39

Honor Harrington blieb bewegungslos sitzen und hörte sich die Schadensmeldungen an, von denen sie förmlich überschwemmt wurde. Was sie gerade getan hatte, erfüllte sie mit tiefem Entsetzen, aber ihr war keine andere Wahl geblieben. Ein Schlachtkreuzer der Sultan-Klasse war zu gefährlich, um damit irgendwelche Risiken einzugehen. Ihr war nichts anderes übrig geblieben, als das Schiff mit der ersten Salve auszuschalten, auch wenn dieser Overkill bedeutete, daß es an Bord des Ziels keine Überlebenden geben würde. Also hatte sie soeben zweitausend Menschen getötet, ohne ihnen die geringste Chance zu lassen. Doch vorher hatte das havenitische Schiff noch zurückgeschlagen. Seine einzelne Breitseite sandte zwanzig Raketen zur Wayfarer und zur Artemis, und durch die Nähe des Liners war Honor gezwungen, das eigene Schiff zu einem noch leichteren Ziel zu machen. Wenn auch nur eine Rakete die Artemis anvisierte und durchkam, war es durchaus möglich, daß sie den Liner mit einem Glückstreffer vernichtete – oder zumindest Zivilisten tötete, für deren Schutz Honor kämpfte. Deshalb hatte Honor die Wayfarer direkt vor das Heck der Artemis gelegt und freiwillig den Racheschlag der Kerebin auf sich gezogen. Die Raketenabwehr hatte sich gut gehalten, aber die Wayfarer besaß nicht die Nahbereichsabwehr eines richtigen Kriegsschiffs, und acht Laser-Gefechtsköpfe waren zu ihr durchgedrungen.

»Bisher zwoundneunzig Tote, Skipper«, sagte Rafe Cardones mit belegter Stimme. »Das Lazarett meldet über sechzig Verwundete, und es kommen noch mehr.«

»Materialschäden?«

»Verloren haben wir Graser Eins, Drei und Fünf in der Backbordbreitseite«, antwortete Tschu aus dem Technischen Leitstand. »Werfer Eins und Sieben gibt es nicht mehr, Fünf und Neun können nur lokal gerichtet werden. Die Starthangars für LAC-Flottille Eins sind komplett hinüber, aber wenigstens sind sie leer gewesen. Grav Zwo ist vernichtet, und ich habe drei Seitenschild-Generatoren verloren, alle backbords, und Impeller Zwo vermißt einen Beta-Emitter.«

»Skipper, ich erhalte gerade die Meldung, daß Frachtraum Eins nicht funktioniert«, fügte Jennifer Hughes gehetzt hinzu.

Honors Magen krampfte sich zusammen. »Harry?«

»Ich überprüfe es schon. An den Schienen kann ich keinen Schaden finden, aber …« Der Ingenieur zögerte und fluchte leise. »Korrektur: Wir haben einen Schaden – nur nicht am Startsystem.« Er musterte eingehend seine Anzeigen, dann schüttelte er den Kopf. »Die Schienen sind noch in Ordnung, Skipper; es liegt an den Frachttoren. Der Treffer in den achteren Impellerring muß einen Energieschlag durch die Motoren der Tore gejagt haben. Das Backbordtor ist halb geschlossen, an Steuerbord sieht es ähnlich aus.«

»Können wir sie wieder öffnen?«

»Nicht allzu bald«, knurrte Tschu. Er beschäftigte sich mit seiner Konsole, überlegte einen Augenblick und verzog das Gesicht. »Es sieht ganz so aus, als wären die Motoren durchgebrannt. Am Backbordtor könnte es an den Steuersystemen liegen – das läßt sich nur vor Ort mit Gewißheit feststellen –, aber am Steuerbordtor sind die Motoren definitiv schrottreif. Wenn an Backbord nur die Steuerung kaputt ist, dann können wir vielleicht neue Leitungen legen und die Motoren wieder in Gang bringen. Damit hätten Sie zwo klare Startschienen. Aber der Treffer hat dort fürchterlich gewütet, keine einzige Kamera funktioniert da noch, deshalb kann ich nicht sagen, in welchem Ausmaß Wrackteile den Weg blockieren. Die Reparaturen werden mindestens eine Stunde dauern – wenn sie überhaupt möglich sind.« Er blickte ihr von dem kleinen Combildschirm direkt in die Augen. »Tut mir leid, Skipper. Das ist bereits das Optimum.«

»Verstanden.« Honor schwirrte der Kopf. Verglichen mit dem havenitischen Kriegsschiff, das sich der Wayfarer näherte, war das Q-Schiff erbärmlich langsam. Die schweren Schäden in der Backbordbreitseite reduzierten die Feuerkraft im Nahgefecht um ein Viertel, und die unbeweglichen Frachttore beraubten Honor der Möglichkeit, Raketengondeln auszusetzen. Selbst wenn Tschu noch genug Zeit hätte, um wenigstens das Backbordtor wieder zu öffnen, waren doch zwei Drittel der Kampfkraft im Fernkampf verloren. Die Chance der Wayfarer, ein Raketengefecht mit einem regulären Kriegsschiff zu überstehen, war praktisch gleich Null. Und wie der erste havenitische Schlachtkreuzer bereits demonstriert hatte, konnte selbst ein bereits zerstörtes Kriegsschiff die Wayfarer noch mit einer letzten Breitseite in den Tod reißen.

