Trennung
Die runden Segmente der weißen Deckenlampen flackerten einen kurzen Moment, als könnten sie sich nicht entscheiden, ihren Dienst zu verrichten. Einige Sekunden später gehorchten sie schließlich dem strengen prüfenden Blick des Commanders und erhellten in einem weiten Halbkreisbogen den gesamten oberen Hangar.
Steven und Susannah betraten den ovalen Hangar, der in fast allen Weißtönen wie neu erstrahlte. Es war einer der wenigen Abschnitte des Schiffes, der die vergangenen Ereignisse unbeschadet überstanden hatte. Nur der himmelblaue Bodenbelag sowie vereinzelte gelbe und rote Signalwarnfarben brachten etwas Schwung und Kontrast in diesen klinisch wirkenden Abschnitt, tief unten im Bauch der Explorer.
Hangar, E-Deck
Der obere Bereich der fünften Ebene konnte durchaus als Rettungsdeck betrachtet werden, denn sowohl an der Backbord- sowie an der Steuerbordseite reihten sich jeweils sechs Raumanzüge samt Ausrüstung in ovalen Sicherheitsdruckkapseln. Im Notfall eines Hüllenbruchs könnten sich die Besatzungsmitglieder schnell in die Kapseln begeben, diese hermetisch verriegeln und sich unter normalen Druckverhältnissen den Raumanzug anlegen. Natürlich gab es weitere an Bord. Jede Sektion und jede Schleuse verfügte über jeweils zwei Anzüge. Sicherheit ging vor. Nichts wurde dem Zufall oder der Willkür unvorhersehbarer Unfälle überlassen.
„Sieht alles normal aus“, stellte Steven zufrieden fest und ging zielgerichtet auf das halbmondförmige deaktivierte Kontrollterminal in der Mitte des Raumes zu.
„Dann wollen wir mal etwas Leben in die Bude bringen.“
Seitlich zum zentralen Terminal fuhren zwei Rampen mit Geländer in den unteren Bereich des Hangars zur Ladebucht hinaus. Langsam senkte sich der Boden auf die unterste F-Ebene und gab den Blick auf zwei Doppelschleusen frei. Dahinter verbarg sich die „Arche“, eine kleinere Kopie der Explorer, die sich plan in der Unterseite des Schiffes befand.
Susannah ging langsam einen Bogen nach rechts im Vorschiff entlang. Hinter fünf abgerundeten Türen befanden sich größere Rettungskapseln für je sechs Mann, die bei Aktivierung senkrecht nach unten aus dem Schiff starteten. Susannah trat dichter an eine der Türen heran und sah durch das große runde Fenster ins Innere der dezent beleuchteten Kapseln. Sechs ergonomisch geformte braune Sitze mit Sicherheitsgurten bildeten einen Kreis, in deren Mitte die Insassen gerade genügend Platz für ihre Füße hatten. Über den Sitzen, verborgen in Staufächern, befanden sich die lebensrettende Notausrüstung und Sauerstoff für mehrere Wochen.
„Nicht gerade viel Platz da drin“, meinte Susannah beiläufig und schauderte bei dem Gedanken, jemals darin ins All geschossen zu werden.
„Keine Sorge, die werden wir nicht brauchen!“, antwortete Steven kurz, während er ein System nach dem anderen aktivierte. Ein Surren erfüllte den Hangar. Irgendetwas Großes bewegte sich unter ihren Füßen.
„Wer sollte uns auch noch retten? Ist ja keiner mehr da.“ Susannah stand wie angewurzelt da und spürte die Vibrationen der Ladebucht, die sich in diesem Moment öffnete.
Steven antwortete nicht, sondern blickte sorgenvoll zu ihr auf.
„Hey, wir werden uns selbst retten! Ich weiß noch nicht wie, aber wir finden einen Weg. Ich verspreche es!“
Beide kamen sich näher und umarmten einander.
