Michael Dell
Michael Dell

Von Anfang an orientierte sich unser gesamtes Geschäft am Endanwender – von Design über Fertigung bis hin zum Verkauf. Auf ihn hörten wir, wir gingen auf seine Wünsche ein und lieferten ihm seine Produkte. Der direkte Kundenkontakt – zuerst über Telefon, dann persönlich und jetzt über das Internet – ermöglicht uns – heute wie gestern –, umgehend vom Input durch reale Kunden zu profitieren. Das betrifft die Anforderungen an bereits vorhandene, aber auch zukünftige Produkte.15Michael Dell (*1965), Gründer und CEO der Dell Computer Corporation.

Wie kaum ein anderer hat Michael Dell bestehende Modelle zur Unternehmensorganisation infrage gestellt. Indem er seine Vorstellung von einem Direktvertrieb und einer kundennahen Fertigung in die Realität umsetzte, revolutionierte er die Computerbranche. Die Interaktion mit Kunden und Lieferanten veränderte er, wenn es erforderlich war, genauso radikal wie die Organisation innerhalb des Unternehmens. Dabei hatte er einen ganz eindeutigen Maßstab: Nutzen für den Kunden schaffen.

Bereits im Alter von zwölf Jahren organisierte Michael Dell einen Briefmarkenhandel und brachte mit Dell’s stamps seinen ersten Produktkatalog heraus. Den Gewinn von 2 000 Dollar, den er in vier Jahren erwirtschaftete, bezeichnet er noch heute als seinen schönsten. Den direkten Kontakt mit den Kunden lernte er schon früh schätzen. Mit 16 Jahren begann er, mit Direktwerbekampagnen Abonnements für Zeitungen an Menschen zu verkaufen, die gerade erst zugezogen waren; ein sehr einträgliches Geschäft, mit dem er 18 000 Dollar Prämie verdiente. Spätestens mit 19 Jahren endete aber das, was man noch als gewöhnlichen Werdegang gelten lassen könnte, weil er dann die unglaublich schnell wachsende Dell Computer Corporation gründete. Nur vier Jahre später wurde das Unternehmen bereits an der Börse notiert, und einige Jahre danach, im Alter von 27, war Michael Dell der jüngste Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens auf der amerikanischen Fortune-500-Liste.

Mit einem Aspekt von Michael Dells Erfolg wollen wir uns genauer auseinandersetzen. Wenn man schon nicht mit 100-prozentiger Sicherheit lernen kann, wie man ein Unternehmen aufbaut, das auf Platz 33 der Fortune-500-Liste vorrückt und eine der weltweit wertvollsten Marken darstellt, so lassen sich doch einige Schlüsse in Bezug auf die wirksame Organisation eines Unternehmens ziehen, die Sie auf Ihre Umstände übertragen anwenden können.

Der grundlegende Zweck einer jeden Organisation besteht darin, Stärken produktiv und Schwächen irrelevant zu machen. Ganz normale Menschen müssen auf diese Weise in die Lage versetzt werden, Außergewöhnliches zu leisten. Auch die beste Struktur kann weder Ergebnisse noch Leistung garantieren, aber eine falsche Struktur führt garantiert zum Scheitern einer Organisation, denn falsche Strukturen verstärken die Spannungen, die ohnehin immer dort auftreten, wo Menschen zusammenarbeiten. Eine falsche Struktur lenkt die Aufmerksamkeit auf die falschen Dinge und verstärkt die Schwächen von Menschen, anstatt ihre Stärken zum Tragen zu bringen. Die richtige Organisationsstruktur ist somit eine Voraussetzung für den Erfolg.

