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Porter's Bend, North Carolina, Sol III

0442 EDI, 29. September 2014

Indy zog den Arm aus dem Ärmel des Strahlenschutzanzugs in das sich sofort abdichtende Innere des Anzugs und wischte sich mit einem Papiertuch Kondensflüssigkeit von der Gesichtsplatte. Sie hatte sich diese Technik während ihrer High-School-Zeit angewöhnt, als sie in einer Stickstoffkammer gearbeitet hatte, und das kam ihr heute zugute. Jetzt wünschte sie sich bloß, sie hätte im Laufe der Jahre auch gelernt, wie man Wunder tut, dann würden sie nämlich vielleicht sogar wieder schießen können.

»Ich denke, wir sind ziemlich im Eimer«, sagte sie zu dem Pionieroffizier unten.

Colonel Garcia blickte zu dem Stoßdämpfer des Hauptgeschützes des SheVa auf und gestand sich insgeheim, dass sie wahrscheinlich Recht hatte. Das Geschütz war von irgendetwas getroffen worden, angesichts der vielen Schäden war allerdings schwer zu sagen, was es gewesen war, doch bei dem Treffer – vermutlich einem HVM, vielleicht auch einem Plasmaschuss – hatte der mächtige Stoßdämpfer ein Loch von einem halben Meter Durchmesser abbekommen, und die Hydraulikflüssigkeit war nach allen Seiten herausgespritzt.

»Wir haben Ersatzflüssigkeit«, sagte er, ohne dabei sehr überzeugend zu wirken, und dachte an die Teile und das Gerät, das die Instandsetzungsbrigade mit sich führte. »Aber wir haben keinen Ersatzdämpfer, wenn wir nicht mit einem Blimp einen herschaffen. Und das wird nicht passieren. Irgendwie ärgert mich das; schließlich sind wir Pioniere und sollten derartige Probleme lösen können!«

Das SheVa befand sich hinter einer niedrigen Hügelkette, ein Stück südlich von Rocky Knob. Die 147th hatte sich durch das Tal gekämpft und schwärmte jetzt entlang einer Linie aus, die etwa parallel zum Tennessee River und Oak Ridge verlief. Sie hatten die Posleen auf ihrer Flussseite praktisch aufgerieben, aber das andere Ufer wurde immer noch von verstreuten Grüppchen gehalten, und jeder Blimp, der über den Berg kam, würde geschätzten zweihunderttausend noch verbliebenen Posleen ohne Zweifel als Zielscheibe Nummer eins dienen.

Die Hügelkette stellte eine wichtige Verteidigungslinie dar, und das SheVa, mit seinem verbliebenen Support, hatte in aller Hast dahinter Schutz gesucht, als es Rocky Knob umrundet hatte. Falls »in aller Hast« die richtige Formulierung für einen siebentausend Tonnen schweren Stahlkoloss war, der fünfzig Prozent seiner Antriebsenergie verloren hatte.

»Ich glaube nicht, dass man einfach einen Flicken draufschweißen kann«, fuhr Garcia fort, als Kilzer unter dem Geschütz hervorkam. »Die Druckkräfte, die beim Abschuss auftreten, sind einfach zu hoch. Da würde jeder Flicken sofort weggesprengt werden.«

»Schweißnähte und Schweißnähte sind nicht unbedingt dasselbe«, sagte Kilzer und wischte sich einen Spritzer rote Hydraulikflüssigkeit vom Anzug. »Haben Sie denn irgendwelche Platten mit?«

Solche Reparaturplatten bestanden nicht aus sechszölligem Stahl, wie er für das SheVa typisch war, sondern reichten von ein bis drei Zoll.

Garcia sah sich den aufgerissenen Stoßdämpfer noch einmal an und zuckte die Achseln; er hatte etwa die Größe eines Mini-U-Boots, und die hier auftretenden differierenden Druckverhältnisse waren so groß, dass wahrscheinlich keine irgendwie geartete Schweißnaht halten würde.

»Die haben wir«, erklärte er.

»Okay, ich brauche eine Platte von drei Meter Breite und genau neun Komma vier zwei drei Meter lang.«

»Genau?«, fragte der Colonel, grinste zuerst und schob dann fragend eine Augenbraue hoch.

»Genau. Und, hm, ein Kettenersatzfahrzeug, einen Wannenschneider, zwei Platoons Techniker in Strahlungsanzügen, einen Pionieroffizier, sechzehn vertikale Arbeitsgeschirre, viermal Schweißersatz, zweihundert Kilo C-4 und eine Tasse Kona-Kaffee.«

Garcia überlegte einen Augenblick und zuckte dann die Achseln. »Das bringe ich alles, mit Ausnahme des Kona.«

»Die Posleen soll der Teufel holen, dass sie uns von unserem Nachschub abgeschnitten haben!«

Kilzer hatte, immer noch im Strahlenschutzanzug, das Fahrzeug verlassen und ging jetzt um das Stück Hüllenstahl herum, um es an der Oberfläche zu markieren.

Die Pioniere hatten den Stahl zu einem exakt neun Komma vier zwei drei Meter langen Rechteck zugeschnitten. In den Plattenschneidern wurde ein chemisch gepumpter Laser benutzt, der unter anderem imstande war, im exakten Winkel und auf vorgegebene Tiefe zu schneiden. Das war sehr nützlich, wenn es beispielsweise notwendig wurde, ein Stück von der Hülle abzuschneiden, das an einen Atomreaktor angrenzte.

Nachdem die Platte zugeschnitten war, hatte dasselbe Fahrzeug ein sechs mal sechs Meter großes Loch in die Seitenwand des SheVa geschnitten und war dann weggefahren, um sich nach anderer Arbeit umzusehen. Zu tun gab es eine Menge.

