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Der Gefängniswagen von Marshal Davis rumpelte langsam auf die Stadtgrenze von Santa Fe zu. Im Fond, der nichts anderes war als ein vergitterter Kasten, saßen ein paar abgerissene Gestalten, die der Trupp des Sternträgers unterwegs aufgegabelt hatte. Es waren Kleinkriminelle, die ihm ins Netz gegangen oder von Town-Marshals in kleineren Städten übergeben worden waren.

Da es in New Mexico nur wenige Gerichte gab, hatte der Bundesrichter die Idee gehabt, Marshals einzustellen, die die Gefangenen, die in den Jails der kleinen Städte schmorten, einsammelten und nach Santa Fe brachten. Im dortigen Bundesgericht urteilte man sie im Schnellverfahren ab, und es kam nicht selten vor, dass mehrere Verurteilte noch am selben Tag gemeinsam hingerichtet wurden.

Auf jene, die mit Haftstrafen davonkamen, wartete das Bundesgefängnis oder eine neuerliche Fahrt mit dem Gefängniswagen, der sie ins Gefängnis in Albuquerque brachte.

Viele von ihnen erlebten allerdings nicht mal mehr ihr Gerichtsverfahren. Die Hitze, der sie während des Transportes schutzlos ausgesetzt waren, gab den meisten von ihnen, die bereits verletzt oder ausgehungert waren, den Rest, und oftmals musste der Karren halten, um die Leiche irgendwo am Wegrand zu verscharren.

Wenn er ehrlich war, war das eigentlich nicht das Leben, das sich Jonathan Davis vorgestellt hatte. Aber der Job brachte Geld, und vielleicht würde das, was er sich davon beiseite legte, eines Tages reichen, um eine kleine Ranch zu kaufen und dann den Stern an den Nagel zu hängen.

Bis dahin würde er weiterhin durch die Lande ziehen und Verbrecher einsammeln und darauf hoffen, dass ihm eines Tages der ganz große Fang ins Netz gehen würde.

Für jeden Verbrecher, den er ablieferte, gab es eine Fangprämie, und wenn auf irgendeinen »seiner« Sträflinge ein Kopfgeld ausgesetzt war, kassierte er auch das.

Die wirklich schweren Jungs gingen ihm und seinen Kollegen allerdings nur sehr selten ins Netz. Solche Männer starben eher im Kugelhagel, als dass sie von einem Marshal aufgegabelt und in einen Gefängniswagen gesteckt wurden.

Das Bundesgefängnis war bereits in Sichtweite, als ihm sein Kollege Henry Wilkins mit leerem Wagen wieder entgegenkam.

»Na, Jon, wie sieht es aus?«, fragte dieser auch sogleich und warf einen kurzen Blick auf die staubbedeckten und von der Sonne fast vertrockneten Gestalten in dem Gitterwagen. »Habt ihr diesmal was Großes dabei?«

Davis schüttelte den Kopf. »Nein, Henry. Ein paar Diebe, ein Sittenstrolch und ein Quacksalber, mehr ist uns diesmal nicht ins Netz gegangen. Einen Straßenräuber hatten wir noch, doch der hat sich von uns lieber erschießen lassen, als aufzugeben. Und wie sieht es bei dir aus?«

»Ich hatte wenigstens einen Mörder dabei!«, rief der andere triumphierend und klopfte sich dann auf die Hosentasche, in der ein paar Dollars klimperten. »Diesmal wird meine Prämie ein bisschen höher ausfallen. Das Kopfgeld, das es auf den Kerl gibt, sind immerhin hundert Dollar!«

»Gratuliere!«, sagte Jonathan mit einem breiten Grinsen. »Aber treib es mit dem Geld nicht zu bunt im Saloon. Mehr als zwei Bräute pro Nacht sollen schlecht für die Gesundheit sein!«

»Ach, das lass ruhig meine Sorge sein«, gab der andere daraufhin lachend zurück. »Früher oder später krepieren wir alle irgendwie, sei es durch einen Schuss oder einen Sonnenstich. Da ziehe ich den Tod in den Armen einer hübschen Frau vor, das kannst du mir glauben!«

»Ja, das glaube ich dir! Aber ich würde gern noch ein Weilchen auf der Erde rumspazieren, und so solltest du auch denken, alter Freund! Du weißt nicht, ob es in der Hölle auch irgendwelche Weiber gibt.«

»Ha, ich bin mir sogar ganz sicher, dass es da unten welche geben wird. Nur die Braven kommen in den Himmel, und ich kenne viele, die nicht brav sind! Und die sind genau die richtige Gesellschaft für mich.«

Jonathan lachte auf und gab dann seinem Kutscher das Zeichen, die Pferde wieder angehen zu lassen.