Die Entwicklung der richtigen Organisationsstruktur erfordert umfassende Überlegungen und ein gründliches Durchdenken des Geschäfts, es erfordert eine genaue Analyse und systematisches Vorgehen. Die Struktur einer Organisation wird durch die Strategie bestimmt, weil die Struktur das Unternehmen überhaupt erst in die Lage versetzt, die Strategie auch wirksam umzusetzen. Die bekannte Aussage „structure follows strategy“ ist zwar richtig, sie ist aber viel zu schwach. Viel treffender ist die Formulierung „structure enables strategy“, worin auch eine gleichberechtigte Wertigkeit beider Themenbereiche, also Strategie und Struktur, zum Ausdruck kommt. Man muss beim Unternehmenszweck, der Strategie und den damit verbundenen Zielen beginnen, aber ohne ähnlich große Aufmerksamkeit auf das Thema Struktur zu legen, wird auch die beste Strategie nicht ihre Kraft entfalten. Viele Organisationen lassen auf dem Gebiet Struktur große Chancen ungenutzt. Es ist für den Unternehmenserfolg ganz wesentlich, dass die Organisation zu der zu bewältigenden Aufgabe passt. Für das Management heißt das in der Konsequenz, dass es immer wieder hinzulernen, anpassen und Neues testen muss.

Ganz konkret muss jedes Unternehmen die drei Grundfragen des Organisierens beantworten, und zwar unabhängig von der Unternehmensgröße:16

  1. Wie müssen wir uns organisieren, damit das, wofür der Kunde uns bezahlt, im Zentrum der Aufmerksamkeit steht und von dort nicht wieder verschwinden kann?
  2. Wie müssen wir uns organisieren, damit das, wofür wir unsere Mitarbeiter bezahlen, von diesen auch wirklich getan werden kann?
  3. Wie müssen wir uns organisieren, damit das, wofür die Firmenspitze, das Topmanagement, bezahlt wird, von dieser wirklich getan werden kann?

1. Wie müssen wir uns organisieren, damit das, wofür der Kunde uns bezahlt, im Zentrum der Aufmerksamkeit steht und von dort nicht wieder verschwinden kann?

Michael Dell entwickelte sein Unternehmen in sehr engem Dialog mit seinen Kunden. Das tat er zu Beginn noch nicht einmal deswegen, weil er etwa einen Zukunftstrend darin gesehen hätte, möglichst exakt nach Kundenwünschen in kleineren Serien zu fertigen, sondern weil ihm, wie er selbst sagte, für eine Massenproduktion schlicht und ergreifend das nötige Kapital fehlte. Durch den Erfolg erkannte er aber schnell, dass der von ihm eingeschlagene Weg das Unternehmen lernen ließ, was der Kunde wirklich wollte und wofür er zu zahlen bereit war. Es ist alles andere als leicht, herauszufinden, wofür der Kunde wirklich bezahlt. Stellen Sie die in Ihrem Haus gängigen Antworten dazu auf den Prüfstand.

Selbst wenn die Antwort stimmt, ist trotzdem noch nicht sichergestellt, dass das, wofür der Kunde tatsächlich bezahlt, nicht auch wieder aus dem Zentrum der Aufmerksamkeit verschwindet. Ausgerechnet Dell selbst liefert mehrere Beispiele dafür, dass man den Fokus auch verlieren kann: Mit größtem Aufwand führte man im Jahr 1989 die neue Produktfamilie Olympic ein. Es wurde einer der größten Flops der Unternehmensgeschichte. Obwohl das Produkt technisch beeindruckte, gab es ein Problem: Der Kunde brauchte und wollte ein solch komplexes Produkt nicht. Michael Dells Kommentar: „Wir waren nach vorne geprescht und hatten ein Produkt mit einer Technik um ihrer selbst willen entwickelt, und nicht mit einer Technik, die auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet war. Hätten wir unsere Kunden vorher gefragt, was sie aktuell benötigten – und so hatten wir es in der Vergangenheit immer gehalten –, hätten wir uns sehr viel Zeit und Ärger erspart.17 In den 1990er-Jahren verpasste Dell überdies den Trend zu Laptops und den preiswerteren Chips von AMD, nach der Jahrtausendwende den Trend zu preiswerten Netbooks. Diese Fehler sind zwar behoben, aber auch sie haben viel Zeit und Geld gekostet. Selbst wenn man also weiß, wofür der Kunde bezahlt, erfordert es einiges an Anstrengung, sich so zu organisieren, dass der Kunde im Zentrum der Aufmerksamkeit bleibt.

2. Wie müssen wir uns organisieren, damit das, wofür wir unsere Mitarbeiter bezahlen, von diesen auch wirklich getan werden kann?

