Schwur
Lyam saß unbewegt.
Er studierte Arutha einen langen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, ich verbiete es.«
Scheinbar ohne Gefühlsregung fragte Arutha: »Warum?«
Sein Bruder seufzte. »Weil es zu gefährlich ist und du hier andere Pflichten und Verantwortung hast.« Lyam stand hinter dem Tisch in Aruthas Privatgemach auf und trat um ihn herum. Sanft legte er die Hand auf Aruthas Arm. »Ich kenne dich. Du haßt es, untätig sein zu müssen, während die Dinge ohne dich zu einer Entscheidung gebracht werden. Ich weiß, du erträgst den Gedanken nicht, daß Anitas Geschick in den Händen anderer liegt, nicht in deinen. Aber ich kann dir nicht guten Gewissens erlauben, selbst nach Sarth zu reiten.«
Aruthas Gesicht blieb düster, daran hatte sich seit dem gestrigen Anschlag nichts geändert. Doch mit dem Tod Lachjacks war seine Wut geschwunden und hatte einer kalten Geistesabwesenheit, wie es schien, Platz gemacht. Kulgans und Tullys Hinweis, daß in Sarth möglicherweise etwas über das Gift zu erfahren sei, hatte seinen Geist von dem ursprünglichen Wahnsinn der Verzweiflung befreit.
Jetzt hatte er etwas zu tun, etwas, das klares Urteilsvermögen erforderte. Er bedachte seinen Bruder mit einem durchdringenden Blick und sagte: »Ich war Monate fort von hier, unterwegs mit dir.
Da kann das westliche Reich auch noch ein paar weitere Wochen ohne mich auskommen. Und was meine Sicherheit anbelangt«, fügte er hinzu, und seine Stimme hob sich, »wir haben alle gerade gesehen, wie sicher ich in meinem eigenen Palast bin!« Er schwieg einen Augenblick, dann sagte er entschieden: »Ich reite nach Sarth!«
Martin, der bisher ruhig in einer Ecke gesessen und seinen beiden Halbbrüdern aufmerksam zugehört hatte, beugte sich in seinem Sessel vor. »Arutha, ich kenne dich, seit du auf die Welt kamst, und deine Stimmungen kenne ich so gut wie meine eigenen. Du hältst es für unmöglich, Lebenswichtiges von anderen erledigen zu lassen. Dir ist eine gewisse Überheblichkeit zu eigen, kleiner Bruder. Es ist ein Wesenszug, ein Charakterfehler, wenn man es so nennen will, den wir alle drei teilen.«
Lyam blinzelte, als überrasche es ihn, in dieses Urteil einbezogen zu sein. »Alle…«
Aruthas Mundwinkel verzogen sich zu einem schwachen Lächeln, dann seufzte er tief. »Alle drei, Lyam«, wiederholte Martin. »Alle drei sind wir Borrics Söhne, und trotz all seiner guten Seiten konnte Vater doch sehr überheblich sein. Arutha, im Wesen sind du und ich uns gleich, nur kann ich meine Gefühle besser verbergen. Es gibt wohl kaum etwas, was mich kribbliger macht, als herumzusitzen, während andere wichtige Aufgaben ausführen, für die ich mich weit besser geeignet halte. In diesem Fall jedoch sehe ich keinen Grund, weshalb du selbst mitkommen müßtest, denn hier haben andere wahrhaftig das günstigere Rüstzeug. Tully, Kulgan und Pug können die Fragen, deren Antwort wir uns vom Abt des Klosters erhoffen, genau zu Pergament bringen. Und andere wiederum können solche Botschaften schnell und unbemerkt durch die Wälder zwischen hier und Sarth tragen.«
Lyam runzelte die Stirn. »Jemand, wie ein gewisser Herzog aus dem Westen, nehme ich an.«
Martin verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln. »Nicht einmal Aruthas Pfadsucher finden sich in den Wäldern so gut zurecht wie einer, der bei den Elben in die Lehre gegangen ist. Wenn dieser Murmandamus seine Leute entlang den Waldpfaden hat, gibt es südlich von Elbenheim gewiß keinen, der sicherer an ihnen vorbeikommt als ich.«
Lyam richtete den Blick verärgert himmelwärts. »Du bist nicht besser als er!« Er ging zur Tür und riß sie auf. Arutha und Martin folgten ihm. Gardan wartete davor, und sein Wachtrupp salutierte, als der Monarch das Gemach verließ. Zu Gardan sagte Lyam:
»Hauptmann, sollte einer meiner unüberlegten Brüder versuchen, das Schloß zu verlassen, dann nehmt ihn fest und sperrt ihn ein. Das ist Unser königlicher Wille. Verstanden?«
Gardan salutierte: »Ja, Eure Majestät.«
Ohne ein weiteres Wort schritt Lyam zu seinen eigenen Gemächern. Sein Gesicht verriet seine Besorgnis und Geistesabwesenheit. Hinter seinem Rücken wechselten Gardans Wachen erstaunte Blicke und schauten Arutha und Martin nach, die den Korridor in entgegengesetzte Richtung gingen. Aruthas Gesicht war gerötet, und er konnte seinen Grimm nicht völlig verbergen, während Martins Miene ausdruckslos war. Als die Brüder außer Sichtweite waren, schauten die Soldaten einander fragend an und wollten offenbar darüber sprechen, denn sie hatten jedes Wort des Gesprächs der drei Brüder hören können, doch Gardan drohte warnend: »Keinen Laut! Ihr habt hier Posten zu stehen, sonst nichts!«
»Arutha!«
Arutha und Martin, die sich im Gehen leise unterhielten, blieben stehen, als der keshianische Botschafter sich beeilte, sie einzuholen.
