Der Turmfalke hatte kaum zu Ende gedacht, da war er auch schon auf der Suche nach dem Fuchs. Der berichtete, daß sie die Kröte wiedergefunden hatten. Der Falke erzählte von seiner Unterredung mit Pogge und bat den Fuchs um seine Meinung.
»Turmfalke, ich glaube, du hast es getroffen«, meinte dieser. »Schließlich wandern Kröten und Frösche nur zu ihren Heimatteichen zurück, um sich dort zu paaren. Jetzt wollen wir ein bißchen Romantik in das Leben unseres Freundes bringen.«
»Aber wo ist die Kröte?« fragte der Turmfalke. »Vielleicht sollten wir Pogge auf ihrem Weg zum Teich abfangen, bevor eine andere Kröte sich für sie interessiert.«
»Sehr gut!« meinte der Fuchs. »Los, komm! Sie ist beim Dachs.«
Neben dem Bau fanden sie die Kröte, die eben auf einen aufgeregten Maulwurf einredete. Der Dachs besuchte alle Tiere aus dem Farthing-Wald, die jetzt zu ihrem Bau oder Nest zurückgekehrt waren, um ihnen vom Treffen im Tiefen Grund zu erzählen.
»Ist es nicht toll, daß die Kröte zurück ist?« plapperte der Maulwurf. »Genau wie in alten Zeiten.«
»Hatte der Dachs es satt, dich zu tragen?« fragte der Fuchs die Kröte mit einem Lächeln.
»Er hat mich absteigen lassen«, antwortete die Kröte in täglichem Ton. »Er sagt, ich reiße an seinem Fell und so. Das machen meine Greiffüße, siehst du.« Sie streckte zur Erläuterung jeweils einen ihrer hornigen Vorderfüße in die Höhe. »Um diese Jahreszeit sind sie härter als sonst. Damit können wir Männchen uns an unserer Gefährtin festhalten und werden nicht von ihr getrennt.«
»Nun, ich glaube, daß wir etwas für dich gefunden haben, woran du dich festhalten kannst«, lächelte der Fuchs. Wie gut, daß die Kröte selbst ihn auf dieses Thema gebracht hatte. »Aber zuerst mußt du dich einmal an mir festhalten.«
»Jetzt ist es wirklich wie in alten Zeiten«, freute sich die Kröte. »Erinnerst du dich, wie du mich auf unserer Wanderung immer getragen hast?«
»Natürlich«, sagte der Fuchs. »Also los, sitz schon auf! Au!« Er war zusammengezuckt. »Jetzt weiß ich, was der Dachs gemeint hat. Au! Also wirklich, Kröte, sogar als ich dich aus dem Feuer gerettet habe, hast du nicht so hart zugepackt.«
»Tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Ich werde mich bemühen, nicht so hart zuzugreifen. Wohin geht denn die Reise?«
»Abwarten«, war die geheimnisvolle Antwort. »Und jetzt, Turmfalke, in welche Richtung?«
Pogge war noch nicht weit im Park gekommen. Sie hatte eine Pause eingelegt, sich an einigen Insekten gütlich getan und sich dann zum Verdauen hingesetzt.
Die Kröte sprang aus freien Stücken vom Rücken des Fuchses. »Oh, welch ein schönes Mädchen!« rief sie entzückt, als sie Pogge sah. Sie bedachte den Fuchs mit einem ironischen Lächeln, das besser als Worte ausdrückte, was sie von ihrem Freund hielt. Der Fuchs lächelte zurück und blieb nur so lange, bis er gesehen hatte, daß die Kröte die willige Pogge von hinten um die Taille faßte. Es amüsierte ihn, um wieviel größer Pogge war, als sie mit ihrer lieblichen Last auf dem Rücken zum Teich watschelte.
»Na, so was«, lachte der Fuchs. »Und haben kein einziges Wort gewechselt! Was wohl die Füchsin dazu sagen würde, wenn ich so unromantisch wäre.«
Der Turmfalke hatte alles aus der Luft beobachtet. »Hab’ ich mir’s doch gedacht«, murmelte er. »So einfach ist das also.«
Ein paar Tage später konnte man die Kreuzotter bei einem Sonnenbad im Tiefen Grund beobachten.