Noch hatte Honor die zweite LAC-Flottille zur Verfügung – sie hatte die Backbordbreitseite der Wayfarer entblößt, um die Steuerbord-Starthangars zu schützen. Innerhalb des Selker-Risses ließen sich LACs auch im Hyperraum verwenden. Mit Unterstützung der Flottille hätte Honor auch ohne die Raketengondeln durchaus ein Gefecht mit einem Schweren Kreuzer gewagt, aber gegen einen Schlachtkreuzer würde die Kampfstärke dennoch nicht ausreichen. Selbst wenn es irgendwie gelang, das Großkampfschiff zu vernichten, würde es die Wayfarer vorher so stark beschädigen, daß andere havenitische Kriegsschiffe sie mühelos aufbringen könnten.

»Ich habe eine Verbindung mit Captain Fuchien, Skipper«, meldete Fred Cousins. Honor sammelte sich. Sie bedeutete dem Signaloffizier mit einer Hand, noch abzuwarten, und blickte Jennifer Hughes in die Augen.

»Wie lange, bis die Havies uns erreichen?«

»Wir können ihnen vermutlich noch drei Stunden ausweichen«, antwortete der Taktische Offizier. »Ich kann nicht sagen, was mit dem Schweren Kreuzer los ist – er hat abgebremst und ist seit sechsundzwanzig Minuten außer Ortungsreichweite. Die zwote Sultan nähert sich jedenfalls sehr rasch. Ganz sicher hat sie uns passiv erfaßt, und durch ihren Beschleunigungsvorteil wird sie uns in absehbarer Zeit einholen.«

Auf schreckliche Weise erkannte Honor, was sie zu tun hatte, und sie atmete tief durch. Die Wayfarer würde nicht von einem Schweren Kreuzer angegriffen werden. Sie winkte Fred Cousins zu. »Stellen Sie Captain Fuchien durch«, sagte sie, und auf dem Combildschirm erschien das Gesicht einer Frau.

»Ich möchte Ihnen danken, Captain …?« sagte die Zivilistin, und Honor lächelte schief. Für gegenseitige Vorstellungen war bisher keine Zeit gewesen.

»Harrington, von Ihrer Majestät Bewaffnetem Handelskreuzer Wayfarer

Fuchien riß die Augen auf, und dann schüttelte sie den Kopf, als wollte sie eine aufdringliche Fliege verscheuchen. »Wie sieht es bei Ihnen aus, Lady Harrington?« fragte sie. Fuchiens Sensoren offenbarten einen Halo aus Atemluft und Wasserdampf, der die Wayfarer umgab und auf einen ausgedehnten Rumpfschaden hinwies. Die optische Erfassung zeigte die gewaltigen Löcher, die in der Backbordseite und im Achterschiff klafften.

»Wir haben wenigstens einhundertfünfzig Tote und Verwundete«, erklärte Honor unumwunden. »Ich habe ein Drittel meiner Backbordbreitseite und den größten Teil meiner Raketenkapazität verloren. Die Raketen versuchen wir wieder gefechtsklar zu machen, aber es sieht nicht allzu gut aus. Wenn Sie glauben, wir könnten die Havies besiegen, dann liegen Sie falsch.«

Honor bemerkte, wie sich bei diesen Worten Schweigen über die Brücke legte. Jeder hatte bereits gewußt, daß die Lage aussichtslos war, aber als die Kommandantin nun die bevorstehende Niederlage offen zugab, senkte sich die Endgültigkeit des Gehörten lähmend auf jeden einzelnen hinab. Fuchien preßte die Lippen zusammen und schloß kurz beide Augen.

»Dann stecken wir also in sehr großen Schwierigkeiten, fürchte ich, Mylady«, sagte sie leise. »Unser Hypergenerator ist ernsthaft beschädigt. Ich kann nicht mehr auf höhere Bänder ausweichen, und das Tempo aller Abwärtstransitionen ist um achtzig Prozent reduziert. Jede weitere Beschädigung kann dazu führen, daß das Antriebssystem endgültig versagt. Und das bedeutet, daß wir den Havies ebenfalls nicht entkommen können.«

»Ich verstehe.« Honor lehnte sich zurück und setzte mühsam einen beherrschten Gesichtsausdruck auf. Nimitz krümmte sich in seinem Raumanzug auf der Rückenlehne zusammen. Die Verbindung zu ihm vermittelte Honor die Furcht der Brückencrew – und die Disziplin, mit der sie im Zaum gehalten wurde. Sie fuhr sich mit den Fingern über die Augenbrauen und zwang sich zum Nachdenken. »In diesem Fall …« begann sie, als eine andere Stimme sich plötzlich in die Leitung mischte.