Seine Begleiter folgten wiederum ihm. Er erreichte die Brüder, verneigte sich knapp und sagte: »Eure Hoheit, Euer Gnaden.«
»Guten Tag, Eure Exzellenz«, grüße Arutha knapp. Die Gegenwart von Lord Hazara-Khan erinnerte ihn, daß es einige Amtspflichten gab, denen er sich noch nicht gewidmet hatte. Früher oder später, das war ihm klar, würde er seine Aufmerksamkeit wieder den Regierungsgeschäften zuwenden müssen. Dieser Gedanke ärgerte ihn.
Der Botschafter sagte: »Eure Hoheit, man unterrichtete mich, daß ich und meine Begleitung Eure Erlaubnis brauchen, wenn wir das Schloß verlassen wollen. Stimmt das?«
Aruthas Ärger wuchs, doch nun war er gegen sich selbst gerichtet.
Er hatte als Sicherheitsmaßnahme das Schloß sperren lassen, ohne dabei die Frage diplomatischer Immunität zu beachten – dieses unbedingt erforderliche Öl in der gewöhnlich quietschenden Maschinerie internationaler Beziehungen. Entschuldigenden Tonfalls antwortete er: »Mein Lord Hazara-Khan, verzeiht. In all der Aufregung…«
»Ich verstehe vollkommen, Hoheit.« Der Botschafter schaute sich schnell um, ehe er fortfuhr: »Dürfte ich Euch ebenfalls um ein paar Minuten Eurer Zeit bitten? Wir könnten uns im Gehen unterhalten.«
Arutha nickte zustimmend, und Martin blieb ein paar Schritte zurück, um sich Hazara-Khans Söhnen und Leibwächtern anzuschließen.
Der Botschafter fuhr fort: »Es ist gegenwärtig eine ungünstige Zeit, den König mit Bündnisvorschlägen zu belästigen, deshalb halte ich es für besser, nicht länger zu verweilen, sondern meine Familie in der Jal-Pur zu besuchen. Ich werde in Eure Stadt zurückkehren oder nach Rillanon kommen, wie gewünscht, um über mögliche Bündnisse zu sprechen, sobald – die Dinge sich beruhigt haben.«
Arutha musterte den Botschafter. Volneys Nachforschungen über ihn hatten ergeben, daß die Kaiserin einen ihrer klügsten Köpfe zur Verhandlung mit dem Königreich gesandt hatte. »Mein Lord Hazara-Khan, ich danke Euch für Eure Rücksicht meiner Familie und mir gegenüber.«
Der Botschafter winkte ab. »Es brächte keine Ehre, den Vorteil über jene zu nutzen, die Trauer und Leid bewegt. Wenn diese schlimme Sache vorüber ist, würde ich mich freuen, Euch und Euren Bruder mit klaren, nicht von Sorge abgelenkten Köpfen am Verhandlungstisch zu begrüßen, damit wir zu einer Einigung über das Tal der Träume kommen können. Ich möchte vom Besten, das ihr zu bieten habt, Zugeständnisse erringen, Hoheit. Gegenwärtig wäre es zu einfach, uns Vorteile zu sichern. Ihr braucht Keshs Billigung in Sachen der bevorstehenden Vermählung des Königs mit Prinzessin Magda von Roldem. Da sie die einzige Tochter König Caroles ist, und falls ihrem Bruder, Kronprinz Dravos, etwas zustoßen sollte, würde ihr Kind sowohl den Thron des Königreichs der Inseln als auch den von Roldem erben. Und da Roldem seit langem im traditionellen Einflußbereich von Groß-Kesh liegt… Nun, Ihr versteht, inwiefern wir betroffen sind.«
»Meine Hochachtung vor dem kaiserlichen Sicherheitsdienst, Exzellenz«, entgegnete Arutha in widerwilliger Anerkennung. Nur er und Martin hatten von der Sache gewußt.
»Offiziell gibt es dergleichen nicht, allerdings haben wir natürlich gewisse Quellen – solche, die den Status quo beibehalten möchten.«
»Ich weiß Eure Offenheit zu schätzen, Exzellenz. Wir müssen uns auch über die neue keshianische Kriegsflotte unterhalten, die unter Verletzung des Abkommens von Shamara in Durbin schon seit längerem gebaut wird.«
Lord Hazara-Khan schüttelte den Kopf und meinte bewegt: »Oh, Arutha, ich freue mich schon darauf, mit Euch zu verhandeln.«
»Und ich mich, mit Euch. Ich werde die Wachen unterrichten, daß Ihr mit Eurer Begleitung das Schloß verlassen dürft, wann immer Ihr wollt. Nur ersuche ich Euch, dafür zu sorgen, daß keiner Eurer Leute sich verkleidet hinausstiehlt.«
»Ich werde selbst am Tor stehen und jeden Soldaten und Diener beim Namen nennen, sowie sie hindurchkommen, Hoheit.«
Arutha zweifelte nicht, daß er dazu wahrhaftig imstande war.