„Ich will nicht, dass du fliegst. Bleib bei mir. Ich hab solche Angst um dich.“
„Einer muss es machen. Ich will mit eigenen Augen sehen, was passiert ist.“
„Schick die Soldaten! Wenn es noch was gibt, werden sie es finden. Verschwende nicht die Zeit, die wir noch haben! Ich will dich nicht noch einmal verlieren.“
Gänsehaut kroch über seinen ganzen Körper.
Was, wenn sie recht hatte? Wenn dies wirklich ihre letzte gemeinsam verbrachte Zeit wäre. Für einen Moment verdrängte er den bevorstehenden Trip zur Erde und ließ sich ganz auf ihre Zärtlichkeiten ein. Wie auf Knopfdruck verschwand ihre Sorge und schlug in plötzliche Leidenschaft um. Wenn das ihre Art zu bitten war, ging er gern darauf ein.
„Geh nicht!“ Es war mehr ein langer Kuss als Worte. Zu lange hatten sie ihre Gefühle zurückgehalten, zu lange Rücksicht auf die anderen genommen. „Was muss ich tun, damit du hierbleibst?“
Ihre Lippen kostend schob Susannah ihn langsam rückwärts zu einer der kleineren Druckkapseln, bis er mit dem Rücken gegen das Glas stieß. Mit jeder Sekunde steigerte sich ihre Lust auf mehr.
„Ich will dich spüren! Jetzt, hier, sofort!“ Susannah biss sanft in seine Lippe und wartete voller Erregung auf seine Antwort.
Seine Augen huschten zu der analog anmutenden Uhr, die oberhalb der Eingangstür hing. Viel Zeit blieb ihnen nicht, bis die Marines eintreffen würden. Maximal 15 Minuten. Es war kurz, aber zu schaffen. Dachte er ernsthaft darüber nach?
„Was ist? Ich lass dich nicht vorher weg.“
Auffordernd und gierig wanderte ihre rechte Hand in seine Hose und massierte stimulierend an seinem besten Stück, so dass es unaufhörlich zu schwellen begann.
„Hier?“, stöhnte Steven lustvoll zurück, ließ sich aber sein Unbehagen über die drohende Situation deutlich anmerken, in dem er ständig auf Tür und Uhr starrte. Die Angst, in flagranti erwischt zu werden, ließ ihn zaudern. Dies war eine gänzlich andere Situation wie damals, als alles schlief.
„Nein. Da drin.“ Eine Hand an der Kontrolltafel, ihre Augen auf die Kapsel gerichtet, öffnete sich prompt in diesem Moment die Glastür, die leise nach oben glitt. Rückhaltlos stolperte Steven einen Schritt zurück gegen einen Raumanzug. Unbeirrt stieg ihm Susannah nach und schloss die Kanzel von innen. Sauerstoff strömte in die Kapsel, ein unnötiger Druckausgleich ließ es kurz in den Ohren knacken. Schließlich deaktivierte sie das Licht im Innern, so dass Beobachter im hellen Hangar höchstens ihr eigenes Spiegelbild im dunklen Glas betrachten konnten.
„Du denkst auch an alles. Du bist verrückt!“
„Und?“, reizte Susannah mit einem verführerischen Lächeln.
„So sexy!“
„Und?“ Sie begann ihn zu entkleiden.
„Verdorben und so was von geil!“
Steven spielte das Spielchen mit und zog ihre Weste aus. Es war viel zu eng in der kleinen Kapsel, die eigentlich nur für einen Menschen ausgelegt war.
„Und? Erzähl weiter! Wer hat dir erlaubt aufzuhören?“, forderte Susannah ungeduldig.
„Unverschämt, unwiderstehlich … ahhh ...“ Unterbrochen von Gefühlen der Lust gab er sich hin und neigte seinen Kopf nach hinten gegen die Wand. Der Raumanzug verdeckte die Sicht nach draußen in die Halle. Sollte kommen wer wollte, in diesem Augenblick gab es nichts anderes als sie.
