17

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, brauchte ich volle zwei Minuten, bevor ich begriff, wie ich in ein Bett in einem Zimmer im Hilton gekommen war. In meinem Kopf sauste ein Brummer herum, der verzweifelt einen Ausweg suchte und unaufhörlich gegen die Rückseite meiner Augäpfel prallte. Am Hinterkopf hatte ich eine hühnereigroße Beule.

Meiner Armbanduhr nach war es halb zehn. Mein Körper lechzte nach mehr Schlaf, die Bettwäsche war auch so herrlich kühl und das Kissen so weich, aber ich mußte noch ein paar Dinge erledigen, und mein Verstand, oder was noch davon übrig war, zwang mich aufzustehen. Ich wankte aus dem Bett und durch das Zimmer ans Fenster, zog die Vorhänge auf und bedeckte mit einem Schmerzensschrei meine Augen, die der gleißenden Morgensonne einfach noch nicht gewachsen waren.

Als ich mich nach einer halben Minute an das Licht gewöhnt hatte, stellte ich fest, daß der Sturm vom Vortag den Himmel blankgeputzt hatte. Es war strahlendes Wetter, aber das Blau sah kalt aus, und die Apollolaan unter mir glänzte naß in der Sonne. In der einen Woche, die ich jetzt in Amsterdam war, hatten die Bäume ihr Laub verloren, und es hatte fast den Anschein, als sollte der Herbst übersprungen werden, so winterlich sah es dort draußen schon aus.

Ich bestellte beim Zimmerservice ein ganz und gar flüssiges Frühstück und legte mich dann in die Badewanne. Es gibt Leute, die sich den lieben langen Tag die Hände waschen müssen. Ein Schuldkomplex vermutlich, so genau weiß ich das auch nicht. Ich schrubbte und rubbelte meinen ganzen Körper und verbrauchte ein ganzes Stück Seife in der Hoffnung, so den Schmutz der vergangenen Woche von mir abzuwaschen. Doch es half nur wenig, denn als ich mich nach einer halben Stunde abtrocknete, fühlte sich mein Körper immer noch an, als hätte man mich gerade aus einem Gully gefischt.

Als ich mich gerade anziehen wollte, wurde das Frühstück gebracht, Kaffee, Tee, Orangensaft, Apfelsaft, Mineralwasser. Ich absolvierte das gesamte Programm, bis ich vor Flüssigkeit strotzte, und fühlte mich danach schon etwas besser. Der Brummer in meinem Kopf reduzierte seine Ausbruchsversuche und machte auch etwas weniger Lärm. Ich zog mich fertig an, alte Bluejeans und Wollpullover, und darüber die abgewetzte Lederjacke, die ich früher immer beim Segeln getragen hatte. Danach packte ich meine Koffer. Nur das Allernötigste, Waschzeug, etwas Unterwäsche, Socken und ein Oberhemd, verstaute ich in dem Lederbeutel, mit dem ich aus Schweden gekommen war. Als ich damit fertig war, läutete das Telefon. Ich ging nicht ran. An der Rezeption bezahlte ich meine Rechnung und bat darum, meine Koffer von oben zu holen. Ich regelte noch dies und das und sagte, daß ich in einer Stunde wieder zurück sein würde.

 

Es war tatsächlich kalt draußen, aber die Sonne machte es erträglich, und die frische Luft tat mir gut. Auf dem Weg zum Parkplatz wäre ich fast in eine riesige Pfütze getreten, was ich nur durch einen erschrockenen Sprung zur Seite vermeiden konnte. »Wohl zu spät ins Bett gekommen, was«, sagte ein kleiner Junge, der gerade vorbeiradelte.

»Hol dich der Kuckuck«, entgegnete ich und wunderte mich über meine eigenen Worte.

Mit dem VW Käfer fuhr ich zum Waterlooplein, wo der Kahle Kees in seinem Stammcafé stand und frühstückte. Wie schon im Knast schlürfte er den Kaffee von der Untertasse durch ein Stück Würfelzucker, das er zwischen den Lippen hielt. »Ich komme«, sagte er, als er mich sah. Schweigend gingen wir zu seinem Lager in einer Seitengasse. Es war eine große Lagerhalle, die bis unter die Decke mit Schrott vollgestaut war.

»Warte mal eben«, sagte er und kletterte auf einen Berg alter Herde. Oben angelangt, ließ er verlauten: »Ich bin gleich wieder da« und verschwand aus meinem Blickfeld. Es dauerte einige Minuten. Ich hörte ihn im Hintergrund herummachen, wobei allerlei Metallgegenstände gegeneinanderschlugen. Als er wieder hinter den Herden auftauchte, hielt er triumphierend die beiden Päckchen in die Höhe. »Da sind sie«, sagte er.

Ich öffnete das Päckchen mit den Dollars und gab ihm fünf Hunderter. »Bitte schön, Kees, für deine Mühe. Und nimm es ruhig an, es kommt von Herzen.«

Aber er wehrte ab. »Tut mir leid, Sid. Früher hätte ich nicht nein gesagt, das weißt du, aber ich bin seit ein paar Tagen Mitglied einer neuen Gemeinde. Unser Ziel ist es, das Geld abzuschaffen. Das bringt mir also gar nichts mehr.«

»Bist du Kommunist geworden?«

»Eine Art Kommunist vielleicht«, antwortete er ernst. »Ich gehöre den Gläubigen der Ersten Stunde an. Wir streben nur nach gemeinschaftlichem Besitz. Urchristen, weißt du.«

»Dann nimm’s doch für eure Vereinskasse. Ihr habt doch bestimmt Druckkosten und so.«

Er strahlte. »Stimmt. Ich tu’s dann in unsere Kriegskasse. Danke, Sid, bleib so, es wird dir nicht schaden. Und vergiß nicht, was immer auch passiert, auf mich kannst du zählen.«

Ich wußte, daß wenigstens das der Wahrheit entsprach. Wir gaben einander die Hand, er ging in sein Café zurück, ich zu meinem Wagen. Die Bank in der Leidsestraat, bei der ich meine Kronen deponiert hatte, war geschlossen. Pech, aber die siebentausend Dollar, die ich noch übrig hatte, würden fürs erste reichen. Ich brachte den Wagen zu der Werkstatt zurück, bei der ich ihn gemietet hatte. Ich hatte die Leihfrist um ein paar Tage überzogen, aber da dem Wagen nichts fehlte, konnten sie mir wenig anhaben. Von der Werkstatt waren es zum Hilton zurück nur fünf Minuten zu Fuß.

