Das Goldfieber

 

Die Bombe platzte am Montag gegen Mittag, als die Zeitungen eintrafen.

Einer vom Dorf hatte beim Sport-Toto den Treffer gemacht und zehn Millionen Lire gewonnen. Die Zeitungen nannten einen gewissen Pepito Sbezzeguti, aber im Dorf gab es keinen Pepito und keinen Sbezzeguti.

Der Steuereinnehmer, der vom aufge regten Volk bestürmt wurde, breitete die Arme aus:

»Am Samstag war Markt, und ich habe Formulare an Fremde verkauft. Es wird einer von denen sein. Sicher kommt er zum Vorschein

Hingegen kam weniger als nichts zum Vorschein, und das Volk quälte sich weiter, weil es fühlte, daß Pepito Sbezzeguti ein Name war, der falsch tönte. Der Sbezzeguti ging noch an: Es mochte unter den Fremden einen Sbezzeguti geben. Aber einen Pepito – nein.

Wenn einer Pepito heißt, dann kann er sich an keinem Dorfmarkt, wo man Heu, Vieh und Käse handelt, beteiligen.

»Für mich ist das ein vorgetäuschter Name«, sagte im Verlauf einer langen Unterhaltung der Mühlenwirt, »und wenn jemand einen solchen Namen verwendet, dann bedeutet das, daß er kein Fremder, sondern einer vom Dorfe ist, der nicht erkannt sein will

Es handelte sich um eine recht ungenaue Schlußfolgerung, aber sie wurde als die schlüssigste Logik aufgenommen, und die Leute, die sich nicht mehr um die Fremden bekümmerten, lenkten alle ihre Aufmerksamkeit auf die Einheimischen.

Und die Nachforschungen wurden mit so wildem Eifer betrieben, als ob es nicht darum ginge, den Gewinner einer Lotterie, sondern einen Verbrecher zu finden.

Ohne wilden Eifer, aber mit sichtlicher Teilnahme beschäftigte sich auch Don Camillo mit der Angelegenheit. Und weil ihn dünkte, daß Christus seine Tätigkeit als Spürhund nicht mit übertriebenem Wohlwollen bemerkte, rechtfertigte sich Don Camillo:

»Jesus, nicht aus ungesunder Neugier tue ich das, sondern aus Pflichtgefühl. Weil jedermann, der von der göttlichen Vorsehung eine große Wohltat erhalten hat, diese jedoch geheimhält, es verdient, der Verachtung des Nächsten ausgeliefert zu werden

»Don Camillo«, antwortete Christus, »festgestellt und nicht nur zugegeben, daß die göttliche Vorsehung sich mit dem Sport-Toto abgibt, habe ich den Eindruck, daß die göttliche Vorsehung keine Reklame braucht. Zudem ist es die Sache an sich, die zählt. Und die Sache ist in allen wesentlichen Einzelheiten bekannt: Jemand hat beim Spiel eine große Summe gewonnen.

Warum mühst du dich ab, herauszubringen, wer dieser Glückliche ist? Nimm dich lieber jener Menschen an, die vom Glück nicht begünstigt sind, Don Camillo

Don Camillo hatte jedoch einen Nagel mitten im Gehirn, und das Rätsel Pepito reizte ihn immer mehr.

Endlich erhellte ein Blitz die Finsternis.

Don Camillo hätte am liebsten die große Glocke geläutet, als er den Schlüssel zu diesem Namen entdeckte. Er vermochte der Versuchung, sich ans Seil der großen »Gertrude« zu klammern, zu widerstehen, doch widerstand er nicht einer anderen Versuchung – jener nämlich, den Mantel anzuziehen und einen Rundgang durchs Dorf zu machen.

