Die Zeit kam, da die vier Kleinen ihren ersten Jagdausflug machen sollten. Viele der Freunde des Fuchses und der Füchsin nahmen an diesem wichtigen ersten Ausgang teil, unter ihnen der Dachs, der Maulwurf, das Wiesel und, natürlich, auch der Waldkauz. Es dämmerte schon, als sie sich draußen vor dem Bau versammelten und zusahen, wie die Füchsin den Kühnen, die Schöne, die Träumerin und den Friedfertigen zum Ausgang führte.

Die Begeisterung der Kleinen war recht unterschiedlich. Der Kühne wirkte neugierig und munter; sein kräftiger Körper bebte vor Lust an der Bewegung. Die Schöne hielt sich dicht bei ihrer Mutter und beobachtete jede ihrer Bewegungen, die Träumerin schien wie gewöhnlich in ihrer ganz eigenen Welt zu leben — sie wanderte umher und schnupperte an einem Zweig, als ob sie alle Muße dieser Welt hätte. Der Friedliebende beschnüffelte erst einmal die Zuseher und wedelte wild mit dem Schwanz, als er sie alle erkannte.

Die Füchsin rief sie wieder zusammen und wechselte ein paar Worte mit dem Fuchs, der sie noch einmal eindringlich ermahnte, nur ja nicht außerhalb ihres Reviers im Park zu jagen. Sie verabschiedete sich ruhig von ihm und ihren Freunden und führte die Jungen fort. Kurz danach folgte ihr der Fuchs, darauf bedacht, immer außer Sicht und so weit hinter ihr zurückzubleiben, daß man ihn nicht wittern konnte. Denn obwohl es Aufgabe der Füchsin war, die Kleinen anzulernen, war er doch entschlossen, in Reichweite zu bleiben, falls etwas Unvorhergesehenes passieren sollte. »Haltet euch dicht hinter mir«, befahl die Füchsin den Kleinen, »dann kann nichts passieren. Träumerin, hast du mich verstanden? Kein Umherwandern!«

»Keine Angst, Mutter«, antwortete die Kleine. »Ich bleibe ganz bei dir.«

Der Kühne sog die Abendluft begeistert ein, als die kleine Gruppe weitertrottete. Hundert aufregende Düfte umwehten seine Nase, und seine jungen Füße tanzten nervös über den Boden.

»Jetzt bitte alle den Mund halten«, befahl die Füchsin, als sie sie in hohes Gras führte. Der Friedfertige, der mit seinen Schwestern geplappert hatte, schwieg. Einer hinter dem anderen folgten sie ihrer Mutter und bahnten sich einen Weg durch die hohen Halme. Dabei scheuchten sie viele Insekten auf — Käfer, Zikaden, Spinnen und Ohrwürmer. Einige fielen zu Boden, die schnappten sie sich nach dem Beispiel ihrer Mutter und merkten, daß sie gut schmeckten.

Aber die Füchsin hatte größere Beute im Auge. Sie kamen zum Bachufer, wo es viele Wasserratten gab. Hier zeigte sie den Kleinen, wie sie Geduld üben mußten, wenn sich gar nichts zu rühren schien, dann, wenn die Beute ausgemacht war, ganz still zu werden oder, wenn sie herankam, sie von hinten anzupirschen. Sie zeigte ihnen, wie sie die Beute anspringen und mit den Vorderpfoten zu Boden drücken mußten und wie sie sie mit den Zähnen festhalten sollten. Zuerst waren die jungen Füchse unbeholfen und zu hastig, und lange Zeit fingen sie gar nichts. Die Wasserratten waren viel zu flink und gewitzt für sie. Aber der Kühne erwischte am Wasserrand eine Spitzmaus, und sein Erfolg spornte ihn an. Die Füchsin half den anderen, und schließlich hatten auch die Schöne und der Friedfertige Erfolg. Nur Träumerin, die unterwegs schon zu viele Insekten und Würmer gefressen hatte, benahm sich reichlich ungeschickt.

»Du mußt heute abend hungern«, sagte die Füchsin. »Dann gibst du dir vielleicht morgen etwas mehr Mühe.«

Die ganze Zeit über hatte der Fuchs von weiter unten am Bach zugesehen. Als er merkte, daß sie aufbrechen wollten, ging auch er. Er war sicher, daß nun keine Gefahr mehr drohte und sie bald heil zurück im Bau sein würden. Leider hatte er die wohlbekannte Gestalt übersehen, die sich in den Schatten am gegenüberliegenden Ufer verbarg. Auch der Narbige hatte die Unterrichtsstunde der Kleinen mitverfolgt, aber aus ganz anderen Gründen.