»Hier spricht Klaus Hauptmann! Ihr Hypergenerator ist doch nicht beschädigt – warum nehmen Sie nicht unsere Passagiere an Bord Ihres Schiffes?«

Honors Lippen wurden schmal, ihre Augen hart. Hauptmanns Anwesenheit an Bord der Artemis war eine komplette Überraschung für sie; die abrupte Störung des Gesprächs war so typisch für den Magnaten, daß sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte.

»Ich spreche mit Captain Fuchien«, entgegnete sie kühl. »Verlassen Sie auf der Stelle diesen Kanal.«

»Was bilden Sie sich eigentlich ein?« platzte Hauptmann heraus, dann bezähmte er sich. Honor konnte sich bildlich vorstellen, wie er sein Temperament unter Kontrolle brachte, und als er weitersprach, klang seine Stimme ein wenig beherrschter. »Ich halte Sie nicht von Ihrem Gespräch mit Captain Fuchien ab«, sagte er, »aber Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet: Warum nehmen Sie uns nicht an Bord?«

»Weil die nominale Kapazität unseres Lebenserhaltungssystems dreitausend Personen beträgt«, erwiderte Honor mit eisiger Präzision. »Wir haben noch immer neunzehnhundert Besatzungsmitglieder an Bord, und unsere Umweltsysteme sind beschädigt. Im Augenblick haben wir nicht einmal genügend Kapazität, um uns selbst unbegrenzt am Leben zu erhalten, geschweige denn Passagiere und Besatzung Ihres Schiffes. Und nun halten Sie entweder den Mund, oder verlassen Sie den Kanal, Sir

Klaus Hauptmann stieg die Zornesröte ins Gesicht, aber er biß die Zähne zusammen, hob den Blick vom leeren Bildschirm des Comgeräts und schaute seine Tochter an. Niemand hätte hinter Staceys beherrschter Miene die Furcht gesehen, er aber kannte sie zu gut und konnte ihre Angst beinahe spüren. Alles in ihm schrie danach, Harrington anzubrüllen, sie zu bedrohen, sie zu zwingen – sie sogar zu bestechen, wenn es nötig war –, daß sie seine Tochter in Sicherheit brachte. Doch etwas in Staceys Blick ließ Hauptmann verstummen, und ein dumpfes, brennendes Schamgefühl, das er nicht ganz begriff, drang in seine Wut, und er senkte den Blick wieder auf das Com.

»Also, Captain«, fuhr Honor ruhiger fort, »wie sieht es mit Ihrem Lebenserhaltungssystem aus?«

»Unbeschädigt«, antwortete Fuchien. Nur ihr schmales, freudloses Lächeln verriet, was sie von der Art und Weise hielt, wie Honor mit ihrem Arbeitgeber umgesprungen war. »Wir haben drei Beta-Emitter verloren, mehrere Rettungsboote und zehn Prozent unserer Nahbereichs-Abwehrwaffen, aber davon abgesehen sind wir gut in Schuß – mit Ausnahme des Hypergenerators. Bisher.«

»Wie viele Passagiere haben Sie an Bord?«

»Wir sind leicht besetzt. Ungefähr zwotausendsiebenhundert plus Crew.«

»Verstanden.« Honor rieb sich die Nasenspitze und spürte, wie Nimitz ihr mit den Schnurrhaaren sachte über den Nacken fuhr. Gleichzeitig überflutete er sie mit dem Gefühl, er stehe hinter ihr, sie mache alles richtig.

»Also gut, Captain«, sagte Honor, »wir wollen folgendes tun. Ich verlege alle entbehrlichen Besatzungsmitglieder an Bord Ihres Schiffes, weil Ihr Lebenserhaltungssystem die erforderliche Kapazität besitzt. Dann …«

»Augenblick mal!« brach es fast gegen seinen Willen aus Klaus Hauptmann hervor. »Was soll das heißen, Sie verlegen Leute an Bord dieses Schiffes? Wieso …«

»Mr. Hauptmann, halten Sie den Mund!« fuhr Honor auf. »Ich habe weder die Zeit noch die Geduld, mich mit Ihren unqualifizierten Einmischungen zu befassen, Sir!«

Für eine kurze Weile, die ewig zu dauern schien, herrschte Schweigen, dann konzentrierte Honor sich wieder auf Fuchien, auf deren Gesicht sich bereits abzeichnete, daß sie den Plan begriff. In seiner Kabine fluchte Klaus Hauptmann bitter, aber still vor sich hin. Welchen Ton diese Frau anschlug! Als er jedoch wieder Stacey anblickte, bemerkte er außer der Furcht noch etwas anderes in ihren Augen: Er sah … Enttäuschung. Und sie schaute wortlos zur Seite.

»Wie ich sagte, beabsichtige ich alle entbehrlichen Besatzungsmitglieder an Bord Ihres Schiffes zu bringen«, sprach Honor weiter. »Ferner werde ich zu Ihrem Schutz sechs LACs detachieren. Sobald die Verlegung der Leute beendet ist, werden Sie und die LACs völlige Emissionsstille wahren. Alles abstellen, was sich passiv aufspüren läßt, Captain Fuchien. Am besten wird Ihr Schiff zu einem Loch im Weltall, verstehen Sie, was ich meine?«

»Ja.« Fuchien flüsterte das Wort beinahe, und Honor zwang sich zu lächeln.

