Kapitel 5
Zu behaupten, ich würde Philip DuBois davon überzeugen, in meine Sendung zu kommen, und es tatsächlich zu tun, waren zwei Paar Stiefel. Und nach dem anfänglichen Begeisterungssturm ebbte meine Euphorie zugegebenermaßen ein klein wenig ab.
Nach der Unterredung mit Cassie zeichnete ich ein paar Teaser auf und erledigte einige Vorbereitungsarbeiten für die nächste Sendung, ehe ich, in der Hoffnung auf ein wenig Ruhe, aus dem Studio floh. Stattdessen lief ich prompt Bob Baker in die Arme, der mich zu meinem Engagement und der Neuigkeit beglückwünschte, dass ich DuBois für die Sendung gewinnen wollte.
Offenbar hatten Cassie und der Marketing-Experte mein Hirngespinst aufgegriffen und zur bestätigten Tatsache gemacht. Bob kalkulierte im Geiste bereits überschwänglich die Quoten und gratulierte mir zu meiner Mission Impossible.
Was logischerweise bedeutete, dass ich nun keinen Rückzieher mehr machen, sondern nur noch Erfolge präsentieren konnte.
Zu behaupten, ich sei panisch, wäre eine blanke Untertreibung gewesen. In meiner Not suchte ich Zuflucht in der Einsamkeit des Central Park. Okay, in Wahrheit fuhr ich zu Althea, die mich an den Haaren herbeigezerrt hätte, wenn ich nicht von allein aufgetaucht wäre. Allerdings sprang ich sofort auf ihren Vorschlag an, einen Spaziergang durch den Park zu machen, um einen klaren Kopf zu bekommen, da dies bedeutete, dass ich ihren bohrenden Fragen und ihrer Fürsorge entfliehen konnte. Und tatsächlich, eine Runde auf den von Bäumen gesäumten Spazierwegen des Central Park schien genau zu bewirken, was der Arzt mir verordnet hatte.
Natürlich steht Multitasking in Manhattan an oberster Stelle, deshalb hatte ich Bentley mitgenommen. Was bedeutete, dass sich mein lässiges Schlendern eher zu einem strammen Marsch entwickelte. Dieser Hund ist noch nie jemandem oder etwas begegnet, das er nicht liebt, und zwar aus tiefster Hundeseele. Bislang hatte er eine Taube verfolgt, ein Eichhörnchen gejagt, um ein Haar einen Baum erklommen und so ziemlich jeden Stamm und Laternenpfahl in diesem Teil des Parks angepinkelt. Bentley als enthusiastisch zu bezeichnen, wäre eine äußerst untertriebene Beschreibung seines Naturells.
Am Ende, als er sein Pulver verschossen hatte, setzten wir uns auf eine Bank am rückwärtigen Teil des Conservatory Water und begnügten uns damit, die Welt an uns vorüberziehen zu lassen. Es war ein wunderschöner Tag. Tulpen blühten, und kleine, ferngesteuerte Boote glitten mit flatternden Segeln über die Wasseroberfläche des Sees.
Eine Frau mit einer Stimme wie ein Nebelhorn und einem Schirm in der Hand rief eine Gruppe Touristen herbei, die sich um die Statue von Alice im Wunderland am nördlichen Ufer versammeln sollten. Dank eines Klarinettenspielers, der sich direkt gegenüber im Schatten einer Ulme niedergelassen hatte, war es nicht ganz einfach, sich Gehör zu verschaffen. Prompt entspann sich eine Art Duell. Die Fremdenführerin sprach lauter, worauf der Musiker (ich verwende diesen Begriff hier im weiteren Sinne) sein Instrument noch inbrünstiger aufjaulen ließ. Die daraus resultierende Kakophonie trieb Touristen und Nicht-Touristen gleichermaßen auseinander.
Mein Hund hob den Kopf, als die Stimme der Fremdenführerin die Qualität von Kreide auf einer Schiefertafel erreichte und der Klarinettenmann mit einem Achselzucken zu mir herübergrinste, ehe er den Rückzug in Richtung Tunnel bei der Bethesda Fountain antrat. Die Akustik dort ist der reinste Wahnsinn – wie in der Carnegie Hall, nur mit weniger strenger Kleiderordnung. Bentley stieß einen tiefen Hundeseufzer aus und ließ den Kopf wieder auf meinen Schoß sinken. Die Touristengruppe blieb noch einige Minuten stehen, ehe die Fremdenführerin sich in Bewegung setzte, wobei ihr bunter Schirm über dem Meer aus Senioren in Polyestertrainingsanzügen und Nike-Turnschuhen wippte, als sie auf The Ramble zusteuerten.