In dieser Minute gab in einer anderen Gegend des Parkes seine Gefährtin seinen Kleinen die gleiche Lektion. Der Narbige blickte ärgerlich und voller Groll auf die Jungen der Füchsin und verglich sie mit den seinen. Das Ergebnis des Vergleichs stimmte ihn nicht froher.

Die Kinder der Füchsin schienen kräftiger und behender zu sein. In Wirklichkeit war nur der Kühne größer, aber vor seinem inneren Auge erschienen sie ihm alle so kräftig wie er. Neidisch beobachtete er die wachsende Geschicklichkeit dieses kleinen Fuchses und wußte, daß dieser einmal alle anderen Füchse übertreffen würde. »Aber das darf nicht sein«, murmelte er finster. »Kein Eindringling wird mich und die Meinigen verdrängen, solange ich lebe. Dieser junge Fuchs muß sterben, bevor er noch größer wird.« Er sah, wie die Füchsin aufbrach, die Jungen ihr folgten, und schwamm geräuschlos zum anderen Ufer. Als sie in das hohe Gras kamen, umkreiste er sie schnell, so daß sie ihm nicht entweichen konnten. Zuerst tauchte die Füchsin auf, dann die Schöne und Träumerin und schließlich die beiden Jungen. Der Narbige bellte und jaulte laut, um sie zu erschrecken. Die Füchsin stand sofort, aber die vier Jungen sprangen erschreckt rückwärts. Sie sah, wie der feindliche Fuchs sich auf sie stürzen wollte.

»Rasch!« rief sie. »Lauft zum Bau!«

So schnell ihre Beine sie tragen konnten, liefen die Jungen zum Bau, während ihre Mutter sich dem Angreifer stellte. Aber der Narbige entzog sich ihr und rannte hinter den Kleinen her. Und die hatte er schnell eingeholt. Er wußte, er hatte nur Zeit, sich eines der Jungen zu greifen, also suchte er sich den Kühnen aus, lief zwischen ihn und die Kleinen und trennte sie von ihm. Dann fletschte er die Zähne und setzte zum Sprung an.

Aber der Kühne machte seinem Namen Ehre. Zur Überraschung des Narbigen biß er nach ihm und erwischte ihn an der Vorderpfote. Der Narbige machte tatsächlich einen Schritt zurück, so erstaunt war er über die Kühnheit des Kleinen. Einen Augenblick lang war er wie gelähmt, dann warf er sich mit einem wilden Fauchen erneut auf ihn. Jetzt aber hatte die Füchsin, die berühmt war für ihre Schnelligkeit, den Angreifer eingeholt. Im Laufen schrie sie ganz laut, damit der Fuchs das Alarmzeichen hören solle. Der gräßliche Laut durchschnitt die Abendstille wie ein Messer, und nicht nur der Fuchs hörte ihn, sondern auch eine Reihe anderer Tiere aus dem Farthing-Wald.

Ehe der Narbige sich wieder auf den Kühnen werfen konnte, war die Füchsin zwischen ihnen, schnappte wild nach dem gräßlichen Maul, so ihr tapferstes Kind zu schützen suchend. Die anderen drei waren inzwischen außer Gefahr und auf dem Weg zurück zum Bau. Während die Füchsin und der Narbige einander zu packen suchten und dabei fürchterlich fauchten, rannte der Kühne um seine Mutter herum und schlug dem Feind von hinten die scharfen jungen Zähne in das Hinterbein.

Der Narbige raste vor Wut — aus einem Angreifer war er nun zum Angegriffenen geworden.

Im Vor- und Zurückspringen erspähte er in der Ferne den Fuchs, der auf ihn zugerannt kam. Jetzt war es Zeit, den Kampf abzubrechen. Mit einem letzten wilden Biß nach der Füchsin, mit dem er sie in der Schulter erwischte und aufjaulen machte, kämpfte der Narbige sich frei und machte sich mit höchster Geschwindigkeit davon.