Während Kilzer und Indy mit der Reparatur des beschädigten Hauptgeschützes befasst waren, war der Rest der Brigade mit den »kleineren« Dingen beschäftigt. Auf dieser Seite von Knoxville gab es keine Reaktoren mehr und auch gar keine Chance, sie per Blimp herzubefördern, also würde das Geschütz künftig mit halber Kraft manövrieren müssen. Aber es gab genügend andere Schäden, um die Brigade zu beschäftigen, die jetzt beschädigte Stützstreben ersetzte, Löcher in der Seitenverkleidung flickte, den zerstörten Metal-Storm-Turm abhob und Hunderte zerfetzter Elektrokabel neu verlegte.

Kilzer blickte zu der Öffnung auf, als einer der Techniker kam, der ein Kabel von dem Kran am Oberdeck hinter sich herzog.

»Drei Ansatzlaschen, hier, hier, hier«, wies er die Schweißer an und markierte die Stellen, wo die Schekel angeschweißt werden sollten. Dann ging er zum anderen Ende der Platte und zeigte einem weiteren Schweißer, wo die zweite Gruppe anzubringen war. »Und wenn ihr damit fertig seid, dann bringt ihr noch zwei weitere in der Mitte an, für die Kontrollleinen.«

Während das in die Tat umgesetzt wurde, führte er die anderen zwei Schweißer ins Innere und zeigte ihnen das ausgezackte Loch in dem Stoßdämpfer.

»Das beschädigte Metall wegschneiden und ein sauberes, glattes Loch machen.«

Einer der Schweißer musterte die dünne Schicht Hydraulikflüssigkeit auf allen Flächen und winkte seinen Kollegen von dem Metall weg.

»Da müssen wir jemanden von der Feuerwehr rufen«, sagte der Techniker.

»Ah.« Paul Kilzer sah sich um und schüttelte unter der Sichtkuppel seines Anzugs den Kopf. »Ich hab doch gewusst, dass ich was vergessen habe.«

Er wartete, während das Feuerschutzteam gerufen wurde, und machte sich Notizen. Die Crew bestand aus zwei Bläserteams und einem Sicherheitsmann. Da die SheVa-Reparaturbrigade häufig unter Druck und unter Umweltbedingungen operieren musste, die alles andere als ungefährlich waren, hatte sie für Vorgänge wie das Schweißen in hochexplosiver Umgebung besondere Techniken entwickelt.

Während die Laserschweißer das Material aufschnitten, kümmerte sich das Feuerschutzteam um die Sekundäreffekte. Die Hydraulikflüssigkeit verdampfte zwar nur unter hohen Temperaturen, aber wenn es heiß genug wurde, dann würde sie auch zuerst verdampfen und sich dann entzünden. Im Allgemeinen waren dies kleine Brände mit starker Rauchentwicklung, die sich leicht löschen ließen, aber manchmal waren sie auch größer und energiereicher. Deshalb verfügte das Team über CO2-Löschgeräte, die beiden Arten von Bränden relativ leicht Herr wurden.

Die Vorbereitung des Schnitts hatte mehr Zeit in Anspruch genommen als der Schneidevorgang selbst. Beide Techniker waren so erfahren, dass man sie schon beinahe als Künstler bezeichnen musste. Sie führten ihre »Schneidflamme« geschickt um das Loch herum und erzeugten dabei glatte Ränder und eine regelmäßige Oberfläche, wo vorher nur verbogenes Metall gewesen war.

Nachdem sie fertig waren, dankte Kilzer der ganzen Crew und wartete, bis sie sich entfernt und sich anderen Arbeiten zugewandt hatten. Dann säuberte er zuerst die Metalloberfläche mit Vergaserreiniger und brachte anschließend an der Oberseite des Stoßdämpfers eine dünne Schicht aus etwas an, das wie doppelseitiges Klebeband aussah.

»Okay, ich hab's verstanden, Sie wollen die Platte in das Loch schweißen«, sagte Indy, die von hinten herangetreten war und ihm über die Schulter sah. »Und die Platte ist lang genug, um sie herumzuwickeln. Was ich nicht verstehe ist, wie Sie es anstellen wollen, dass das Ganze hält; von unten können Sie nicht schweißen, und Klebeband wird nicht funktionieren. Auch verstehe ich nicht, wie Sie die Platte so weich bekommen wollen, dass sie sich wickeln lässt, denn eine genügend große Presse haben wir ja nicht.«

»Dafür gibt es Mittel und Wege«, erklärte der Zivilist geheimnisvoll.

Zu dem Zeitpunkt war ein Teil des großen Plattenstücks bereits ins Innere geglitten. Die SheVa-Techniker hatten die Krankabel sorgfältig durch Steuerösen gezogen, sodass die Kabel im Inneren des SheVa keinen Schaden anrichten konnten, aber wegen der vielen Windungen und der Länge des Kabels, ganz zu schweigen vom Gewicht der riesigen Stahlplatte, waren die Bewegungen doch recht ruckartig.

»Bringt an den Seiten Steuerleinen an«, sagte Garcia, der gerade aus dem Reaktorraum nach oben kam. »Und hängt das Ding hinten an einen Bulldozer, um es zu stabilisieren.«

Alle drei Ingenieure sahen gebannt zu, wie die Platte sich über den Stoßdämpfer hob und dann leicht schwankend zur Ruhe kam.

»Nicht ziehen«, sagte Kilzer zu den beiden Sergeants, die für die Männer ganz hinten an den Leinen die Funktion von Augen übernommen hatten. »Lasst die Platte ganz langsam senkrecht herunter.«

Die Platte fing an, sich Zentimeter für Zentimeter zu senken, schwankte leicht, als eine der Seitenleinen abrutschte, sank dann exakt in die Öffnung, rutschte etwas zur Seite und hatte schließlich satten Kontakt mit der Oberseite des Stoßdämpfers.

»Großartig«, sagte Kilzer und holte eine Fernbedienung aus der Tasche. »Haltet es einen Augenblick lang dort fest.«

»Paul, was…?«, fragte Garcia, als Kilzers Daumen sich auf den roten Knopf senkte. Ein weithin hallendes Klänngg! war zu hören, und unter der Platte schoss Feuer heraus.

»Explosivschweißung!«, sagte Kilzer und hörte seine eigene Stimme kaum, so laut klingelte es in seinen Ohren.

