4. KAPITEL

Was für ein verdammter, verdammter Unsinn!

An diesem Abend saß ich auf dem Fensterbrett in meinem Zimmer und starrte in die Dunkelheit hinaus. Zu meiner Verwunderung hatten mich Cole und Mackenzie nicht mehr beachtet, kein Wort mehr mit mir gewechselt, auch sonst keiner von ihrer Truppe. Dieser Justin hatte sich ebenfalls nicht mehr bei mir sehen lassen. Sollte irgendjemand irgendetwas zu irgendjemandem über mich erzählt haben, so hatte ich davon jedenfalls nichts mitbekommen.

Also hatte Mackenzie entweder von ihrem Vorsatz abgelassen, mir „eine kleine Lehre“, oder was immer sie mir zugedacht hatte, zu erteilen, oder jemand hatte sie daran gehindert. Cole? Aber das würde bedeuten, dass sie auf ihn hörte und ernst nahm, was er sagte - und dass er ihr befohlen hatte, mich in Ruhe zu lassen. Das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Mir fiel kein einziger Grund ein, wieso er mich verteidigen sollte.

Seufzend massierte ich mir die Schläfen, um die aufkommenden Kopfschmerzen zu vertreiben. Wenn ich nicht aufhörte, darüber nachzugrübeln, würde ich noch einen Hirnschlag bekommen. Es gab außerdem wichtigere Dinge zu bedenken. Ich hatte den Unterricht mit Kat zusammen beendet, war in den Bus eingestiegen - wieder mit eingezogenem Kopf - und hatte mich zu Hause in meinem Zimmer eingeschlossen. Nana und Pops hatten mich schließlich zu sich beordert, um sich zu erkundigen, wie mir meine neue Schule gefiel und ob ich irgendwelche Freundinnen gefunden hatte. Ich beantwortete die erste Frage vage mit „gut“ und die zweite mit „eine oder zwei, denke ich“. Schweigen breitete sich danach aus, und sie sahen mich an, als erwarteten sie von mir einen tagebuchähnlichen Bericht. Zum millionsten Mal an diesem Tag unangenehm berührt, machte ich den Fehler, ihnen von meiner Verspätung in der ersten Stunde und der Zurechtweisung durch Mr B zu erzählen. (Ehrlich, ich hatte seinen richtigen Namen schon wieder vergessen und mochte vor meinen Großeltern nicht zugeben, dass ich ihn zu Butthole umgetauft hatte.)

Natürlich wollten sie als Nächstes wissen, ob sie die Direktorin anrufen und ihr erklären sollten, wie schwer das alles für mich sei und dass die Lehrer ein bisschen Rücksicht auf mich nehmen müssten. Wirklich nett von ihnen, doch das fiel in die Rubrik: niemals, nie, nie, nie. Ich glaube, dass ich sie mit meiner heftigen Antwort erstaunte, aber schließlich gaben sie nach. Auf keinen Fall wollte ich in der Schule als Jammerlappen bekannt werden.

Jetzt, nachdem das Dinner gegessen und der Abwasch erledigt waren, lagen meine Großeltern in ihrem Bett und schliefen, sodass ich wieder mit mir allein sein konnte. Ein goldener Halbmond glitzerte am samtschwarzen Himmel, keine Wolken in Sicht, die blinkende Sternendecke breitete sich in alle Richtungen aus. Eine leichte Brise ließ die Zweige und Blätter tänzeln, was der ganzen Schönheit einen etwas gruseligen Touch gab.

Wie jede Nacht seit meinem Einzug beobachtete die Umgebung, so angespannt wie ein Gummiband kurz vorm Zerreißen. Ich hoffte, einen Blick auf Bridezillazu erhaschen, die Monsterbraut mit dem totenkopfähnlichen Schädel. Kein Glück bisher.

Da hockte ich nun kaum ein, zwei Stunden und gähnte bereits. Die Erschöpfung drückte auf meine Schultern, doch ich war entschlossen, wach zu bleiben. Ich hatte fest vor, unwiderlegbare Beweise für oder gegen die Existenz dieser Kreaturen zu liefern.