Kaum sieben Minuten später hallten erste dumpfe Stimmen durch die Sektion. Schatten huschten durch die Kapsel und ließen keinen Zweifel aufkommen. Die Marines hatten sich früher als geplant im Hangar versammelt. Plötzlich klopften dumpfe Schläge gegen die Kanzel. Irgendjemand versuchte sich Zutritt zu verschaffen und schlug ein weiteres Mal auf das Glas.
„Was machen wir jetzt?“, wagte sich Susannah kaum zu rühren. Jede Bewegung übertrug sich auf den sichtbaren Teil des Raumanzuges.
„Pssst! Keine Sorge. Die Tür ist verriegelt. Es sind genug Anzüge vorhanden“, flüsterte Steven bewegungslos.
„Was ist denn mit dem Ding los?“, sprach ein Mann kaum verständlich, direkt vor der Glastür. Steven konnte ihn nicht erkennen, glaubte aber Van Heusen zu erkennen.
„Mist, die Kammer klemmt.“
„Greifen Sie sich einen anderen Anzug!“, erklang eine dumpfe Anweisung bis ins Innere. Es war Braun.
„Hör nicht auf! Fünf Minuten noch!“, bat Susannah mit verträumter Stimme und stöhnte leise auf, als er wieder langsam tiefer eindrang. Eng umschlungen, zu einem einzigen Körper verschmolzen und mit ihrem Rücken an die Wand gepresst, umklammerten ihre geschmeidigen langen Beine seinen Hintern. Beide genossen die sanften, rhythmischen Bewegungen des Nachspiels. Ihre Haut glänzte. Schweißtropfen perlten ihnen am ganzen Körper herunter. Die vergangenen aktiven Minuten hatten ausgereicht, das Klima der Kapsel in eine feuchtwarme Sauna zu verwandeln. Steven griff zur internen Kontrolltafel und ließ einen weiteren kühlen Stoß Sauerstoff in die Kapsel strömen. Kühle Luft ließ beide durchatmen. Langsam senkten sich ihre Beine zu Boden.
„Was machen wir nun? Mist, hast du Taschentücher dabei?“, schmunzelte Susannah über die pikante Lage und riskierte einen flüchtigen Blick nach draußen.
„Raus können wir wohl nicht. Hast du gut hingekriegt.“
„Dann müssen wir noch ein Weilchen warten“, meinte Susannah fast vergnügt. Ihr war es recht, doch sie wusste, dass die Zeit gegen sie war. Ihre Mundwinkel veränderten sich.
„Küss mich einfach weiter!“, rettete Steven die Stimmung.
„Okay.“ Sie strahlte ihn an.
Hinter nur wenigen Millimeter dickem Sicherheitsglas liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Niemand bemerkte die Kapsel mit dem tropischen Feuchtigkeitsgehalt. Bone verdeckte sie mit seinem Körper.
„Rüstet euch gut aus! Wir müssen auf alles vorbereitet sein!“
Es war ein marinetypischer Brüller, den Van Heusen lautstark von sich gab. Die meisten nahmen es kaum noch wahr, schließlich gehörte es zum normalen Umgangston.
„Checkt euch gegenseitig! Weißbrot, sieh zu, dass du endlich fertig wirst! Schneller, schneller!“
„Ja doch“, antwortete er genervt. Sein ganzes Erscheinungsbild sprach Bände, sichtlich unwohl über den bevorstehenden Trip, den er am liebsten an jemand anderen abtreten würde.
„Scheiß Trip! Ich weiß gar nicht, wozu ihr mich dabei braucht.“
„Denk nicht drüber nach! Wir ziehen das durch.“ Rivetti half ihm, in den Anzug zu schlüpfen.
„Los, steck die Arme rein!“
„Pass bloß auf, dass alles fest sitzt!“, drehte er seine Arme und suchte nach Schwachstellen, die nicht existierten. Die Anzüge waren neu und noch völlig unbenutzt.