Als er nach wenigen Augenblicken vor der Werkstatt Peppones angekommen war, vermochte er auch nicht der Versuchung zu widerstehen, allda stehenzubleiben und den Kopf hineinzustrecken, um den Bürgermeister zu begrüßen:

»Guten Tag, Genosse Pepito!«

Peppone hörte mit Hämmern auf und schaute ihn mit entgeisterten Augen an:

»Was wollt Ihr sagen, Hochwürden

»Nichts! Pepito ist schließlich nichts anderes als eine Verkleinerung von Peppone. Und dann erweist es sich auch als seltsamer Zufall, daß Sbezzeguti, wenn man den Namen auseinandernimmt und neu zusammensetzt, befremdlicherweise dem Namen Giuseppe Bottazzi ähnelt, der dir gehört

Peppone fing wieder ruhig zu hämmern an.

»Geht und erzählt das der Redaktion der Rätselzeitung«, sagte er. »Hier macht man keine Rätsel, hier arbeitet man

Don Camillo schüttelte den Kopf:

»Mir tut es aufrichtig leid, daß du nicht der Pepito bist, der die zehn Millionen gewonnen hat

»Auch mir tut es leid«, brummte Peppone. »Sonst könnte ich Euch jetzt zwei oder drei abgeben, um Euch zu veranlassen, wieder heimzugehen

»Sorge dich nicht darum, Peppone, Gefälligkeiten sind bei mir gratis«, entgegnete Don Camillo im Gehen.

Zwei Stunden später wußte das Dorf genau, was ein Anagramm ist, und es gab kein Haus, wo der arme Pepito Sbezzeguti nicht erbarmungslos auseinandergenommen wurde, weil man sehen wollte, ob er tatsächlich den Genossen Giuseppe Bottazzi im Bauche hatte. Am gleichen Abend war im Volkshaus eine außerordentliche Versammlung des Generalstabs der Roten.

»Präsident«, erklärte Smilzo, als er das Wort ergriff, »die Reaktionäre haben ihre verleumderische Propaganda wieder hundertprozentig aufgenommen. Das Dorf ist in Aufruhr. Sie klagen dich an, du wärest derjenige, der die zehn Millionen gewonnen hat. Da muß man mit Energie auftreten und die Ehrabschneider an die Mauer nageln

Peppone spreizte die Arme: »Sagen, daß jemand zehn Millionen beim Sport-Toto gewonnen hat, ist keine Verleumdung«, antwortete er. »Man verleumdet eine Person, indem man sie anklagt, sie habe eine unehrliche Tat begangen.

Beim Sport-Toto gewinnen ist keine unehrliche Sache

»Präsident«, erwiderte Smilzo. »Eine politische Verleumdung ist es auch, wenn man den Gegner einer ehrlichen Handlung bezichtigt. Bringt eine Anklage der Partei Schaden, dann hat man sie als Verleumdung zu betrachten

»Die Leute lachen uns hinter unserem Rücken aus«, fügte Brusco bei. »Das muß aufhören

»Ein Manifest muß her rief Bigio. »Ein Manifest!«

Peppone hob die Schultern: »Gut, morgen werden wir daran denken

Der Smilzo zog ein Blatt aus seiner Tasche: »Um dir keine Mühe zu machen, haben wir es schon vorbereitet. Wenn es dir paßt, lassen wir es sofort drucken und schlagen es morgen an

Der Smilzo las mit lauter Stimme:

Der Unterzeichnete, Giuseppe Bottazzi, erklärt, daß er nichts gemein hat mit Pepito Sbezzeguti, Gewinner von zehn Millionen im Sport-Toto. Es ist unnütz, daß die Reaktionäre mich zu verleumden suchen, indem sie mich mit dem obengenannten Neumillionär identifizieren. Neu ist hier nur ihr Faschismus, Giuseppe Bottazzi.

Peppone schüttelte den Kopf.

