich denke, wir könnten angreifen.«