Kapitel 19

»Wären wir nicht bereit, ihnen ihre Schwächen zu verzeihen, gäbe es keine Beziehungen. Alle Männer lügen wegen irgendetwas«, erklärte Harriet und studierte die Speisekarte. »Der eine mehr, der andere weniger.«

»Wenn Sie nicht so recht hätten«, lachte Clinton, »wäre ich jetzt beleidigt.«

»Anwesende sind natürlich ausgenommen.« Meine Großmutter nippte an ihrem Martini.

Wir drei saßen beim Mittagessen in einem meiner Lieblingsrestaurants – davidburke & donatella. Mit seiner Kombination aus drei Vierteln Zirkus und einem Viertel Jahrhundertwende-Stadtvilla stellt es eine erhabene Kombination aus traditioneller Eleganz und einzigartiger Schrulligkeit dar. Die Ausstattung ist beinahe ebenso wunderbar wie das Essen, allen voran die Lithografien von Tony Meeuwissens Spielkarten an den Wänden und auf der Speisekarte und ein Arrangement riesiger Glasballons, das jeden Glasbläser Muranos mit Stolz erfüllen würde.

»Meinst du, es war richtig, Ethan noch eine Chance zu geben?«, fragte ich.

»Definitiv«, erwiderte Harriet nickend. »Ich meine, der Mann ist reich, sieht gut aus und ist völlig verrückt nach dir. Was könnte man so jemandem nicht verzeihen?«

»Diana Merreck.« Clinton verdrehte die Augen.

»Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen«, konterte meine Großmutter. »Niemand kann das.«

»Dagegen kann ich wohl nichts sagen«, erwiderte ich seufzend beim Gedanken an Althea. »Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass noch etwas in der Luft hängt …«

»Hoffentlich kein Amboss«, bemerkte Clinton mit einem sarkastischen Grinsen.

»Sehr witzig. Aber das ist nicht zum Lachen. Okay, ich bin nicht berühmt für meine klugen Entscheidungen, was Männer angeht. Und obwohl ich weiß, dass Ethan nicht Dillon ist, habe ich Angst, ich könnte vorschnell sein.«

»Habe ich etwa einen Heiratsantrag verpasst?«, fragte Clinton.

»Nein. Natürlich nicht.«

»Dann gibt es doch kein Problem. Geh es einfach langsam an und warte ab, wie es läuft. So etwas nennt man ›einen Partner besser kennenlernen‹.« Clinton zuckte lachend die Achseln.

»Ein kluger Rat.« Harriet nickte. »Das Leben ist zu kurz, um nicht das eine oder andere Wagnis einzugehen.«

Genau das hatte ich auch gedacht. Trotzdem konnte ich ein Fünkchen Besorgnis nicht leugnen. »Exakt dieses Wagnis ist Bethany eingegangen, und sieh dir an, was ihr passiert ist.«

»Sie hat Panik bekommen«, erklärte Clinton.

»Sie hat Panik bekommen?«, hakte ich stirnrunzelnd nach. »Michael ist derjenige, der überreagiert.«

»Wenn du mich fragst, reagieren beide ein bisschen übertrieben«, sagte er.

»Als ich Niko begegnet bin«, erklärte Harriet und hob ihren Martini an die Lippen, »musste ich nicht zweimal überlegen, ob ich mit ihm durchbrenne. Ich hab’s einfach getan.«

»Ohne eine Sekunde zu zögern?«, hakte Clinton nach.

»Ohne eine Sekunde«, bestätigte sie.

»Und hast du es nie bereut?«, fragte ich, obwohl ich ziemlich sicher war, die Antwort zu kennen. Wie meine Mutter war auch meine Großmutter ein Freigeist – eine Frau, die ihrem Herzen folgte und nicht dem Diktat der Gesellschaft.

»Natürlich gab es Momente der Reue«, erwiderte sie zu meinem großen Erstaunen. »Ich habe meinen Vater sehr geliebt. Und es gab Zeiten, in denen ich meine Familie mehr vermisst habe, als ich sagen kann. Aber das heißt nicht, dass ich die falsche Entscheidung getroffen habe. Meine Liebe zu Niko war so groß, dass ich bereit war, alles für ihn aufzugeben. Aber selbst wenn man weiß, was man zu tun hat, bedeutet das nicht, dass es keinen Preis dafür gibt. Man muss nur bereit sein, ihn zu zahlen.«

Noch nie hatte ich so … pragmatische Worte aus dem Mund meiner Großmutter gehört. Und ich war keineswegs sicher, ob es ihr wahres Ich war, das aus ihr sprach. Oder vielleicht wollte ich auch nur nicht diese Seite an ihr sehen. Vermutlich hatte ich mich immer an dem Gedanken festgehalten, dass sie mit meinem Großvater fortgegangen war, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Die Vorstellung, dass es nicht so gewesen war, mutete seltsam an.