Einige Dinge fielen mir im Laufe dieser spätnächtlichen Episoden auf: Bridezilla erschien nicht jede Nacht. Sie zeigte sich etwa alle sieben bis vierzehn Tage. Ich machte mir Notizen, weil ich vermutete, sie käme nur während bestimmter Mondphasen heraus, aber nein. Der Mond hatte mit ihrem Erscheinen nichts zu tun, es schien in überhaupt keinem Zusammenhang mit irgendetwas zu stehen. Selbst wenn ich sie nicht sah, blieb trotzdem immer das Gefühl, als würde sie - oder irgendjemand - mich beobachten.

Das war vermutlich meine Paranoia. Ich konnte mir ja nicht mal hundertprozentig sicher sein, dass Bridezilla tatsächlich existierte, aber in irgendeiner Nacht, vielleicht sogar in dieser, würde ich Gewissheit bekommen. Solange ich diesen Plan verfolgte, musste ich es irgendwann herausbekommen.

Jeden Morgen, nachdem sie erschienen war, überprüfte ich den Wald hinter dem Garten meiner Großeltern. Dabei fand ich mehrere menschliche Spuren, Fußabdrücke. Die meisten waren groß und breit, als kämen sie von einem Mann mit Stiefeln. Ein paar waren schmaler und kürzer, wie die Fußabdrücke einer Frau in Tennisschuhen.

Diese Abdrücke bewiesen eigentlich schon, dass ich nicht halluzinierte. Trotzdem befürchtete ich insgeheim, dass ich das sah, was ich sehen wollte, und dass selbst die Fußspuren nur ein Trugbild waren. Was, wenn sie von Kindern stammten, die Verstecken spielten? Wie blöd würde ich dastehen, wenn ich stattdessen Monster vermutete?

So blöd, wie es einst mein Vater in meinen Augen war, dachte ich und lachte bitter.

Eine weitere Stunde verbrachte ich damit, zu warten und zu beobachten. Noch mehr Zeit verging. Gott, gib mir Kraft, betete ich. Sollte Bridezilla in dieser Nacht nicht auftauchen, würde ich es morgen wieder versuchen - und die Nacht darauf und die darauf, so lange wie nötig. Ich würde nicht aufgeben.

Okay, kurz vor zwei Uhr zog ich dann doch in Erwägung, schlafen zu gehen. Bridezilla erschien selten so spät, meine Augenlider waren bereits so schwer wie Blei und vom unterdrückten Gähnen tat mir der Kiefer weh. Ich war enttäuscht, wütend und - wenn ich ehrlich war - auch ein bisschen erleichtert. Keine Monster bedeutete keine Konfrontation.

Genau. Mein Plan war, mich ihnen zu nähern.

Ich stand auf und warf einen letzten Blick zum Waldrand hinüber. Ich würde mich ins Bett legen, lesen und …

Ein weißer Fetzen blitzte hinter einem Baum hervor. Ich hielt die Luft an. Furcht kroch mir wie die Berührung kalter Finger den Rücken hinauf. Okay, es sollte also doch eine Konfrontation geben. Adrenalin schoss durch meine Adern, ich spürte wilde Entschlossenheit, und mir war klar, ich könnte mich nicht dazu zwingen, nichts zu unternehmen.

Ich griff nach dem Baseballschläger, den ich mir von Pops geliehen hatte. Das war schon so lange fällig; Furcht und die Erinnerung an die Geschehnisse nach dem Unfall hatten mich jedoch davon abgehalten. Inzwischen war ich schlauer und gestärkt. Ich hatte meinen ersten Schultag in der neuen Schule überlebt, also würde ich den Gruselgefühlen vor dem da draußen die Stirn bieten können, um herauszufinden, was im Wald - ja, genau! - herumspukte.

„Tut mir leid, Dad, aber ich muss gegen die Regeln verstoßen“, flüsterte ich.

Die Monster gieren nach deinem Fleisch, nach deinen Innereien. Es war, als würde er mit mir sprechen, und für einen Augenblick hielten mich die Gedanken an das Vergangene wieder gefangen. Sobald sie dich sehen, jagen sie dir hinterher. Und wenn sie dich kriegen, verschlingen sie dich.