Ich schloss die Augen, genoss die warmen Sonnenstrahlen und gestattete mir einen kurzen Moment die Illusion, dass sich vielleicht doch alles noch zum Guten wenden würde: Diana Merrecks Investition in das Mardi Gras wäre den Bach hinunter, Dillon kehrte mit dem sprichwörtlich eingezogenen Schwanz zu mir zurück, und Philip DuBois nutzte die Gelegenheit und sagte für meine Sendung zu. Kurzum – das Leben wäre wieder perfekt.
Natürlich hätte ich es besser wissen müssen. Allein die Vorstellung, wie alles gut wurde, genügte, dem Schicksal mit dem roten Fähnchen zu winken, damit es auch ja eingriff und mir wieder mal zeigte, wer der Boss war.
Mit einem aufgeregten Bellen sprang Bentley unvermittelt von der Bank, worauf ich so erschrak, dass ich die Leine losließ. Und ehe ich sie wieder zu fassen bekam, war er frei und nahm ungehindert, mit der schlackernden Leine hinter sich, die Verfolgung eines nicht minder pfeilschnellen Eichhörnchens auf.
Ich brüllte seinen Namen, was mir ein lüsternes Grinsen eines Kerls zwei Bänke neben mir und den vernichtenden Blick eines Kindermädchens mit einem schlafenden Säugling einbrachte. Ohne ihnen Beachtung zu schenken, schrie ich ein zweites Mal, doch die Entfernung vergrößerte sich zusehends, und Bentley machte keine Anstalten, sein Tempo zu drosseln. Er hielt nicht einmal inne, um sich zu mir umzudrehen.
Ich setzte ihm – in Flip-Flops – nach, wobei ich abwechselnd meinen Hund verfluchte und mir bereits fieberhaft plausibel klingende Erklärungen überlegte, wie ich Dillon die Nachricht überbringen sollte, dass ich mir nicht nur seinen Hund unter den Nagel gerissen, sondern ihn dann zu allem Übel auch noch verloren hatte. Ohne mein inneres Chaos auch nur ansatzweise zu erahnen, verschwand besagter Vierbeiner um eine Ecke, und zum ersten Mal erfasste mich aufrichtige Panik. Ich würde es nicht ertragen, wenn dem kleinen Kerl etwas zustieße, zumindest nicht bis ich ihn erwischt und ihm seinen kleinen pelzigen Kragen umgedreht hatte.
Ich hetzte um die Ecke.
Weit und breit kein Hund zu sehen.
Erneut versuchte ich, nach ihm zu rufen, doch dank meines Spontansprints kam kaum mehr als ein asthmatisches Flüstern heraus. Ich umrundete eine zweite Biegung, in der Annahme, dass ich das Ganze vergessen konnte, aber, nein, da stand der kläffende Bentley vor einem Jogger, hechelnd, mit heraushängender Zunge und freudig wedelndem Schwanz (der Hund, nicht der Jogger).
Abrupt blieb ich stehen. »Es tut mir wahnsinnig leid, aber er ist ausgebüxt und …« Ich hielt inne, und mein Herz, das schon jetzt in meiner Brust hämmerte, legte noch einen Zahn zu, als mein Gehirn registrierte, wen Bentley da anbellte.
»Ich vermute, der gehört Ihnen«, sagte mein Fremder mit einem schiefen Grinsen.
»Ja«, flüsterte ich völlig verdattert.
Okay, halten wir fest, dass ein Spaziergang durch den Park, um einen klaren Kopf zu bekommen, eine Sache ist. Ich, Bentley und eine Handvoll fremder Leute. Aber in Flip-Flops, Jeans und einem ausgeleierten T-Shirt exakt dem Mann in die Arme zu laufen, der mir praktisch das Leben gerettet hat – so etwas ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Schon gar nicht in Verbindung mit der Tatsache, dass ich mich sofort nach Ende der Aufzeichnung komplett abgeschminkt hatte und mein Haar dank des ungeplanten Sprints aussah, als hätten die Motten darin gehaust.