Andererseits war ich vielleicht spitzfindig, wie so oft. Schließlich hatte ich schon immer dazu geneigt, die Dinge ein wenig überzuanalysieren. Aber wie auch immer …

»Ich weiß nie, was ich hier nehmen soll«, sagte meine Großmutter und studierte immer noch die Speisekarte. »Was um alles in der Welt soll ein Meerwasserhuhn sein? Ein letztes Fundstück aus der Titanic

»Nein.« Clinton lachte. »Das wäre mittlerweile steinalt. Außerdem ist es ein in Meerwasser mariniertes Huhn.«

»Das ist doch das Gleiche. Wer will schon ein ertrunkenes Huhn auf dem Teller?«

»Harriet«, sagte ich lächelnd. »Das bedeutet nur, dass es in Salzwasserlake mariniert wurde. Genau das macht es ja so saftig.«

»Wieso schreiben sie das dann nicht einfach hin?« Stirnrunzelnd schlug sie die Speisekarte zu. »Ich verstehe diese neumodischen Speisekarten nicht. Da stehen so viele Alliterationen und blumige Umschreibungen, dass keiner eine Ahnung hat, was er auf den Teller bekommt. Entweder ist alles mit einer Kruste von irgendetwas versehen – was an sich schon grässlich klingt –, oder es wird mit Zutaten serviert, von denen ich noch nie gehört habe und die ich folglich auch nicht aussprechen kann. Und dann wird alles aufeinandergehäuft, so dass keiner mehr die einzelnen Lebensmittel unterscheiden kann.«

»So etwas bezeichnet man als Vertical Cuisine«, erklärte ich. »Dabei werden die Zutaten nach oben ausgerichtet statt horizontal.«

»Ich möchte mein Essen lieber nebeneinander, herzlichen Dank«, entgegnete Harriet.

»Am besten auf einem unterteilten Teller«, sagte ich lachend und reichte dem Kellner die Speisekarte. »Ich nehme die Hummercremesuppe und danach den Forellenbarsch.« Der Fisch wurde mit Fenchel-Blumenkohl-»Risotto« und einem Relish aus Artischocken und Limonen in Picholine-Olivenöl serviert. Das klang exotisch. Was es für mich nur umso aufregender machte. Zu sehen, wie ein Meisterkoch verschiedene Elemente zu einem perfekten Gericht zusammenfügte, war für mich schon das halbe Vergnügen. Und Eric Hara war ein wahrer Meister darin.

»Ich nehme das Hühnchen«, erklärte Harriet strahlend. »Und noch einen Martini. Was passt besser zu einem feuchten Hühnchen als eine feuchte Kehle?«

»Ich glaube nicht, dass Wodka als Flüssigkeitszufuhr gilt«, erklärte Clinton kopfschüttelnd, nannte dem Kellner seine Wünsche und reichte ihm seine Karte. »Und, haben Sie vor, eine Weile in New York zu bleiben?«

»Ich glaube nicht«, erwiderte Harriet. »Ich bin nur zurückgekommen, um zu sehen, ob es Andi gut geht.«

Aber Andi ging es nicht gut. Mein ganzes Leben schien aus den Fugen geraten zu sein. Nicht dass ich das jemals zugeben würde – trotzdem hätte es mich gefreut, wenn es ihr aufgefallen wäre.

»Die Wahrheit ist«, fuhr Harriet fort, ohne auch nur ansatzweise zu ahnen, was in mir vorging, »dass ich mich seit Nikos Tod hier nicht mehr wohlfühle. Zu viele Erinnerungen. Hier gibt es nichts mehr, was mich noch hält.«

»Was ist mit mir?« Die Worte waren in einem spontanen Anfall von Unmut aus mir herausgesprudelt.

