Kapitel 22

Ich ließ den Blick über die Gäste schweifen und konnte nur staunen, dass sich im Grunde nichts verändert hatte. Die Leute lachten, der Champagner floss nach wie vor in Strömen. Und trotzdem war alles anders. Auf diese typisch undefinierbare Weise, mit der sich das Leben ohne jede Vorwarnung ändern kann.

In der einen Minute scheint die Welt noch hellblau zu sein, und mit einem Mal ist alles grün und lila. Okay, dieses Bild trifft es vielleicht nicht ganz. Aber Sie verstehen, was ich sagen will. Ich hatte so lange den Verlust von Dillon betrauert, dass mir die Tatsache, Ethan gefunden zu haben, glatt entgangen war.

Nur um ihn, zumindest für den Augenblick, gleich wieder zu verlieren. Es war unmöglich, in den Massen jemanden auszumachen.

»Hallo«, hörte ich Clinton sagen, der mit zwei Wodka Tonics bewaffnet neben mich trat. »Ich habe dich mit Dillon reden sehen und dachte, du könntest einen gebrauchen.«

»Genau das, was mir der Arzt verordnet hat«, seufzte ich und nahm dankbar das Glas entgegen.

»Alles in Ordnung?«, fragte Clinton mit sorgenvoll gefurchter Stirn.

»Es geht mir gut.« Ich lächelte. »Sogar besser als gut.«

»Wirklich?«, hakte er nach, offenbar unsicher, wie er mit meiner neugewonnenen Euphorie umgehen sollte. »Ich habe überlegt, ob ich dazwischengehen soll, aber dann erschien es mir klüger, es dich alleine regeln zu lassen. Also habe ich lieber einen Drink besorgt und bin zurückgekommen, für den Fall, dass du mich brauchst, um die Scherben zusammenzukehren.«

»Da gibt es nichts zusammenzukehren«, versicherte ich ihm. »Dillon wollte sich nur für Dianas Benehmen entschuldigen.«

»Ich weiß nicht recht, ob eine Entschuldigung reichen würde. Selbst wenn sie von Diana persönlich käme.«

»Das Gleiche habe ich ihm im Prinzip auch gesagt. Trotzdem muss man zugeben, dass es ein netter Zug war.«

»Mag sein.« Seine Loyalität rührte mich. »Und mehr wollte er nicht?«

»Er hat mir das alleinige Sorgerecht für Bentley überlassen«, erwiderte ich, als Versuch, seiner Frage auszuweichen.

»Andi …« So einfach würde er mich nicht davonkommen lassen.

»Na gut«, stöhnte ich mit einem Anflug von Gereiztheit. »Er meint, er hätte ein schlechtes Gewissen wegen dem, was zwischen uns vorgefallen ist.«

»Schlechtes Gewissen im Sinne von zurückhaben wollen?«, hakte Clinton stirnrunzelnd nach und sprach damit meinen eigenen ursprünglichen Verdacht aus.

»Keine Ahnung. Aber ich habe ihm den Wind aus den Segeln genommen und erklärt, ich sei mit meinem Leben, so wie es jetzt ist, sehr glücklich, und es gäbe nichts mehr zwischen uns zu besprechen. Und dann habe ich mich auf die Suche nach Ethan gemacht.«

»Ich habe ihn vorhin noch mit Mark gesehen, seitdem aber nicht mehr.« Clinton machte eine Geste in Richtung Champagnerquelle. »Sie waren ins Gespräch vertieft, und ich habe etwas von ›Aufkauf‹ und ›Synergie‹ gehört.«

»Klingt ziemlich öde.«

»Genau«, sagte er und grinste süffisant. »Jedenfalls stand ein älterer Mann bei ihnen. Sah sehr distinguiert aus.«

»Grauer Anzug. Weißes Haar. Buschige Brauen?«

»Und eine verdächtig dezente Krawatte.« Clinton nickte. »Klingt, als würdest du ihn kennen.«

»Walter Mathias. Ethans Großvater. Ethan hat mich ihm vorgestellt.«

»Ich hätte ihn erkennen müssen. Sein Foto ist oft genug in der Zeitung.«

»Aber wenigstens nur im Wirtschaftsteil. Ganz im Gegensatz zu Althea, die offenbar einen Dauerplatz auf der Gesellschaftsseite hat. Musstest du auch diesen Spießrutenlauf vor der Tür hinter dich bringen?«

»Das ließ sich kaum vermeiden. Zum Glück interessieren sich die Paparazzi nicht sonderlich dafür, was ein alternder Gastwirt zu sagen hat.«