»Dann mach's mal gut, alter Junge, vielleicht mache ich dir heute Abend Konkurrenz!«

»Ja, tu das, aber beeil dich, sonst sind die besten weg!«

Mit diesen Worten verabschiedeten sich die Männer voneinander und gingen dann ihrer Wege.

Davis Wagen näherte sich jetzt der großen Hauptpforte des Gefängnisses, vor der der riesige Galgen stand. Er war so ausgerichtet, dass sechs Männer gleichzeitig hingerichtet werden konnten, was eine echte Erleichterung für den Henker war, bei der Masse an Gefangenen, die zum Tode verurteilt wurden. Noch fehlten die Stricke, denn man wollte sichergehen, dass nicht irgendwelche Komplizen der Verurteilten auftauchten und die Seile anschnitten. Also hängte man die Schlingen erst kurz vor der Hinrichtung auf.

Diesmal blieb der Blick des Marshals aber nicht lange an dem großen Galgenbaum hängen. Er wurde eher von einer Gestalt angezogen, die neben dem Tor im Staub hockte. Es war unverkennbar eine Frau, eine ziemlich junge Frau. Was suchte sie hier?

Direkt vor dem Tor brachte der Kutscher den Wagen zum Stehen.

»Na, Jonathan, was hast du uns da Schönes mitgebracht?«, fragte Tom Higgins, der Gefängniswärter, während er mit den Schlüsseln klapperte, doch der Marshal antwortete erst einmal nicht. Sein Blick lag noch immer auf der jungen Frau, die vor dem Gefängnistor saß und leise vor sich hinschluchzte.

Sie hatte lange, schwarze Locken und trug ein verschlissenes Kleid, und wie es aussah, hatte sie schon ein ziemliches Stück Weg hinter sich.

»Was ist mit ihr?«, fragte Jonathan, ohne den Blick von der jungen Frau abzuwenden.

»Marshal Carmichael hat ihren Bruder einkassiert, er soll heute Mittag die National Bank überfallen haben. Sie hat nen Heidenaufstand gemacht und gemeint, dass er unschuldig sei, aber Sie kennen ja den Town-Marshal, wen er einmal ins Jail gesteckt hat, lässt er so schnell nicht wieder laufen. Er meinte, dass der Richter über seine Schuld entscheiden wird. Und seitdem sitzt sie hier.«

Wie der Spruch des Richters aussehen würde, konnte sich Davis schon denken. Bei so vielen Gefangenen, die er abzuurteilen hatte, machte er sich keine große Mühe, jeden Prozess lange am Laufen zu halten. Die meisten Gefangenen hatten ihren Urteilsspruch bereits nach fünf Minuten. Was für Judge Adams zählte, waren Indizien, und wenn diese vorhanden waren, war das Schicksal des Delinquenten schon so gut wie besiegelt.

Marshal Davis war ein harter Hund, aber so, wie sie dasaß und vor sich hinweinte, rührte sie ihn schon. Nicht nur, weil sie noch so jung war, sondern auch eine ziemliche Schönheit. Konnte er ihr vielleicht helfen?

»Na dann rein mit der Ladung!«, rief der Gefängniswärter und schloss mit lautem Schlüsselrasseln das Tor auf.

Davis blieb erst einmal nichts anderes übrig, als seine Gefangenen abzuliefern, dann konnte er sich um die junge Frau kümmern.

Sein Kutscher ließ die Pferde angehen, und wenig später rollte der Wagen auf den Innenhof des Gefängnisses. Dort warteten schon ein paar Wärter, um die Gefangenen zu den Gemeinschaftszellen zu bringen.

Da sie vom Transport ohnehin ausgezehrt und obendrein aneinander gekettet waren, würden sie nicht viel Mühe mit ihnen haben. Davis schloss den Wagen auf, und nacheinander kletterten die Männer aus dem Wagen.

Der Marshal folgte ihnen bis zur Zelle, und nachdem sie gezählt worden waren, überreichte er einem der Wärter die Papiere, auf denen Name und jeweiliges Vergehen der Gefangenen stand.

Dieses Ritual war für den Marshal schon Routine, sodass er innerhalb weniger Minuten mit der Übergabe fertig war. Alles andere war nicht mehr sein Job, die Männer von Richter Adams würden sich ab jetzt um sie kümmern.