»Ach, Schatz«, sagte sie und klang mit einem Mal genau wie Althea. »Du weißt doch, wie ich das meine. Nach dem Tod deines Großvaters und dem Verschwinden deiner Mutter brauche ich einfach etwas Raum für mich. Es hat nichts mit dir zu tun. Ich bin doch sofort gekommen, als du mich brauchtest.«

»Ich weiß«, seufzte ich. »Ich wollte damit auch nicht andeuten, dass du dich nicht um mich kümmerst. Es wäre nur nett, wenn du eine Weile bleiben würdest.«

Sie tätschelte meine Hand und gab gleichzeitig dem Kellner ein Zeichen. »Ich glaube, ich hatte noch einen Drink bestellt? Also wirklich«, sagte sie und wandte sich wieder mir zu. »Der Service ist auch nicht mehr das, was er mal war. Ach, Schätzchen, du weißt doch, dass ich dich liebe. Aber Ende der Woche werde ich in Paris erwartet. Graf Barogie gibt eine große Party. Alle werden dort sein. Ich habe sogar gehört, deine Mutter könnte auftauchen.«

Da haben Sie’s. Die Chance, meine Mutter zu sehen, war wichtiger als alles, was ich ihr bieten könnte. Einen Moment lang fragte ich mich, ob Althea sich ebenfalls so von ihr zurückgesetzt fühlte. Wie die daheimgebliebene Tochter, die hinter der verlorenen zurückstand.

Ich schüttelte den Kopf und schob diese seltsamen Gedanken entschlossen beiseite. Mitleid mit Althea war so ziemlich das Letzte, was ich empfinden wollte.

»Dir ist klar, dass sie wahrscheinlich nicht auftauchen wird«, sagte ich.

»Macht sie das häufiger?«, fragte Clinton mit unübersehbarem Interesse an unserer schmutzigen Wäsche.

»Sobald ich in der Nähe bin, bleibt Melina meistens in der Versenkung«, sagte Harriet resigniert. »Obwohl ich nie verstanden habe, warum. Schließlich war ich nicht diejenige, die sie aus dem Haus getrieben hat. Obwohl ich mich wahrscheinlich auf Altheas Seite geschlagen hätte, wenn es hart auf hart gekommen wäre.« Dies war eindeutig ein Tag für Überraschungen. Harriet ergriff normalerweise nie Partei für Althea.

»Was meinst du damit?«, hakte ich nach.

»Eigentlich nichts.« Sie zuckte die Achseln. »Alles Schnee von gestern. Melina hat sich für ihr Leben entschieden und ich mich für meines.«

»Also sehen Sie sich in Wahrheit gar nie?«, fragte Clinton.

»Oh, ein- oder zweimal im Jahr kreuzen sich unsere Wege«, räumte Harriet ein. »Aber nie für lange. Wie ich selbst hält auch Melina es nie länger irgendwo aus.«

»Wenigstens hast du sie gesehen«, sagte ich, unfähig, den wehmütigen Tonfall zu unterdrücken. »Ich höre überhaupt nie von ihr.«

»Sie schickt dir doch Karten«, wandte meine Großmutter ein. »Und Geschenke.«

»Wenn sie zufällig daran denkt, aber das ist nicht dasselbe.« Dabei hatte ich mich über alles gefreut, was ich von ihr bekommen hatte. Und die Postkarten hob ich in einer Schachtel unter meinem Bett auf. Auch wenn es kindisch war. Geradezu albern, wenn man bedachte, dass nie etwas anderes darauf stand als »Alles Liebe, Mutter«. Ich klammerte mich an eine Handvoll rührseliger Gefühlsduseleien aus der Feder eines Hallmark-Texters, den ich noch nicht einmal persönlich kannte.

»Wenigstens beweist das, dass sie an dich denkt«, erklärte Harriet. »Sie gehört eben nur nicht zu denen, die es zeigen.«

»Früher schon«, widersprach ich. »Ich erinnere mich an sie aus der Zeit, bevor Althea sie aus dem Haus getrieben hat. Sie war eine gute Mutter.«

»Das Gedächtnis ist subjektiv, Andi. Wir alle sehen nur das, was wir sehen wollen.« Sie lehnte sich zurück, als der Kellner ihren Martini servierte. »Aber genug von Melina.«

»Meine Schuld«, erklärte Clinton entschuldigend. »Ich habe damit angefangen. Ich fürchte, die Neugier hat mich gepackt.«

»Verständlich«, sagte Harriet lächelnd. »Unsere Familie ist auch etwas ungewöhnlich.«

»Glauben Sie mir«, erwiderte Clinton lachend, »im Vergleich zu meiner eigenen ist das gar nichts. Und ich kann sehr gut verstehen, wenn jemand den Drang verspürt, wegzugehen.«

Ich ebenfalls. Nur dass wir im Moment von dem Drang redeten, von mir wegzugehen. Was kein allzu angenehmer Gedanke war.