»Gleichgültig, was die Zukunft uns bringt, Abdur Rachman Memo Hazara-Khan, selbst wenn wir uns auf einem Schlachtfeld gegenüberstehen müßten, ich werde Euch immer als großzügigen, ehrenvollen Freund schätzen.« Er reichte ihm die Hand.
Abdur ergriff sie fest. »Ihr tut mir Ehre an, Hoheit. Solange ich mit Keshs Stimme spreche, wird das Reich in gutem Glauben verhandeln und ehrenhafte Ziele erstreben.«
Der Botschafter bedeutete seinen Begleitern, sich ihm anzuschließen, dann bat er Arutha ihn zu entschuldigen, und die Keshianer gingen. Martin kam wieder an Aruthas Seite. »Zumindest haben wir jetzt im Augenblick ein Problem weniger.«
Arutha nickte bestätigend. »Ja, im Augenblick. Dieser schlaue alte Fuchs bringt es wahrscheinlich noch so weit, daß er dieses Schloß zu seiner Botschaft macht, und ich Hof in einem baufälligen Lagerhaus am Hafen halten muß.«
»Dann muß Jimmy uns eben ein besseres empfehlen«, antwortete Martin grinsend. Plötzlich fiel ihm etwas ein. »Wo ist er denn eigentlich? Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit wir Lachjack in der Folterkammer vernahmen.«
»Da und dort. Er hat so einiges für mich zu tun«, wich Arutha aus.
Martin nickte verständnisvoll, und die beiden Brüder setzten ihren Weg fort.
Laurie wirbelte herum, als er hörte, daß jemand sein Gemach betrat. Carline schloß die Tür hinter sich, dann blieb sie wie angewurzelt stehen, als sie des Sängers Reisebündel neben seiner Laute auf dem Bett sah. Mit schmalen Augen nickte sie wissend.
»Aufbruchsbereit?« Ihr Ton war eisig. »Du willst wohl nur schnell mal einen Ausflug nach Sarth machen und ein paar Fragen stellen?«
Laurie hob die Hände. »Ich bleibe nicht lange weg, Liebste.«
Sie setzte sich auf das Bett. »Oh! Du bist genauso schlimm wie Arutha oder Martin. Man könnte glauben, niemand im Schloß hätte auch bloß soviel Verstand, sich die Nase zu putzen, ohne daß ihr ihm erklärt, wie er es machen muß! So, du begibst dich also in Gefahr, dir von irgendeinem Halunken den Kopf abschlagen zu lassen, oder… O Laurie, manchmal machst du mich so wütend!«
Er setzte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schultern. Und sie schmiegte den Kopf an seine Seite. »Seit unserer Ankunft hatten wir nur so wenig Zeit füreinander, und alles ist so – schrecklich.« Ihr Stimme brach, sie fing zu weinen an. »Arme Anita«, flüsterte sie nach einer Weile. Heftig wischte sie die Tränen fort. »Ich hasse es, wenn ich weine! Und auf dich bin ich noch böse«, fuhr sie fort. »Du wolltest einfach fort, ohne mir Lebewohl zu sagen! Ich wußte es! Nun, wenn du gehst, komm nicht zurück! Schick nur eine Nachricht, was du herausgefunden hast – wenn du so lange am Leben bleibst –, aber komm mir nicht mehr ins Schloß! Ich will dich nie wieder sehen!«
Sie erhob sich, um zur Tür zu gehen.
Laurie sprang ihr mit einem Satz nach. Er nahm sie am Arm und drehte sie zu sich herum. »Liebste, bitte – nicht…«
Erneut mit Tränen in den Augen klagte sie: »Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du Lyam um meine Hand bitten. Ich habe genug von deinem Süßholzraspeln! Ich habe genug von dieser ewigen Unsicherheit! Ich habe genug von dir!«
Laurie spürte, wie Panik ihn überwältigte. Er hatte Carlines frühere Drohung mißachtet, daß sie mit ihm Schluß machen würde, wenn er sie nicht heiratete, ehe sie nach Rillanon zurückkehrte, aber nicht nur, weil er lieber nicht daran hatte denken wollen, sondern vor allem unter dem Druck all der sich überstürzenden Ereignisse.
»Ich wollte nichts sagen, ehe diese Geschichte mit Anita nicht geklärt ist, aber – ich habe meine Entscheidung getroffen«, gestand er nun. »Ich kann nicht mehr ohne dich sein. Ich möchte dich wirklich heiraten.«
Plötzlich weiteten sich ihre Augen. »Was?«
»Ich sagte, ich möchte dich heiraten…«
Sie drückte ihm die Hand auf den Mund. Dann küßte sie ihn.