„Woher weißt du das, haben sie dich denn jemals verfolgt?“, hatte ich ihn gefragt. Nicht etwa weil ich ihm glaubte, sondern in der Hoffnung, ihn mit meiner Logik zu überführen, sodass er einsah, wie sehr er sich irrte.

Ein paar Mal, aber sie haben es nie geschafft, mich zu erwischen.

Wenn sie dich nie erwischt haben, woher weißt du dann, dass sie dich verschlingen wollten?

Ich konnte das Böse spüren, das sie ausstrahlen, ihr schreckliches Vorhaben.

Dad, man kann doch nicht …

Doch, man kann. Außerdem, vor einigen Jahren habe ich ein Buch gelesen, in dem alles über sie drinstand.

Und du glaubst das, was in diesem Buch steht? Zweifellos Science-Fiction.

Er dachte einen Moment nach. Na ja, nicht alles. Da stand zum Beispiel, dass man sie mit einer Schusswaffe nicht verletzen kann, aber mit meinem Gewehr schaffe ich jeden. Und ich habe mit anderen gesprochen, denen das Gleiche passiert ist …

In Chatrooms, wo vierzigjährige Männer sich als siebzehnjährige Mädchen ausgaben. Schrecklich.

Sie sagen alle genau dasGleiche. Die Monster wollen uns fressen.

Ich riss mich zusammen und verdrängte diese Gedanken schnell wieder in die tiefsten Tiefen meines Unterbewussten, dahin, wo das Schuldbewusstsein, die Trauer und tausend andere Gefühle gärten, und stieg leise die Treppe hinunter. Durch die Hintertür verließ ich das Haus, trat auf die Veranda und blieb einen Moment stehen, damit sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Wärme hatte sich über die Nacht gelegt wie eine lästige Decke, die ich nicht abschütteln konnte. Grillen zirpten, begleitet vom Sirren der Heuschrecken. Die Blätter der Bäume und Sträucher raschelten, wenn der Wind sie streifte.

Ich holte tief, tief Luft - und atmete plötzlich den ekligsten Gestank seit Langem ein. Sofort rümpfte ich die Nase und verzog angewidert das Gesicht. Ehrlich, das war schlimmer, als den Kopf in den Arsch eines toten Pferdes zu stecken - was ich übrigens noch nie getan hatte, war nur so ein Gedanke. Es stank wie verfaulte Eier gemischt mit Hundepupsen, übergossen mit Stinktiersoße. Während ich den Blick durch den Garten schweifen ließ, umklammerte ich den Baseballschläger fester. Grashüpfer sprangen umher. Das blasse Mondlicht tanzte einen Tango mit sich windenden Schatten, die Äste der Bäume wiegten sich, doch niemand stürzte auf mich zu.

Okay. Also dann. Ich würde das schaffen. Ein Schritt, noch einen … bis ich den Gartenzaun erreichte. Inzwischen zitterte ich wie Espenlaub, meine Beine drohten unter mir nachzugeben, aber ich zwang mich weiterzugehen.

Schließlich stand ich am Tor vor dem Weg, der in den Wald führte. Kleine Schweißperlen rannen mir über den Rücken, am liebsten wäre ich umgekehrt und in mein Zimmer gerannt. Wieder lauschte ich, atmete diesen ranzigen fauligen Gestank ein. Er war jetzt noch stärker, lag dick und zäh in der Luft und brannte in meiner Kehle. Ich musste würgen.

Mit zittrigen Fingern griff ich nach dem Riegel. Als das Tor quietschend aufging, hob ich den Baseballschläger in einer Geste, die sagte: Ich schlage dich tot - echt, ich meine es ernst! Sekunden vergingen, eine Ewigkeit, nichts passierte. Niemand näherte sich mir.

Komm schon, Bell. Du schaffst das, weißt du doch, oder? Schritt für Schritt verließ ich unser eingezäuntes Grundstück, ging den Pfad an den Büschen vorbei bis in den Wald. Immer wieder blickte ich nach rechts und links.