Ich strich mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht und bemühte mich, äußerlich ruhig zu wirken, obwohl ich es innerlich keineswegs war. »Ich fürchte, er ist mir abgehauen.« Ich sah auf Bentley hinab, der meinen Fremden mit etwas musterte, das an Bewunderung grenzte. »Er hat ein Eichhörnchen gesehen und sich losgerissen, bevor ich es verhindern konnte.«
»Wie gut, dass ich hier war«, sagte mein Fremder, noch immer lächelnd, während er mich von oben bis unten musterte.
»Ja, ich bin nicht unbedingt fürs Joggen angezogen.« Er hingegen schon. Trainingshose, T-Shirt, heiß, verschwitzt. Habe ich schon erwähnt, dass er superheiß aussah? Wieso sind verschwitzte Männer nur so attraktiv? Das ist unfair. Ehrlich. »Jedenfalls danke, dass Sie mich gerettet haben. Wieder mal.«
»Kein Problem.« Er lachte und schüttelte den Kopf. »Eine reine Frage von zur richtigen Zeit am richtigen Ort.«
»Die Welt ist klein«, stellte ich mit einem schiefen Grinsen fest.
»Eine winzige Insel«, bestätigte er achselzuckend und hob Bentley hoch. Mein Hund aalte sich in hündischer Ekstase, als der Fremde ihn hinter den Ohren zu kraulen begann.
»Sie sind verschwunden, ohne sich zu verabschieden.« Die Worte kamen über meine Lippen, bevor ich es verhindern konnte. Andererseits hatte mein Mund ja schon immer ein Eigenleben gehabt.
»Ich dachte, Sie wollen unter den gegebenen Umständen vielleicht lieber allein sein. Außerdem kam Ihre Tante, deshalb ging ich davon aus, dass Sie in guten Händen sind.«
»Was allerdings fraglich ist. Aber ich verstehe schon. Und ich weiß Ihre Hilfe sehr zu schätzen. Sie scheinen ja so etwas wie eine Gewohnheit daraus zu machen, mich zu retten.«
»Wie gesagt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort.« Er ging zu einer Bank und setzte sich, meinen völlig hingerissenen Hund noch immer auf dem Arm. Seufzend folgte ich den beiden. Hatte ich eine andere Wahl? Ich meine, immerhin hatte er meinen Hund.
»Tja.« Ich setzte mich auf die Kante der Bank und wünschte mir inbrünstig, ein Team von Extreme Makeover würde aus dem Gebüsch springen und mich mit der geölten Präzision einer Formel-1-Pit-Crew mit Kamm, Lockenstab, Make-up und ein paar anständigen Kleidern im Handumdrehen in Schuss bringen. »Ich fürchte, ich bin im Moment in keinem sonderlich präsentablen Zustand.«
Er runzelte die Stirn, dann lächelte er. »Ethan McCay. Eigentlich hätte ich mich gestern Abend schon vorgestellt, aber Sie hingen ja ziemlich in den Seilen.«
»Nicht gerade mein Glanzmoment.«
»So, und wer ist das hier?«, lenkte er geschickt vom Thema ab.
»Bentley.« Ich lächelte, als sich besagter Hund genüsslich und mit wie verrückt wedelndem Schwanz auf der Bank zwischen uns ausstreckte.
»Wie der Wagen?«
»Genau.« Ich nickte. »Mein Großvater hatte zwei davon. Klassiker aus den Fünfzigern. Als Kind bin ich schrecklich gern darin herumgefahren. Deshalb ist der Name wohl ein Tribut an ihn. Wenigstens teilweise.«
»Ein prima Name für einen Hund.«
»Finden Sie? Dillon hat ihn nie gemocht.«
»Dillon?«
»Mein Exfreund«, sagte ich und wünschte im gleichen Moment, ich hätte es nicht getan. »Der, von dem ich mich gestern Abend getrennt habe. In Wahrheit ist Bentley sein Hund. Wenigstens rein rechtlich gesehen. Aber Dillon ist nicht gerade der fürsorgliche Typ. Zumindest nicht im Hinblick auf Hunde. Und da er häufiger bei mir war als bei ihm, erschien es einfacher, Bentley zu mir zu nehmen. Und unter diesen Umständen vermute ich …«
»Dass das Recht auf der Seite des Besitzenden ist?«, beendete Ethan meinen Satz.