Henderson erwartete mich mit beunruhigtem Gesicht in der Lobby. »Ich dachte schon, Sie wären uns wieder entwischt«, flachste er. »Wie fühlen Sie sich jetzt?«

»Bescheiden. Sie haben sicher schon bei mir angerufen, was?«

»Stimmt. Wo waren Sie?«

»Weg.«

»Schon gefrühstückt?« Er versuchte, einen saloppen Ton anzuschlagen, aber ich spürte, daß er sich ein bißchen genierte. Und das zu Recht.

»Ja, danke. Wie geht es Daisy?«

»Ganz gut. Sie ist nur noch ein bißchen steif.«

Ich lachte. Er versuchte mitzulachen, aber es kam nicht von Herzen.

»Hören Sie, Mr. Henderson, ich muß noch kurz was an der Rezeption regeln, ich bin gleich wieder da.« Ich ging, ohne seine Antwort abzuwarten. An der Rezeption hatten sie schon alles für mich erledigt. Ich steckte die Papiere in meine Brieftasche und fragte, wo meine Koffer seien. Sie standen beim Portier.

»Sie werden heute oder morgen abgeholt. Könnten Sie sie so lange dort stehen lassen?«

Das ging in Ordnung.

Als ich zu Henderson zurückkam, hatte sich Signor Polesino zu ihm gesellt. Der begrüßte mich mit dem gleichen verlegenen Lächeln wie Henderson. Polesino war der Mann, den ich vor ein paar Tagen auf dem italienischen Konsulat gesprochen hatte, der, der so schmuddelig ausgesehen hatte. Das tat er noch immer, aber ich wußte jetzt, warum. Er hatte seit vier, fünf Tagen nicht mehr geschlafen oder sich auf alle Fälle schon solange nicht mehr rasiert. Polesino arbeitete für den italienischen Geheimdienst, wie mir Henderson schon am vorigen Abend erzählt hatte, als ich wieder zu mir gekommen war.

»Wollen wir etwas trinken gehen?« schlug Henderson vor.

Ich schaute auf meine Armbanduhr, es war zwölf Uhr. »Ich habe nicht viel Zeit, ich muß noch wohin. Könnten Sie mich mit dem Wagen bringen?« fragte ich Henderson.

»Natürlich, natürlich«, sagte er begeistert.

Ich gab Polesino die Hand. »ArrivederLa.«

Man sah ihm an, wie froh er war, daß ich wegmußte. Ich vermutete, daß er sich in die Falle hauen würde, sowie wir gegangen waren.

Henderson hatte einen silberfarbenen Cadillac mit italienischem Nummernschild. Ich setzte mich neben ihn und warf meinen Lederbeutel auf die Rückbank.

»Wohin?« fragte er.

»Hier nach rechts und dann immer geradeaus.«

Wir bogen in die Apollolaan ein.

»Rauchen Sie?« fragte er und bot mir eine Zigarette an. »Nein, danke.«

Er zündete sich eine an, inhalierte und sagte nach einigen Sekunden nachdenklich und um die Stille zu überbrücken: »Tja...«

»Ich habe natürlich schon ein paar Fragen«, sagte ich. »Und wohl auch Anspruch auf ein paar Antworten.«

»Ich werde Ihnen nicht viel erzählen können. Das meiste von dem, was Sie wissen möchten, dürfte unter classified information rangieren. Aber schießen Sie los.«

»Wer ist Schlüffer?«

»Wie müssen wir jetzt?« Er fuhr wie alle Amerikaner mit solchen langsamen, gemächlichen Bewegungen und dem linken Ellbogen auf dem Rahmen des geöffneten Seitenfensters. »Fürs erste immer geradeaus.«

»Schlüffer ist gebürtiger Tscheche, genauer gesagt Sudetendeutscher. Aber er hatte eine englische Mutter. Als er klein war, hat er mit seiner Familie auch einige Jahre in England gelebt. Dann sind sie nach Prag zurückgegangen, wo der Vater sie schließlich im Stich gelassen hat. Seine Mutter hat ihm einen glühenden Haß auf seinen Vater und die Deutschen mit auf den Weg gegeben sowie eine große Vorliebe für alles Englische. Er mußte schon sehr früh auf eigenen Beinen stehen, denn seine Mutter starb, wenige Jahre nachdem sein Vater sie verlassen hatte. Er kam bei einer kleinen Fluggesellschaft unter, wo er sich vom Laufjungen zum Piloten hocharbeitete. Aber er war ein Abenteurer. Er sagte der zivilen Luftfahrt ade und flog in einigen obskuren kleinen Kriegen in Asien und Südamerika. In den dreißiger Jahren war das. Ich vermute, daß er schon damals für den englischen Geheimdienst arbeitete, aber genau weiß ich es nicht, denn die machen da ein schreckliches Geheimnis daraus. Aber sie geben zumindest zu, daß er offiziell englischer Agent war, als der Anschluß der Tschechoslowakei ans Deutsche Reich kam. Er trat in den Dienst der deutschen Luftwaffe ein und ist sogar bei der Schlacht um England mitgeflogen. Wobei ihm höchstwahrscheinlich das Herz geblutet hat. Dank seiner Luftakrobatik und seiner Tapferkeit wurde er in eine geheime Jagdstaffel der deutschen Luftwaffe aufgenommen, die allerlei Sonderaufträge ausführte. An einem Frühlingstag 1941 hat er dann sein Flugzeug auf einer Weide in Devonshire gelandet. Er war von Frankreich aus nach England herübergeflogen, und zwar mit einigen vollständigen Plänen für Bombenangriffe auf London. Dem ist es zu verdanken, daß einige Wochen später die halben englischen Luftstreitkräfte die deutschen Geschwader erwarteten. Schlüffer hatte sich über dem Kanal übrigens noch rasch seines Copiloten entledigt, der ziemlich komisch geguckt haben dürfte, als sein Kollege plötzlich in die falsche Richtung flog. Er ist dann von mehreren Geheimdiensten gescreent worden und schließlich zu einem Jagdgeschwader, ähnlich dem deutschen, in dem er vorher geflogen war, gekommen, das dem direkten Befehl des OSS unterstellt war, also des Amts für strategische Dienste. Er nahm an allen wichtigen Operationen teil und hat noch eine ganze Reihe weiterer Aufträge ausgeführt, von denen keiner je etwas gehört hat und über die wir denn auch lieber schweigen wollen. Er ist einige Male abgeschossen worden, nur nicht in Deutschland, dorthin haben sie ihn nicht mehr fliegen lassen. Wie jetzt?«