»Du unterschätzt dich.«

»Jemand hat mich tatsächlich gefragt, was Althea zur Hochzeit tragen wird.«

»Ich bin sicher, du konntest durch Sachkenntnis bestechen.«

»Dior«, seufzte er. »Aber das war nicht weiter schwierig. Jeder, der sich in der Szene auskennt, weiß, dass sie bevorzugt Dior trägt.«

»Ich hatte keine Ahnung. Dabei ist sie meine Tante. Ich sage dir, das ist eine Gabe von dir.«

»Die Tatsache, dass du es nicht wusstest, macht mich noch lange nicht zum Wunderkind. Ich bin nur aufmerksamer in diesen Dingen. Und alles, was mit Althea zusammenhängt, interessiert dich eben nicht.«

»Das stimmt wohl«, gab ich zu. »Aber wir sind hier auf einer Party, und ich habe keine Lust, mich über meine Tante zu unterhalten. Oder darüber, wie ich zu ihr stehe. Wo ist Bethany? Ich habe sie noch nicht gesehen.«

»Sie ist hier«, antwortete er. »Wir sind zur gleichen Zeit angekommen. Zuerst waren wir noch zusammen, aber nach ihrem dritten Cosmo habe ich sie verloren.«

»Es geht nichts über ein paar Cocktails, um den Kummer zu vertreiben.«

»Das hast du gesagt, nicht ich. Offen gestanden bin ich nicht sicher, ob es schlau von ihr war, heute Abend herzukommen.«

»Manchmal hilft es, wenn man versucht zu vergessen.«

»Solange man sich dabei nicht zum Affen macht.«

»Ich schließe daraus, dass da noch mehr ist als die Cosmos?«

»Alexander Kerensky. Seit über einer halben Stunde drückt sie sich mit ihm in der Ecke herum.«

»Aber er ist …«

»Ein mieser Schleimbeutel«, beendete Clinton den Satz für mich. »Ganz meine Meinung.«

Alexander Kerensky war ein notorischer Playboy von fragwürdiger Herkunft, der berüchtigt dafür war, wohlhabende Frauen einer gewissen Altersklasse abzuschleppen und danach fallen zu lassen. Bethany gehörte nicht in seine Zielgruppe, was ihn jedoch nicht davon abhielt, zu versuchen, ob er bei ihr landen konnte.

»Ist Michael auch hier?«

»Keine Ahnung, ich hoffe nicht. Wenn auch nur die geringste Chance besteht, dass die beiden sich versöhnen, kann sie es vergessen, wenn Michael sie mit Alexander knutschen sieht.«

»Ich verstehe immer noch nicht, wie Michael so überstürzt Schluss machen konnte. Schließlich hatte sie gar nicht vor, ihn zu verlassen.«

»Offenbar hat er ihre Bitte um Bedenkzeit aber genau so verstanden.«

»Mit Alexander Kerensky herumzumachen, bringt auch nichts. Vielleicht sollte ich mit ihr reden …«

»Ich fürchte, Reden macht es nur noch schlimmer. Am besten, ich behalte sie einfach im Auge. Und bewahre sie davor, etwas zu tun, was sie bereuen könnte.«

»Okay, aber ich bin hier, falls du mich brauchst.«

»Genieß du nur deinen Abend«, erklärte er und hob vielsagend die Brauen.

»Ethan, meinst du.«

»Tja, wenn du dich angesprochen fühlst …«

»Du bist unverbesserlich.« Ich verpasste ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.

»Und stolz darauf. Aber so gern ich hier herumstehen und mit dir plaudern würde, ich glaube, unsere Bethany braucht mich.« Er nickte in Richtung Saalecke, wo sie halbherzig einen von Alexanders gezielt eingesetzten Annäherungsversuchen abwehrte. »Clinton, der Retter, naht.« Lachend machte er sich auf den Weg.

Ich beobachtete, wie er Bethany scheinbar mühelos aus Alexanders Umarmung befreite und sie unter wildem Gestikulieren mit irgendeiner Geschichte von ihm loseiste, während der vor Wut schäumende Alexander in der Ecke zurückblieb.

Ich unterdrückte ein Lachen und wandte mich wieder zur Champagnerquelle um. Inzwischen hatte ich Ethan entdeckt, der noch immer tief ins Gespräch versunken war, nur dass sich das Grüppchen um ihn herum vergrößert hatte. Mark, Walter, Vanessas Vater und einige andere Männer, die ich nicht kannte.

