Albert Einstein
Albert Einstein

Albert Einstein (1879–1955) spielte für sein Leben gern Geige: „Ich denke oft in Musik. Ich lebe meine Tagträume in Musik. Ich sehe mein Leben in musikalischen Begriffen ... Ich weiß, dass mir die meiste Lebensfreude aus der Geige kommt.84 Die Meinungen, wie gut Einstein Geige spielte, gingen allerdings auseinander. Die meisten vertraten die Auffassung, er spiele ziemlich schlecht. Etwas nachsichtigere Zeitgenossen attestierten ihm, er spiele mit viel Gefühl. Einstein entschloss sich vermutlich aus gutem Grund dazu, Physiker und nicht Musiker zu werden. Er fand aber einen Weg, wie er beide Interessen genießen konnte: Beruflich konzentrierte er sich auf seine Stärke, privat folgte er weiter seiner Leidenschaft – dem Geigenspiel. Dass er schlecht spielte, richtete dort keinen Schaden an. „Die Musik“, schrieb Einstein, „wirkt nicht auf die Forschungsarbeit, sondern beide werden aus derselben Sehnsuchtsquelle gespeist und ergänzen sich bezüglich der durch sie gewährten Auslösung.“85

So ist es auch eine der zentralen Aufgaben von Führungskräften, die Leistungsfähigkeit der Organisation dadurch zu steigern, dass sie Stärken nutzen. Drei Bereichen sollten Sie hierbei besondere Beachtung schenken: Nutzung Ihrer eigenen Stärken, Nutzung der Stärken Ihrer Mitarbeiter und Nutzung der Stärken der Organisation.

1. Die eigenen Stärken nutzen

Der erste Schritt zur Wirksamkeit ist, dass Sie Ihre eigenen Stärken ermitteln. Besehen Sie sich die von Ihnen in der Vergangenheit erbrachten Leistungen und die dabei erzielten Ergebnisse und versuchen Sie, ein Muster zu erkennen. Welche Dinge sind Ihnen relativ leichtgefallen, während andere bei der gleichen Aufgabe wesentlich mehr Mühe gehabt hätten? Wo haben Sie großartige Ergebnisse erzielt, auch im Vergleich zu anderen? Mithilfe der Feedback-Analyse, wie sie im Kapitel Feedback etablieren mit James Watt beschrieben wird, können Sie Ihre Stärken recht zuverlässig erkennen.

Wenn sie Ihnen dann bewusst sind, gilt es, sich voll auf diese Stärken zu konzentrieren. Bringen Sie sich in eine Lage, in der Ihre Stärken zum Einsatz kommen können. Suchen Sie sich in Ihrer Organisation entsprechende Aufgaben. Finden Sie aber auch heraus, welche Aufgaben Sie meiden sollten, weil Sie dort keine Stärken haben. Entscheiden Sie eindeutig, was Sie nicht tun sollten. Konzentrieren Sie sich darauf, mit Ihren Stärken zu arbeiten.

Des Weiteren müssen Sie konsequent an Ihren Stärken arbeiten. Herausragende Führungskräfte unterscheiden sich von mittelmäßigen gerade darin, dass sie ständig versuchen, sich weiter just in dem Gebiet zu verbessern, in dem sie bereits sehr gut sind. Dies trifft auf Manager ebenso zu wie auf Musiker, Sportler, Politiker oder Mediziner. Wo Ihnen Fähigkeiten fehlen und was Sie verbessern sollten, werden Sie aus der Feedback-Analyse recht schnell ersehen. Wenn Ihnen Wissen fehlt, das Sie zur Entfaltung Ihrer Stärken benötigen, ergänzen Sie es. Indem Sie die benötigten Fähigkeiten und das erforderliche Wissen aufbauen, wird es Ihnen gelingen, Ihre Stärken zur vollen Wirkung zu bringen.

Abschließend sollten Sie außerdem noch darauf achten, dass Sie Ihre Stärken im Einklang mit Ihren Werten einsetzen. Albert Einstein hat sein Leben lang darunter gelitten, dass er einen Beitrag zum Bau der Atombombe geleistet und damit gegen seine pazifistischen Ideale verstoßen hat. „Doch die Wahrscheinlichkeit“, sagte Einstein, „dass die Deutschen (…) am selben Problem arbeiten dürften, hat mich zu diesem Schritt gezwungen.86 Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er sich intensiv für Abrüstung und Frieden ein und unterzeichnete kurz vor seinem Tod ein Manifest gegen Kernwaffen.