»Sie hätten doch ›Feuer im Loch‹ oder so etwas schreien sollen!«, brüllte Indy zurück, schüttelte den Kopf und tippte sich durch den Strahlungsanzug gegen die Ohren. »Das war höllisch laut!«

»Aber das Ding sitzt«, sagte Kilzer. »Wo ist das Problem?«

»Paul, das war verdammt gefährlich«, gab Garcia vorsichtig zu bedenken. »Da hätte leicht jemand verletzt werden können. Und ich bin sicher, dass wir alle ziemlichen Gehörschaden davongetragen haben.«

»Ich nicht«, sagte Kilzer, zog die Arme aus den Ärmeln heraus und griff im Inneren des Anzugs an seine Ohren, um die Stöpsel herauszuziehen.

»Das hätten Sie auch uns sagen können!«, schrie Indy.

»Wonk, wonk, wonk«, erwiderte Kilzer und winkte den Technikern zu, die in ihren Stützgeschirren über ihnen hingen. »Setzt den Sprengstoff an!«

»Noch mehr Sprengstoff?«, fragte Indy. »Oh nein…«

»Paul, sind Sie auch ganz sicher?«, fragte Garcia.

»Sie haben doch nach einer Presse gefragt, Warrant Officer Indy«, meinte der Zivilist und grinste dabei breit. »Hundert Kilo C-4 sollten reichen.«

»Oh Scheiße«, stöhnte Stewart. »Boss, wir haben Probleme!«

O'Neal hatte gerade überlegt, ob er Captain Slight empfehlen sollte, ihre Front ein wenig umzugestalten, als der Anruf hereinkam. Die Bravo-Kompanie hatte bis jetzt etwa zwei Drittel der Verluste erlitten, und im zweiten Platoon gab es eine nicht zu übersehende Lücke. Aber auf Stewarts Bemerkung hin blickte er auf die Daten, die gerade hereingekommen waren, und seufzte.

»Duncan«, sagte er und schaltete dabei auf eine für die anderen nicht hörbare Leitung. »Ich brauche… drei von Ihren Leuten.«

»Das wird nicht leicht sein, Boss«, erwiderte der Kompaniechef. »Wir haben so viele Verluste, dass ich gar nicht weiß, wen ich Ihnen da geben sollte.«

Mike schob ihm die Daten rüber und hörte dann, wie der ehemalige S-3 zu fluchen begann.

»Boss…«, sagte er und hielt dann inne, betrachtete die Icons von beinahe viertausend Posleen, die sich die steile Flanke des Hogsback hinaufquälten. »Boss, ich bin gar nicht sicher, ob die das schaffen.«

»Ganz sicher nicht, wenn sie auf Widerstand stoßen«, sagte O'Neal. »Slight hat noch mehr Ausfälle als Sie.«

»Ich weiß«, erwiderte Duncan nachdenklich. »Major, ich tue hier ja nichts als in einem Loch sitzen. Ich werde zwei meiner Leute nehmen und selbst den Hügel hinaufgehen.«

Mike überlegte kurz und runzelte dann die Stirn. »Sinn und Zweck eines Kommandeurs ist es…«

»Zu kommandieren, Boss, und das ist nicht dasselbe wie Führen. Ich kenne den alten Spruch. Aber in diesem Fall habe ich zwei Platoon Sergeants, die die Kompanie genauso gut führen können wie ich, und wenn wir schon Leute rausziehen, dann lieber so wenig wie möglich von der Front.«

Mike furchte erneut die Stirn und seufzte dann. »Gut, einverstanden, Captain. Machen Sie es auf Ihre Tour. Aber sehen Sie zu, dass Sie Ihren Hintern den Berg hinaufkriegen.«

»Roger, Boss«, erwiderte Duncan. »Und… danke.«

»Wird ja immer besser«, sagte Stewart, als Duncan die Verbindung beendete. »Und jetzt haben wir Landerausstrahlungen.«

»Warum ist eigentlich nie ein SheVa da, wenn man eines braucht?«, fragte Mike.

»Ich weiß nicht, ob ich das verstehe.«

Colonel Mitchell hatte gerade ein Funkgespräch mit General Keeton beendet. Die GKA hatten schwere Verluste, und falls das SheVa ihnen nicht in allernächster Zeit mit massivem Beschuss zu Hilfe kam, würde der Pass ein zweites Mal fallen. Wenn die Posleen ungehindert durch den Pass vorrücken konnten, das wusste Mitchell genau, würde man sie auch nicht mit noch so vielen Antimateriegranaten aufhalten können. Wenn sie noch ein paar von den Teufelsdingern hätten, die die Universität entwickelt hatte, würde das vielleicht funktionieren, aber die Granaten des SheVa hatten einfach eine zu geringe Flächenwirkung; die Posleen würden einfach ausschwärmen.

Also war es lebenswichtig, nach Franklin zu gelangen, ehe die GKA sich in ein Bataillon rauchender Erdlöcher verwandelt hatte. Ganz besonders, weil unter den herrschenden Umständen nur die GKA überleben konnte, selbst wenn es ihnen gelang, die Posleen lange genug zurückzudrängen, um den Pass zurückzuerobern.

Und um das zu bewirken, war es erforderlich, das Hauptgeschütz unverzüglich wieder einsatzfähig zu machen. Deshalb schwitzte er jetzt in einem Strahlungsanzug, wo er sich doch in Wirklichkeit um den Fortgang der Reparaturen hätte kümmern oder, dem sei Gott vor, vielleicht sogar ein Nickerchen machen sollen.

»Der Stoßdämpfer muss unbedingt wieder funktionsfähig sein«, sagte Colonel Garcia. Er war mit einigem Widerstreben zu dem Schluss gelangt, dass Kilzers Plan, so verrückt er auch sein mochte, möglicherweise doch funktionieren würde. Aber er war trotz allem so gefährlich, dass der Kommandant des SheVa nach seiner Überzeugung auch über die möglichen Konsequenzen in Kenntnis gesetzt werden musste. Und der Ingenieur des SheVa war über den Plan überhaupt nicht glücklich.