»So etwas in der Art. Ich hatte noch keine Gelegenheit, in Ruhe darüber nachzudenken. Ich weiß nur, dass ich ihn nicht einfach hergeben werde.«
»Das kann ich Ihnen nicht verdenken. Außerdem habe ich den Eindruck, als wäre Bentley besser dran, wenn er bei Ihnen bleibt.«
Ich wartete darauf, dass er fortfuhr, doch er schwieg. Die Stille zwischen uns rangierte irgendwo zwischen Verlegenheit und Behaglichkeit.
»Sie wollten wohl weiterlaufen«, sagte ich irgendwann, eher aus höflicher Notwenigkeit als aus dem Wunsch, ihn gehen zu lassen.
»Ist schon gut«, erwiderte er. »Ich war sowieso fast fertig. Und es ist nett, Gesellschaft zu haben, während ich ein bisschen abkühle.«
»Wohnen Sie hier irgendwo?«, fragte ich und versuchte mir vorzustellen, wie sein Apartment aussehen mochte.
»Ja, ein paar Blocks von der Met entfernt«, antwortete er und nickte in Richtung Fifth Avenue. Zumindest vermutete ich das. Aufgrund der Jagd nach Bentley durch die verschlungenen Parkwege hatte ich ein wenig die Orientierung verloren.
»Wow. Tolle Adresse.« In Wahrheit fand ich sie grauenhaft. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für eine Schmährede über den Lebensstil der Upper East Side.
»Eigentlich wohne ich nur dort, bis ich etwas anderes gefunden habe. Ich bin erst seit ein paar Wochen wieder in der Stadt.«
»Ach ja?« Meine Neugier war augenblicklich erwacht. »Wo waren Sie denn?«
»Ach, hier und dort. Meine Familie besitzt mehrere Firmen, und ich bin herumgereist und habe mich um die juristischen Angelegenheiten gekümmert.«
»Dann sind Sie also Anwalt.« Upper East Side und Anwalt. Das passte ja perfekt. Trotzdem, er hatte mir das Leben gerettet, na ja, zumindest beinahe.
»Ja. Wirtschaftsrecht. Aber im Moment kümmere ich mich um die Familiengeschäfte. Mein Vater hat einen Herzinfarkt erlitten, deshalb bin ich eingesprungen.«
Okay, eindeutig Upper East Side. Ich lächelte. »Sie sagten gerade, Sie seien wieder in der Stadt. Das heißt, Sie haben auch schon früher hier gelebt?«
»Ja, ich bin hier aufgewachsen, und der Großteil meiner Familie lebt hier oder zumindest in der Nähe. Und Sie?«
»So ähnlich. Nur dass ich nie weg war. Ich bin in der Nähe des Carl Schurz Park aufgewachsen. Mit meiner Tante und meiner Großmutter. Nach dem Studium an der NYU bin ich nach SoHo gezogen.«
»Ach ja, Sie sagten ja gestern Abend, Ihr Apartment sei ganz in der Nähe. Ist der Central Park dann nicht ziemlich weit für Sie?«
»Meine Tante wohnt auf der Fifth. 927. Das Haus, in dem sich Pale Male, der berühmte Bussard, eingenistet hat. Ich habe heute bei ihr übernachtet, weil der Arzt meinte, ich könnte nicht allein bleiben.«
»Wahrscheinlich ein kluger Rat«, erwiderte er nickend und kraulte Bentleys Fell. »Sie hatten möglicherweise eine Gehirnerschütterung. Und wie fühlen Sie sich jetzt?«
»Ganz gut, wenn man die Umstände bedenkt. Ich habe ein paar blaue Flecken und musste genäht werden, aber ich bin eindeutig auf dem Weg der Besserung. Ich konnte sogar meine Sendung heute Morgen aufzeichnen.«
»Ihre Sendung?«, hakte er nach.