Da blitzte ein Fetzen von diesem Hochzeitskleid auf …

Mach dich bereit

Ein Schwingen des Schlägers …

Nichts. Ich hatte nichts getroffen.

Still stehen bleiben, ruhig.

Meine Arme zitterten. Das fahle Licht des Mondes schaffte es nicht, bis unter das dichte Blätterdach über mir zu dringen, das das gesamte Gelände überschattete. Daher konnte ich nicht erkennen, ob sich Fußabdrücke auf dem Boden befanden. Mein Herzschlag hämmerte. Dann folgte so etwas wie ein Blitzeinschlag, kleine elektrische Impulse, die durch meine Brust schossen.

Hinter mir knackte ein Zweig.

Ich wirbelte herum und schwang den Schläger - wieder traf er ins Leere. Ich schluckte, versuchte den Kloß in meinem Hals loszuwerden.

Nie habe ich diese blöden Mädchen in Horrorfilmen verstanden, die völlig allein losgingen, um einem beängstigenden Geräusch nachzuspüren, das sie gehört hatten, nur um gleich darauf erdolcht oder gemartert zu werden. Ich fragte mich immer, warum sie nicht vorher die Polizei anriefen und auf Hilfe warteten, irgendwas taten, um diesem schrecklichen Schicksal zu entgehen.

Nun, jetzt kapierte ich es. Wem hätte ich das denn erzählen können? Alle würden denken, ich sei geisteskrank so wie mein Vater. Man hätte mich eingesperrt, mit Medikamenten vollgepumpt … und mich dann vergessen.

Ich musste es heraufbeschwören, genauso wie diese dummen Horrorfilmmädchen, und wagte mich tiefer in den Wald. Immer weiter …

Wieder knackte ein Ast hinter mir. Erneut wirbelte ich herum, den Schläger bereits im Anschlag. Auch diesmal traf er nur auf Luft, aber anders als vorher konnte ich etwas sehen.

Ich drehte mich um und keuchte auf. „Emma?“

Sie hockte wenige Meter von mir entfernt, ihr Haar zu Rattenschwänzen gebunden, um ihre Taille bauschte sich ein pinkfarbenes Tutu. Ihre Wange, die bei dem Unfall verletzt worden war, zeigte keine Wunde. Kein Blut, keine Narbe. Nur gesunde sonnengebräunte Haut.

Emma verzog ihren süßen Mund und runzelte die Stirn. „Du musst ins Haus zurückgehen“, sagte sie ängstlich. Sie warf einen Blick über ihre Schulter. „Jetzt sofort, Alice.“

Es verblüffte mich, wie real sie wirkte. Ich glaubte sogar, ihren typischen Kindergeruch in der Nase zu haben. Er war so süß, dass er fast den Gestank nach Verwesung vertrieb. Ich stolperte über meine eigenen Füße, als ich auf sie zuging und die Arme nach ihr ausstreckte.

„Alice!“, sagte sie ungeduldig.

Meine Hand griff durch sie hindurch.

Vor Enttäuschung hätte ich am liebsten geschrien, sie war nur eine Fata Morgana, doch war das wirklich wichtig? Sie war hier bei mir. Ich hatte sie so sehr vermisst. Okay, wenn mein Hirn ein Bild von ihr formen wollte, würde ich nicht dagegen angehen. Sie. War. Hier. „Wie geht es dir, Schwesterherz?“

„Du musst ins Haus gehen, Alice. Sonst ist es gleich zu spät.“

„Zu spät wofür?“ Ich hätte alles dafür gegeben, sie in meine Arme zu schließen und sie fest an mich drücken zu können. Ich hätte sie niemals wieder losgelassen.

Sie blickte mich mit ihren bernsteinbraunen Augen an, und ich sah Tränen darin schimmern.