»Genau!«, fiel Indy ihm ins Wort. »Funktionsfähig muss es sein, nicht für alle Zeit kaputt!«

»Paul schlägt vor«, fuhr Garcia nach einem vernichtenden Blick auf den weiblichen Warrant Officer fort, »ein Stück Stahl um den Stoßdämpfer zu wickeln, das an der Unterseite mit Schweißsprengstoff beschichtet ist, und den dann zu zünden. Er will das dadurch bewirken, dass er C-4 in einem bestimmten Muster an der Außenseite des Stahls anbringt und das zur Explosion bringt. Und während das Metall sich setzt, löst ein Zünder die Schweißung aus. Dabei sind zwei unterschiedliche Ergebnisse möglich. Entweder es funktioniert in gewissem Maße und das Geschütz kann einige Schüsse abgeben, ich weiß nicht, wie viele, oder es zerstört den Stoßdämpfer völlig. Und es könnte auch sein, dass es weder funktioniert noch den Dämpfer zerstört. Aber wir tippen auf ›entweder oder‹.«

»Indy?«

»Es ist verrückt«, sagte die leise. »Wenn das C-4 zündet, wird es den Stoßdämpfer zerdrücken wie eine Blechdose. Die Platte wird nach innen gedrückt werden, und das Metall des Stoßdämpfers wird das nicht aushalten. Das ist ganz gewöhnliche Physik.«

»Colonel Garcia?«

»Paul?«

»Janet?«, fragte Kilzer. »Nein, schon gut. Das mag ja wie Physik aussehen, Warrant Officer, aber jedenfalls nicht Hochenergie-Physik. Ich werde die Explosion vom äußeren Rand aus anfangen, sodass die Platte hochgradig daran interessiert ist, sich zu verbiegen, und kaum daran interessiert, nach unten zu drücken. Sie wird sich schneller um den bestehenden Dämpfer wickeln als das darunter liegende Metall zerdrückt werden kann. Und Schweißsprengstoffe sind niederenergetisch; sie werden den Stahl nicht aufreißen.«

»Im Wesentlichen richtig«, sagte Colonel Garcia und zuckte die Achseln. »Es könnte deshalb funktionieren, weil das Loch seitlich an dem Stoßdämpfer ist; an der Oberseite hat er einen massiven Metallbogen. Außerdem, ja, die Hüllenplatten sind sechszölliger Stahl. Aber das Metall des Stoßdämpfers ist dreizölliger Stahl, und das sollte Ihnen eine gewisse Vorstellung davon verschaffen, von welchen Druckverhältnissen wir hier sprechen. Und deshalb wäre eine gewöhnliche Schweißung der sichere Weg zum Scheitern. Und es ist ja nicht so, dass wir noch mehr Schaden anrichten würden. Tot ist tot, und im Augenblick ist das Hauptgeschütz tot. Mit diesem Verfahren könnte es wieder funktionsfähig werden. Es ist dumm. Aber wenn es dumm ist und funktioniert…«

»Dann ist's nicht dumm«, beendete Mitchell den Satz für ihn. »Erfolgschance?«

»Ehrlich?«, sagte Garcia. »Wahrscheinlich vierzig/sechzig. Vielleicht dreißig/siebzig. Aber eine Chance ist es. Eine normale Schweißung wird mit absoluter Sicherheit nicht halten. Punktum.«

Mitchell blickte in die Runde und rieb sich müde unter dem Anzug das Gesicht. Seine Sichtplatte hatte sich erneut beschlagen, und alles um ihn herum sah grau und unwirklich aus. Schließlich schüttelte er den Kopf.

»Tun Sie's«, sagte er. »Hin ist hin. Auf die Weise haben wir eine Chance, wieder weiterzukämpfen.«

»Ein letztes Problem«, gab Indy zu bedenken. »All die Hydraulikflüssigkeit wird Feuer fangen.«

»Oh, mit einem kleinen Feuer sollten wir, denke ich, klarkommen«, meinte Garcia und schmunzelte müde. »Ein hübsches, kleines Problem wie ein kleines Feuer würde uns mal richtig gut tun.«

»Heiliges Toledo!«, schrie Kilzer und richtete den Feuerlöscher in jeden Winkel, den er erreichen konnte; der ganze Raum war von Flammen verhüllt. »Ich denke, ich hätte mir meine Notizen ansehen sollen!«

Nachdem das Gros der Brigade den Innenraum mit Feuerlöschern, Stickstoffgebläsen und am Ende Decken bearbeitet hatte, verloschen die Brände schließlich. Einige gingen von selbst aus; die Hydraulikflüssigkeit war dünn verteilt und neigte dazu, aufzuflammen und gleich wieder zu verlöschen.

»Gut, dass die uns so viele Löcher in die Wand geschossen haben«, grinste Indy, als die Kommandanten und Kilzer sich am Schauplatz des Geschehens trafen. »Sonst wären wir wahrscheinlich in die Luft geflogen.«

»Ach, übertreiben Sie doch nicht«, herrschte Kilzer sie an. »Hydraulikflüssigkeit verdampft bei sehr hohen Temperaturen. Wir waren fast nie in Gefahr, in die Luft zu gehen.«

»Fast nie«, kicherte Indy hysterisch. »Fast nie.«

»Ach, halten Sie doch die Klappe.«

Colonel Garcia hatte sich unterdessen das von Brandspuren gezeichnete Metall angesehen, das um den Stoßdämpfer gewickelt war. Am Rand war eine leichte Vertiefung zu erkennen, aber es sah so aus, als ob die unorthodoxe Technik funktioniert hätte.

»Ich denke, das sollte gehen«, meinte er.

»Nach dem ersten Schuss leckt es wahrscheinlich wie der Teufel«, meinte Kilzer. »Aber solange Indy dafür sorgt, dass es immer voll ist, und solange es nicht explodiert, sollte das Geschütz funktionieren.«

»Indy hat eine ganze Menge anderer Dinge zu tun«, stellte Mitchell fest.