Als hätte er meinen Blick gespürt, hob Ethan den Kopf und lächelte. Mein Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich. Selbst über einen übervollen Ballsaal hinweg brachte dieser Mann mein Herz zum Rasen. Es hatte mich erwischt, und zwar mit allem Drum und Dran. Mit einem angedeuteten Winken nickte ich zu Vanessa und Cybil hinüber, die plaudernd an der Bar standen. Er folgte meinem Blick und nickte, ehe er mit einem neuerlichen Lächeln seine Unterhaltung wieder aufnahm.

Ich ging ein paar Schritte auf Vanessa und Cybil zu, machte jedoch kehrt. Mein Bedarf an Small Talk war für einen Abend gedeckt. Und nicht nur das. Offen gestanden hatte ich keine Lust, über irgendetwas zu reden. Punktum. Am besten, ich ging zur Toilette und überprüfte mein Make-up, und wenn ich zurückkam, war Ethan hoffentlich bereit, für heute Schluss zu machen. Zumindest mit der Party.

Lächelnd verließ ich den Ballsaal.

Auf dem Korridor war es still. Ich blieb einen Moment stehen, um Atem zu schöpfen. Das Pierre erinnerte mich stets an einen französischen Palast – mit seiner Eleganz und Vornehmheit, die die Aura von Luxus und gutem Geschmack heraufbeschworen, war es der perfekte Ort für ein Stelldichein oder eine heimliche Affäre. Das Problem war nur, dass sich das Hotel in einer der betriebsamsten Ecken Manhattans befand. Kopfschüttelnd schob ich meine romantischen Hirngespinste beiseite und machte mich auf den Weg zum Hauptkorridor, als ich Stimmen hörte.

Diana und ihre Freundin, Kitty Wheeler.

Genau das, was ich jetzt brauchte. Der Teufel und sein Gefolge. Ich war zwar nicht bereit, kehrtzumachen und mit fliegenden Fahnen davonzulaufen (obwohl der Gedanke durchaus reizvoll war), aber Diana gegenüberzutreten erschien mir ebenso wenig ratsam. Dies war ein Hotel, und vor der Tür standen mindestens drei Dutzend Reporter. Deshalb war es das Klügste, hoch erhobenen Hauptes an ihnen vorbeizurauschen und zu hoffen, dass es mir ohne Zwischenfälle gelingen würde.

Andererseits brauchte Bethany mich vielleicht.

Gerade als ich um die Ecke biegen wollte, ließ mich etwas an ihrem Tonfall innehalten. Sorgsam darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, beugte ich mich vor.

»O mein Gott«, stieß Diana hervor und packte Kittys Hand. »Du ahnst nicht, was ich gerade herausgefunden habe. Du weißt ja, wie ich ausgeflippt bin, als ich mitbekommen habe, dass mein Cousin mit Andi Sevalas zusammen ist.«

Okay, das war ein Alptraum. Die beiden redeten über mich. Ich presste mich gegen die Wand, wohl wissend, dass ich es bereuen würde, wenn ich weiter lauschte, doch ich war unfähig, mich zu bewegen.

»Natürlich«, erwiderte Kitty. »Wäre er nicht mit ihr zusammen, wäre dein Plan, ihre Sendung kaputt zu machen, tadellos aufgegangen.«

»Und mein Großvater hätte gesehen, was für einen ausgezeichneten Geschäftssinn ich besitze. Ich bin immer noch fassungslos, dass er sich auf Ethans Seite geschlagen hat. Schließlich habe ich nichts Verbotenes getan, sondern nur gesagt, DuBois wäre vielleicht besser dran, wenn er sich mit Mathias zusammentut, als in dieser albernen kleinen Kochsendung aufzutreten.«

»Na ja, wenigstens hast du noch Dillon.«

»Das ist ja ein Riesentrost. Ich meine, er ist toll im Bett und so, aber bestimmt nicht der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen werde. Ihn Andi auszuspannen, war der halbe Spaß daran.«

»Ich finde es immer noch ziemlich schräg, dass Andi ausgerechnet bei deinem Cousin hängen geblieben ist. Ich meine, selbst für Manhattan.«

In diesem Augenblick trat eine Frau in einem schwarzen Prada-Kostüm aus dem Saal. Eilig bückte ich mich und gab vor, an meinem Schuh herumzufummeln, sorgsam darauf bedacht, den Blickkontakt zu vermeiden. Mein Schädel dröhnte, und ich wusste, dass ich schleunigst verschwinden sollte. Aber ich kam mir vor wie das sprichwörtliche Reh im Scheinwerferlicht – man weiß zwar, dass man weglaufen möchte, kann sich jedoch aus irgendeinem Grund nicht vom Fleck rühren.