»Es ging doch nie um dich, Andi«, sagte meine Großmutter, die offenbar meine Gedanken gelesen hatte. »Das muss dir klar sein.«

»Ist es wohl auch. Trotzdem bin ich diejenige, die unter den Folgen zu leiden hat. Aber du hast recht, das ist Schnee von gestern. Bestimmt fällt uns ein besseres Gesprächsthema ein.«

»Hat sich etwas Neues wegen deiner Sendung ergeben?« Harriet lächelte mich voller Wärme an, worauf ich mich augenblicklich besser fühlte. Meine Familie mochte ein bisschen abgedreht sein, aber auf ihre eigene Art liebten sie mich. »Soweit ich verstanden habe, bist du doch wieder an Philip DuBois dran?«

»Sieht ganz danach aus«, antwortete ich. »Cassie klärt in diesem Moment die letzten Details. Obwohl ich zugeben muss, dass ich kaum eine ruhige Minute haben werde, bis wir endlich vor diesem Mann stehen.«

»Offenbar neigt er dazu, seine Meinung zu ändern«, bemerkte sie.

»Oder sie ändern zu lassen«, warf Clinton stirnrunzelnd ein.

»Damit wären wir wieder bei Diana.«

»Leider«, seufzte ich. »Sie scheint neuerdings der Dreh- und Angelpunkt meines Lebens zu sein.«

»Kein sehr angenehmer Gedanke.« Clinton schauderte. »Wenigstens hat sie sich offenbar für den Augenblick in die Schlangengrube zurückgezogen, aus der sie gekommen ist.«

»Mit Dillon.«

»Wenn er so dumm ist«, erklärte meine Großmutter, »verdient er, was er bekommt, würde ich sagen.«

Ich lachte. »Jedenfalls hat sie es nicht geschafft, uns in die Pfanne zu hauen, was?«

»Darauf kannst du wetten.« Clinton hob die Hand, und wir klatschten uns ab.

»Der süße Geruch des Erfolgs.« Harriet prostete uns mit ihrem Martini zu. Wir stießen an und lehnten uns zurück, als der Kellner unsere Vorspeisen servierte.

Meine Hummercremesuppe sah köstlich aus, dampfend heiß und mit einem göttlichen Aroma. Quer über der Suppenschale lag ein hauchdünnes, knusprig gebackenes Hummer-Brötchen. Ein wahres Kunstwerk, appetitanregend und doch beinahe zu perfekt, um es zu verspeisen. (Ich sagte es ja bereits – das d&d war ein fantastisches Restaurant.)

Höfliches Schweigen breitete sich aus – Sie wissen schon, wie in einem vollen Aufzug, wenn sich alle auf die kleinen Ziffern auf der Leuchtanzeige konzentrieren, als hänge ihr Leben davon ab. Nur dass es in diesem Fall Hummercreme, Krabbentörtchen und Sashimi waren.

Nachdem alle ihr Essen probiert hatten, nahm Harriet den Gesprächsfaden wieder auf. »Und werdet ihr beide bei dem Termin anwesend sein?«

»Nein.« Clinton schüttelte den Kopf. »Nur Andi und Cassie. Und Ethan.«

»Ich verstehe nicht ganz, weshalb Ethan dabei sein muss.« Meine Großmutter lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück.

»Da sind wir schon zwei«, stimmte Clinton zu und schob sich ein Stück von dem Krabbentörtchen in den Mund.

»Ich dachte, du wärst für Ethan«, protestierte ich. »Hast du nicht vorhin erst gesagt, ihm zu verzeihen, sei das Richtige gewesen?«

»Ich denke eher, ihr habt euch gegenseitig verziehen.« Clinton hob vielsagend die Brauen. »Immerhin hast du ziemlich gemeine Rückschlüsse gezogen.«

»Dank deiner Hilfe.« Ich musterte ihn mit gespielter Strenge.

»Das stimmt«, bestätigte er. »Aber die Fakten schienen die Vermutung zu untermauern.«

»Ihr wisst ja, was man über Vermutungen sagt«, meldete sich Harriet zu Wort.