„Dazu sind wir alle da. Ganz ruhig. Hier einrasten!“ Gekonnt packte sie die Sicherheitsgurte des flachen Rebreather in die dafür vorgesehenen Bahnen des Anzugs und zog die Verschlüsse, bis sie sicher einrasteten. Wie eine zweite Haut umschlossen die Anzüge die verschiedenen Körper, obwohl sie äußerlich gleich groß erschienen. Zwei separate Schichtsysteme verschleierten die eigentliche Größe der Insassen und bildeten gleichzeitig die Grundlage des sichersten Raumanzuges, den es je gab.
Mit leisem Zischen schloss Rivetti den Anzug ihres Kollegen und prüfte anschließend die Druckanzeigen am linken Unterarm. Das klarstrukturierte bläuliche Display führte eine Selbstdiagnose aus und gab grünes Licht.
„Alles in Ordnung. Kreislauf stabil, Druck normal.“
Kowski und Braun spielten das gleiche Spiel, nur nicht ganz so verbissen. So wortkarg Kowski auch war, kannte sie keine Nachlässigkeit, wenn es um ihren Job ging. Gründlich checkte sie Brauns Anzug auf Mängel und Materialfehler. Ihre Suche blieb erwartungsgemäß erfolglos. Sie richtete den Daumen nach oben. Ein bekanntermaßen gutes Zeichen. Alles schien okay zu sein. Braun nickte zufrieden.
„Sie sind dran!“, meinte die Polin knapp.
Gegenseitig halfen sich alle fünf ausgewählten Marines in die Anzüge. Anschließend griff sich jeder seine spezielle Ausrüstungsweste, die noch eng über dem Raumanzug festgezurrt wurde und genügend Platz für Technik und Munition bot.
Wullf und Vandermeer halfen und trugen derweil eine lange gelbe Kiste herbei, groß genug, einen Menschen zu fassen. Viktor warf den schweren Deckel der mannslangen Kiste nach hinten über, als öffnete er einen Sarg.
„Bedient euch! Der Waffenbasar ist eröffnet“, rief Vandermeer, der missgelaunt zurücktrat.
„Wählt weise!“, rief Wullf, griff sich aus der stattlichen Sammlung ein schweres Sturmgewehr, das in seinen riesigen Pranken wie Kinderspielzeug wirkte. Zielsicher warf er das Geschütz Van Heusen zu, der Spezialist für schwere Waffen war. Mit verstohlenem Lächeln küsste er seine Lieblingswaffe und prüfte beide Munitionskammern.
„Waffen sichern! Verstanden?“ Van Heusen ging einige Schritte auf Braun zu.
„Welche Waffe bevorzugen Sie, Sir?“
„Mir reicht die Standardausrüstung. Ich hab nicht vor, in den Krieg zu ziehen.“
„Wie Sie meinen.“ Van Heusen rollte die Augen und blickte direkt zu Bone, der mit dem Rücken zur defekten Druckkapsel stand.
„Gibt’s Probleme?“, fragte Van Heusen neugierig und blickte über die Schultern auf die von innen beschlagene dunkle Glasscheibe.
„Nichts, was ich nicht hinkriege. Brauchen Sie Hilfe mit Ihrem Anzug?“, fragte Bone bereitwillig, doch Van Heusen lehnte ab und kehrte Bone den Rücken zu.
„Gern geschehen.“
„Okay, Mädels. Alle fertig machen! Wir gehen an Bord!“
„Wo zum Teufel steckt Cartright?“, fragte Braun nervös. Bone zuckte mit den Achseln und hob die Hände, als ob er es nicht wüsste. Offiziell hatte er keine Ahnung.
„Ich beobachte nur. Er wird schon kommen.“ Da war sich Bone ganz sicher.
„Abmarsch!“
Mit schweren Schritten, bis an die Zähne bewaffnet gingen die Marines die Rampe hinab und betraten die Schleuse. Über das Intercom konnte man das Treiben an Bord der Arche verfolgen.