Schließlich schob sie ihn mit einem gefährlichen Lächeln auf den Lippen von sich. Den Kopf schüttelnd sagte sie bedrohlich leise.
»Nein! Sag nichts mehr! Ich lasse mir von dir nicht wieder mit süßen Worten den Verstand rauben.« Langsam ging sie zur Tür und öffnete sie. »Wachen!« rief sie, und sofort eilten zwei herbei. Sie deutete auf den verblüfften Laurie und befahl: »Paßt auf, daß er sich nicht von der Stelle rührt! Sollte er versuchen, das Gemach zu verlassen, dann setzt euch auf ihn!«
Carline eilte den Korridor entlang und verschwand außer Sicht.
Die Wächter blickten belustigt auf Laurie. Er seufzte und setzte sich ruhig wieder auf das Bett.
Ein paar Minuten später war die Prinzessin zurück und zog den sichtlich verärgerten Pater Tully hinter sich her. Der greise Priester hatte nur schnell seinen Morgenmantel umwerfen können und trug darunter nur sein Nachtgewand, da er gerade dabei gewesen war, ins Bett zu steigen. Lyam, der ebenfalls nicht ausgesprochen erfreut dreinsah, folgte seiner Schwester.
Laurie ließ sich mit lautem Stöhnen rückwärts aufs Bett fallen, als Carline auf ihn deutete und rief: »Er hat gesagt, er will mich heiraten!«
Laurie setzte sich auf. Lyam betrachtete seine Schwester erstaunt.
»Soll ich ihn beglückwünschen oder hänge n lassen? Aus deinem Ton ist es schwer zu entnehmen.«
Laurie schoß wie von einer Nadel gestochen hoch und ging auf den König zu. »Eure Majestät…«
»Verbiet ihm zu sprechen«, unterbrach Carline ihn. Anklagend deutete sie mit einem Finger auf Laurie. Bedrohlich wisperte sie ihrem Bruder zu: »Er ist der König aller Lügner und ein Verführer der Unschuldigen. Er wird sich nur herausreden.«
Lyam schüttelte den Kopf, während er murmelte: »Unschuldige?«
Plötzlich bewölkte sich seine Miene. »Verführer?« Scharf richtete er den Blick auf Laurie.
»Eure Majestät, bitte…«, begann Laurie.
Carline verschränkte die Arme und stampfte ungeduldig mit einem Fuß auf. »Er tut es!« murmelte sie. »Er redet sich heraus, damit er mich nur nicht zu heiraten braucht!«
Tully stellte sich zwischen Carline und Laurie. »Majestät, gestattet Ihr?«
Verwirrt blickte Laurie ihn an. »Ja, ja – natürlich.«
Tully blickte zuerst Laurie, dann Carline an. »Habe ich recht verstanden, Hoheit, daß Ihr diesen Mann zu ehelichen wünscht?«
»Ja!«
»Und Ihr, mein Herr?«
Carline öffnete die Lippen, doch Lyam winkte ab. »Laß ihn sprechen!«
Laurie blinzelte, als plötzlich völlige Stille einsetzte. Dann zuckte er mit den Schultern, als wolle er sagen, daß er die ganze Aufregung nicht verstand. »Natürlich will ich sie heiraten, Pater.«
Lyam schien am Ende seiner Geduld zu sein. »Wo liegen dann die Schwierigkeiten?« Er wandte sich an Tully. »Laßt das Aufgebot anschlagen, nun, sagen wir, irgendwann nächste Woche. Nach allem, was geschehen ist, sollten wir ein bißchen warten. Die Trauung soll stattfinden, sobald wieder Ruhe eingekehrt ist. Du hast doch keine Einwände, Carline?«
Mit feuchten Augen schüttelte sie den Kopf. Lyam fuhr fort:
»Eines Tages, wenn du eine gesetzte Ehefrau mit einem Dutzend Enkeln bist, wirst du mir das alles erklären müssen.« Zu Laurie sagte er: »Du bist mutiger als die meisten Männer«, und mit einem Blick auf seine Schwester fügte er hinzu: »Und hast mehr Glück als die meisten.« Er küßte Carline auf die Wange. »Wenn es sonst nichts mehr gibt, kann ich mich wohl zurückziehen.«
Carline warf die Arme um seinen Hals und drückte ihn stürmisch an sich. »Danke!«
Kopfschüttelnd verließ Lyam das Gemach. Tully beklagte sich:
»Es muß doch einen Grund geben, für diesen dringenden Wunsch zu nachtschlafender Zeit, vermählt zu werden.« Er hielt die Hände hoch und fügte hastig hinzu. »Aber ich möchte ihn lieber ein andermal hören. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet…« Er gab Carline keine Gelegenheit, noch etwas zu sagen, ehe er fast überstürzt das Gemach verließ. Die Wächter folgten ihm und schlossen die Tür hinter sich.