»Bevor Sie auf Emissionsstille gehen, werden wir eine Eloka-Drohne aussetzen, die darauf programmiert ist, genau Ihre Emissionen auszustrahlen. Die Wayfarer wird sich von Ihnen entfernen und die Drohne mitnehmen. Mit ein wenig Glück werden die Havies annehmen, wir blieben zusammen, und lassen Sie unbeachtet. Sobald Sie sich sicher sind, daß die Havies Sie verloren haben, beginnen Sie mit einer allmählichen Abwärtstransition.

Gehen Sie in den Normalraum und warten Sie dort zehn Tage. Zehn ganze Tage, Captain! Reparieren Sie Ihren Generator und legen Sie so viel Entfernung zwischen sich und diesen Punkt im Hyperraum wie möglich, bevor Sie wieder auf Überlicht gehen.«

»Sie Feigling!« fauchte Klaus Hauptmann. Er hatte die Selbstbeherrschung verloren, das wußte er genau, und er schämte sich dafür, aber er vermochte nichts dagegen zu tun. Allein die Angst um seine Tochter trieb ihn an. »Sie wollen nicht einmal versuchen, dieses Schiff zu verteidigen! Sie wollen einfach davonlaufen und hoffen, daß niemand uns entdeckt! Sie lassen uns im Stich, um Ihr eigenes erbärmliches …«

»Halt den Mund, Daddy!« Hauptmann fuhr vom Com zu ihr herum. Diese eisige Stimme gehörte nicht Honor Harrington. Sie gehörte Stacey, in deren Augen eine Wut loderte, wie Klaus Hauptmann sie noch nie bei ihr gesehen hatte.

»Aber sie …«

»Sie wird für dich sterben, Daddy«, sagte Stacey Hauptmann unerbittlich. »Das sollte ja wohl sogar dir genug sein!«

Ihre Worte verletzten ihn, wie niemand ihn je verletzt hatte, und innerlich krümmte er sich unter dem Blick seiner Tochter zusammen.

»Aber …« Er schluckte. »Aber du bist es doch, um die ich mir solche Sorgen ma …« begann er, aber Stacey beugte sich nur schweigend an ihm vorbei, schlug mit der Hand auf die Comtaste und schaltete es ab. Dann kehrte sie ihm den Rücken zu und verließ ohne ein weiteres Wort die Kabine.

»Er ist aus der Leitung, Mylady«, sagte Fuchien gelassen. »Es tut mir leid. So etwas müssen Sie sich wirklich …«

»Machen Sie sich darüber keine Gedanken.« Honor schüttelte den Kopf und schaute Rafe Cardones an. »Beginnen Sie mit den Verlegungen. Ich möchte, daß alle Verwundeten und alle entbehrlichen Leute sich in dreißig Minuten an Bord der Artemis befinden. Stellen Sie sicher, daß Dr. Holmes und alle Kriegsgefangenen darunter sind.«

»Jawohl, Ma’am.«

»Wir werden uns alle Mühe geben, sie hinter uns herzulocken«, wandte Honor sich wieder an Fuchien. »Wie gut sind Ihre Sensoren?«

»Wir haben die gleiche elektronische Ausstattung wie die Schlachtkreuzer der Homer-Klasse zu Kriegsbeginn, und wir haben die meisten der Verbesserungen von Phase Eins und Zwo erhalten, einschließlich der Täuschkörper und der Eloka-Drohnen – allerdings weder Stealth-Systeme noch überlichtschnelle Signalanlagen. Die waren zu geheim.«

»So gut?« Beeindruckt rieb Honor sich wieder die Nasenspitze. »Das ist besser, als ich gehofft hatte. Dann sollten sie gegenüber den Havies im Vorteil sein.«

»Das weiß ich«, sagte Fuchien. »Die Havies müssen sich unter völliger Emissionsstille versteckt haben, und wir sind direkt über sie gestolpert. Andernfalls hätte die Hawkwing sie orten müssen, auch we …«

»Was haben Sie gesagt?«

Fuchien runzelte erstaunt die Stirn, denn Honor war plötzlich kreidebleich geworden.

»Sagten Sie Hawkwing?« fragte Honor rauh.

»Ja, Mylady. Hawkwing, Commander Usher. Haben … haben Sie den Commander gekannt?«

»Nein.« Honor schloß die Augen; ihre Nasenflügel bebten. Dann schüttelte sie heftig den Kopf. »Nein«, wiederholte sie leise, »aber die Hawkwing. Sie war mein erstes hyperraumtüchtiges Schiff.«

»Das tut mir leid, Mylady«, sagte Fuchien sanft. »Ich weiß nicht, was ich …« Nun war sie es, die sich mit einem Kopfschütteln behelfen mußte. »Ich weiß, es ist nur ein geringer Trost, aber einzig dem Schiff und Commander Usher haben wir unsere Fluchtchance zu verdanken. Mein Taktischer Offizier … sie glaubt nicht, daß es Überlebende gab.«