»Schön und gut. Aber bevor ich nichts Gedrucktes sehe, antworte ich nicht mit Gedrucktem

Smilzo war nicht einverstanden:

»Präsident, mir scheint es dumm zu sein zu warten, daß mir einer einen Schrotschuß verpaßt, um ihm den Schrotschuß zurückzugeben. Regel ist, eine kleine Sekunde vor dem andern zu schießen

»Die Regel ist, jedem einen Fußtritt in den Hintern zu versetzen, der sich mit meinen persönlichen Angelegenheiten beschäftigt«, erwiderte Peppone. »Ich habe keine Verteidiger nötig. Ich bin fähig, mich aufs beste selbst zu verteidigen

Smilzo zuckte die Achseln: »Wenn du es so ansiehst«, brummte er, »dann gibt es nichts mehr zu sagen

»Ich sehe es so an schrie Peppone und schmetterte eine Faust auf den Tisch. »Jeder für sich und die Partei für alle!«

Der Generalstab ging nicht sehr überzeugt auseinander.

»Sich vorwerfen zu lassen, man habe zehn Millionen gewonnen, ist für mich ein Zeichen der Schwäche«, bemerkte unterwegs der Smilzo, »dies um so mehr, als die Sache durch ein Anagramm kompliziert wird

»Hoffen wir das Beste«, seufzte der Bigio.

 

Dem Geschwätz folgte das Gedruckte: Die Zeitung der Grundbesitzer veröffentlichte eine Notiz mit dem Titel: »Kratze den Peppone, und du findest den Pepito Das Dorf lachte sich den Buckel voll, weil die Notiz von einem geschrieben war, der sein Handwerk verstand.

Darauf versammelte sich der Generalstab im Volkshaus und sagte kurz und bündig, daß ein energisches Dazwischentreten nötig sei.

»Gut«, antwortete Peppone, »laßt das Manifest drucken und schlagt es an

Smilzo stürzte in die Druckerei, und eine Stunde später erhielt Don Camillo aus den Händen Barchinis, des Druckereibesitzers, den allerersten Abzug.

»Das ist ein böser Schlag für die Zeitung«, bemerkte Don Camillo betrübt. »Wenn er die Millionen gewonnen hätte, würde er sich hüten, etwas Derartiges drucken zu lassen. Außer er habe den Gewinn schon einkassiert oder einkassieren lassen

»Er hat sich nie von hier fortbegeben«, versicherte ihm Barchini. »Er wird vom ganzen Dorfe überwacht

Es war schon spät, und Don Camillo ging zu Bett.

Aber nachts um drei Uhr kam man, ihn zu wecken. Es war Peppone.

Peppone kam vom Gemüsegarten her, und als er im Hausgang war, spähte er erst eine Weile durch die halboffene Türe. Er war äußerst erregt.

»Ich hoffe, niemand hat mich gesehen«, sagte er schließlich.

»Mir scheint, ich werde dauernd beschattet

Don Camillo betrachtete ihn besorgt.

»Bist du nicht zufällig verrückt geworden

»Nein. Ich habe auch keine Angst, daß ich es werde

Er setzte sich und wischte sich den Schweiß ab.

»Rede ich mit dem Priester oder mit dem Dorfblatt wollte er dann wissen.

»Das hängt von dem ab, was du mir sagen wirst

»Ich bin da, um mit dem Priester zu sprechen

»Der Priester hört dich an«, sagte Don Camillo ernst.

Peppone drehte ein Weilchen den Hut zwischen den Händen.

Schließlich beichtete er: »Hochwürden, ich habe eine große Lüge gesagt. Pepito Sbezzeguti – das bin ich

Don Camillo hörte die Bombe krachen, und für einige Minuten stockte ihm der Atem.