»Ja, ich weiß es«, lachte ich. »Und es ist absolut richtig. So viel steht fest.«

»Tja, scheint, als wäre am Ende doch noch alles gut ausgegangen. Aber du hast es geschafft, vom Thema abzulenken. Ich wollte doch wissen, was Ethan McCay mit DuBois und deiner Sendung zu schaffen hat.«

»Erstens ist er der Grund, weshalb wir einen neuen Termin mit DuBois bekommen haben.«

»In Wahrheit haben wir es eher Mathias Industries zu verdanken, dass sich diese Tür geöffnet hat«, wandte Clinton ein.

»Ja, das stimmt, und in diesem Fall ist es praktischerweise ein und dieselbe Person. Und selbst wenn es nicht so wäre, DuBois hat darum gebeten, dass Ethan mitkommt. Als unabhängiger Beobachter, schätze ich.«

»Unabhängig ist er wohl kaum.« Harriet schüttelte den Kopf. »Ethan steckt doch bis zum Hals drin. Seine Cousine hat die Probleme überhaupt erst verursacht.«

»Genau aus diesem Grund ist es mir nicht ganz recht, dass er mitkommt«, erklärte Clinton seufzend. »Aber ich kann nicht viel dagegen tun, also hoffen wir einfach, dass es tatsächlich die beste Entscheidung ist.«

»Vielleicht solltet ihr euch überlegen, ob ihr euch nicht jemand anderen für die Sendung sucht«, sagte Harriet. »Jemanden, der nicht ganz so launenhaft ist. Selbst wenn DuBois in dieser Sekunde zusagt, kann euch keiner garantieren, dass er es sich zehn Minuten später nicht wieder anders überlegt.«

»Daran habe ich auch schon gedacht«, erwiderte Clinton. »Aber DuBois ist nun mal der Bedeutendste in der Branche. Und das in Verbindung mit seiner Aversion gegen öffentliche Auftritte macht ihn geradezu unwiderstehlich. Ein echter Quotengarant.«

»Und wir werden ihn dazu bringen, uns eine Zusage zu geben. Ich weiß es einfach.« Wäre ich doch nur so zuversichtlich, wie ich klang.

»Wenn positive Gedanken Berge versetzen könnten …«, bemerkte Harriet lächelnd, als Clintons iPhone mit einem Piepsen den Eingang einer Nachricht signalisierte.

»Entschuldigung«, sagte er und zog das Telefon heraus, um die Nachricht zu lesen.

»Ihr jungen Leute mit eurem Multitasking«, sagte Harriet. »Ich würde das nie im Leben hinkriegen.«

»Ehrlich gesagt bin ich ganz deiner Meinung.« Ich lächelte. »Immer eins nach dem anderen. Aber ich glaube, wenn man es wirklich gern möchte, schafft man es bestimmt ganz leicht.«

»Ich bin nicht sicher, ob das auch für mich gelten würde, aber zum Glück brauche ich all das nicht. Um auf DuBois zurückzukommen – ich wollte keinesfalls den Teufel an die Wand malen, sondern frage mich nur, ob es vielleicht andere Alternativen gäbe. Angesichts der Ereignisse verstehe ich nicht, wie du ihm trauen kannst.«

»Wenn wir ihn zu dem Auftritt bewegen können«, sagte Clinton und scrollte noch immer durch die Textnachricht, »können die Juristen des Senders dafür sorgen, dass er keine Gelegenheit hat, sich aus dem Vertrag herauszuwinden.«

»Also muss ich ihn nur noch überzeugen, Ja zur Sendung zu sagen.«

»Morgen.« Clinton verstaute das iPhone in seiner Tasche. »Das war Cassie. Alles ist unter Dach und Fach. Du triffst dich mit ihm in seinem Büro.«

»Nur DuBois?«, fragte ich, während sich mein Magen bereits vor Anspannung verkrampfte.

»Nein. Monica wird auch dabei sein. Und Ethan natürlich.«

»Klar. Nur wir fünf. Vielleicht solltest du ja doch mitkommen.«

»Du brauchst mich nicht.« Clinton tätschelte meine Hand. »Du schaffst das schon. Wenn es darauf ankommt, wächst du doch immer über dich hinaus.«

»Eine echte Sevalas«, bemerkte Harriet nickend und gab dem vorbeikommenden Kellner ein Zeichen. »In diesem Sinne – ich denke, wir könnten alle noch einen Drink vertragen.«

Und zum ersten Mal in meinem Leben waren meine Großmutter und ich vollkommen einer Meinung.