Die Prada-Lady ging an Diana und Kitty vorbei und verschwand um die Ecke. Sobald sie außer Sichtweite war, richtete ich mich auf und kämpfte mühsam darum, meine widerstreitenden Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, während ich weiter lauschte.

»Aber jetzt hat sich herausgestellt, dass alles halb so wild ist«, fuhr Diana fort. »Genau das versuche ich dir die ganze Zeit zu erzählen. Das Ganze war ein abgekartetes Spiel. Althea hat Ethan gebeten, mit Andi auszugehen. Damit wollte sie ihre Nichte davor bewahren, wie eine erbärmliche Idiotin dazustehen. Als ob das überhaupt möglich wäre. Wieso nicht die Gunst der Stunde nutzen, dachte sie wohl, nachdem mein Cousin sie aus diesem Gemüsekeller gefischt hatte. Andis Ego aufpolieren, indem man sie glauben lässt, Ethan interessiere sich ernsthaft für sie, das war die Absicht dahinter. Ist das nicht eine echte Sensation?«

»Also war das Ganze nur eine Farce? Und Andi hat keine Ahnung?«

»Nicht die leiseste.«

»Wer hat dir das erzählt?«

Mir drehte sich der Magen um, und die Galle stieg mir in der Kehle auf, während mich ein seltsam losgelöster Teil meines Gehirns warnte, mich bloß nicht auf den Teppichboden des Pierre zu übergeben.

»Das ist das Allerbeste daran. Ich habe es aus ihrem eigenen Mund gehört. Althea hat mit einem ihrer Anhänger darüber geredet, und ich habe es zufällig mitbekommen. Sie hat damit angegeben, wie toll sie ist und wie toll es funktioniert.«

»Vielleicht auch nicht«, wandte Kitty ein. »Ich habe Andi vorhin mit Dillon gesehen. Und ihre Unterhaltung wirkte ziemlich eindringlich.«

»Ach, ich bitte dich. Dillon interessiert sich doch nicht für sie. Wahrscheinlich versucht er nur, sich bei ihr einzuschleimen, damit er seinen dämlichen Köter zurückbekommt. Mich interessiert viel mehr, was mein Cousin im Schilde führt.«

»Glaubst du, Ethan tut nur so, als würde er sie mögen?«

»In gewisser Weise glaubt er bestimmt, dass sie ihm etwas bedeutet. Er hat immer schon gern Streunerinnen von der Straße aufgesammelt. Aber im Grunde ist es so, ja. Es ist nur ein Spiel. Und sobald er genug von ihr hat, wird er sie fallenlassen. Das hat er früher auch schon getan. Den strahlenden Prinzen zu spielen, hält man nicht ewig durch. Außerdem bin ich sicher, Althea hat ihm eine Belohnung für diesen Gefallen versprochen. Ich gehe jede Wette ein, dass es etwas mit Mathias Industries zu tun hat. Althea hat jede Menge Kontakte und garantiert Zugang zu hochinteressanten Informationen. Und Ethan würde alles tun, um sich bei Großvater einzuschmeicheln.«

»Und wirst du Andi alles erzählen?«

»Keine Ahnung. Irgendwann. Aber für den Augenblick genieße ich es, zuzusehen, wie sie sich zum Narren macht.«

Tränen liefen mir an der Nase entlang, die ich zornig mit dem Handrücken wegwischte. Ich traute meinen Ohren nicht. Die Vorstellung, dass Althea jemanden gebeten hatte, so zu tun, als würde er mich mögen, damit ich nicht am Boden zerstört wäre, weil Dillon mich verlassen hatte … Ich war sprachlos.

Es war die Demütigung des Jahrhunderts.

Ich wusste nicht, auf wen ich wütender war. Auf Althea, weil sie mich verkuppelt hatte, oder auf Ethan, weil er sich auf dieses Spielchen eingelassen hatte. Aber es spielte keine Rolle, denn in diesem Moment hasste ich sie beide.

Wenn auch nicht so sehr wie Diana Merreck.

»Fahrt doch alle zur Hölle«, wisperte ich, wischte mir die Tränen ab und sandte ein Stoßgebet gen Himmel, der Boden des Pierre möge sich auftun und mich für immer verschlingen. Aber natürlich passierte nichts dergleichen. Stattdessen gingen Diana und Kitty weiter und kamen direkt auf mich zu.