»Ich denke, ich werde ein Platoon Freiwillige anfordern, die Sie auf dieser Fahrt begleiten«, sagte Garcia. »Da sind noch eine Menge Schäden, und Sie werden weitere davontragen. Sie könnten die Hilfe brauchen.«

»Amen«, murmelte Indy.

»Einverstanden«, nickte Mitchell. »Wo stehen wir sonst?«

»Alles, was getan werden konnte, ist erledigt«, erwiderte der Kommandeur der Reparaturbrigade. »Ein Rad mussten wir entfernen, weil es zu schwer beschädigt war, um es ersetzen zu können, aber da Sie ohnehin mit reduzierter Geschwindigkeit fahren, sollte das nichts ausmachen. Die Kiste ist ja sowieso nicht in 1a-Zustand, aber fahren wird sie.« »Okay, dann wollen wir mal.«

»Orostan, ich stelle fest, dass das SheVa immer noch in Fahrt ist.« Der Kriegsführer blickte auf die Karten und schüttelte den Kopf. »Das ist gar nicht gut.«

»Ich hatte erwartet, dass es den Menschen entweder über den Pass folgt oder ihnen vielleicht sogar voranfährt«, erwiderte der Oolt'ondai zornig. »Jedenfalls nicht, dass es an meiner Flanke auftaucht. Und damit hat es den Verteidigungsgürtel unten am Pass gesprengt!«

»Menschen sind so«, sagte Tulo'stenaloor und ließ seinen Kamm flattern. »Sie tauchen immer dann auf, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnet. Aber das muss ein Ende haben.«

»Ich bemühe mich ja.«

»Ja.« Der Kriegsführer sah sich um und klappte dann in einer Geste, die Belustigung andeutete, die Lippen zusammen. »Ich habe mehr Oolt Po'oslena'ar als vertrauenswürdige Piloten. Aber ich denke, ich werde einige ausschicken, ob die Piloten nun gut sind oder nicht. Hier nützen sie mir nichts.«

»Dieses SheVa hat unglaubliches Glück«, gab Orostan zu bedenken. »Ich weiß nicht, wie viele von unseren Schiffen es zerstört hat, aber jedenfalls eine ganze Menge. Und wenn es das tut…«

»Ja, Probleme, Probleme, Probleme«, erwiderte der Estanaar. »Ich werde mich hier drum kümmern. Und du massierst deine Verbände und bringst dieses verdammte Ding zum Stehen. Sonst enden wir beide noch als Dekoration an der Wand eines Menschen!«

Duncan rannte in langen Sätzen den Hügel hinauf und warf sich auf den Bauch, kroch die letzten paar Meter, um nicht gesehen zu werden.

Die Stellung zu verlassen war schwieriger gewesen als die Hügelkuppe zu erreichen. Das Feuer der Posleen bestrich die Stellung des Bataillons fast ohne Unterlass, man konnte also nur durch die Verbindungsgräben herauskommen. Aber obwohl die Sensenmänner und die Techniker Gräben zu allen Kampfstellungen und Befehlsständen gegraben hatten, führten sie nicht weiter. Sonst hatte es keine Ziele für sie gegeben, also hatten die Soldaten sich auch die Mühe gespart, Gräben auszuheben, die aus der Feuerzone herausführten.

Also hatten Duncan und die beiden Soldaten, die er mitgenommen hatte, sich den Weg nach hinten und dann um die Stellung herum nach Osten graben müssen, bis endlich ein vorspringender Fels den vorrückenden Posleen die Sicht versperrte und die Zentauren damit auch nicht mehr in der Lage waren, auf sie zu schießen. Besonders lange hatte es nicht gedauert, aber es war immerhin Zeit verstrichen. Und deshalb war er in aller Eile die Hügelflanke zum Wall hinaufgerannt, als sie dazu imstande waren.

Der lange Wall war in den Jahren zwischen den ersten verstreuten Landungen und der letzten größeren Welle mit großem Aufwand gebaut worden. Er verlief praktisch über die gesamte Länge der östlichen Kontinentalscheide, aber in diesem kleinen Stück Hölle war nicht viel davon übrig geblieben. An Pässen und anderen Formationen, wo mit schweren Posleen-Angriffen gerechnet wurde, hatte man den Wall zu modernen Festungsmassiven aus Stahlbeton ausgebaut, die von Waffen starrten. Zwischen den einzelnen Verteidigungsanlagen war der Wall überall etwa sechs Meter hoch und bestand aus Stahlbeton mit einem verstärkenden »Fuß« an der Innenseite. Und trotz der Proteste der Naturschützer hatte er keine Öffnungen. An der Innenseite des Walls verlief eine Straße durch die ganze Ostpartie der USA. Wenn an diesem Wall nicht gerade eine mörderische Schlacht im Gange war, krochen Patrouillen daran entlang und blickten von Zeit zu Zeit über die Mauerkrone, um sich zu vergewissern, dass sich nicht etwa an der anderen Seite Posleen anschlichen.

Als freilich das Höllengeschoss der UT aufgetroffen hatte, war der Stahlbeton davon etwas mitgenommen worden. Die Partie des Walls, die über den Hogsback führte, hatte bereits Probleme gehabt, ein Vermächtnis des ersten Posleen-Angriffs auf das Bataillon, als ein kleiner Verband Löcher in den Wall gesprengt hatte, um zur Landezone der Menschen durchzustoßen. Aber die Teufelswaffe hatte viel mehr angerichtet, hatte ein gutes Drittel des Walls dem Erdboden gleichgemacht und auch dem Rest mächtig zugesetzt. Das Gute daran war, dass die verbliebenen Mauerreste ideale provisorische Deckung lieferten.

Und deshalb schob der Kompaniechef jetzt den Kopf über einen Betonbrocken und fluchte.

»Offensichtlich ist Vernunft wirklich ansteckend«, murmelte er; die Posleen waren damit beschäftigt, eine Straße zu bauen.