Den Wärtern fiel allerdings auf, dass Davis heute ruhiger als sonst war und es auch eiliger hatte.

»Nanu, Jon, warum beeilst du dich denn heute so? Brennt dir irgendwo die Milch an? Oder wartet etwa ein Mädchen auf dich?«, fragte der Wärter, dem er wortlos die Papiere in die Hand gedrückt hatte. Eigentlich war dies nicht seine Art, sonst war Davis immer für ein kleines Schwätzchen zu haben. Aber das Mädchen vor dem Tor wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen.

Auf die Frage seines Gegenübers grinste er schief. Ein Mädchen wartete schon, aber nicht auf ihn.

»Du weißt doch, Peter, ich bin mit meinem Job verheiratet«, antwortete er und sah, wie der Wärter auflachte.

»Gerade die, die so was sagen, heiraten als Erste!«, meinte er daraufhin.

»Ja, aber erst, wenn sie genug Geld dazu haben, dass sie den Job hier quittieren können.«

Es war Vorschrift, dass die Männer, die für Richter Adams durch New Mexico zogen, unverheiratet sein mussten. Ihr Job bedeutete, dass sie manchmal wochenlang unterwegs waren, und es passierte zuweilen, dass einer der Marshals den Kürzeren zog, wenn es darum ging, einen Ganoven in den Gefängniswagen zu bekommen.

Offiziell hieß es, dass dies nur deshalb so sei, um Frauen und Kinder nicht zu Witwen und Waisen zu machen. Böse Zungen behaupteten allerdings, dass der Richter auf diese Weise den Schadensansprüchen der Hinterbliebenen entgehen wollte, genauso, wie es beim Pony-Express der Fall war, der nur Waisenjungen eingestellt hatte, weil der Job einfach zu gefährlich war.

Jonathan Davis konnte dies egal sein, solange er mit heiler Haut nach Hause kam und sein Auskommen hatte. Aber er nahm sich vor, eine Familie zu gründen, sobald sein Geld dafür reichte. Das Geld, das er zum Glück nicht auf der Bank deponiert hatte ...

»Sag mal, Higgins hat da was von einem Banküberfall erzählt, und einem Burschen, den sie geschnappt haben«, sagte er schließlich. »Was war denn los?«

»Nun ja, soweit man weiß, haben vier Kerle die Bank überfallen und den Kassierer dazu gezwungen, den Safe auszuräumen. Viel mehr weiß ich leider auch nicht, bin seit heute Morgen hier und habe nur die Schüsse donnern gehört. Wenig später kam Carmichael mit dem Jungen an und behauptete, dass er ein Komplize der Bande sei.«

»Kann ich mir den Burschen mal anschauen?«, fragte Davis weiter und erntete einen fragenden Blick vom Wärter.

»Warum wollen Sie den denn sehen?«, fragte er, denn eigentlich hatte der Marshal nie die Angewohnheit, sich Gefangene von Kollegen anzuschauen.

»Interessehalber. Vor dem Tor sitzt eine junge Frau, von der Higgins meint, dass es seine Schwester sei.«

»Na, wie die sich gehabt hat, wird es wohl eher seine Freundin sein oder so was. Sie ist in den Hof gestürmt und hat gekratzt und gebissen wie eine Wildkatze. – Aber wenn Sie möchten, ich zeige ihnen den Kerl. Er sagt, dass er Musiker sei und mit der Sache nichts zu tun hat, aber wie sagte doch meine alte Großmutter immer so schön: Stille Wasser sind tief.«

Mit diesen Worten ging der Wärter voran, und Jonathan folgte ihm.

Die Gemeinschaftszellen lagen im Keller, und um eine Verschwörung der Häftlinge zu verhindern, waren alle Männer einzeln angekettet. Sie konnten aufstehen und einpaar Schritte laufen, mehr war allerdings nicht drin.

Die meisten von ihnen saßen und warteten auf das, was kommen würde. Einige von ihnen liefen umher. Und ein junger Bursche stand vor dem Gitter und starrte ins Leere. War das der Bruder des Mädchens?

Möglich war es, denn er hatte dasselbe schwarze Haar wie sie. Und auch im Gesicht sah er ihr ähnlich. War das das Gesicht eines Bankräubers?