Carline lächelte Laurie an, als sie allein waren. »Jetzt ist es geschehen. Endlich!«
Laurie lächelte sie an und legte die Arme um ihre Taille. »Ja, und es war nicht einmal so schlimm.«
»Nicht einmal so schlimm!« fauchte sie und boxte ihn gar nicht so sanft in den Bauch. Laurie kippte, momentan seines Atems beraubt, nach hinten und landete auf dem Bett. Carline trat zum Bettrand und kniete sich neben Laurie. Als er sich aufzusetzen versuchte, stieß sie ihn heftig auf das Bett zurück. »Bin ich vielleicht ein häßliches Dummerchen, das du des politischen Ehrgeizes wegen opfermutig zu ehelichen bereit bist?« Verspielt zupfte sie an der Lederverschnürung seines Wamses. »Ich sollte dich ins Verlies werfen lassen. Nicht einmal so schlimm! Du gemeiner Kerl!«
Er bekam eine Handvoll ihres Gewandes zu fassen und riß sie zu sich, daß ihr Gesicht nahe genug zum Küssen war. Grinsend murmelte er: »Hallo, mein Schatz.« Und schon lagen sie einander in den Armen.
Später erwachte Carline aus einem Halbschlaf und fragte: »Glücklich?«
Laurie lachte, daß ihr Kopf, der auf seiner Brust lag, auf und ab hüpfte. Er streichelte ihr Haar. »Natürlich«, antwortete er. »Was sollte das eigentlich, mit deinem Bruder und Tully?«
Nun lachte sie. »Nachdem ich mich fast ein Jahr geplagt habe, dich dazu zu bringen, mich zu heiraten, wollte ich dir nicht mehr die Gelegenheit geben, etwa gar zu vergessen, daß du mir einen Antrag gemacht hast. Es hätte schließlich leicht sein können, daß du es nur sagtest, um mich loszuwerden, damit du dich nach Sarth schleichen konntest.«
»O süße gute Nacht!« Erschrocken sprang Laurie aus dem Bett.
»Arutha!«
Carline drehte sich um und bettete den Kopf in die Mulde des gerade verlassenen Kissens. »Ah, du und mein Bruder! So wollt ihr euch also beide davonstehlen!«
»Ja – nein, ich meine – oh, verdammt!« Laurie schlüpfte in die Beinkleider und schaute sich um. »Wo ist mein anderer Stiefel? Ich bin mindestens eine Stunde zu spät!« Als er angekleidet war, setzte er sich noch einmal kurz auf die Bettkante. »Ich muß gehen. Arutha läßt sich durch nichts zurückhalten. Das mußt du gewußt haben!«
Sie legte die Hand fest um seinen Arm. »Ich wußte, daß ihr beide nach Sarth reisen würdet. Wie wollt ihr aus dem Schloß gelangen?«
»Jimmy.«
Sie nickte. »Da gibt es wohl einen Geheimgang, den er dem Hofbaumeister gegenüber zu erwähnen vergaß?«
»So ähnlich. Ich muß gehen.«
Noch einen Augenblick hielt sie seinen Arm fest. »Du nimmst deine Versprechen aber nicht leicht, nicht wahr?«
»Ganz gewiß nicht.« Er beugte sich über sie, um sie zu küssen.
»Ohne dich bin ich nichts.«
Lautlos weinte sie. Sie fühlte sich gleichermaßen erfüllt und leer.
Sie wußte mit Sicherheit, daß sie ihren Lebensgefährten gefunden hatte, aber sie befürchtete, ihn zu verlieren. Als läse er ihre Gedanken, versicherte er ihr: »Ich komme zurück, Carline. Nichts kann mich dir fernhalten.«
»Und wenn du nicht kommst, hole ich dich!«
Er gab ihr noch einen flüchtigen Kuß, dann ging er und schloß die Tür leise hinter sich. Carline kuschelte sich tief ins Bett, um die von ihm zurückgebliebene Wärme noch so lange wie möglich zu genießen.
Laurie huschte in Aruthas Gemächer, während die Wachen im Korridor sich auf ihrer Runde am hinteren Gangende befanden. Im Dunkeln hörte er geflüstert seinen Namen. »Ja«, antwortete er ebenso leise.
Arutha nahm das dunkle Tuch von einer Laterne, und das Licht ließ die Vorkammer von Aruthas Gemächern wie eine tiefe Höhle erscheinen. »Du hast dich ganz ordentlich verspätet«, tadelte Arutha.
Laurie fand, daß Arutha und Jimmy, so von unten durch den gelben Laternenschein beleuchtet, ungemein fremdartig wirkten. Arutha trug einfache Söldnerkleidung: kniehohe Reitstiefel, grobgewebte Wollhose, eine schwere Lederweste über einem blauen Kittel und den Degen in seiner Gürtelscheide an der Seite. Den dicken grauen Umhang darüber hatte er mitsamt der weiten Kapuze über die Schultern zurückgeworfen. Doch was Laurie veranlaßte, ihn einen Moment regelrecht anzustarren, war das Licht, das aus Aruthas Augen zu kommen schien. So kurz vor dem Aufbruch nach Sarth, brannte er vor Ungeduld.