»Rechts und an der Ampel links. Und wer sind Sie?«

»Ich heiße wirklich Henderson, Bob Henderson, Amerikaner schwedischer Abstammung.«

»Angenehm.«

Er reckte einen Daumen in die Höhe. »Ich arbeite in Rom für eine amerikanische Behörde, die mit der Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels befaßt ist. Wir arbeiten im geheimen, haben auch den Status eines Geheimdienstes, gehen aber strikt legal vor und kooperieren auch in allem mit der italienischen Regierung. Zumindest ...«, er zwinkerte mir zu und bremste vor einer auf Rot springenden Ampel.

»Also doch Drogen«, sagte ich. »Schlüffers italienische Handlanger verstanden einfach nicht, wieso ihr hinter ihnen her seid. Sie behaupteten jedenfalls, nichts mit Opium und Heroin und dem ganzen Scheiß zu tun zu haben.«

»Das stimmt auch. Trotzdem gibt es eine Verbindung, ich werde es Ihnen erklären. Nebenbei bemerkt, sie waren nicht seine Handlanger, denn außer Carlo und Romeo kannte ihn praktisch keiner.« Die Ampel schaltete auf Grün. »Immer noch geradeaus?«

»Ja.«

»Nach dem Krieg nahm Schlüffer seinen Abschied und zog aufs Land. Er hatte inzwischen die englische Staatsbürgerschaft angenommen und eine Auszeichnung erhalten. Er machte jetzt ganz auf typisch englischer Offizier im Ruhestand. Na, Sie haben ihn ja selbst gesehen. Tweedjackett in allen Lebenslagen, Knickerbocker, Jagd, Whiskey, viel Bier im Dorfpub, Bridgeturniere, Sie kennen das sicher.«

»Nein, aber ich kann es mir vorstellen.«

»Nur sein Gesicht paßte nicht zu der Rolle, die er sich ausgesucht hatte. Er sieht nun mal nicht sehr englisch aus. Er konnte machen, was er wollte, an seinem Äußeren veränderte es nichts. Bis vor drei, vier Jahren lebte er ganz ruhig von seiner Pension plus der einen oder anderen Zulage. Aber dann begann er mit einem Mal zu reisen, häufig nach Italien, vor allem Sizilien, und viel Geld auszugeben. Nun müssen Sie wissen, obwohl Sie es eigentlich nicht wissen dürfen, daß man in England Leute, die mal für den Service gearbeitet haben, auch danach noch genau im Auge behält, und zwar aus dem einfachen Grund, daß sie noch eine Menge wissen. Jedes Mal, wenn sie England verlassen, wird London das von der Grenzpolizei oder sonstwem gemeldet. Normalerweise wandert diese Information in eine Mappe, und diese Mappe in einen Schrank, und niemand kümmert sich weiter darum. Nicht aber bei Schlüffer. Wahrscheinlich weil er Schlüffer heißt, so ein Name ist Engländern nun mal verdächtig. Schlüffer war 1943, als er verwundet wurde und eine Zeitlang nicht fliegen konnte, einige Monate als Verbindungsmann der Allierten und der Mafia, die damals von uns aus der Luft mit Waffen unterstützt wurde, auf Sizilien stationiert. Er kannte also die Mafia, und es schien ganz so, als hätte er diese alten Kontakte wieder aufgenommen. Er hatte auch plötzlich wieder Umgang mit einigen früheren Kollegen aus seinem Geschwader, King unter anderem und van den Broek.«

»Wer ist King?« Die Geschichte begann mich zu interessieren. Ich suchte nach Zigaretten, hatte aber keine bei mir. »Darf ich doch eine Zigarette von Ihnen?« fragte ich. Er gab mir eine Zigarette und Feuer. »Danke, und geradeaus«, sagte ich.

»King ist Amerikaner und flog im Krieg in Schlüffers Geschwader. In dem waren mindestens zehn verschiedene Nationalitäten vertreten. Mehr kann ich auch nicht über ihn erzählen.«

»Und van den Broek?«

»Desgleichen. Seinen Lebenslauf kenne ich zwar, aber der ist nicht weiter wichtig.

Es fiel auf, daß diese früheren Freunde Schlüffers, die alle bei irgendeiner Fluggesellschaft arbeiteten – es sind noch viele andere mit im Spiel, aber die kennen Sie ja nicht und die tun hier auch nichts zur Sache –, mit einem Mal höhere Einkünfte zu haben schienen, die sie aber nicht von ihren Arbeitgebern erhalten hatten. Man ließ sie deshalb beschatten und stellte fest, daß sie sich an verschiedenen Orten in Europa, wohin ihr Beruf sie führte, mit Italienern trafen. Mafiakontakte offenbar, und der Secret Service folgerte natürlich gleich, daß es hier um Betäubungsmittelhandel ging. Wenn ein Engländer einen Italiener sieht, denkt er an Spaghetti, und wenn er das Wort Mafia hört, an Drogen.