Das Unternehmen muss so organisiert sein, dass Mitarbeiter ihre Beiträge wirksam und effizient erbringen können. Es muss ihnen durch die Organisation leicht gemacht werden, zu Ergebnissen zu gelangen. Kommen wir auch hier wieder auf Michael Dell zurück: Nach dem Fiasko mit Olympic begann er über „relevante Technologie“ zu sprechen, also Technologie, die einen Nutzen für die Kunden stiftete. Er kam zu dem Schluss, dass nicht den Technikern die Schuld zu geben sei, sondern dass es organisatorische Gründe gab, die zum Hindernis geworden waren: Die Techniker wussten einfach nicht, was der Kunde als Nutzen empfand. Sie bemühten sich um den Einsatz neuester technischer Errungenschaften, anstatt die Bedürfnisse des Kunden zu befriedigen. Als Konsequenz wurde die bereichsübergreifende Zusammenarbeit intensiviert, um für ein umfassenderes Verständnis des Kundennutzens zu sorgen. So wurden beispielsweise Techniker intensiver mit den Abteilungen Verkauf und Produktentwicklung zusammengebracht. Stellen Sie in regelmäßigen Abständen sicher, dass Ihre Mitarbeiter wirklich wissen, welche Leistungen von ihnen zu erbringen sind, und gehen Sie nicht davon aus, dass dies immer allen klar ist.

Neben der Frage nach der inhaltlichen Befähigung der Mitarbeiter durch Wissen und Verstehen ist auch ganz pragmatisch zu prüfen, ob die Prozesse so organisiert sind, dass Mitarbeiter ihre Beiträge leisten können. Wenn beispielsweise Krankenschwestern oder Außendienstmitarbeiter einen Großteil ihrer Zeit für administrative Belange aufwenden müssen, anstatt sich um Patienten oder Kunden zu kümmern, so beschäftigen sie sich nicht mit den Dingen, für die sie eigentlich bezahlt werden.

3. Wie müssen wir uns organisieren, damit das, wofür die Firmenspitze, das Topmanagement, bezahlt wird, von dieser wirklich getan werden kann?

Die Unternehmensleitung muss die Zeit haben, sich um jene Themen zu kümmern, die nur aus der Sicht des Ganzen zu beantworten und wahrzunehmen sind:18

  1. Definition von Unternehmenszweck und Unternehmensauftrag, Entwicklung der Strategie;
  2. Setzen von Werten, Standards und Maßstäben;
  3. Aufbau und Entwicklung der Struktur des Unternehmens;
  4. Aufbau und Erhaltung von Humanressourcen;
  5. Aufbau und Pflege von Schlüsselbeziehungen des Unternehmens;
  6. Wahrnehmung der Repräsentation des Unternehmens;
  7. Bereitschaft zum umgehenden Einsatz bei Chancen und Krisen.

Prüfen Sie, ob Ihre Organisation tatsächlich in diesem Sinne organisiert ist, und wenn es in Ihrem Einflussbereich liegt, unternehmen Sie große Anstrengungen, dass die Unternehmensspitze dafür die Zeit hat. Es sind mit die wichtigsten Aufgaben, und wenn die Unternehmensspitze sich dieser nicht annimmt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie gar nicht oder nicht im Sinne des Ganzen ausgeführt werden.

Dell beweist, dass Michael Dell organisatorische Weiterentwicklung wie in besten Gründerzeiten offensichtlich nach wie vor sehr ernst nimmt, wenn er mit dem Unternehmen gänzlich neue Wege geht: Wie auch zum Beispiel Hewlett-Packard favorisiert er seit einiger Zeit ein engmaschiges Händlernetz, zieht jetzt auch die Produktion von Fließbandware analog zur Situation bei Acer in Betracht und bemüht sich, nun intensiv Kleinkunden in aller Welt zu erreichen, was beispielsweise auch Lenovo anstrebt.


Aufgaben und Denkanstöße:

  • Diskutieren Sie mit Ihren Kollegen die drei Grundfragen des Organisierens.
  • Wenn Sie Verantwortung in der Unternehmensspitze tragen, diskutieren Sie mit Ihren Kollegen, wo Sie konkrete Ansätze zur Verbesserung in den sieben Schlüsselaufgaben des Topmanagements sehen und wie Sie diese umsetzen wollen.

Management - von den Besten lernen
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