»Also, führe uns«, wandte er sich an Jimmy. Jimmy öffnete eine Geheimtür in der Wand, und sie stiegen hindurch. Der Junge brachte sie schnell durch uralte Gänge und Treppen zu einem noch tieferen Geschoß als das, in dem die feuchtkalten Verliese lagen. Arutha und Laurie verhielten sich still, obgleich der Sänger sich nur mühsam beherrschte, nicht hin und wieder eine Verwünschung auszustoßen, wenn etwas, auf das er trat, quiekend davonhuschte oder unter seinen Stiefeln unangenehm nachgebend liegenblieb. In solchen Augenblicken war er froh, daß sie kein helles Licht hatten. Dann stiegen sie grob gehauene Steinstufen hoch. Auf der letzten angekommen, drückte Jimmy gegen die scheinbar fugenlose Steindecke. Mühsam ließ sich ein Stück zur Seite schieben. »Es ist sehr eng«, warnte der Junge und wand sich hindurch. Er nahm die Sachen der beiden anderen entgegen, die sie durch den Spalt streckten. Ein Grundstein der Außenmauer war auf ausgeklügelte Weise beweglich angebracht, doch die Zeit und geringe Benutzung hatten ihn schwerfällig gemacht. Arutha und Laurie hatten Mühe, sich durch die schmale Öffnung hindurchzuzwängen. »Wo sind wir?« erkundigte sich Arutha.
»Hinter einer Hecke im Stadtpark. Das hintere Schloßtor ist etwa fünfhundert Fuß in dieser Richtung.« Er deutete. »Folgt mir.« Er führte sie durch dichtes Buschwerk zu einer Baumgruppe, wo drei Pferde angebunden waren.
»Ich habe dich nicht gebeten, drei Pferde zu kaufen«, sagte Arutha.
Mit verschmitztem Grinsen, das in der mondhellen Nacht deutlich zu erkennen war, antwortete Jimmy: »Aber Ihr habt auch nicht gesagt, daß ich es nicht tun soll, Hoheit.«
Laurie beschloß, sich da lieber nicht einzumischen, und machte sich daran, sein Bündel an das nächste Pferd zu schnallen. »Wir reiten schnell, und ich kann keine Zeit vergeuden. Du darfst nicht mitkommen, Jimmy!«
Jimmy sprang in den Sattel eines der beiden übrigen Tiere. »Ich nehme keine Befehle von namenlosen Abenteurern und Söldnern ohne Dienstherrn an. Ich bin der Junker des Fürsten von Krondor.«
Sein Bündel war bereits hinter dem Sattel festgemacht. Er zog den Degen heraus – den, den Arutha ihm geschenkt hatte. »Ich bin bereit.
Ich habe genügend Pferde gestohlen, daß ich zum guten Reiter geworden bin. Außerdem passieren, wo Ihr seid, immer die unerwartetsten Dinge. Ohne Euch hier könnte es sehr langweilig werden.«
Arutha blickte Laurie an. Der sagte: »Nimm ihn lieber mit, wo wir ihn im Auge behalten können. Wenn du es nicht tust, würde er uns ja doch heimlich folgen.« Arutha wollte schon widersprechen, als Laurie zu bedenken gab. »Wir können schließlich nicht die Wache rufen, um ihn festzuhalten.«
Finster dreinblickend schwang Arutha sich in den Sattel. Ohne weitere Worte gaben sie ihren Pferden die Sporen und verließen den Park. Im Schritt, um nicht unliebsame Aufmerksamkeit zu erregen, ritten sie durch dunkle Gassen und schmale Straßen. »In dieser Richtung liegt das Osttor. Ich nahm an, wir würden die Stadt durch das Nordtor verlassen«, sagte Jimmy erstaunt.
»Wir werden bald nach Norden abbiegen«, versicherte ihm Arutha. »Sollte mich jemand beim Verlassen der Stadt erkennen, ist es mir lieber, er erzählt, ich sei nach Osten geritten.«
»Wer wird uns denn schon sehen?« meinte Jimmy leichthin, obgleich er sehr wohl wußte, daß jeder, der zu dieser Stunde durchs Tor ritt, bemerkt werden würde.
Am Osttor schauten zwei Wächter aus dem Wachthaus, um zu sehen, wer vorüberritt, doch da es weder eine Sperrstunde gab noch Alarm geschlagen worden war, interessierten die drei Reiter sie nicht weiter.
Jenseits der Mauer gelangten sie in die Außenstadt, die aus dem Boden gewachsen war, als die Altstadt der zunehmenden Bevölkerung nicht mehr genügend Platz bot. Hier verließen sie die Oststraße und bogen zwischen Häusern, in denen kein Licht mehr brannte, nach Norden ab.
Da zügelte Arutha sein Pferd und wies Jimmy und Laurie an, dasselbe zu tun. Um eine Ecke kamen vier Reiter, alle in schweren schwarzen Umhängen vermummt. Sofort zog Jimmy den Degen, denn es war äußerst unwahrscheinlich, daß zwei Gruppen von Reisenden sich zu dieser Stunde in einer kleinen Seitenstraße wie dieser durch Zufall begegneten. Auch Laurie griff nach seinem Schwert. »Laßt eure Waffen stecken!« befahl Arutha.