An dieser Stelle kam ich ins Spiel, denn ich befasse mich unter anderem mit den Aktivitäten der Mafia in anderen europäischen Ländern. Seit es überall italienische Gastarbeiter gibt, ist auch die Mafia überall aktiv, obwohl sie sich in solchen außerregionalen Gruppen bis dato, soweit wir wissen, nicht mit Drogenhandel abgibt. Aber gut, die Engländer wälzten die Sache auf mich ab und waren, glaube ich, verdammt froh, die lästige Angelegenheit los zu sein. Mein wichtigster Anknüpfungspunkt waren die KLM-Piloten, und deshalb lieh ich mir von den Engländern eine Agentin aus...«

»Pauline.«

»Stimmt, Pauline.«

»Wer ist Pauline?«

»Ich weiß nicht mal, wie sie wirklich heißt. Nur, daß sie halb Engländerin und halb Niederländerin ist und die beste Agentin, mit der ich je zusammengearbeitet habe, das können Sie mir glauben.«

»Das glaube ich Ihnen sofort.« Ich merkte, daß er mich aus dem Augenwinkel beobachtete. Wir hatten jetzt den Stadtrand erreicht, und ich sah in der Ferne das Motel, in dem ich gewohnt hatte. Das schien Jahre her zu sein. Ich wies Henderson darauf hin. »Da, in dem Motel, habe ich mal gewohnt.«

Er lachte kurz auf. »Ein geschickter Schachzug von Ihnen, sich dort einzuquartieren.«

»Fand ich auch.«

»Pauline also«, fuhr er fort. »Wir machten sie zur Stewardess. Dann mietete ich mit Polesino vom italienischen Geheimdienst zwei Etagen von International Trade N.V. in der Van Eeghenstraat, wo wir unser Hauptquartier einrichteten. In der unteren war das Archiv mit Telex und was man sonst so braucht, und im Dachgeschoß bekam Pauline ihr Apartment. Ich brachte noch einige andere Mitarbeiter in Amsterdam unter, blieb aber selbst die meiste Zeit in meinem Büro in Rom, denn die normale Arbeit lief ja weiter. Wir kamen eigentlich nicht nennenswert voran, bis King eines Tages plötzlich ausfiel.«

»Wie meinen Sie das, ausfiel?«

»Die klassische Geschichte. Eines Tages, als er aus London kam und gerade aus seiner Maschine stieg, verlor er ein kleines Päckchen. Er hatte offenbar ein Loch in der Tasche seines Regenmantels. Ein Zollbeamter, der zufällig vorüberkam, hob es auf, um es ihm zurückzugeben, und sah zu seinem Erstaunen, daß es sich um ein Bündel Banknoten im Wert von zehntausend Dollar handelte. King mußte zur Direktion und und und. Kurz und gut, er konnte und wollte nicht erklären, wie er an das Geld gekommen war. Er behauptete, es sei Familienbesitz. Da er sich formal des Devisenschmuggels schuldig gemacht hatte, wurde er entlassen. Still und heimlich, um einen Skandal zu vermeiden. Aber mir ist da ein Licht aufgegangen. Wie jetzt?«

»Links und wieder geradeaus.«

»Zudem wurde es für uns jetzt etwas leichter, denn ohne King wurde Jeanette nachlässiger. Sie ging auch schon mal fremd und fing schließlich sogar ein Verhältnis mit diesem gruseligen Typen an.«

»Romeo.«

»Ja, dem. Wir hatten inzwischen Frau Effimandi so weit gekriegt, daß sie ein Auge auf Jeanettes Kommen und Gehen hatte. Sie können sich vorstellen, wieviel Fingerspitzengefühl und Einfallsreichtum uns das abverlangt hat. Wir mußten ihr eine Art weltweiter mystischer Verschwörung vorgaukeln, bevor sie endlich mitarbeiten wollte.«

»Wo die Wahrheit doch eigentlich schon mystisch genug ist.«

»Aber die Wahrheit durfte sie nicht erfahren. Jeanette wurde also nachlässiger, und van den Broek wurde nervös. Er hat meiner Meinung nach sowieso nur mitgemacht, weil seine Frau verschwendungssüchtig ist und das Geld nicht beisammenhalten kann. Als Kings starke Hand wegfiel, wurde er unsicher. Da haben wir Blut geleckt.

Wir schickten ihm anonyme Briefe, daß wir mehr über ihn wüßten, als er denke. Wir gaben uns also als Erpresser aus, die es auf seine Beute abgesehen hatten. Er ist daraufhin nur noch geflogen, wenn man ihm einen Bodyguard mitgab, denn er hatte eine Todesangst, daß die Erpresser im Ausland zuschlagen würden. So hat ihn mal Romeo begleitet und mal Carlo.«

»Deswegen saß Carlo also in dem Flugzeug.«

»Deswegen. Und dann kamen Sie.«

»Der Elefant im Porzellanladen.«

»Wie bitte?«

»Ach nichts.«

»Das ist doch... He, wir fahren ja nach Schiphol!« rief er plötzlich.

»Einfach weiter geradeaus.«

»Was haben Sie vor?«

»Das werden Sie dann schon sehen.«

»Wollen Sie das Land verlassen?«

»Erzählen Sie lieber weiter.«

»Wie wir seit gestern abend wissen, haben Sie Jeanettes Leiche gefunden und Carlo aus ihrem Haus kommen sehen. Wir hatten ja keine Ahnung, was Sie mit diesen Leuten zu tun hatten. Plötzlich tauchten Sie im italienischen Konsulat auf und erkundigten sich nach Carlo. Polesino war ja gerade dort und hat Ihnen vermeintlich Rede und Antwort gestanden. Sie waren höchst verdächtig, wie er fand, und daher ließen wir Sie verfolgen, nachdem Sie gegangen waren. Sie sind in dieser Espressobar verschwunden, und kurz darauf folgte Ihnen einer von Carlos Jungs, die wir natürlich alle kannten.«

»Da waren Sie also schon hinter mir her.«

»Ja, schon da.«

»Und zu allem Überfluß lief mir auch noch Pauline über den Weg.«

Er grinste. »Dachten Sie. Aber die hatte ich auf Sie angesetzt. Ich war gerade in der Van Eeghenstraat, und Polesino hatte mir durchgegeben, wo Sie waren. Pauline sollte Sie mal näher unter die Lupe nehmen. Aber sie hat fast einen Herzinfarkt bekommen, als sie Sie sah, denn bis zu diesem Zeitpunkt wußte ja noch keiner, wer Sie sind. Aber Pauline hat Sie sofort aus dem Flugzeug wiedererkannt.«

Pauline hatte mich also abgefangen. Ich fluchte innerlich. »Würden Sie hier bitte auf den Parkplatz fahren und halten?« bat ich.