»Hallo, Fremde!« rief das Wiesel. »Wir alle warten nur noch auf dich. Wir haben doch eine Zusammenkunft.«
»Sicher sehr nett«, meinte die Kreuzotter. »Aber ich muß dich enttäuschen, wenn du glaubst, ich wäre aus Gründen der Geselligkeit hierher gekommen. Tatsache ist, daß ich diese schamlosen Szenen am Teich nicht länger ertragen konnte.«
»Wovon redest du?«
»Der ganze Teich ist voller Liebespaare«, antwortete sie. »Alle Frösche, Kröten und Wassermolche paaren sich.«
»Aber sicher doch — es ist Frühling«, sagte das Wiesel. »Hast du das denn nicht gemerkt?«
»Natürlich«, zischte die Kreuzotter. »Aber sie scheinen keinerlei Rücksichtnahme zu kennen, so wie die sich benehmen. Sogar die Kröte hat sich davon anstecken lassen«, fügte sie steif hinzu.
»Hört sich ein bißchen wie Neid an«, sagte das Wiesel spitz.
»Quatsch!« entgegnete die Kreuzotter. »Kein bißchen Neid, sondern nur meine gute Kinderstube.«
»In deinem Fall wohl eher keine Kinder in der Stube«, gab das Wiesel boshaft zurück.
»Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich das Thema wechseln«, sagte die Kreuzotter und wollte davonkriechen.
»Geh nicht fort!« rief das Wiesel, das seine unfreundliche Bemerkung bereits bedauerte. »Ich habe doch gar nicht gemeint, was ich da gesagt habe. Tut mir leid. Bitte bleib doch. Wir sehen uns so wenig.«
Die Kreuzotter, auf die Freundschaftsbeweise selten Eindruck machten, züngelte unsicher mit gespaltener Zunge. Sie zeigte sich nicht gern von ihrer weichen Seite. Schließlich ging sie einen Kompromiß ein. »Ich gehe jetzt auf Jagd. Habe seit fünf Monaten nichts gefressen. Wenn ich dann wieder ein bißchen Fett unter meinen Schuppen habe, komme ich zurück.«
Mit dieser vagen Versprechung mußte das Wiesel sich zufriedengeben und ging, um den anderen die Grüße auszurichten.
»Na ja, wenigstens ignoriert sie uns nicht ganz«, meinte der Fuchs.
»Das beste wäre, wenn sich endlich eine Kreuzotterfrau für sie fände«, bemerkte der Waldkauz grob. »Dann würde sie ihre Prüderie ablegen.«
»Aber Charakter hat sie!« lachte die Füchsin. »Sie ist wirklich einmalig.«
»Gott sei Dank«, seufzte der Hase, »daß sie einmalig ist! Zwei von ihrer Sorte in der Gegend wären nicht auszudenken!«
»Es scheint so, als ob wir unser Fest wieder verschieben müssen«, meinte der Dachs. »Wann wohl die Kröte aus dem Teich zurückkommt?«
»Nicht bevor die Paarungszeit vorüber ist«, antwortete der Fuchs und warf seiner Füchsin einen scheuen Blick zu. »Und wir wissen ja, wie lange das dauern kann.«
Im Teich des Hirschparks hielten sich die Kröte und Pogge inzwischen immer noch eng umschlungen, während sie unter Wasser tauchte, um ihre Eier abzulegen. Andere Kröten hatten das schon vor ihr getan, denn um die Schlingpflanzen wanden sich zahlreiche Eierstränge. Aber die Nachkommen von Pogge und der Kröte sollten ihr Krötenleben in ganz anderer Umgebung beginnen. Denn Pogges Eier blieben beim Fallen ins Wasser auf etwas haften, was da aus dem Schlamm hervorragte: nämlich auf den verrosteten Überresten der nun völlig harmlosen Gewehre der beiden Wilddiebe.