»Das ist er«, sagte der Wärter und deutete genau auf den Jungen, den er selbst ins Auge gefasst hatte. »Sieht nicht aus, als könnte er ne Bank überfallen, richtig?«

Der Marshal betrachtete den jungen Mann noch eine Weile, bevor er eine Antwort gab. Auch seine Anwesenheit brachte ihn nicht dazu, aufzuschauen. Andere Häftlinge hätten ihn längst angefleht und ihre Unschuld beteuert, er hingegen war mit seinen Gedanken ganz woanders. Wahrscheinlich bei seiner Schwester und dem, was aus ihr werden sollte.

»Wollen Sie mit ihm sprechen?«, fragte der Wärter und riss ihn aus seinen Gedanken fort. Der Marshal schüttelte den Kopf. »Nein, ich wollte ihn nur sehen.«

»Und, was meinen Sie, könnte er schuldig sein?«

»Das werden wir morgen sehen, wenn Richter Adams den Prozess führt«, sagte Jonathan daraufhin loyal und wandte sich um. Er selbst wusste zu wenig über den Fall, als dass er den Jungen hätte freisprechen können, aber vielleicht konnte ihm seine Schwester mehr erzählen.

Er folgte dem Wärter wieder nach oben, und nachdem sie auch den Rest der Formalitäten erledigt hatten, verabschiedete er sich und trat wieder durch das schwere Gefängnistor.

Das Mädchen saß immer noch daneben. Sie weinte zwar nicht mehr, schaute aber mit dem gleichen abwesenden Blick wie ihr Bruder in die Ferne. Sie war dermaßen in Gedanken versunken, dass sie gar nicht mitbekam, wie er neben sie trat.

»Guten Abend, Miss«, sprach er sie daraufhin an, und erst da schaute sie auf. Ihr Blick traf den Sternträger wie ein Apachenpfeil. Die Tränen hatten ihre Wangen verbrannt und schmutzige Spuren auf der Haut hinterlassen, trotzdem war sie noch immer wunderschön.

»Guten Abend«, erwiderte sie und wischte sich über ihre Wangen. Ihr Blick wanderte sofort zu dem Abzeichen auf seiner Brust, und ihr war anzusehen, dass sie nicht genau wusste, was sie von ihm halten sollte.

»Es wird in der Nacht sicher kalt werden«, begann Jonathan vorsichtig und hoffte, dass sie sich nicht gleich stur stellen würde. »Wäre es nicht besser, wenn Sie sich irgendwo ein Zimmer nehmen?«

Die Miene des Mädchens verfinsterte sich, und der Marshal war sich sicher, dass er damit genau das Falsche gesagt hatte. Doch zu seiner großen Überraschung drehte sie ihren Kopf nicht weg.

»Ich kann nirgendwohin gehen, ich habe kein Geld für ein Zimmer. Ein bisschen Kälte macht mir nichts aus, ich bin es gewohnt, draußen zu schlafen.«

»Die Wärter haben mir erzählt, dass Ihr Bruder verhaftet wurde«, wagte er sich nun noch ein bisschen weiter vor. »Was soll er denn getan haben?«

Das Mädchen senkte den Blick und presste für einen Moment die Lippen so fest aufeinander, dass alles Rot an ihnen verschwand. Doch dann antwortete sie: »Man wirft ihm vor, mit den Kerlen zusammengearbeitet zu haben, die heute die Bank ausgeraubt haben. Aber Sie können mir glauben, Michael war nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Er ist mit den Kerlen zusammengestoßen, als sie aus der Stadt flüchten wollten, und da haben sie die Gitarrenkoffer vertauscht. – Aber Sie werden mir sicher genauso wenig glauben wie der Town-Marshal – und die da drinnen.«

»Nun, das würde ich an Ihrer Stelle nicht so sehen. Ich habe Ihren Bruder vorhin gesehen, als ich meine Gefangenen abgeliefert habe.« Dass er darum gebeten hatte, ihn zu sehen, ließ Jonathan lieber weg. Immerhin wollte er nicht neugierig erscheinen.

»Und wie geht es ihm? Haben sie ihn etwa geschlagen?«

»Nein, so weit ich sehen konnte, nicht. Er stand am Gitter und hat vor sich hingestarrt, genauso, wie Sie eben.«

Bei diesen Worten trat ein bitteres Lächeln auf das Gesicht der jungen Frau. »Wahrscheinlich macht er sich jetzt Gedanken darum, wie es mir geht. Dabei ist er es, der in der Scheiße sitzt. Und ich habe keine Ahnung, wie ich ihm helfen könnte.«

»Nun ja, Sie könnten morgen vor Gericht erscheinen und versuchen, Richter Adams von seiner Unschuld zu überzeugen«, schlug Jonathan vor, obwohl er wusste, dass der Judge nicht so leicht zu überzeugen sein würde. Er vertraute den Einschätzungen des Marshals voll und ganz. Wenn diese sagten, dass der Angeklagte schuldig sei, so fiel das Urteil dann meist auch dementsprechend aus.