»Dann bist du also derjenige, der beim Sport-Toto die zehn Millionen gewonnen hat«, rief er aus, nachdem er seine fünf Sinne wieder beieinander hatte. »Warum hast du es nicht gleich gesagt

»Nicht einmal jetzt habe ich es gesagt, weil ich mit dem Priester spreche. Ihr müßt Euch nur mit der Lüge beschäftigen

Aber den Don Camillo beschäftigten die zehn Millionen, und nachdem er Peppone mit Verachtung gemustert hatte, fuhr er ihn mit glühenden Worten an:

»Schande! Ein Genosse, ein Proletarier, der zehn Millionen gewinnt! Überlaßt den bürgerlichen Kapitalisten solche Schweinereien! Ein braver Kommunist muß sein Geld im Schweiße seines Angesichts verdienen

Peppone schnaubte:

»Hochwürden, mir ist's nicht ums Scherzen. Es wird doch kein Verbrechen sein, beim Toto mitzumachen

»Ich scherze nicht und sage nicht, daß es ein Verbrechen sei, beim Sport-Toto zu gewinnen. Ich behaupte nur, daß ein braver Kommunist nicht beim Sport-Toto spielt

»Dummes Zeug! Alle spielen

»Schlimm. Besonders schlimm in deinem Fall, weil du ein Chef bist, einer von denen, die den Kampf des Proletariats anführen sollen. Das Sport-Toto ist eine der listigsten Waffen, die das kapitalistische Bürgertum erfunden hat, um sich gegen das Proletariat zu verteidigen. Eine ungemein wirkungsvolle Waffe, die überdies das Bürgertum nichts kostet! Im Gegenteil: sie bringt ihm großen Verdienst. Ein guter Kommunist unterstützt das Sport-Toto nicht, er bekämpft es wie wild

Peppone schüttelte zornig den Kopf.

»Rege dich nicht auf, Genosse fuhr Don Camillo fort.

»Alles, was dazu dient, dem Arbeiter vorzutäuschen, er könne sich den Wohlstand mit Mitteln erwerben, die nicht der proletarischen Revolution entstammen, ist dem Wohlstand des Volkes zuwider und der Sache der Feinde des Volkes nützlich.

Indem du das Sport-Toto begünstigst, verrätst du die Sache des Volkes

Peppone hob die Arme und ballte die Fäuste:

»Hochwürden«, schrie er, »hören wir auf, die Dinge stets mit der Politik zu vermengen

»Genosse! Ist die Revolution proletarisch Peppone stampfte vor Wut mit den Füßen. »Ich verstehe dich, Genosse«, schloß Don Camillo lächelnd, »im Grunde hast du recht. Besser heute zehn Millionen als morgen die proletarische Revolution

Don Camillo schürte das Feuer; nach einigen Minuten wandte er sich wieder an Peppone.

»Bist du bloß gekommen, um mir zu sagen, daß du zehn Millionen gewonnen hast

Peppone schwitzte. »Wie fange ich es an, sie einzukassieren, ohne daß jemand etwas merkt

»Du gehst selber hin

»Das kann ich nicht, man überwacht mich. Und dann kann ich überhaupt nicht mehr selber gehen. Morgen kommt die Erklärung heraus

»Schicke jemanden, der dein Vertrauen hat

»Ich habe zu keinem Vertrauen

Don Camillo schüttelte den Kopf: »Ich weiß nicht, was ich sagen soll

Peppone hielt ihm einen Umschlag vor die Nase: »Gehen Sie das Geld holen, Hochwürden

Peppone stand auf und ging hinaus. Don Camillo blieb und betrachtete den Umschlag.

 

Don Camillo reiste noch am gleichen Morgen, und nach drei Tagen war er zurück. Als er eintraf, war es spät am Abend, und bevor er seine Wohnung aufsuchte, begab er sich zum Hauptaltar, um mit Christus zu reden.

Er hatte ein Köfferchen bei sich, das er auf die Balustrade vor dem Altar setzte. Er öffnete es. »Jesus«, sagte er mit gestrenger Stimme, »dies sind zehn Bündel von hundert Noten zu je zehntausend Lire. Total zehn Millionen für Peppone. Ich erlaube mir, Euch die einfache Bemerkung zu machen, daß dieser Gottlose keinen Preis dieser Art verdient

»Sag es denen vom Sport-Toto«, riet ihm Christus.

Don Camillo ging mit seinem Köfferchen hinaus, und als er im ersten Stock des Pfarrhauses war, schaltete er dreimal das Licht ein und aus, wie es mit Peppone vereinbart worden war.