Als die fremden Reiter he ran waren, wechselten Jimmy und Laurie fragende Blicke. »Gut berechnet«, sagte Gardan, während er sein Pferd neben Aruthas lenkte. »Es ist alles bereit.«
»Schön.« Arutha betrachtete Gardans Begleiter. »Drei?« Es klang erstaunt.
Man hörte Gardans Stimme die Verschmitztheit an, als er erklärte:
»Da ich ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hatte, schloß ich, daß Junker Jimmy es sich in den Kopf gesetzt hatte, mit oder ohne Eure Erlaubnis mitzukommen. Also traf ich diese Vorsichtsmaßnahme. War das nicht richtig?«
»Gut gefolgert, Hauptmann.« Doch Arutha versuchte gar nicht, seinen Mißmut zu verhehlen.
»Jedenfalls ist David hier unser kleinster Gardist, und falls es zur Verfolgung kommen sollte, kann man ihn aus einiger Entfernung schon für den Jungen halten.« Er winkte den drei Berittenen zu, und sie kehrten den Weg zur Oststraße zurück. Jimmy grinste, als sie forttrabten, denn einer der Männer war ein dunkelhaariger Bursche, und der dritte, neben dem Kleinsten, ein blonder, bärtiger mit einer Laute auf dem Rücken.
»Die Wächter am Tor schienen kaum auf uns zu achten«, meinte Arutha.
»Täuscht Euch nicht, Hoheit. Die beiden, die ich dort eingeteilt habe, sind die schlimmsten Klatschbasen der Stadtwache. Sobald es durchsickert, daß Ihr den Palast verlassen habt, wird die ganze Stadt durch sie erfahren, daß Ihr ostwärts geritten seid. Meine drei Männer werden der Oststraße bis Finstermoor folgen, falls man sie nicht zuvor einholt. Darf ich vorschlagen, daß wir sofort aufbrechen.«
»Wir?« fragte Arutha.
»Befehl, Hoheit, Prinzessin Carline machte es mir nur zu deutlich, daß ich gar nicht mehr nach Krondor zurückzukommen brauchte, falls einem von euch«, er deutete auf Laurie und Arutha, »etwas zustoßen sollte.«
»Und von mir hat sie nichts gesagt?« Jimmy bemühte sich um einen gekränkten Ton.
Die anderen achteten nicht darauf. Arutha blickte Laurie an, der tief seufzte. »Sie hatte uns offenbar schon Stunden, ehe wir aufbrachen, durchschaut.« Gardan bestätigte, daß dem so war. »Sie kann sehr umsichtig sein, wenn es nötig ist – manchmal.«
Gardan fügte hinzu: »Die Prinzessin würde ihren Bruder oder Verlobten nicht verraten.«
»Verlobten?« echote Arutha. »Eine ereignisreiche Nacht. Nun, es war klar, daß du sie entweder heiraten oder aus dem Schloß getrieben würdest. Aber ihren Geschmack, was Männer anbelangt, werde ich nie verstehen. Wie auch immer, es sieht ganz so aus, als müßte ich mich mit euch allen abfinden. Dann wollen wir losreiten.«
Die drei Männer und der Junge gaben ihren Pferden die Sporen. In wenigen Minuten lag die Stadt hinter ihnen, und sie waren auf dem Weg nordwärts nach Sarth.
Gegen Mittag kamen die Reiter um eine Biegung der Küstenstraße und sahen einen einsamen Reisenden am Feldrand sitzen. Er trug die grüngefärbte Lederkleidung des Jägers. Sein Schecke graste ein Stück entfernt, während er selbst mit dem Jagdmesser an einem Stück Holz schnitzte. Als er den kleinen Trupp herbeikommen sah, steckte er das Messer ein, warf das Holzstück von sich und griff nach seiner Habe. Er hatte bereits seinen Umhang übergeworfen und seinen Langbogen über die Schulter geschlungen, als Arutha neben ihm anhielt.
»Martin«, sagte Arutha nur als Gruß.
Der Herzog von Crydee schwang sich in den Sattel. »Ihr habt viel länger gebraucht, als ich dachte.«
»Gibt es noch irgend jemanden in Krondor, der nicht weiß, daß der Fürst die Stadt verlassen hat?« fragte Jimmy kopfschüttelnd.
»Schwer zu sagen«, antwortete Martin lächelnd. Sie ritten weiter, und Martin wandte sich an Arutha. »Lyam läßt dir ausrichten, daß er so viele falsche Fährten wie nur möglich legen läßt.«
»Der König weiß es ebenfalls?« rief Laurie verblüfft.