Er tat, was ich sagte. »Pauline hat Sie dann schön aufgehalten. Übrigens, unter uns gesagt, ich glaube nicht, daß sie es mit großem Widerwillen getan hat.«

Er stellte den Motor ab. Wir stiegen aus. Mir war warm. Mir war glühend heiß. Als wenn es mir die Schamröte ins Gesicht trieb. Wir gingen auf die Abflughalle zu.

»Während Sie an dem Abend und danach von Pauline in Beschlag genommen waren, versuchte ich eine Etage tiefer fieberhaft herauszufinden, wer Sie sind und wo Sie wohnen.«

»Wie?«

»Jeanette hatte Pauline im Flugzeug erzählt, daß sie früher mal mit Ihnen zusammen gewesen war und daß Sie Werbetexter waren und eine Gefängnisstrafe verbüßt hatten. Ich mußte eine Weile herumtelefonieren, aber schließlich erfuhr ich doch ein paar Dinge über Sie. Ich habe unter anderem mehrmals mit Ihrer Frau gesprochen, die mir nach einigem Hin und Her verriet, daß Sie in Bergen übernachteten, und mir die Adresse gab. Und da wir natürlich Paulines Telefon abhörten, wußten wir aus Ihren Telefonaten, daß das Haus in Bergen an dem Tag verlassen war. Wir haben also blitzschnell jemanden nach Bergen geschickt, um Ihr Gepäck zu durchsuchen.

Zu dem Zeitpunkt wußten wir noch nicht, daß Jeanette tot war. Daß sie verschwunden war, ja, und überdies erschien Schlüffer plötzlich auf der Bildfläche. Da der nur höchst selten in die Niederlande kam, war uns sofort klar, daß irgend etwas los sein mußte.

Ich hatte mich derweil zum Vizepräsidenten eines großen Unternehmens ernannt und diesem Herrn Larings zu verstehen gegeben, daß ich Sie gerne von ihm übernehmen würde. Er verlangte ein hübsches Sümmchen dafür, auf das er noch lange warten kann. Ein netter Mensch übrigens, ich habe einmal vorzüglich mit ihm gespeist. Nur dem Schein zuliebe, versteht sich.«

Wir waren in der Abflughalle angelangt. Er ließ mich durch die Glastüren vorangehen. Links war ein Laufband mit einigen wie aus dem Ei gepellten Herren dahinter, die sich um die Tickets und den ganzen Gepäckkram kümmerten. Mein Ticket war in Ordnung. Man fragte nach meinem Gepäck. Ich hob den Lederbeutel. Sie blickten erstaunt.

»Traveiing light, hm?« fragte Henderson.

»Sorry, Bob, ich muß mal kurz telefonieren, bin gleich zurück.« Ich war ziemlich wortkarg an diesem Morgen. In der Telefonzelle wählte ich Annettes Nummer. Peter nahm ab.

»Hier Sid. Kann ich kurz Annette sprechen?«

»Oh... ja...«

Annette kam an den Apparat. »Ja, Sid? Lange nicht mehr von dir gehört.«

»Hör zu, Schätzchen. Ich stehe gerade auf dem Flughafen und gehe für eine Weile ins Ausland. Solange könnt ihr die Wohnung noch behalten.«

»Waa...?« sagte sie schluckend. »Wohin denn? ... Wie lange?«

Ich rechnete kurz nach. Etwas mehr als siebentausend Dollar. »Für ein, zwei Jahre wahrscheinlich.«

»Und wohin?«

»Das weiß ich noch nicht genau. Ich schreib’ dir mal und geb’ Bescheid, wann ich zurückkomme.«

»Sid, geht es dir gut?« fragte sie hastig.

»Ich kann nicht klagen. Hör zu, meine Koffer stehen im Hilton, beim Portier. Läßt du Peter sie dort abholen und bewahrst du sie solange für mich auf?«

»Ja... gut...« Sie wußte offenbar nicht, was sie sagen sollte. »Okay. Ich leg’ jetzt auf.«

»Tschüs, Sid.«

»Tschüs. Tschüs, Annette.«

In der Abflughalle herrschte großes Gedränge. Überall wurde innig Abschied genommen. Aus den Lautsprechern säuselte permanent eine heisere Stimme, und draußen dröhnte eine startende Maschine. Henderson stand ein Stück weiter weg an einem Zeitungskiosk und studierte die Covergirls der Herrenmagazine.

»Sie waren also derweil Vizepräsident geworden«, knüpfte ich wieder an, als ich neben ihm stand.

»Und Sie sind darauf hereingefallen. Das hat mir wirklich leid getan.«

»Das will ich hoffen. Es war nämlich ein ziemlich gemeiner Streich.«

»Aber was sollte ich denn machen? Wie schon gesagt, wir begriffen einfach nicht, was Sie dabei zu suchen hatten. Also mußten wir Sie irgendwie an uns binden. Die Idee stammte übrigens von Daisy. Daisy ist meine Sekretärin. Auch in Wirklichkeit, meine ich.«

»Aber wenn Sie mich schon so an der Angel hatten, warum

hat Pauline mir dann erzählt, daß King angekommen war?« »Ich hatte die Theorie, daß Sie für King persönlich arbeite–

ten, vor allem auch weil Sie Pauline so über Jeanette und King ausgefragt hatten. Mein Mann hier auf dem Flughafen entdeckte im richtigen Moment King unter den ankommenden Passagieren. Weil ich wissen wollte, wie Sie reagieren würden, habe ich Pauline sagen lassen, daß sie ihn gesehen hätte. Unterdessen ließ ich King beschatten. Aber er ist ein alter Hase. Er merkte sofort, daß er verfolgt wurde, und schüttelte meinen Mann ab. Es ist in unserem Fach genauso wie in anderen Berufen, man kriegt kaum noch gut geschultes Personal. Außerdem hatte ich King unterschätzt. Ich hatte einen meiner besten Männer, Pisicini, in der Geuzenkade stationiert. Sie haben ihn ja dort gesehen. Er sollte mich sofort informieren, wenn King dort auftauchte. Aber an dem Abend lief alles schief. Wir warteten in der Van Eeghenstraat, unser auf King angesetzter Mann ließ sich abschütteln, und King fuhr zu Frau Effimandi, die mich nicht anrief, obwohl es so verabredet war.«

»Das hat sie aus Pietät zu Jeanette getan.«

»Ja, das habe ich am nächsten Morgen auch festgestellt, aber da war es schon zu spät. Tja, und anschließend fuhr King in die Geuzenkade, wo er Pisicini erwischte, bevor der uns warnen konnte. Ich habe neun Jahre mit ihm zusammengearbeitet. Ein prima Mann. Und er hatte eine Frau und zwei Kinder.« Henderson verstummte und starrte ins Leere.