»Ich verstehe.« Fünf Sternenschiffe hatte Honor kommandiert. Das zweite mußte verschrottet werden; nun war das erste vernichtet worden, und das letzte würde mit ihr in den Tod gehen. Sie gestattete sich noch einen Moment der Trauer um das Schiff, daß ihr einmal mehr als alles andere bedeutet hatte, dann öffnete sie wieder die Augen und sagte mit klarer, gleichmäßiger Stimme: »Also gut, Captain. Ich verlege mindestens einen Arzt an Bord Ihres Schiffes, so viele Sanitäter, wie ich entbehren kann, und alle unsere Verwundeten. Besitzen Sie den nötigen Raum für alle?«

»Wir schaffen genügend Raum, Mylady.«

»Ich danke Ihnen sehr. Noch etwas zu den LACs. Der Typ ist neuartig, und die sechs sollten Sie notfalls auch gegen einen Schweren Kreuzer schützen können. Allerdings besitzen sie weder Hypergeneratoren noch Warshawski-Segel, können also in keine Gravwelle eintreten. Deshalb müssen Sie die Besatzungen an Bord nehmen und die LACs vernichten, bevor Sie die Transition beginnen.«

»Dann sollten Sie die LACs bei sich behalten«, entgegnete Fuchien. »Wenn wir ohnehin in den N-Raum fliehen und die Boote kampfkräftig genug sind, um …«

»Sie sind nicht kampfkräftig genug, um gegenüber einem Schlachtkreuzer irgendeinen Unterschied auszumachen«, erwiderte Honor und gestand dadurch stillschweigend ein, was beide Frauen genau wußten. »Vernichtet werden die LACs auf jeden Fall, aber wenn ich sie Ihnen lasse, besitzen Sie wenigstens eine Rückendeckung, falls ein anderer Havie zufällig auf sie stößt.« Und gebe ihren Besatzungen eine Überlebenschance.

»Ich …« begann Fuchien und verstummte. »Natürlich haben Sie recht«, gab sie leise zu.

»Freut mich, daß wir uns einig sind.« Honor gestattete sich ein schmales Lächeln. »Das wäre wohl alles, und ich habe mich noch um vieles zu kümmern. Ich möchte nur noch einen letzten Wunsch an Sie richten, wenn ich darf.«

»Was immer Sie wollen, Mylady.«

»Halten Sie sich bitte bereit, einen Bericht für die Admiralität zu empfangen. Ich möchte den Ersten Raumlord wissen lassen, was wir erreicht haben, bevor …« Sie zuckte mit den Schultern.

»Aber selbstverständlich, Mylady. Ich übergebe den Bericht persönlich. Darauf haben Sie mein Wort.«

»Vielen Dank.« Honors Plot zeigte den Start der LACs aus den Hangars der unbeschädigten Steuerbordseite, dann tauchten die ersten Pinassen und Kutter auf, die auf die Artemis zuhielten. Die Shuttles des Liners starteten ebenfalls, um beim Transport der Menschen zu helfen, die dem Schicksal der Wayfarer entkommen sollten. Honor nickte zufrieden.

»Dann wollen wir mal, Captain Fuchien«, sagte sie leise und beendete die Verbindung.

 

Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit erfolgte die Verlegung der Leute von der Wayfarer zur Artemis, denn Zeit war überaus knapp. Trotz des Drucks gelang es Rafael Cardones und Scotty Tremaine, den Transporten eine drakonische Ordnung aufzuerlegen. Die Liste der Evakuierten, die Cardones auf Honors Befehl zusammengestellt hatte, war abgeschlossen und unabänderlich; wer nicht darauf stand, verließ das Schiff nicht.

Alle drei Assistenten John Kanehamas gingen, denn je mehr Astrogatoren die Artemis bei den verstohlenen Fluchtmanövern unterstützten, desto besser. Fred Cousins verließ mitsamt der kompletten Signalabteilung die Wayfarer, denn sobald das Q-Schiff sich von der Artemis getrennt hatte, gäbe es niemanden mehr, mit dem sie kommunizieren könnte. Harold Sukowski und Chris Hurlman gingen, ebenso alle gefangenen Offiziere der Vaubon. Hydroponikspezialisten, überzählige Sanitäter und alle Marines, die man nicht für Enterkommandos brauchte, verließen ebenfalls das Schiff. Versorgungsoffiziere und Lagerverwalter, Quartermeister und Schreibersmaaten, Personaloffiziere und Köche – jedes menschliche Wesen, das nicht im Gefecht oder für Reparaturen gebraucht würde, ging von Bord, und wenn sie auch erleichtert waren, verschont zu bleiben, so nagte doch an jedem ein Schuldgefühl, weil sie ihre Schiffskameraden zurückließen.

Doch nicht alle, die auf der Liste standen, gingen von Bord. Profos Thomas war tot, ebenso sein Stellvertreter, und kein Angehöriger der Bordpolizei kam auf den Gedanken, die Arrestzellen zu überprüfen. Randy Steilman, Jackson Coulter, Elizabeth Showforth, Ed Ilyushin und Al Stennis hatten Raumanzüge erhalten, als das Schiff gefechtsklar machte. Aber noch immer saßen sie in ihren Zellen im Herzen des Schiffes, wo man sicherer war als auf den meisten anderen Stationen, und Gefängnisraumanzüge hatten keine Funkgeräte – so daß niemand die Rufe der Gefangenen hörte, man möge sie doch freilassen.