Das Mädchen schien jedenfalls den richtigen Eindruck von ihm zu haben, als sie spöttisch auflachte und dann meinte: »Ihr Richter scheint aber nicht leicht zu überzeugen zu sein.« Mit diesen Worten deutete sie auf den großen Galgen und fügte hinzu: »Aber wenn Sie mir vielleicht einen Rat geben könnten, wie ich ihn überzeugen kann, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«

»Nun ja, es kommt nicht oft vor, dass es Leute gibt, die für einen der Gefangenen dort unten einstehen wollen. Die Leute, die zum Prozess kommen, warten nur darauf, dass das Todesurteil über sie verhängt wird, alles andere ist ihnen egal. Und die meisten, die dort unten einsitzen, haben die Strafe, die sie bekommen, auch verdient.«

»Aber mein Bruder hat sie nicht verdient!«, gab Jennifer trotzig zurück. »Er hat nichts getan, außer sich auf die Suche nach einer Anstellung zu machen. Er wollte in dem Saloon in der Main Street vorsprechen, und als er rauskam, ist er mit den Räubern zusammengestoßen. Es war ein unglücklicher Zufall, dass sie seinen Koffer geschnappt haben und ihm ihren dagelassen haben.«

Jonathan sah, dass die junge Frau vor lauter Aufregung im Gesicht ganz weiß wurde, und hob beschwichtigend die Hände. »Bleiben Sie ruhig, Miss, ich glaube Ihnen ja.«

»Können Sie mir dann helfen, ihn da rauszuholen? Immerhin sind Sie doch auch ein Marshal!«

»Ja, das bin ich, aber nur der Richter kann Ihren Bruder wieder aus dem Gefängnis rauslassen. Gehen Sie morgen zu der Verhandlung und sprechen Sie als Zeugin vor. Richter Adams ist hart, aber nicht ungerecht. Er wird sich vielleicht überzeugen lassen.«

Während er sprach, sah Jonathan, wie die junge Frau die Schultern hängen ließ und tief durchatmete. Wie es aussah, war sie erneut den Tränen nahe, doch sie verkniff es sich allein schon aus Trotz, erneut loszuheulen.

»Kommen Sie mit mir, ich bringe Sie in den Saloon, dort kriegen Sie was zu essen, und man wird Ihnen auch ein Zimmer geben«, sagte Jonathan und reichte dem Mädchen die Hand.

Doch sie schien seine Hilfe nicht zu wollen, denn sie schüttelte den Kopf. »Nein danke, ich bleibe hier und warte, bis die Verhandlung anfängt.« Jetzt drehte sie ihren Kopf weg, und somit schien für sie die Sache erledigt zu sein. Doch Marshal Davis war nicht der Mann, der so leicht aufgab.

»Und dann kippen Sie morgen Früh vor lauter Erschöpfung um und können Ihrem Bruder überhaupt nicht helfen«, hielt der Marshal dagegen und setzte ein gewinnendes Lächeln auf. »Kommen Sie mit, Miss ... Wie ist eigentlich Ihr Name?«

»Jennifer Garner«, gab sie zurück, doch sie schaute ihn immer noch nicht an.

»Ich bin Jonathan Davis. Und wo wir uns jetzt kennen, können Sie sich ruhig von mir helfen lassen. Ich beiße nicht, keine Angst.« Der Marshal betrachtete das Mädchen einen Moment lang und sah, dass ihr Widerstand allmählich nachließ. Sie drehte den Kopf um und schaute ihn prüfend an, dann fragte sie: »Und was verlangen Sie als Gegenleistung? Ich meine, Sie helfen mir doch nicht einfach so, oder?«

Jonathan schüttelte den Kopf. »Keine Angst, ich will keine Gegenleistung. Ich will nur, dass Sie genügend Kraft haben, um Ihrem Bruder morgen beizustehen. Und das geht nun mal nicht ohne Schlaf und ohne Essen. Kommen Sie, Miss Garner. Ich habe beim Besitzer des Saloons noch was gut, er wird mir diesen Gefallen nicht abschlagen.« Mit diesen Worten streckte er ihr erneut seine Hand entgegen, und diesmal nahm sie sie.