»Niemand hat ihn dazu gezwungen, diesen Beruf zu ergreifen«, sagte ich.

»Gott weiß, warum sich jemand freiwillig für einen Job wie den unseren entscheidet. Aber King wird dafür büßen, das versichere ich Ihnen.«

»Leute wie Sie werden auch gebraucht«, sagte ich.

Er sah mich kurz mit diesem seltsamen, beschämten Lächeln an, das mir schon vorher an ihm aufgefallen war. »Das wird zumindest behauptet«, sagte er und fuhr mit etwas lebhafterer Stimme fort: »Ja, und dann sind Sie wieder aufgetaucht, der unvermeidliche Sid Stefan. Aber wie sind Sie eigentlich nach Laren gekommen?«

Ich erzählte ihm, was sich in der Geuzenkade zugetragen hatte. Als ich bei dem Moment angelangt war, da ich die Villa »Festina lente« betrat, sagte er: »Den Rest der Geschichte kenne ich.«

»Woher?«

»Von van den Broek. Ach, das wissen Sie natürlich noch nicht. Nach dieser Schlägerei und Schießerei bei ihm im Haus war sein Widerstand endgültig gebrochen. In der allgemeinen Konsternation – sie saßen immerhin mit drei Leichen da, die sie irgendwie verschwinden lassen mußten – hat er mit seiner Frau das Weite gesucht. Er hatte am nächsten Morgen einen Flug nach England. Sie haben kurz vor Schiphol im Wald abgewartet, bis es hell wurde, und dann hat er für seine Frau einen Platz in seinem Flugzeug gebucht. Von London aus wollten sie nach Brasilien weiterfliegen, wo sie ein Haus und ein Bankkonto haben. Aber Pauline, die den Flug als Stewardess begleiten sollte, fiel schon vor dem Abflug auf, daß er sich ziemlich seltsam benahm, und sie hat mich darüber informiert. Als sie dann auch noch seine Frau unter den Passagieren sah, ahnten wir natürlich, was die Glocke geschlagen hatte. Ich rief London an, flog selbst mit, und als wir landeten, stand schon ein Wagen für uns bereit. Eine halbe Stunde habe ich auf ihn eingeredet, dann hat er die Waffen gestreckt. Bei seiner Frau dauerte es etwas länger. Ich habe ihm versprochen, daß wir uns nach Kräften für ihn einsetzen würden, wenn er reinen Tisch machte. Die Sache ist nämlich so...«

»Passagiere für KLM-Flug 110 nach Athen bitte zu Gate acht!« schallte es durch die Lautsprecher. Ich schaute auf meine Armbanduhr, es war Viertel vor zwei.

»Das ist mein Flugzeug, Bob. Ich habe noch eine Viertelstunde. Also rasch.«

»Dann halten Sie sich fest. Schlüffer war seinerzeit nicht nur mit einer Mappe voller Angriffspläne nach England geflogen, sondern auch mit drei Metallkisten, die hundert Millionen Dollar enthielten. Falschgeld, aber so gut gemacht, daß es absolut nicht von echten Dollars zu unterscheiden ist. Die Deutschen hatten ein spezielles Laboratorium für so was. Sie wollten das Geld nach England einschleusen, ökonomische Kriegsführung, Inflation, Sie wissen schon. Wie Schlüffer daran gekommen ist, wissen wir nicht. Ich vermute, daß er den Auftrag hatte, es irgendwo über England abzuwerfen. Was er nicht tat. Er ließ die Kisten kurz vor der Küste ins Meer fallen und sagte kein Sterbenswörtchen. Nach dem Krieg hat er sie wieder rausgefischt.

So saß er plötzlich mit diesem Haufen Bargeld da, mit dem man an sich nicht viel anfangen kann. Ausgeben höchstens, aber das wollte er nicht. Er wollte es rentabel machen und in ein Unternehmen stecken. In England ließ sich das nicht machen, denn da hätte er die Herkunft von soviel Geld irgendwie erklären müssen. Daher hat er es von Piloten verschiedener Fluggesellschaften in kleinen Mengen, so zwischen fünf- und fünfzehntausend Dollar, aus dem Land schmuggeln lassen. Gar nicht so dumm, was?«

»Und wozu brauchte er dann die Mafia?«

»Das kommt jetzt. Die Piloten, King und van den Broek zum Beispiel, aber auch Jeanette und andere von anderen Gesellschaften, konnten das Geld im Ausland auch nicht so ohne weiteres wechseln, denn dann hätten sie sich ihrerseits wieder verdächtig gemacht. Daher schalteten sie Mafiabosse in diversen europäischen Städten ein, die das Geld unter ihren Leuten verteilten, welche es schließlich in Minibeträgen bei unzähligen Banken in den verschiedensten Ländern wechselten. Unterwegs blieben natürlich so einige Prozente bei den Piloten und der Mafia hängen, aber den Löwenanteil hat Schlüffer offenbar doch wiederbekommen. Dieses Geld investierte er in verschiedenen Ländern in Aktien und Geschäfte.