Scotty Tremaine sollte zusammen mit Horace Harkness von Bord gehen, denn man benötigte keine Flugleitung, wenn alle LACs und bis auf zwei alle Pinassen fehlten. Andererseits beabsichtigten weder Harkness noch Tremaine, das Schiff zu verlassen, und an ihrer Stelle gingen ein Pinassenpilot und sein Bordmechaniker.

Auch Ginger Lewis sollte nicht an Bord bleiben, weil sie nur bedingt dienstfähig war, aber sie wußte, daß der LI jede verfügbare Hilfe brauchte, um die festgefahrenen Frachttore wieder in Bewegung zu setzen. Also ignorierte sie den Befehl, eine Pinasse zu besteigen, gab ihren Platz einem zweiundzwanzigjährigen Computertechniker, der auf seiner ersten Reise war, und begab sich mit kreidebleichem Gesicht in den Technischen Leitstand.

Yoshiro Tatsumi lehnte ebenfalls seine Fluchtchance ab. Eigentlich hätte er Dr. Holmes begleiten sollen, aber er tauschte heimlich mit einem anderen Sanitäter die Plätze. Dr. Ryder hatte zu ihm gehalten, als er Hilfe brauchte; nun würde sie seine Fähigkeiten bitter nötig haben. Andere Männer und Frauen trafen ähnliche Entscheidungen und lehnten die Chance ab, wieder nach Hause zu kommen. Manche handelten aus Tapferkeit, andere aus Eigensinn, aber bei allen von ihnen spielte auch Loyalität eine Rolle; Loyalität zu ihrem Schiff, zu den anderen Wayfarers, zu bestimmten Offizieren, zur Pflicht – und über allem, zu ihrer Kommandantin. Honor Harrington brauchte sie, und viele wollten sie nicht verlassen.

 

In seiner Kabine hockte Klaus Hauptmann auf einem weich gepolsterten Stuhl und hielt sich die Hände vors Gesicht. Tiefe Scham erfüllte ihn; nicht die Wut, die ihn so offen antrieb, sondern Scham. Ungedämpfte, durchdringende Beschämung von der Sorte, die in einem Menschen heiß heraufkocht und ihn vernichten kann. Zwar wußte er, daß die schreckliche Angst um seine Tochter ihn dazu getrieben hatte, Honor Harrington zu trotzen, sie anzugreifen und zu beschimpfen, aber das bot ihm keinen Trost, keinen Schild gegen das, was er in Staceys Augen gesehen hatte: die Verletzung, die Bestürzung, den Unglauben, daß er zu dergleichen fähig war. Die einzige Person, deren Achtung Klaus Hauptmann etwas bedeutete, hatte in sein Innerstes geschaut und sich von dem abgewandt, was sie dort erblickte. In den Augen brannten ihm die Tränen, die zu vergießen er sich weigerte.

Zu dem Ausdruck in Staceys Gesicht kam die kalte Verachtung in Harringtons Stimme. Klaus Hauptmann hatte sie nicht zum erstenmal gehört, aber zum erstenmal verdient. Das wußte er genau, und es hatte keinen Sinn zu versuchen, sich etwas anderes einzureden. Und indem er sich dieser bitteren Erkenntnis stellte, mußte er der Erinnerung an ihre erste Begegnung erneut gegenübertreten und mußte sich eingestehen – wahrscheinlich zum erstenmal seit seiner Jugend –, daß er diesbezüglich einem Selbstbetrug aufgesessen war. Er, der immer geglaubt hatte, jederzeit unerschrocken in den Spiegel blicken zu können, wußte es nun besser: Harrington hat auch beim erstenmal recht gehabt, dachte er elend. Es war richtig gewesen, daß sie den Druck zurückgewiesen hatte, den er auszuüben versuchte, und die Verachtung, die sie ihm zeigte, war angemessen gewesen. Und ebenso angemessen war es gewesen, daß sie den Mann bedrohte, der so tief gesunken war, daß er sich allein aus galliger Wut und gekränkter Eitelkeit an ihren Eltern für Harringtons Unbotmäßigkeit rächen wollte. Ein Mann, der zu dergleichen in der Lage war, ohne die Niedrigkeit seines Tuns auch nur zu begreifen, weil für ihn solche Erwägungen im Moment der Wut nicht zählten.

So saß er da, allein mit der bitteren Erkenntnis über sich, und all sein Reichtum und seine Macht, seine Stellung und seine Leistungen boten ihm keinen Schutz vor sich selbst.

