Gebrauchsanweisung

 

Dieser der Zeit nach letzte Teil meiner Trilogie »Kleine Welt – Don Camillo« erschien in Fortsetzungen in den letzten vierzehn Nummern des »Candido«, Jahrgang 1959, des Mailänder Wochenblattes, das von mir 1945 gegründet worden war und das in den äußerst wichtigen italienischen politischen Wahlen 1948 eine anerkannte propagandistische Bedeutung hatte, indem es kraftvoll zur Niederlage der kommunistischen Partei beitrug.

Den »Candido« gibt es nicht mehr. Er ist im Oktober 1962 gestorben, vor allem wegen der völligen Gleichgültigkeit, welche die Italiener des Wirtschaftswunders und der Öffnung nach links für alles haben, das von weitem nach Antikommunismus riecht.

Die heutige Generation der Italiener ist die der Frechschlauen, der Kriegsdienstverweigerer, der Antinationalisten, der Vernegerten, und ist aufgewachsen in der Schule der politischen Korruption, des neorealistischen Kinos und der sozial-sexuellen Linksliteratur. Es ist viel mehr eine Degeneration als eine Generation.

Wie schön war das bettelhafte Italien des Jahres 1945!

Wir kehrten von dem langen Hunger der Lager zurück und fanden Italien als einen Trümmerhaufen vor.

Aber über den Bergen von Schutt, unter denen die Knochen unserer unschuldigen Toten faulten, wehte der frische und saubere Wind der Hoffnung.

Welcher Unterschied zwischen dem ärmlichen Italien des Jahres 1945 und dem erbärmlichen Milliardär-Italien vom Jahre 1963!

Zwischen den Wolkenkratzern des Wirtschaftswunders bläst ein warmer und staubiger Wind, der nach Aas, Geschlecht und Kloake riecht.

Im Milliardär-Italien des »süßen Lebens« ist jede Hoffnung auf eine bessere Welt gestorben. Es ist ein Italien, das zwischen Teufel und Weihwasser eine entsetzliche Kreuzung herzustellen versucht; in dem eine große Schar junger Priester der Linken (die dem Don Camillo gewiß nicht ähneln) sich rüstet, im Namen Christi die roten Fahnen Lenins und des Antichrists zu segnen.

»Candido« konnte im roten Milliardär-Italien nicht mehr leben, und – tatsächlich – er starb. Die Geschichte, die 1959 in meiner Zeitung erschien – noch lebendig, insofern ihre Gestalten recht lebendig geblieben sind – ist heute zeitfremd. Und ihre gutartige Polemik gegen den Kommunismus kann heute nur hingenommen werden, wenn man den Inhalt in die Zeit hineinstellt, da sie geboren wurde. Hier könnte der Leser entgegnen: »Wenn deine Geschichte unzeitgemäß ist, weil die Leute in Bezug auf den Kommunismus die Meinung gewechselt haben, warum ließest du deine Geschichte nicht ruhig im Grabe des ›Candido‹ Ich antworte: »Weil es noch eine unansehnliche Minderheit gibt, die in bezug auf den Kommunismus und die UdSSR die Meinung nicht gewechselt hat und der ich Rechnung tragen muß Deswegen möchte ich diese meine Geschichte den amerikanischen Soldaten widmen, die in Korea gestorben sind – den letzten heldenhaften Verteidigern des belagerten Abendlandes –, den Gefallenen Koreas, den Überlebenden und ihren Lieben, denn auch sie können die Meinung nicht gewechselt haben.

Und ich widme sie auch den italienischen Soldaten, die in Rußland kämpfend gestorben sind, und den dreiundsechzigtausend, die als Gefangene in die Hände der Russen fielen, in den entsetzlichen sowjetischen Lagern verschwanden und deren Los heute noch unbekannt ist. Ihnen ist besonders das elfte Kapitel, »Drei Weizenpflänzchen« betitelt, gewidmet. Sodann ist meine Geschichte den dreihundert emilianischen Priestern gewidmet, die von den Kommunisten in den blutigen Tagen der »Befreiung« ermordet wurden, dem verstorbenen Papst Pius XII., der gegen den Kommunismus und seine Komplizen die Exkommunikation geschleudert hat, sowie dem Primas Ungarns, dem ungezähmten Kardinal Mindszenty, und der heldenhaften Märtyrerkirche. Ihnen ist vor allem das neunte Kapitel gewidmet, betitelt: »Geheimagent Christi«.

Das letzte Kapitel, »Ende einer kleinen Geschichte, die nie endet«, aber möchte ich dem verstorbenen Papst Johannes XXIII. widmen. Und das (man verzeihe mir die Schwäche) nicht nur aus Gründen, die alle kennen, sondern auch aus einem ganz persönlichen Grund.

Im Juni 1963 erschien unter den Nachrufen, die den Zeitungen von Persönlichkeiten der ganzen Welt zugingen, jener des Herrn Vincent Auriol, Sozialist, der Präsident der Französischen Republik gewesen ist, während der Papst als Kardinal Roncalli Apostolischer Nuntius in Paris war.

In diesem Nachruf sagt Herr Auriol wörtlich: »Eines Tages, am 1. Januar 1952, sandte er mir – indem er mich an meine Diskussionen mit dem Bürgermeister und dem Pfarrer meiner Gemeinde erinnerte –, als Neujahrsgeschenk das Buch von Guareschi, ›Die kleine Welt des Don Camillo‹, mit folgender Widmung: ›Herrn Vincent Auriol, Präsident der Französischen Republik, zu seiner Zerstreuung und als geistiges Vergnügen.

Unterzeichnet: J. Roncalli, Apostolischer Nuntius ‹

Der Don Camillo des Jahres 1959 ist genau der gleiche Don Camillo des Jahres 1952, und ich habe diese Geschichte veröffentlichen wollen – obwohl sie zeitfremd ist – zur Zerstreuung und (verzeiht die Überheblichkeit) zum geistigen Vergnügen der wenigen Freunde, die mir in dieser verwirrten Welt geblieben sind.

 

Roncole-Verdi, 16. August 1963                          Der Verfasser