Dem englischen Geheimdienst ist gestern, als er van den Broeks Geschichte hörte, der Schreck in alle Glieder gefahren. Man wollte sofort eine ganze Brigade nach Amsterdam schicken, um Schlüffer zu fassen. Ich war mit einem Mal wieder der kleine Angestellte aus Rom, der sich nur mit Drogen zu befassen hatte. Erst darf man die Drecksarbeit machen, und dann soll man das Feld räumen. Ohne mich. Ich bin mit Pauline nach Amsterdam zurückgeflogen. Sie arbeitet ja nach wie vor für mich, und sie ist über die Haltung der Herrschaften in London genauso empört wie ich. Übrigens, drehen Sie sich mal um, sehen Sie den Mann da, der angeblich Zeitung liest? Das ist einer von ihren Agenten. Sie denken, daß ich noch wer weiß was im Schilde führe, deshalb lassen sie mich überwachen. Also auf dem Rückflug nach Amsterdam haben Pauline und ich uns eine Falle ausgedacht. Van den Broek hatte erzählt, daß King völlig außer sich sei und an nichts anderes mehr denken könne, als Sie in seine Finger zu bekommen und dann langsam in Stücke zu reißen. Deshalb haben wir überall dort, wo King auftauchen konnte, Hinweise darauf hinterlassen, daß Sie bei Pauline zu finden sein würden. Unter anderem bei Frau Effimandi, die diesmal auch getan hat, was wir ihr aufgetragen haben. Sie scheint einen besonderen Rochus auf Sie zu haben und hat Sie daher bereitwillig den Wölfen zum Fraß vorgeworfen.«

»Hübsche Bildsprache.«

»Und Daisy haben wir Ihnen aufs Zimmer gelegt, nachdem wir sie mit etwas Jod hergerichtet hatten. Sie sind wunderbar darauf hereingefallen. Alles lief also nach Plan. In Paulines Apartment hatten wir Mikrofone und Aufnahmegeräte und zwei geräuschlose Kameras installiert. Ich wollte den Engländern Schlüffer und King mitsamt Beweisen liefern, damit die Sache hieb- und stichfest war, verstehen Sie.«

»Das war aber ganz schön riskant.«

»Nicht der Rede wert. Nur die beiden Molinari-Brüder bereiteten uns Probleme. Wir mußten sie draußen auf dem Flur möglichst geräuschlos ausschalten. Das haben wir mit Chloroform gemacht, und danach haben sie noch eine Spritze bekommen. Soweit ich weiß, schlafen sie immer noch. King und Schlüffer hatten wir die ganze Zeit im Schußfeld. Nur einmal wäre es beinahe schiefgegangen, als Sie auf mich schießen wollten. Aber da hat Pauline gerade noch rechtzeitig eingegriffen. Pauline ist großartig.« Er schüttelte den Kopf.

»Die Passagiere von KLM-Flug 110 bitte umgehend zu...«

»Einen Augenblick.« Ich drehte mich um und rannte wieder zu der Telefonzelle, die Gott sei Dank unbesetzt war. Pauline nahm sofort ab. »Hier Sid.«

Sie war einen Moment still. »Tag, Sid«, sagte sie dann sanft. »Pauline ...« Ich wußte eigentlich gar nicht, was ich sagen sollte.

»Ja?«

»Ich stehe mit Henderson auf dem Flughafen, und mein Flugzeug startet gleich. Ich wollte mich nur noch kurz von dir verabschieden.«

»Wohin fliegst du?«

»Griechenland. Den Winter in wärmeren Gefilden verbringen. Und danach werde ich weitersehen.«

»Sehr vernünftig. Du haßt den Winter, hm?«

»Ja, ziemlich... Läßt du noch mal von dir hören?« Mein Herz hämmerte wie wild, und ich hatte ganz weiche Knie. Nicht zu fassen.

»Vielleicht schreib’ ich dir mal. Hast du schon eine Adresse?« »Noch nicht. Aber postlagernd nach Athen geht immer.«

»Okay.« Wir schwiegen.

»Ich geh’ dann jetzt.«

»Sid?«

»Ja?«

»Es tut mir leid.«

»Mir nicht. Ich fand’s schön.«

»Ich auch.«

»Mach’s gut«

»... Mach’s gut.«

Henderson begleitete mich zur Paßkontrolle. Während ich meinen Paß vorzeigte, sagte ich zu ihm: »Ehe ich’s vergesse, hier, Jeanettes Adreßbuch und die Papiere, die ich bei Carlo gefunden habe. Ich schätze, Sie werden Verwendung dafür haben.« Ich gab ihm das Päckchen.

Sein Gesicht wurde rot vor Freude. »Danke, Sid.«

»Was passiert jetzt mit King und Schlüffer?«

»Die werden irgendwie nach England geschmuggelt. Die niederländische Polizei weiß noch von nichts.«

Ich bekam meinen Paß zurück. Diesmal hatte der Beamte kein so gutes Gedächtnis. »Bitte sehr«, sagte er höflich.

Henderson streckte mir die Hand hin. »Auf Wiedersehen, Sid.«

»Auf Wiedersehen.«

»Hier, meine Karte. Schauen Sie mal vorbei, wenn Sie in Rom sind.«

»Vielleicht.« Ich drehte mich um und ging zum Gate.

»Sid!« hörte ich Henderson rufen, als ich schon halb dort war. Er winkte, daß ich zurückkommen solle.

»Ich hatte noch vergessen, Ihnen zu sagen, daß Schlüffer Jeanette nicht ermordet hat. Ihre Theorie von gestern abend war leider falsch, so gut sie sich auch anhörte. Er ist nämlich wirklich erst Dienstagnachmittag angekommen. Van den Broek sagt, Romeo hat sie umgebracht. Aus Eifersucht. Und der Mann, der sie nachts nach Haus gebracht hat, war Carlo selbst.«

Ich zuckte die Achseln. »Pech.«

»Be good now, Sid. Beeilen Sie sich, sonst verpassen Sie noch Ihr Flugzeug.«

 

Im Flugzeug saßen wieder die ewig gleichen Leute. Ich sah die üblichen amerikanischen Touristen und deutschen Geschäftsleute. Vor mir saß ein Mann mit Turban, und einige Reihen weiter sah ich ein paar Mannequins, die ich durchaus nicht uninteressant fand. Ansonsten fühlte ich mich vor allem einsam. Ich kannte nicht mal eine der Stewardessen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bitte beachten Sie

die folgenden Seiten:

 

KRIMINAL-LITERATUR

 

 

ROSS-THOMAS-EDITION

Bearbeitete Neuausgaben vom »besten Thrillerautor aller Zeiten« (zitty). Herausgegeben von Alexander Wewerka

 

 

Umweg zur Hölle

Der erste Artie-Wu-und-Quincy-Durant-Fall

Mit einem Essay von Jörg Fauser

 

Der Chinese Artie Wu – Anwärter auf den Kaiserthron –, sein Geschäftspartner Quincy Durant, der Hochstapler »Otherguy« Overby, der alternde Terrorismusexperte Booth Stalling und die gerissene Ex-Agentin Georgia Blue sind die Protagonisten »der genialsten Politthrillertrilogie des 20. Jahrhunderts« (WDR 5).