 

Einen Arm schützend um Chris Hurlman gelegt, bewegte sich Harold Sukowski durch die Zugangsröhre des Passagierschiffes, die mit einem eigenen Schwerefeld versehen war. An Bord der Wayfarer hatte Chris sich körperlich völlig erholt, und die Heilung der seelischen Wunden war weiter vorangeschritten, als Sukowski für möglich gehalten hätte. Trotzdem wirkte sie noch immer sehr verwundbar, und der zähe, sorglos-unbekümmerte Humor, den Sukowski so viele Jahre an ihr geschätzt hatte, war völlig verschwunden. Er hielt sie dicht bei sich und bewahrte sie vor jeder zufälligen Berührung, zu der es in dem Wirrwarr ringsum leicht kommen konnte.

Margaret Fuchien hatte Stewards und jeden überzähligen Crewangehörigen dazu abgestellt, den Strom der Flüchtlinge zu leiten. Es war von entscheidender Bedeutung, die Hangargalerie nach Anlegen eines Beiboots so schnell wie nur möglich zu räumen, und die Leute der Artemis gaben sich größte Mühe, die Evakuierten ständig in Bewegung zu halten. Aber als Sukowski und Hurlman gleich hinter Shannon Foraker die Röhre verließen, geriet der Menschenstrom ins Stocken. Die kriegsgefangenen Vaubons waren zusammen zur Artemis geschickt worden, und nur ein einziger Marineinfanterist bewachte sie. Sukowski hob rasch den Kopf, als auf den Gesichtern der wartenden Führer jähe Wut aufflammte, Wut, die sich beinahe augenblicklich in Haß verwandelte – Haß auf die Angehörigen der Flotte, die gerade die Hawkwing vernichtet und dreißig Mitglieder der eigenen Besatzung getötet hatte. Der zuständige Obersteward öffnete mit haßverzerrtem Gesicht den Mund, aber Sukowski trat rasch vor und stellte sich zwischen Warner Caslet und Denis Jourdain, den vordersten Gefangenen. Mit harten Augen blickte er den Steward an.

»Sie halten den Mund«, wies Sukowski ihn mit kühler, beißender Stimme an. Der Mann zuckte erstaunt zusammen, als der narbengesichtige, verstümmelte Mann in der einfachen Bordkombination ihn in diesem eisigen Befehlston anfuhr, aber bevor er etwas erwidern konnte, trat Sukowski noch einen Schritt vor. »Ich bin Captain Harold Sukowski«, sprach er mit gleichbleibend kühler Stimme. In den Augen des Stewards zeigte sich, daß er den Namen des vierthöchsten Kapitäns der Gesellschaft erkannte. »Diesen Menschen verdanke ich mein Leben – und mein Erster Offizier ebenso. Sie haben uns vor den Schlächtern gerettet, die im Telmach-System die Bonaventure aufgebracht haben. Sie haben sich um Mistkerle gekümmert, die uns festhielten, und dann haben sie ihr Schiff verloren, als sie versuchten, einem anderen manticoranischen Frachter zu Hilfe zu kommen.« Sukowski verzichtete darauf zu sagen, um welchen Frachter es sich dabei gehandelt hatte. Das spielte keine Rolle, und Caslet und Jourdain hatten nicht gewußt, worauf sie sich einließen, als sie die Wayfarer retten wollten. »Sie werden diese Menschen mit Respekt behandeln, Obersteward. Ist das klar?«

»Äh … Ja, Sir!« stieß der Mann hervor. »Wie Sie sagen, Sir.«

»Gut. Jetzt führen Sie uns heraus, wir müssen die Galerie räumen.«

»Jawohl, Sir. Wenn der Captain und … seine Freunde mir bitte folgen wollen?«

Der Mann ging voran, und Sukowski spürte eine Hand auf seiner Schulter. Als er sich umdrehte, schaute Caslet ihn an, und ihre Blicke trafen sich mit einem gemeinsamen, düsteren Lächeln gegenseitigen Einverständnisses – aber in ihren Augen lag auch Sorge.

 

»Das letzte Boot, Skipper«, sagte Cardones. Der Erste Offizier war vom Übermitteln der Befehle heiser. Honor blickte von ihrer Besprechung mit Jennifer Hughes auf und nickte ihm zu. Dann nahm sie sich die Zeit, um einen schmerzlichen Blick auf die Lehne ihres Kommandosessels zu werfen. Sie hätte auch Nimitz fortschicken sollen. Aber er hätte Honor ebensowenig verlassen wie Samantha Harold Tschu – oder wie Honor ihrerseits Nimitz. Zwar hätte sie ihn zwangsweise entfernen lassen können, aber dazu war sie nicht imstande gewesen. Nimitz hatte seinen Raumanzug; Tschu konnte sich solchen Luxus nicht leisten und mußte sich mit dem normalen Lebenserhaltungsmodul für Baumkatzen begnügen. Wenigstens dazu hatte Honor einen Beitrag leisten können. Sie besaß noch immer das Deluxe-Modul, das sie für Nimitz gekauft hatte, bevor Paul ihm den Anzug entwarf – das gepanzerte, strahlungssichere Modul mit ausgedehnter Lebenserhaltungsdauer. Honor bestand darauf, daß Tschu seine Gefährtin in ihre Kajüte führte und sie in dem besseren Schutzsystem unterbrachte.

Nicht, daß es am Ende einen großen Unterschied ausmacht, fürchtete sie düster.