»Ja. Ich habe eine eigene Sendung im Fernsehen. Auf dem Gourmet Channel.« Ich erzählte ihm von Was kocht in der Stadt? und der unerwarteten Chance, den Sprung ins Hauptabendprogramm zu schaffen, und auch von meinem überenthusiastischen Vorschlag und der Zwickmühle, in die er mich gebracht hatte. Eigentlich gehörte ich nicht zu den Menschen, die ihr Herz wildfremden Leuten ausschütteten, aber allem Anschein nach konnte ich es mir nicht verkneifen.
»Kurz gesagt«, erklärte er schließlich und kraulte Bentley noch immer hinter den Ohren, »Sie haben sich selbst in die Ecke manövriert. Sie müssen Philip DuBois für die Sendung gewinnen, sonst bekommt einer Ihrer Konkurrenten den Programmplatz.«
»So könnte man es zusammenfassen, ja. Was heißt, dass ich mich mit meiner großen Klappe geradewegs ins Aus katapultiert habe.«
»Aber bestimmt geben Sie nicht so einfach auf.«
»Na ja, nein, das werde ich nicht. Aber hätte ich Zeit zum Nachdenken gehabt, ich meine, richtig Zeit, hätte ich einen solchen Vorschlag niemals gemacht. Aber leider neige ich dazu, erst zu reden und dann zu denken.«
»Aber es klingt so, als hätte Ihre Producerin ein bisschen vorschnell gehandelt.«
»Na ja, das macht nun mal ihren Charme aus. Oder zumindest ihren Erfolg. Aber wie auch immer, die Einzige, der ich einen Vorwurf machen kann, bin ich selbst. Und jetzt muss ich mir etwas einfallen lassen. Daher auch der Spaziergang im Park.«
»Ein hervorragender Ort zum Nachdenken.«
»Nur leider ist mir noch nicht allzu viel eingefallen. Der Mann ist unglaublich publicityscheu. Was bedeutet, dass es so gut wie unmöglich ist, an ihn heranzukommen. Trotzdem – wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.«
»Müsste ich wetten, würde ich mein Geld definitiv auf Sie setzen.«
»Wenn Sie das sagen …«
»Und normalerweise irre ich mich in diesen Dingen nie.«
»Ein sehr netter Gedanke.« Ich lächelte, als mich ein Anflug von Schüchternheit überkam. »Aber all das wird mir leider nichts nützen, wenn mir keine Methode einfällt, wie ich an ihn herankommen kann.«
»Na ja, vielleicht hilft es ja, wenn ich Ihnen sage, dass DuBois’ Firma Metro Media mit seiner PR beauftragt hat. Dort könnten Sie es versuchen.«
»Da hätten wir es wieder mal. Sie kommen und retten mich.« Meine Worte waren aufrichtig gemeint gewesen, doch aus irgendeinem Grund kamen sie schnippisch heraus.
»Wohl kaum«, erwiderte er, während sich das Schweigen mit einem Mal unangenehm anfühlte.
»Tut mir leid, so habe ich es nicht gemeint.« Wieder einmal verfluchte ich im Geiste mein forsches Mundwerk. »Es ist nur … Ich finde es nur seltsam, dass Sie DuBois kennen. Ich meine, erst retten Sie mich, dann meinen Hund und jetzt auch noch meinen Job.«
»Ich habe Ihnen doch nur erzählt, wer mit seiner PR betraut ist. Was Sie damit anfangen, ist Ihre Sache. Und nur fürs Protokoll – ich kenne den Mann nicht persönlich. Die Firma meiner Familie hatte nur einige Male geschäftlich mit ihm zu tun. Das ist alles. Sind Sie immer so zynisch?«
»Nein. Normalerweise bin ich eher Optimistin. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren einfach etwas heftig. Aber ohne Sie wäre es eindeutig noch schlimmer gewesen. Ich wollte wirklich nicht schroff klingen.«
»Schon in Ordnung. Wie Sie selbst sagten, Sie sind im Moment nicht in allerbester Form. Und ich auch nicht.« Er deutete auf sein Lauf-Outfit. »Wieso versuchen wir es nicht einfach noch mal? Beim Essen. Heute Abend?«
»Oh. Ich … äh … ich kann nicht. Ich fürchte, ich habe schon etwas vor.« Was nicht stimmte. Und ich war mir nicht sicher, weshalb ich es behauptete. Aber wenn ich ganz ehrlich war, hatte ich ein wenig Angst vor diesem Ethan McCay. Immerhin liebte ich Dillon, und trotz der Trennung sollte ich nicht an einen anderen Mann denken. Dafür war es viel zu früh.