 

»Ein Roman von Ross Thomas ist nicht einfach ein Krimi oder ein Politthriller, sondern eine diabolische Analyse unserer politischen Verhältnisse.« Jörg Fauser

 

 

Am Rand der Welt

Der zweite Artie-Wu-und-Quincy-Durant-Fall

Mit einem Nachwort von Thomas Wörtche

 

»Ross Thomas führt uns, gemeinsam mit einem erstaunlichen Aufgebot an Figuren, an den Rand der Welt, in einer Geschichte, die sich windet und schlängelt und niemals innehält.« Elmore Leonard

 

»Ein erstklassiger Thriller mit einem genialen Plot, bei dem keine Zeile überflüssig ist!« New York Times

 

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimi-Preis!

 

 

Voodoo , Ltd.

Der dritte und letzte Artie-Wu-und-Quincy-Durant-Fall

 

»Eine Prosa, die nur so funkelt vor Esprit und Witz.« WDR 5

 

»Absurde Komik, geschliffene Dialoge, gesunde Härte.« stern

 

 

Die im Dunkeln

Mit einem Nachwort von Gisbert Haefs

 

»Ross Thomas zeigt gnadenlos, wie Politik funktioniert. Schlafraubende Nachttischlektüre für mündige Skeptiker.« Tobias Gohlis, Focus

 

 

Gottes vergessene Stadt

 

»Es ist einer der besten Thomas-Romane, in dem man alles findet, was seine enormen handwerklichen Fähigkeiten ausmacht ... Stilsicherheit, Präzision, Lakonie und nicht zuletzt Witz... es gibt wenige, die so präzise schreiben wie Thomas ... Gottes vergessene Stadt ist so verwinkelt und so überraschend, daß es bis zur letzten Seite fesselt und immer spannender wird.« MDR Figaro

 

 

Teufels Küche

Mit einem Nachwort von Laf Überland

 

»Dieses Buch ist definitv das beste, das ich von Ross Thomas gelesen habe. Es ist bissiger, wundervoller Stoff; die scharfe Beobachtungsgabe gepaart mit derart vergnügt boshaften Handlungssträngen hat Beifall verdient.« Stephen King

 

»Ein Feuerwerk skurriler Ideen – eine höchst unterhaltsame Kombination von Noir und Humor.« Horst Eckert, Focus Online

 

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimi-Preis!

 

 

Kälter als der Kalte Krieg

Ein McCorkle-und-Padillo-Fall

 

»Thomas hat unglaublich viel Cleveres zu sagen über dasVerhältnis von Ost und West, von Deutschen und Amerikanern, von Gut und Böse. Kälter als der Kalte Krieg würde jede Reihe mit Berlin-Romanen auf das Trefflichste schmücken.« Berliner Zeitung

 

Die Ross-Thomas-Edition wird fortgesetzt!

 

 

JÖRG FAUSER

 

Der Schneemann

Mit einem Nachwort von Feridun Zaimoglu

 

»Siegfried Blum ist eine Kreuzung aus Held und Loser und mit dem Dasein so auf Kriegsfuß, wie es für eine abgebrühte Geschichte erforderlich ist. Die Existenz wird zur Stilfrage, und selten ist der Versuch, sich mit der Welt zu versöhnen, die nichts von einem wissen will, mit geschickterem Handwerk geschildert worden als in Der Schneemann.« Aris Fioretos, Süddeutsche Zeitung

 

 

Das Schlangenmaul

Mit einem Nachwort von Martin Compart

 

»Ein Meilenstein der Kriminalgeschichte. Dieser Roman leistet genau das, was jeder sich derzeit von der deutschen Literatur umsonst erwartet: Lustvoll erzählen auf hohem gedanklichen Niveau: Grell in der Sprache, schnell mit den Sprüchen...Der deutsche Quentin Tarantino der Literatur.« Andreas Ammer, Deutschlandfunk

 

 

Die Tournee

Roman aus dem Nachlaß. Herausgegeben von Jan Bürger und Rainer Weiss

 

»Verlorene Menschen auf Tournee durch die Welt. Ist das schön, denkt man beim Lesen, und wieder gibt es Sätze, die man singen möchte oder trommeln ... «

Volker Weidermann, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

 

 

MARTIN COMPART

Der Sodom-Kontrakt

 

»Schnörkellos, rasant, brutal, schmutzig, trashig. Hier hat ein Kenner kurzen Prozeß gemacht und die ihm bekannten Genre-Versatzstücke derb gesampelt. Martin Compart glänzt mit einem bitterbösen Thriller!« Jens Müller, Der Tagesspiegel

 

 

LEONARD SCHRADER

Der Yakuza

Mit einem Nachwort von Norbert Grob

 

Der schwärzeste und bisher wohl beste Japan-Thriller: eine Geschichte über Schuld, Ehre und den erbitterten Kampf gegen Mafia-Bosse.

 

»Der Yakuza transportiert großes Kino, verfeinert mit der Exaktheit des Schriftstellers.« Kulturzeit, 3sat

 

»Einer der besten Kriminalromane aller Zeiten.«

Jury deutscher Krimipreis

 

 

DOMINIK GRAF

Schläft ein Lied in allen Dingen

Texte zum Film

Herausgegeben von Michael Althen

 

»Eine Einladung zum Entdecken und Wiedersehen von Filmen. Ein Buch für lange Abende.« Kriminalakte

 

»Dominik Graf schreibt die schönsten Texte zum Film, die man sich denken kann.« Berliner Zeitung

 

»Eine leidenschaftliche Geschichte der ›unsauberen‹ Filme und eine äußerst anregende DVD-Kaufhilfe.« epd Film

 

»Dieses Buch ist unverzichtbar.« Süddeutsche Zeitung

 

 

 

 

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