Es war nicht gerade ein Meisterwerk von Straße, und sie machten es auch nicht sonderlich gut, aber immerhin räumten sie das Geröll weg und gruben einen serpentinenförmigen Pfad an der Hügelflanke entlang nach oben, die sie sonst unmöglich überwinden konnten. Sie hatten freilich gerade erst angefangen, also war auch noch genug Zeit, sich damit auseinander zu setzen.

»Race, Sie gehen etwa dreißig Meter dort hinunter«, sagte Duncan und deutete nach Osten. »Poole, dieselbe Distanz nach Westen. Feuer eröffnen, wenn ich schieße. Auf die Gottkönige zielen.«

Er wartete, bis die beiden Männer ihre Positionen eingenommen und ihre Ziele erfasst hatten. Am Ansatz des Hügels, etwa zweitausend Meter entfernt, war eine Ansammlung von Betonresten zu erkennen, die darauf hindeuteten, dass dort früher einmal Gebäude gestanden hatten. Um diese Ruinen drängten sich die meisten Gottkönige, aber mit AIW-Zielsystemen war eine Distanz von zweitausend Metern kein Problem. Er vergewisserte sich, dass sie ihre Ziele markiert hatten, zielte dann selbst auf sein erstes und schmiegte das Gewehr unnötigerweise an seine Schulter. »Auf drei. Eins, zwei, drei.«

Panoratar ließ seinen Tenar hin und her schweben und sah dabei zu, wie sein Oolt bemüht war, den Weg den Abhang hinauf zu räumen. Das titanische Feuer der menschlichen Waffe hatte das Erdreich der Berge zum größten Teil weggebrannt, und was noch davon übrig geblieben war, wurde jetzt weggeräumt und glatt gewalzt, um eine Art Straße zu errichten.

Mit menschlichem Gerät und wesentlich weniger Posleen wäre das schneller gegangen, aber davon gab es vor Ort nichts – alles existierende Gerät war von den letzten Einschlägen vernichtet worden – und selbst wenn es welches gegeben hätte, hätte doch keiner der hier anwesenden Kessentai damit umgehen können. Und deshalb mussten sie die Straße auf die altmodische, langsame Art bauen. Zum Glück gab es einige Oolt'os, die das konnten; diese hatten die Spitze übernommen und benutzten das vorgefundene Geröll dazu, um damit Löcher im Boden auszufüllen und einen schmalen Pfad zu bauen.

Mit genügend Zeit und ein paar im Umgang mit Gestein geübten Oolt'os konnten sie eine Straße bauen, die tausend Umdrehungen der Sonne Bestand haben würde. Aber das würde nicht nötig sein. Die Straße musste gerade breit genug sein, damit das Oolt den Hügel hinaufziehen und dann die Menschen von hinten angreifen konnte.

»Ich wette, die Menschen werden überrascht sein«, grunzte er, an Imarasar gewandt – unmittelbar bevor sein Tenar explodierte.

Die untertassenförmigen Fahrzeuge der Gottkönige benutzten zur Speicherung der Energie eine Kristallmatrix, ein höchst wirksames System übrigens, praktisch identisch mit dem, das in den gepanzerten Kampfanzügen eingebaut war. Es war zwar imstand, riesige Energiemengen auf sehr kleinem Raum zu speichern, aber diese Energie war kaum kontrollierbar; wenn die Kristallmatrix in irgendeiner Weise gestört wurde, wurde die Energie in einer unkontrollierten Kettenreaktion freigegeben. Anders ausgedrückt: Es kam zu einer »gewaltigen Explosion«. Bei Panoratars System, das zur Hälfte geladen war, entsprach diese Explosion der von ein paar hundert Kilo TNT. Und dazu kamen die Splitter des sich in seine Bestandteile auflösenden Tenars.

Die Explosion dehnte sich aus und schleuderte die Gottkönige in der unmittelbaren Umgebung mit dem größten Teil ihrer Elite-Normalen zu Boden, tötete die meisten von ihnen und machte sämtliche Tenar gefechtsunfähig.

Und dann gingen weitere silberne Blitze auf den Verband unten am Hügel nieder.

»Sauberer Schuss, Sir«, rief Race. Der Specialist ließ sein Feuer quer über die Reihe von Normalen wandern, die sich an der Spitze der Straßenbauer befanden, und sah zu, wie seine Tropfen aus abgereichertem Uran die Normalen in gelbe Fetzen rissen. »Ich glaube, das waren die Jungs, die die Bauarbeiten geleitet haben.«

»Wahrscheinlich die, die etwas davon verstanden«, sagte Poole und nahm einen Gottkönig am Rand der dicht gedrängten Gruppe aufs Korn. »Verdammt.«

»Die Energiematrix verfehlt, was?«, fragte Duncan. »Ihre Zielsysteme suchen sich die nicht automatisch. Sie müssen sie speziell markieren.«

»Wie macht man das?«, fragte Race, als eine Salve 3-mm-Geschosse gegen die Betonreste schlug, hinter denen er Deckung gesucht hatte.

»Da, ich zeig's es Ihnen«, erwiderte Duncan und aktivierte einen Befehl, sodass Race zusehen konnte, während er das Menü aufrief.

»Äh, wenn Sie es mir einfach sagen könnten, Sir?«, meinte Race, rutschte ein Stück den Hügel hinunter und robbte dann zur Seite. »Wir sind ziemlich beschäftigt.«

»Zuerst rufen Sie das Menü für sekundären Zielparameter auf«, erwiderte Duncan, ohne auf die Antwort des Private und eine Anzahl HVMs einzugehen, die dicht unter ihm einschlugen. »Dann wählen Sie ›Energiesysteme.‹ Sobald Sie das haben, sehen Sie, dass das Zielsystem automatisch nicht nur die Gottkönige, sondern auch die Energiekristalle in dem Lagerabteil unter den Gottkönigen priorisiert. Und dann streicheln Sie den Abzug«, schloss er, jagte einen Schwarm Tropfen durch das Energiesystem eines herannahenden Kessentai und ließ die Untertasse des Gottkönigs explodieren. »Sie werden feststellen, dass sich dann ein Fenster mit dem jeweiligen Energiestand öffnet. Wenn Sie genügend Zeit haben, können Sie sich sogar die Untertassen mit der höchsten Ladung aussuchen. Auf die Weise holen Sie mehr aus jedem Schuss raus.«

Inzwischen lagen sechs umgekippte Tenar und zwei, die sich in ihre Bestandteile aufgelöst hatten, am Hügelansatz, und falls es noch Gottkönige gab, dann hielten sich diese bedeckt. Duncan nickte nur und markierte zwei weitere Tenar.