Peppone, der auf der Lauer lag, antwortete, indem er zweimal das Licht seines Schlafzimmers andrehte und löschte.

Zwei Stunden später langte er im Pfarrhaus an, bis zu den Augen im Mantel versteckt. Er trat vom Gemüsegarten her ein und verriegelte die Türe.

»Also fragte er Don Camillo, der in der Stube wartete.

Don Camillo begnügte sich, ihm ein Zeichen zu geben. Er deutete auf den Koffer, der auf dem Tische stand.

Peppone näherte sich und öffnete mit zitternden Händen das Köfferchen. Als er die Banknotenbündel erblickte, bedeckte sich seine Stirne mit Schweiß.

»Zehn Millionen flüsterte er.

»Zehn Millionen; du kannst sie zählen

»Nein, nein!« Er betrachtete immerzu die Notenbündel.

»Gewiß«, seufzte Don Camillo, »zehn Millionen sind eine sehr schöne Beute, heute wenigstens. Aber was sind sie morgen wert? Eine besorgniserregende Notiz genügt, um den Wert des Geldes zu zerstören und aus diesen Millionen einen Haufen Papier zu machen

»Man müßte sie sofort anlegen«, sagte Peppone mit ein wenig Furcht. »Mit zehn Millionen läßt sich ein hübscher Grundbesitz erwerben. Boden bleibt Boden...«

» ›Der Boden den Bauern‹, sagt der Kommunismus; nicht

›der Boden den Schmieden‹. Sie nehmen dir alles weg. Der Kommunismus ist zum Siegen bestimmt. Die Welt geht nach links, lieber Genosse

Peppone fuhr fort, die Banknoten anzustarren.

»Gold«, sagte er, »Gold muß man jetzt kaufen. Das kann man verbergen

»Und dann, wenn du es verborgen hast, was machst du damit?

Wenn der Kommunismus kommt, wird alles rationiert und verstaatlicht, und das Gold mußt du lassen, wo es ist, weil du nichts kaufen kannst

»Und es ins Ausland schicken

»O weh! Wie irgendein Kapitalist! Überdies müßte man es nach Amerika bringen, weil Europa ohne Zweifel ganz kommunistisch wird. Und dann wird auch Amerika, weil es allein geblieben ist, vor der Sowjetunion kapitulieren müssen

»Amerika ist stark«, sagte Peppone. »Nach Amerika kommen sie nie

»Das weiß man nicht: Die Zukunft liegt in den Händen Rußlands, Genosse

Peppone seufzte, dann setzte er sich.

»Mir dreht sich der Kopf, Hochwürden. Zehn Millionen!«

»Nimm die Ware und trage sie heim. Aber schicke mir den Koffer zurück. Der gehört mir

Peppone stand auf: »Nein, Hochwürden! Bitte, behaltet alles.

Wir werden morgen darüber reden. Jetzt verstehe ich gar nichts mehr

Peppone ging. Don Camillo nahm den Koffer, stieg zum ersten Stock empor und warf sich aufs Bett.

Er war todmüde, jedoch gelang es ihm nicht, viel zu schlafen, weil man ihn um zwei Uhr morgens weckte, und er hinuntergehen mußte. Es war der völlig vermummte Peppone mit seiner Frau.

»Hochwürden«, erklärte Peppone, »versucht mich zu begreifen... Meine Frau möchte gern wissen, wie zehn Millionen aussehen

Don Camillo holte den Koffer und stellte ihn wieder auf den Tisch.

Kaum erblickte Peppones Frau die Banknoten, wurde sie bleich. Don Camillo wartete geduldig, bis der Augenschein vollzogen war. Dann schloß er den Koffer und begleitete Peppone und seine Frau zur Türe.

Er kehrte ins Bett zurück, doch um drei Uhr morgens mußte er wieder hinunter.

Und wieder hatte er Peppone vor sich.