»Wann können wir uns entfernen?« fragte sie.

»Jederzeit, Skip.« Cardones grinste so schwermütig, wie Honor sich fühlte. »Das Boot kommt nicht zurück. Wir haben noch zwo Pinassen – und natürlich die Rettungskapseln.«

»Natürlich«, stimmte Honor mit einen Anklang von Galgenhumor bei, dann schaltete sie auf den Technischen Leitstand.

»TLS, Senior Chief Lewis.«

»Lewis, was machen Sie denn da unten?« verlangte Honor überrascht zu wissen.

»Commander Tschu hat jeden lebenden, atmenden Gasten, den er irgendwie loswinden konnte, mit in Laderaum Eins genommen, Ma’am, einschließlich Lieutenant Silvetti. Für die alle gebe nun ich auf den Laden acht«, antwortete Ginger, indem sie die Frage der Kommandantin absichtlich mißverstand. Honor verzog die Lippen zu einem matten, traurigen Lächeln.

»Also gut, Senior Chief. Dann sagen Sie mir mal, wie sie vorankommen.«

»Die Steuerbordmotoren stecken endgültig fest, Ma’am«, antwortete Lewis unverzüglich. »Sie sind durchgebrannt und müssen komplett ersetzt werden. Zwo Backbordmotoren sind noch funktionstüchtig, der dritte nur vielleicht. Zwischen Spant Sieben-Neun-Zwo und der Heckplatte sind die Steuerleitungen weggesprengt. Im Moment werden neue Kabelbäume gezogen, aber zuerst steht die Räumung der Wrackteile an. Außerdem haben sich zwo Gondeln von Schiene Nummer vier gelöst und schweben frei im Frachtraum. Sie müssen gesichert werden, bevor es mit der eigentlichen Arbeit losgehen kann.«

»Wie lange?«

»Der LI rechnet mit wenigstens neunzig Minuten, Ma’am.«

»Verstanden. Sagen Sie ihm, er soll nicht lockerlassen.«

»Aye, aye, Ma’am.«

Honor trennte die Verbindung und blickte Jennifer Hughes an. »Zeit bis Kontakt mit dem Gegner?«

»Zwo Stunden, fünf Minuten bis Raketenreichweite.«

»Aber man hat uns immer noch nur auf den Gravsensoren?«

»Angesichts der Entfernung und der Bedingungen ist alles andere unmöglich, Ma’am«, antwortete Hughes zuversichtlich.

»Gut.« Honor wandte sich an Cardones, der nach Cousins’ Aufbruch die Signalstation übernommen hatte. »Rafe, geben Sie mir Captain Fuchien auf den Hauptbildschirm.«

»Jawohl, Ma’am.«

Der zwei Meter durchmessende Bildschirm am vorderen Schott des Kommandodecks erhellte sich. Fuchiens Augen blickten gesetzt und ihre Miene war grimmig, aber sie begrüßte Honor höflich.

»Captain, es ist soweit«, erklärte Honor mit einer Stimme, von deren Ruhe sie selbst überrascht war … »Bringen Sie Ihr Schiff vor die Wayfarer. Wenn Sie den Antrieb abschalten, müssen Sie in unserem Ortungsschatten sein.«

»Jawohl, Mylady«, antwortete Fuchien, und Honor sah über die Schulter nach hinten. »Setzen Sie die Eloka-Drohne aus, Jenny.«

»Aye, aye, Ma’am.«

Die Artemis legte sich vor die Wayfarer, und Honor wandte sich an Senior Chief Coxswain O’Halley.

»Jetzt wird es haarig, Chief«, sagte sie ruhig zu ihm, und der Obersteuermann nickte. Die Artemis und die Wayfarer waren sich so nahe, daß die Entfernung zwischen den beiden Impellerkeilen nur sechzig Kilometer betrug, weniger als der vorgeschriebene Sicherheitsabstand. Anders ging es nicht, wenn die Artemis ihr Antriebsfeld hinter dem Keil des Q-Schiffs vor den Sensoren des Schlachtkreuzers verbergen wollte, aber die Wayfarer beschleunigte nach wie vor mit mehr als hundert Gravos. Der kleinste Ruderfehler während des Manövers, bei dem die Artemis ihren Keil abschaltete und Honor abdrehte, konnte den Impeller des Q-Schiffs in direkten Kontakt mit dem Rumpf des Passagierliners bringen und hätte das andere Schiff auf der Stelle zerfetzt.

»Verstanden, Ma’am«, sagte O’Halley erheblich ruhiger als er sich fühlen mußte. Honor richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Hauptplot und beobachtete, wie die Artemis sich genau an die vereinbarte Position setzte, dann atmete sie tief durch und schaute Fuchien ein letztes Mal ins Gesicht.

»Viel Glück, Captain«, sagte sie.

»Gottes Segen, Mylady«, erwiderte Fuchien leise, und dann nickten die beiden Captains einander zu, die Augen erfüllt mit dem Schmerz darüber, was die Pflicht ihnen abverlangt.

»Sehr gut«, sagte Honor Harrington knapp und wandte sich an ihre Brückencrew. »Ausführung!«

 

Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
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