»Das hier ist eine zusammengewürfelte Einheit«, erklärte er und vergrößerte die Bugpartien der Tenar in Stereoansicht. »Achten Sie auf die Rundung vorne. Wir haben zwei, die fast spitz sind, einen, der fast halbkreisförmig gerundet ist und einen etwa dazwischen. Diese Unterschiede hat man schon früher an den Untertassen festgestellt, die die Posleen Tenar nennen, und auch im Aussehen der Waffen bis hin zu den Landers. Wie es scheint, gibt es vier oder fünf unterschiedliche Bautypen.«

Poole duckte sich hinter einen Betonbrocken und robbte ein Stück zur Seite, wobei er sich redlich Mühe gab, nicht in schrilles Gelächter auszubrechen. »Wissen Sie, Sir, das ist genau der richtige Augenblick für einen Vortrag über unterschiedliche Posleen-Stilrichtungen im Untertassenbau.«

»Woher kommen denn diese unterschiedlichen Formen?«, fragte Race und lachte.

»Das weiß niemand genau«, antwortete Duncan. »Aber es ist doch immerhin interessant, dass unser Feind zwar wie eine formlose homogene Masse aussieht, in Wirklichkeit aber doch gewisse Individualität aufweist. Wahrscheinlich ist das so etwa wie der Unterschied zwischen einem Ford und einem Chevrolet, aber jedenfalls gibt es Unterschiede. Zumindest in der Führerschaft, bei den Kessentai.«

Er sah wieder den Hügel hinunter, wo der größte Teil der Normalen immer noch bemüht war, höherzuklettern.

»Man kann freilich mit diesen Gäulen nicht viel anfangen«, seufzte er dann und fuhr fort, auf die gelbe Masse in der Tiefe zu feuern. »Man bringt sie einfach so lange um, bis die aufhören, einen selbst umzubringen.«

Mitchell sah auf den Hauptschirm und schüttelte den Kopf; das ganze Tal auf der anderen Flussseite war mit roten Feindmarkierungen gesprenkelt. Den Hügelkamm zu überwinden würde ein »ganz besonderer« Augenblick sein.

»Alle bereit?«, fragte er.

»Wir haben Wasser für vier Minuten«, sagte Kilzer. »Wir haben eine Gemeinde-Wasserversorgung gefunden, aber die enthielt bloß vierzigtausend Gallonen. Sobald das verbraucht ist, wird das Plasmafeuer für uns recht unangenehm.«

»Wir sind ja auch noch da«, ließ sich LeBlanc vernehmen. »Wir haben uns neu mit Munition versorgt und somit genügend Ersatz, um mit neunzig Prozent Stärke vorzurücken. Und der Fluss sieht so aus, als könnte man durchfahren.«

»Wir haben etwa fünfzig Prozent Energie«, sagte Reeves. »Wenn die MetalStorms voll im Einsatz sind, reduziert sich unsere Marschgeschwindigkeit über Land um zwei Drittel.«

»Die Storms sind bereit, diejenigen zumindest, die noch übrig sind.« Captain Chans Stimme klang müde aus dem Lautsprecher. Ihre Crew hatte die Hälfte der I.V.s in dem SheVa verbraucht, und Glenn hatte ausgeflogen werden müssen. Aber davon abgesehen waren sie gut drauf. Erschöpft, aber gut drauf. »Garcia hat die Ladungen neu eingeteilt, sodass wir jeweils sechs zur Verfügung haben. Aber insgesamt haben wir nur noch dreiundfünfzig, also habe ich je sechs an die vorderen Systeme ausgegeben und den Rest verteilt. Sobald die verbraucht sind, warten die nächsten an der Straße von Knoxville. Weit weg.«

»Acht Schuss geladen«, sagte Pruitt. »Sechs AntiLander und zwei von denen, die etwas euphemistisch als ›Flächenbeschuss‹ bezeichnet werden. Manche nennen sie auch ›Glühbirne Gottes‹ oder ›dicker Brummer‹. Und hinter uns gibt es eine Kette ausgeschwärmter Fahrzeuge, von denen niemand spricht und die mit zusätzlichem Höllenfeuer und Vernichtung angefüllt sind, bloß für den Fall, dass vier nicht reichen sollten. Wir haben ein halbes Päckchen Zigaretten, eine Tankfüllung Benzin, bis zur Feuerstellung sind es zehn Meilen und wir haben die Sonnenbrillen auf.«

»Was??«… »Sind Sie wahnsinnig? Dort draußen ist es stockfinster!«… »Pruitt, weg vom Funk…«

Mitchell schüttelte den Kopf. Dieser Pruitt! Nach all den Kämpfen war der Mann einfach nicht unterzukriegen.

»Okay«, fuhr er fort, »ich denke, das sollte genügen.«

»Yeah! Und ob ich schon WANDERTE im finstern Tal, FÜRCHTE ich kein Unglück!«, schrie Pruitt, während er das Geschütz auf »On« schaltete und die Anzeigen überprüfte. Die Hydraulik zeigte immer noch Gelb an, aber zur Hölle damit. »Denn ich bin das tödlichste Häschen im Tal!«

»Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln«, zitierte Kilzer leise. »Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele; er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.«

Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann schüttelte Mitchell den Kopf.

»Dies eine Mal, denke ich, ziehe ich eine andere Version vor«, sagte er ruhig. »Okay, lasset uns anderen Leid zufügen, ehe die uns welches zufügen können. Los geht's, Reeves.«

Als sie die Hügelkuppe überwanden, verschwand die ganze Welt hinter einer Wand aus Wasser, aber nicht, ehe sie gesehen hatten, wie das gesamte Tal in einen einzigen Feuerschwall ausbrach.