»Ich schwöre bei Gott«, sagte Diana, »ich kann nicht glauben, dass sie so dämlich ist, darauf hereinzufallen. Diese Frau kriegt noch nicht einmal mit, wenn sie verkuppelt wird.«

Die beiden lachten, und irgendein tief sitzender Selbsterhaltungstrieb ließ mich kehrtmachen und um die Ecke verschwinden – doch erst, nachdem ich in Dianas boshaft grinsendes Gesicht geblickt hatte.

Ich stürzte zur Treppe hinunter, die ins Erdgeschoss und in die verlockende Freiheit der Fifth Avenue führte. Meine Gedanken überschlugen sich, während mich kalte Wut und brennende Scham zu übermannen drohten. Diana hatte recht. Ich hatte mich zu dem Trugschluss hinreißen lassen, meine Begegnung mit Ethan sei Schicksal. Ich hatte geglaubt, wir seien füreinander bestimmt. Und, um das Ganze noch schlimmer zu machen, ich hatte tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, mich ernsthaft in diesen Mann zu verlieben.

Ich schob mich an einem Partygast im Smoking vorbei, während ich mich zu sammeln versuchte. Wie hatten Althea und Ethan mir das antun können? Und wieso hatte ich ihr Spiel nicht durchschaut?

Althea hatte gewusst, dass ich in den Park gehen würde. Ich hatte sogar erwähnt, dass ich zum Conservatory Water wollte. Womit klar war, dass Ethan gewusst hatte, wo er mich finden würde. Und Althea hatte ihn höchstwahrscheinlich instruiert, was er zu mir sagen sollte. Sie wusste, wie sehr mich Dillons Verrat schmerzte. Und wie sehr ich mich über Ethans Rettung gefreut hatte. Gott, ich hatte mich ihr förmlich auf dem Silbertablett serviert. Es war alles ein abgekartetes Spiel gewesen. Nichts als Lügen und Manipulation.

Auf halbem Weg die Treppe hinunter fiel mir ein, dass eine Horde Reporter vor der Eingangstür wartete – das Letzte, womit ich mich jetzt herumschlagen wollte. Ich blieb auf dem Treppenabsatz stehen und überlegte, was ich tun sollte. Bestimmt gab es einen Hinterausgang, doch ich kannte mich hier nicht gut genug aus, um zu wissen, wo er sich befand. Und fragen wollte ich nicht, da ich fürchtete, endgültig die Selbstbeherrschung zu verlieren, wenn ich jetzt mit jemandem sprach.

»Andi?«

Allmählich begann ich den Klang meines Namens zu hassen. Ich wirbelte herum. »Dillon. Was willst du hier?«, fragte ich und rang um meine Fassung.

»Ich suche dich. Diana sagte, du hättest mitbekommen, wie sie von Altheas Kuppelversuch erzählt hat.«

»Bist du hergekommen, um Salz in die Wunde zu reiben?« Ich wollte nicht so barsch klingen, doch Dillon war nicht gerade meine Vorstellung des Retters in der Not.

»Nein. Natürlich nicht. Ich weiß, wie sehr du es hasst, manipuliert zu werden. Besonders von deiner Tante.«

»O Gott, Dillon, ich habe mich so zum Narren gemacht.« Ich kämpfte noch immer mit den Tränen. »Und jetzt wird Diana dafür sorgen, dass alle davon erfahren.«

»So schlimm ist es nicht«, sagte er, doch seine Miene strafte seine Worte Lügen.

»Es ist eine Katastrophe, und das weißt du auch.«

»Na schön, erfreulich ist es nicht gerade, aber es ist nicht deine Schuld. Und so werden es auch die Leute sehen. Verdammt, wenn überhaupt, müssten sie mir die Schuld dafür geben.« Er starrte auf seine Hände, ehe er mir in die Augen sah. »Andi, ich weiß, wie sehr ich dir wehgetan habe und dass du wahrscheinlich denkst, du könntest mir nicht trauen. Aber falls es dir hilft – ich weiß, dass ich mich wie der letzte Arsch benommen habe. Und ich habe Diana gesagt, sie soll zum Teufel gehen, wozu auch immer das gut gewesen sein mag.«

Ich lächelte unter Tränen und fühlte mich, als stünde ich wieder genau dort, wo ich angefangen hatte.

»Komm.« Er legte den Arm um mich. »Bringen wir dich erst mal hier raus. Ich weiß, wo der Hinterausgang ist.«