»Okay«, sagte er achselzuckend, scheinbar ohne etwas von meinem inneren Kampf mitzubekommen. »Wie wäre es dann mit morgen?«
»Nein. Ich kann nicht.« Die Worte klangen schärfer als beabsichtigt, und am liebsten hätte ich sie auf der Stelle rückgängig gemacht.
»Verstehe.« Sein Tonfall wurde merklich kühler.
»Tut mir leid«, erklärte ich eilig. »Aber ich habe mich gerade erst von Dillon getrennt und bin noch nicht bereit für eine neue Beziehung.«
Sein Mundwinkel zuckte kaum merklich. »Ich habe auch nicht von Verlobung gesprochen, sondern wollte Sie nur gern etwas besser kennenlernen.«
»Natürlich. Etwas anderes wollte ich auch nicht andeuten. Es ist nur … im Moment ist alles ziemlich durcheinander. Und ich kann nicht noch mehr Komplikationen gebrauchen. Nicht dass Sie das Problem wären, nein, nein. Sie sind wunderbar. Ich bin diejenige, die völlig durch den Wind ist. Selbst wenn die Sache mit Dillon nicht wäre, ist da immer noch mein Kopf, verstehen Sie, die Verletzungen, die Gehirnerschütterung«, blubberte ich. Selbst Bentley sah mich an, als wären mir zwei Köpfe gewachsen. »Es tut mir sehr leid, und ich weiß, dass sich das völlig idiotisch anhört. Ich bin Ihnen sehr dankbar für alles, was Sie für mich getan haben. Ich meine, lieber Himmel, eigentlich sollte ich Sie zum Essen einladen. Als Dank. Immerhin habe ich Ihr Jackett ruiniert. Und Ihren Abend bestimmt mit dazu. Aber ich weiß nicht, ob ich all dem im Moment gewachsen bin.« Innerhalb von nicht einmal fünfzehn Sekunden hatte ich es geschafft, ein leichtes Durcheinander in ein völliges Chaos zu verwandeln.
»Ist schon gut«, sagte er und legte seine Hand auf meine. »Ich verstehe das. Wirklich.«
Ich biss mir auf die Lippe und kam mir vor, als wäre ich gerade sechzehn geworden. »Tut mir leid.«
»Also«, sagte er und griff in seine Tasche. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich gebe Ihnen meine Karte, und Sie rufen mich an, wenn Sie es sich anders überlegen.« Er reichte mir seine Visitenkarte.
Ich nickte und schob sie in die Tasche. Allem Anschein nach hatte mich nun auch noch mein Sprechvermögen im Stich gelassen.
Ethan erhob sich, worauf Bentley schwanzwedelnd von der Bank sprang, offenbar bereit, seinem neuen Freund zu folgen, wohin er auch gehen mochte. Die Vorbehaltlosigkeit seines Vertrauens war geradezu beneidenswert. »Mein Hund ist anscheinend völlig vernarrt in Sie.«
»Tja, das spricht wohl für mich. Oder?«
»Diese Art von Bestätigung brauchen Sie nicht. Mit Ihnen ist alles in bester Ordnung. Wie gesagt, es liegt nur an mir. Im Moment bin ich leider für nichts zu gebrauchen. Aber allein die Tatsache, dass Sie es in Erwägung ziehen, weiß ich sehr zu schätzen. Mehr als Ihnen bewusst ist.«
Er streckte die Hand aus, um mir eine widerspenstige Strähne hinters Ohr zu streichen, und beugte sich so weit vor, dass ich die Wärme seines Atems spüren konnte. »Dann rufen Sie mich an.«
Unsere Blicke trafen sich für einen Moment, und mir dämmerte, dass ich an diesen Augenblick wahrscheinlich stets mit Reue zurückdenken würde. Doch bevor ich den Mut aufbrachte, etwas zu sagen, war er verschwunden – was wahrscheinlich das Beste war.
Zumindest sagte ich mir das.
Aber so richtig glaubte ich es nicht. Und nach dem Ausdruck auf Bentleys kleinem Pelzgesicht zu urteilen, er ebenso wenig.