2. Die Stärken der Mitarbeiter nutzen

Eine gute Leistung können Sie nie erzielen, wenn Sie von Schwächen ausgehen, egal, ob es Ihre eigenen, die Ihrer Kollegen oder die Ihres Chefs sind. Leistung kommt zustande, indem Sie Stärken produktiv machen. Das ist ein wesentlicher Zweck von Organisationen, hier liegen die großen Chancen und Potenziale. Wenn Sie Mitarbeiter führen, müssen Sie diese in die Lage versetzen, gemeinsam eine Leistung zu erbringen. Der wirksamste Weg ist es, Menschen so einzusetzen, dass sie ihre Stärken nutzen können und ihre Schwächen gleichzeitig irrelevant werden. Ein Slogan, der diese Einstellung wunderbar ausdrückt, wurde in Amerika verwendet, um Behinderte bei der Suche nach einem Arbeitsplatz zu unterstützen: „It’s the abilities, not the disabilities, that count.87 Und kein Slogan gibt dies besser wieder als der einer amerikanischen Behindertenorganisation: „Don’t hire a person for what they can’t do, hire them for what they can do.88 Kann man etwas Besseres und Menschlicheres über den Einsatz von Menschen sagen?

Sie müssen andererseits aber auch Ihre Schwächen und die Ihrer Mitarbeiter kennen, um sich beziehungsweise Ihre Mitarbeiter nicht dort einzusetzen, wo Schwächen zum Tragen kommen könnten. Dies führte nicht nur zu schlechten Ergebnissen für den Einzelnen, es schadete auch der Organisation als Ganzes. Beachten Sie: Gerade Menschen mit großen Stärken haben fast immer auch große Schwächen. Wo die Berge hoch sind, sind die Täler tief, sagt der Volksmund zu Recht. Nun sollen Sie als Führungskraft Menschen nicht verändern, sofern das überhaupt möglich und vertretbar wäre, sondern Menschen in Organisationen so einsetzen, dass bereits vorhandene Stärken genutzt werden. Personalentscheidungen für die Besetzung von Stellen oder die Übernahme von Schlüsselaufgaben müssen deshalb immer von dem ausgehen, was die konkrete Person kann, wo ihre Stärken liegen und welche konkreten Anforderungen in der aktuellen Situation an dieser Stelle beziehungsweise in diesem Assignment zu erfüllen sind. Nur wenn die Stärken der Person und die Anforderungen der Schlüsselaufgabe zur Deckung gebracht werden, wird die Personalentscheidung erfolgreich sein.

3. Die Stärken der Organisation entfalten

Genau wie es den meisten Menschen nicht vergönnt ist, auf vielen Gebieten stark zu sein, so sind auch Organisationen nicht auf vielen Gebieten gleichzeitig wirklich kompetent. Ganz im Gegenteil: Eine Vielzahl der gesündesten und stärksten Unternehmen der Welt sind hochgradig spezialisierte Weltmarktführer. Das sehr lesenswerte Buch von Hermann Simon, Hidden Champions des 21. Jahrhunderts, zeigt eine Fülle von Beispielen. Finden und entwickeln Sie die Stärken Ihrer Organisation, es sind die wenigen Kernkompetenzen, in denen der Schlüssel zum Erfolg liegt. Die Organisation muss zwar auf vielen Gebieten gute Leistungen erbringen, aber sie benötigt für einen nennenswerten Erfolg exzellente Leistungen in zumindest einem Bereich. Konzentrieren Sie deshalb die Anstrengungen der Organisation und schaffen Sie einen Bereich, in dem Sie den Bedarf am Markt besser befriedigen können als jeder andere Wettbewerber.

Albert Einstein musste sich übrigens nicht zuletzt wegen seiner herausragenden Stärken auf anderem Gebiet beim nicht ganz so perfekten Geigenspiel die eine oder andere spöttische Bemerkung gefallen lassen. Als er eines Nachmittags mit dem weltbekannten Pianisten Arthur Rubinstein einige Sonaten durchspielte, setzte er einmal zu spät ein, woraufhin ihn Rubinstein tadelte: „Albert, können Sie nicht zählen?89


Aufgaben und Denkanstöße:

  • Wo liegen Ihre Stärken? Nutzen Sie die Feedback-Analyse, um Ihre Stärken zu erkennen. Arbeiten Sie daran, Ihre Stärken auszubauen und zur Wirkung zu bringen.
  • Konzentrieren Sie sich bei der Personalauswahl auf das, was ein Mitarbeiter kann. Bringen Sie die besonderen Stärken eines Mitarbeiters mit der zu erfüllenden Schlüsselaufgabe zur Deckung.
  • Diskutieren Sie mit Ihren Kollegen die Frage: „Was müssen wir gemeinsam tun, um die Stärken der Organisation besser zu nutzen und auszubauen?“

Management - von den Besten lernen
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