»Indy, wir haben bereits die Energie für Turm Neun verloren«, rief Chan, als das SheVa unter einem Treffer nach dem anderen erbebte.

»Mitchell, hier LeBlanc. Wir haben überall Konzentrationen. Aber glücklicherweise schießen die alle auf Sie!«

»Colonel, die behämmern uns hier drinnen!«, sagte Indy. »Wir bekommen schwere Treffer an der rechten Flanke.«

»Reeves, zehn Grad nach rechts abbiegen«, ordnete Mitchell an, nachdem er einen Blick auf die Karte geworfen und ihren augenblicklichen Standort abgeschätzt hatte. »Kilzer, Wasser abstellen, wir müssen sehen, was wir hier machen.«

Als der Wasserfall aufhörte, konnte Mitchell sehen, dass sie von jeder Hügelkuppe aus beschossen wurden.

Das Terrain war ungewöhnlich zerklüftet, also waren wahrscheinlich mehr Posleen im Tal, aber schon diejenigen, die man sehen konnte, reichten aus, um ihm genügend Sorgen zu bereiten.

»Major Chan, Feuer nach eigenem Ermessen«, sagte er, musterte das Terrain und versuchte einen Weg ausfindig zu machen, der sie vor dem größten Teil des feindlichen Feuers schützen würde. Es schien hauptsächlich aus dem flachen Land in der Nähe des Flugplatzes zu kommen; offenbar hatten die Posleen den bereits zurückerobert.

»Reeves, sehen Sie zu, dass wir im Flusstal bleiben«, sagte er schließlich. »Wir nehmen Kurs auf Franklin vor dieser scharfen Biegung im Fluss.«

»Gas geben, Charlie«, sagte LeBlanc. Nach Ansicht ihrer Scouts sollte es möglich sein, den Fluss zu überqueren, aber sie hatte keinerlei verlässliche Angaben über die Tiefe oder die besten Stellen für eine solche Überquerung. Unter diesen Umständen war es mit einem Abrams das Beste, einfach draufloszufahren und zu hoffen, dass der Schwung einen durch die Strömung brachte. Es würde einen mächtigen Platscher geben.

Sie dachte einen Augenblick über das Wasser nach und darüber, wie kalt die Nacht doch war, und entschied sich dann, als die Uferböschung näher rückte, dass für einen Panzerfahrer Vorsicht der bessere Teil des Mutes war, und rutschte im Turm hinunter. Sie würde vermutlich trotzdem nass werden, da der Lukendeckel von einem unglücklichen Treffer weggefetzt worden war. Aber vielleicht würde es nicht ganz so schlimm werden.

Sie spannte die Muskeln gegen den Aufprall, als der Panzer vom Ufer runterplatschte und einen Augenblick lang in der Luft hing.

Für das mächtige SheVa war die Flussüberquerung kaum wahrnehmbar gewesen. Zumindest auf Wasserhöhe.

»Colonel!«, rief Indy, als das SheVa sich am Ufer entlangwälzte. »Wir haben gerade einen Ausschlag der Strahlungsdetektoren bekommen! Und der kommt nicht nur von den Reaktorbrüchen.«

Glennis LeBlanc blickte zu dem kreischenden Kasten über ihrem Kopf auf und musste einen Augenblick lang überlegen, um welchen Alarm es sich wohl handeln mochte. Dann wurde ihr bewusst, dass das bloß wegen eines Wassergusses war, der durch die Luke auf sie niederging.

»Verdammter MIST«, kreischte sie und zerrte an ihrem Top. Sie trug Goretex-Kaltwetterkleidung, und das Wasser hatte größtenteils nicht eindringen können. Aber ihr Haar war klitschnass. Und der Strahlungsalarm kreischte immer noch. »Alle Fahrzeuge! Der Fluss ist heiß! Strahlung! Dichtmachen!«

Die einzig gute Nachricht war, dass der Fluss seicht war und der Abrams deshalb bei der Überquerung kaum an Geschwindigkeit verloren hatte. Er hatte bereits das gegenüberliegende Ufer erreicht und arbeitete sich den Hügel hinauf, folgte dem SheVa an der hinteren rechten Flanke.

Sie zog in dem engen Turm das Goretex-Teil und anschließend auch ihr Battle-Dress-Top aus und rubbelte sich das Haar, soweit es nicht im Helm steckte.

»Nichols, wischen Sie das Zeug auf«, sagte sie und deutete auf die größer werdende Pfütze am Boden. »Wir müssen den Scheiß so schnell wie möglich aus dem Turm kriegen.«

»Yes, Ma'am«, sagte der Ladeschütze, schnappte sich ein paar Wischlappen und rutschte damit auf dem Boden herum. Es war ziemlich eng, und deshalb stieß er sich an einem der zahllosen Vorsprünge den Arm an. »Ein Scheißspiel ist das, Ma'am.«

»Das dürfen Sie laut sagen«, flüsterte Glennis. Der Strahlungsalarm kreischte immer noch extrem laut, und sie fragte sich, wie viele REM sie inzwischen abbekommen hatte. »Colonel Mitchell«, sagte sie, »hier Major LeBlanc. Wir haben ein Problem, Ende.«

»General Simosin, hier SheVa Neun«, rief Mitchell. »Bitte zur Kenntnis nehmen, dass der Fluss heiß ist, wahrscheinlich von dem Treffer stromaufwärts.« Mitchell hielt kurz inne und musterte seine Taktikanzeigen. Wie durch ein Wunder schoss im Augenblick niemand auf sie. »Major LeBlanc hat etwas abbekommen, wir wissen nicht, wie schlimm es ist. Und ihre sämtlichen Fahrzeuge und das SheVa sind heiß.«

»Verstanden«, sagte Simosin knapp. »Das sollte die Flussüberquerung interessant machen.«

»Ich glaube nicht, dass eine Flussüberquerung infrage kommt, General«, erwiderte Mitchell.