»He? Ist die Pilgerfahrt noch nicht zu Ende

Peppone schlug die Arme auseinander. »Hochwürden, ich bin gekommen, um den Koffer mitzunehmen

»Jetzt? Nicht im Traum! Ich habe ihn schon auf dem Estrich versteckt. Sei versichert, daß ich nicht hinaufsteigen werde, um ihn herunterzuholen. Komm morgen! Ich bin müde und mir ist kalt. Hast du vielleicht kein Vertrauen

»Darum geht es nicht, Hochwürden. Setzt den Fall, daß –

sagen wir – Euch irgendein Unfall passiert... Was tue ich, um zu beweisen, daß dieses Geld mir gehört

»Geh ruhig zu Bett. Der Koffer ist versiegelt, und dein Name ist draufgeschrieben. Ich denke an alles

»Ich verstehe, Hochwürden. Immerhin ist es besser, wenn ich die Moneten in meinem Hause habe

Don Camillo merkte aus der Stimme einen Unterton heraus, der ihm nicht gefiel. Und da änderte er unversehens auch seine Tonart.

»Von welchen Moneten sprichst du fragte er.

»Von meinen! Von jenen, die Ihr für mich in Rom einkassiert habt.«

»Du bist verrückt, Peppone. Du träumst. Nie habe ich dir gehörendes Geld einkassiert

»Der Zettel gehörte mir«, schnaubte Peppone, »ich bin Pepito Sbezzeguti

»Aber auf allen Mauern steht ja gedruckt, daß du es nicht bist!

Deine Erklärung!«

»Ich bin's! Pepito Sbezzeguti ist das Anagramm von Giuseppe Bottazzi

»Stimmt nicht! Pepito Sbezzeguti ist das Anagramm von Giuseppe Bottezzi. Du nennst dich Bottazzi, nicht Bottezzi.

Mein Onkel heißt Giuseppe Bottezzi; für ihn habe ich den Zettel eingelöst

Peppone schrieb mit zitternder Hand Pepito Sbezzeguti auf den Rand der Zeitung, die auf dem Tisch lag; dann schrieb er seinen Namen und verglich.

»Verflucht schrie er. »Ich habe ein e an Stelle des a gesetzt! Aber das Geld gehört mir

Don Camillo ging ruhig die Treppe hinauf, um ins Bett zurückzukehren, und Peppone folgte ihm, wobei er ständig wiederholte, daß die Millionen ihm gehörten.

»Rege dich nicht auf, Genosse«, mahnte ihn Don Camillo, betrat sein Zimmer und legte sich zu Bett. »Ich werde die zehn Millionen gewiß nicht essen. Ich werde sie für deine Sache verbrauchen, für die Sache des Volkes, indem ich sie an die Armen verteile

»Zum Teufel die Armen«, schrie Peppone außer sich.

»Reaktionäres Schwein«, rief Don Camillo aus, indem er es sich zwischen den Decken bequem machte. »Geh hinaus und laß mich schlafen

»Gebt mir mein Geld, oder ich bringe Euch um wie einen Hund«, heulte Peppone.

»Nimm deine Schweinerei und mach, daß du fortkommst

murrte Don Camillo, ohne sich umzuwenden.

Der Koffer stand allda auf der Kommode. Peppone ergriff ihn und versteckte ihn unter dem Mantel; dann verschwand er.

Don Camillo hörte, wie die Haustüre zuschlug; er seufzte.

»Herr«, sagte er streng, »warum ihn gewinnen lassen, was sein Untergang ist? Der Ärmste verdient keine solche Strafe

»Zuerst wirfst du mir vor, daß er keinen Preis dieser Art verdient; jetzt wirfst du mir vor, daß dieses Geld eine ungerechte Strafe ist. Klar, ich errate deine Gedanken nie, Don Camillo«, antwortete Christus.

»Jesus, ich rede nicht mit Euch, ich rede mit dem Sport-Toto«, erklärte Don Camillo und schlief endlich ein.