„Bitte!“

Ich würde alles tun, was sie wollte - nur mich nicht von ihr trennen. „Kommst du mit mir?“

„Alice, bitte! Du musst …“ Ihr Bild verblasste, genauso wie ihre Stimme immer leiser wurde. „Bitte.“

„Nein!“, rief ich. Gab es etwas Grausameres, als meine Schwester zu sehen, nur um sie gleich darauf wieder zu verlieren? „Geh nicht weg!“Ich brauche dich. Real oder nicht. Doch sie war verschwunden. Mit ihr der süße Duft. Wie wild drehte ich mich im Kreis, suchte nach irgendeinem Anzeichen von ihr.

Der niederschmetternden Enttäuschung folgte lebensrettende Hoffnung. Vielleicht war sie ja nicht für immer gegangen. Vielleicht hatte sie einen Grund, weshalb sie mich hineinschickte. Womöglich, weil sie dort mit mir reden wollte.

Ich rannte zum Tor zurück, schloss es hinter mir und eilte durch den Garten ins Haus und die Treppe hoch, ohne darauf zu achten, ob mich meine Großeltern hörten oder nicht. Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, bis ich endlich in mein Zimmer stürzte.

„Emma?“

Stille. Ich durchsuchte jeden Winkel, jede Ecke und jedes Schlupfloch, aber sie war nicht da.

Ich wartete fünf Minuten, zehn, doch sie kam nicht.

Meine Hoffnung erstarb, die Enttäuschung war wieder da. „Emma“, sagte ich, mein Kinn zitterte. Oben an der Zimmerdecke raschelte leise der Ventilator, sonst war nichts zu hören.

Ich hatte die Vorhänge offen gelassen, wie ich unbewusst registrierte, und ging ans Fenster, um sie zuzuziehen. Als ich sie berührte, erstarrte ich.

Bridezilla … und ein Wesen, das ihr Bräutigam hätte sein können, standen direkt hinter dem Zaun, beide vom Mondlicht angestrahlt. Sie starrten zu mir herauf, die Zähne gefletscht … die sehr spitzen Zähne.

Ihr Brautkleid war zerrissen, schmutzig, ihre Augen eingesunken. Sie trug keinen Brautschleier, ihr Kopf war fast kahl, nur ein paar dünne Haarbüschel hingen daran.

Der Typ an ihrer Seite hatte einen Smoking an, der genauso zerlumpt war wie ihr Kleid. Auch seine Augen wirkten eingesunken in den Höhlen, und der Kopf war nur spärlich mit Haarsträhnen bedeckt.

Bridezilla streckte einen Arm aus, als würde sie nach mir greifen.

Ich schreckte zurück, stolperte und fiel auf meinen Hintern. Der Ruck schien mein Hirn durchzurütteln, und mir kamen mit einem Mal ein paar Gedanken. Echte Monster hätten mich angegriffen, solange sie die Gelegenheit gehabt hätten. Das musste ein Scherz sein. Das waren wahrscheinlich zwei Verkleidete, die sich angemalt hatten. Andererseits … wer sollte sich so einen Spaß machen? Wer würde sich nur für einen Witz über einen so langen Zeitraum diese Mühe geben? Wer wusste, dass es die perfekte Art wäre, mich zu quälen?

Niemand, so war das.

Meine Theorie musste ich wohl noch mal überdenken. Ich nahm allen Mut zusammen, stand wieder auf und stellte mich ans Fenster. Ein weiterer Blick nach draußen … zeigte, dass sie verschwunden waren. Weg.

Vor Frustration hätte ich fast aufgeschrien.

Was zum Teufel war hier los? Was hatte ich gesehen? Und wie konnte ich mit meiner kleinen Schwester gesprochen haben?

Langsam sank ich auf die Knie und legte den Kopf in meine Hände. Ich war noch schlimmer als mein Vater. Das war jetzt nicht mehr zu leugnen.

Oh Daddy. Ich hätte netter zu ihm sein sollen. Ich hätte mehr Zeit mit ihm verbringen müssen, größeres Verständnis für seine Psychose aufbringen, mehr Mitgefühl zeigen müssen. Ich hätte ihn trösten sollen, statt mich über ihn zu beschweren.

Hätte. Ich fand keinen Trost in diesen Gedanken, nur Angst spürte ich.