Der Fuchs sah es beim Näherkommen und wollte ihm nachsetzen, aber der Schmerzensschrei der Füchsin veranlaßte ihn, sich zuerst um seine Familie zu kümmern. Er konnte aufatmen, die Füchsin hatte offensichtlich nur einen Kratzer abbekommen. Während er seine Gefährtin beruhigte, sagte der Fuchs: »Dieser Kerl mischt sich ein bißchen zuviel in unsere Angelegenheiten. Wenn er unbedingt Wind säen will, wird er Sturm ernten.«

»Er war hinter dem Kühnen her«, keuchte die Füchsin. »Ich weiß nicht, warum — aber die anderen Kleinen haben ihn gar nicht interessiert.«

»Wo sind sie?« fragte der Fuchs schnell.

»Entkommen, Gott sei Dank. Jetzt müßten sie im Bau sein.« Erleichtert atmete der Fuchs auf und lächelte dem Kühnen zu, der wild mit dem Schwanz wedelte und um Lob bettelte. »Du bist wirklich ein toller Bursche«, sagte sein Vater. »Ich habe gesehen, wie du deiner Mutter geholfen hast.«

»Als ich dazukam, hat er sich schon ganz gut selbst verteidigt«, sagte die Füchsin. »Er hat diesen scheußlichen Kerl gebissen, bevor der Gelegenheit hatte, ihn zu beißen.«

»Nein, tatsächlich?« murmelte der Fuchs. Er hat den alten Narbigen angegriffen?« Stolz klang in seiner Stimme. »Wirklich, das ist schon etwas!«

»Ich dachte, er wolle mich töten«, sagte der Kühne gelassen, »also mußte ich etwas dagegen unternehmen.«

»Es sieht so aus, als ob du schon für dich selbst sorgen könntest«, lobte ihn der Fuchs. Aber als er das sagte, war ihm klar, daß von jetzt ab dieser tapfere Kleine das Hauptziel ihres Feindes sein würde — jetzt mehr denn je. Die Demütigung dieses Abends würde der Narbige nie vergessen. Der Fuchs ließ sich von der Füchsin auch das allerkleinste Detail der Ereignisse erzählen, bis er sie gehen ließ. »Er hält sich nicht einmal an sein eigenes Wort«, murmelte er dann. »Wir sind in unserem Revier geblieben, und doch hat er uns verfolgt. Jetzt wissen wir endlich, woran wir sind.«

Eine wohlbekannte Stimme rief nach ihnen. »Fuchs! Füchsin!« Es war der Dachs. Er kam ihnen entgegengelaufen, um ihnen zu sagen, daß die anderen sicher in ihrem Bau seien und Maulwurf und Wiesel sich um sie kümmerten. Dann blieb er bestürzt stehen und blickte den Kühnen an. »Aber wo ist Träumerin?« fragte er.

»Was?« schrie die Füchsin auf. »Ist sie nicht bei den anderen?«

»Nein. Im Bau sind nur die Schöne und der Friedfertige. Wir dachten, sie wäre bei euch?« Der Dachs war fast ebenso entsetzt wie die Eltern.

»Wo kann sie denn nur...« wollte der Fuchs gerade sagen. »Die läuft wieder irgendwo herum«, meinte der Kühne. »Das macht sie doch immer. Es ist ihr bestimmt nichts zugestoßen, Mutter«, fügte er tröstend hinzu.

»Wir müssen sie suchen«, sagte der Fuchs. »Dachs, nimmst du bitte den Kühnen mit zurück in den Bau?«

»Klar. Wenn ich noch etwas tun kann — du weißt ja.«

Der Fuchs und die Füchsin nahmen sich jeder einen anderen Teil der Umgebung vor und riefen leise nach ihrem verlorengegangenen Kind. Drinnen im Bau warteten voller Angst die drei anderen und ihre Beschützer.

Der Fuchs fand sie dann. Die Füchsin hörte seinen Schrei — einen wilden, gedämpften, verzweifelten Schrei. Sie fand ihn über dem Körper von Träumerin. Sie war tot, und ihr kleiner Körper war fürchterlich zugerichtet.

Es gab überhaupt keinen Zweifel, wer das getan hatte. Das Gesicht des Fuchses wurde hart. Drohend sagte er: »Jetzt wird er selbst um sein Leben kämpfen müssen.«

 

Was die Tiere im Park erlebten
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