»Natürlich«, versicherte ihm Arutha. Er deutete auf Martin. »Wir drei planten es von Anfang an. Gardan postierte besonders viele Wachen vor der Tür zu meinem Arbeitsgemach, und Lyam hob extra die Stimme, als er mir verbot, selbst nach Sarth zu reisen.«
Martin fügte hinzu: »Lyam hatte einige seiner zuverlässigsten Leibgardisten eingeteilt, sich so zurechtzumachen, daß man sie für uns halten kann. Da ist ein dunkelhaariger Mann mit langem Gesicht und ein blonder bärtiger für Arutha und Laurie. Außerdem«, fuhr er mit einem Grinsen fort, »ist da dieser besonders gutaussehende Bursche in meinen Gemächern. Lyam gelang es sogar, sich den großen stimmgewaltigen Zeremonienmeister des keshianischen Botschafters auszuleihen. Er wird sich zurück ins Schloß stehlen, nachdem die Keshianer es heute verlassen. Mit einem falschen Bart sieht er unserem guten Hauptmann hier recht ähnlich – und auf jeden Fall hat er die richtige Hautfarbe. Er wird sich da und dort im Schloß flüchtig sehen lassen.« Gardan lachte.
»Dann hast du also gar nicht wirklich versucht, unbemerkt zu bleiben!« stellte Laurie bewundernd fest.
»Keineswegs«, bestätigte Arutha. »Ich wollte möglichst viel Verwirrung stiften. Wir wissen, daß, wer immer hinter allem steckt, weitere Assassinen nach Krondor schickt, das jedenfalls glaubte Lachjack. Wenn er seine Spitzel in Krondor hat, kommen sie vielleicht tagelang nicht dahinter, was wirklich vorgeht. Wenn sie feststellen, daß wir nicht mehr im Schloß sind, wissen sie noch lange nicht, welche Richtung wir genommen haben. Nur die paar, die bei uns waren, als Pug den Zauber über Anitas Gemach wirkte, wissen, daß wir nach Sarth reisen müssen.«
Jimmy lachte. »Ein Meisterstreich der Irreführung. Sollte jemand hören, daß Ihr in eine Richtung geritten seid, und dann von einem anderen, daß ihr eine entgegengesetzte Richtung genommen habt, wird er nicht wissen, wem er glauben kann.«
»Lyam war sehr gründlich«, lobte Martin. »Weitere drei, die euch ähnlich sehen, hat er zur Begleitung Kulgans und Pugs Familie eingeteilt, die heute südwärts Richtung Stardock reisen. Sie werden sich so auffällig verbergen, daß sie bemerkt werden müssen.« An Arutha gewandt, fuhr er fort: »Pug läßt dir sagen, daß er in Macros’
Bibliothek nach einer Heilungsweise für Anita suchen wird.«
Arutha zugehe sein Pferd, und die anderen hielten ebenfalls an.
»Wir sind jetzt einen halben Tagesritt von Krondor entfernt. Wenn man uns vor Sonnenuntergang nicht eingeholt hat, können wir damit rechnen, daß wir nicht verfolgt werden. Dann brauchen wir uns bloß noch um das zu kümmern, was vor uns liegt.« Er machte eine Pause, als fiele es ihm schwer, weiterzusprechen. »Auch wenn ihr es alle mit Witzen zu bemänteln versucht, wißt ihr genau, in welche Gefahr ihr euch durch euren Entschluß, mich zu begleiten, begeben habt.«
Sein Blick wanderte von einem zum ändern. »Ich schätze mich glücklich, solche Freunde zu haben.«
Jimmy schienen des Fürsten Worte am verlegensten zu machen.
Er unterdrückte das Bedürfnis, es mit einer witzigen Bemerkung zu vertuschen, und sagte statt dessen. »Wir haben – hatten einen Schwur bei den Spöttern. Er kommt von einem alten Sprichwort: ›Ehe einer Katze nicht das Fell abgezogen ist, kann man nicht sicher sein, daß sie tot ist.‹ Wann immer eine gefährliche Aufgabe vor uns lag und man den anderen wissen lassen wollte, daß man bereit war, es bis zum Ende durchzustehen, sagte man: ›Bis der Katze das Fell abgezogen ist!‹« Auch er blickte alle der Reihe nach an. »Bis der Katze das Fell abgezogen ist!«
Laurie echote: »Bis der Katze das Fell abgezogen ist!« Martin und Gardan stimmten ebenfalls ein.
Schließlich sagte Arutha: »Ich danke euch allen.« Er lenkte sein Pferd voraus, und die anderen folgten.
Martin ritt dicht an Laurie heran. »Warum hast du dich so verspätet?«
»Ich wurde aufgehalten«, antwortete der Sänger verlegen. »Es ist etwas verwickelt. Wir werden heiraten.«
»Das weiß ich bereits. Gardan und ich warteten auf Lyam, als er von deinem Gemach zurückkehrte. Ich glaube, sie hätte einen Besseren finden können.« Lauries Gesicht verriet seine Beklommenheit. Doch da grinste Martin und fuhr fort: »Aber vielleicht auch nicht.« Er beugte sich vor und streckte dem zukünftigen Schwager die Hand entgegen. »Mögt ihr zwei immer glücklich sein.« Nach einem kräftigen Händedruck meinte er. »Doch das erklärt deine Verspätung nicht.«
»Ich möchte lieber nicht darüber reden«, murmelte Laurie und hoffte Carlines Halbbruder würde die Sache auf sich beruhen lassen.
Martin blickte Laurie nachdenklich an, dann nickte er verständnisvoll. »Richtig Abschied zu nehmen, braucht wohl seine Zeit.«