„Isabell, verstau die Ausrüstung!“, ertönte es gefiltert über die Lautsprecher. „Ich will nicht, dass uns der Müll um die Ohren fliegt, wenn es rau wird. Kowski? Mach die Mühle startklar! Wir starten in zehn Minuten.“
„Verstanden!“
Es war unüberhörbar. Van Heusen schien sein neuer Rang zu gefallen.
Bone sah sich in der leeren Halle um und schaltete das Intercom stumm. Die Stimmen versiegten. Dann klopfte er dreimal auf das Glas der beschlagenen Druckkapsel.
„Ihr könnt jetzt rauskommen.“
Langsam schob sich die Kanzel nach oben. Verschwitzt und mit einem diebischen Lächeln in den Mundwinkeln, traten Susannah und Steven lediglich in Unterwäsche bekleidet aus der feuchtwarmen Kapsel heraus. Die entströmende süße Luft roch nach frischem Sex.
„Du hast was gut“, bedankte sich Steven locker und zog sich erstmal die Hose hoch.
„Ich dachte schon, die erwischen uns“, lächelte Susannah und zwinkerte Bone ebenfalls dankend zu.
„Und, war’s gut? Ich bin ja nichts anderes von euch gewohnt“, schüttelte Bone ebenso grinsend den Kopf.
„Danke, dass du sie abgelenkt hast.“ Susannah gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange.
„Okay, okay, ihr hattet euren Spaß. Wenn ihr nicht wollt, fliege ich mit. Dann habt ihr noch mehr Zeit.“
Wie heraufbeschworen, kreuzten sich ihre Blicke. Einen Moment hielt Steven inne, wog die Möglichkeiten und die eigene Neugier ab.
„Super Idee, Bone. Von mir aus gern“, kam ihm Susannah zuvor und sah Steven in die Augen, als sei dies ihr letzter gemeinsamer Moment. „Ich hatte dich schon fast verloren.“
„Ich weiß. Aber ich muss gehen.“
„Nein, musst du nicht!“, flehte sie ihn an. „Bitte!“
„Ich hab’s versprochen!“
„Wem denn? Nicht mir.“
„Es ist nur ein Aufklärungsflug.“
„Dann nimm mich wenigstens mit!“
„Nein! Ich brauch dich hier. In Sicherheit!“
„Toll!“
„Kümmere dich um die Rationierung und um …“, Steven stockte und hatte es verdrängt. „… um Dad.“
„Verzeihst du mir?“
„Natürlich.“
Steven griff sich den Anzug aus der Kapsel, in der sie grade eben noch ihr heimliches pikantes Liebesspiel hatten.
„Ich werde mit einem Lächeln fliegen.“
„Aber geh kein unnötiges Risiko ein, hörst du?“
„Wir halten ständig Kontakt zu euch. In spätestens 12 Stunden sind wir wieder zurück.“
Wortlos stieg er in seinen Anzug, schloss den Overall und zog den hermetischen Reißverschluss der ersten Schicht zu. Susannah half ihm und reichte den Helm.
„Wieso fühlt es sich so an, als sei es ein Abschied für immer?“, wollte Susannah wissen. Ihre Stimme zitterte mehr und mehr, noch konnte sie ihre Emotionen in Zaum halten. Schnell drückte sie ihm einen letzten Kuss auf die Lippen. Sie kämpfte wacker gegen die Tränen an, die sich sichtbar in ihren Augen ansammelten.
„Komm heil zurück!“, brachte sie trocken raus, ihre Stimme wankte.
Steven nickte bedrückt, nicht sicher, ob er das Richtige tat.
„Ich verspre…“, wollte er sagen, doch Susannah legte ihm schnell mehrere Finger auf den Mund.
„Versprich nichts, was du nicht halten kannst. Das bringt Unglück. Komm einfach heil zu mir zurück! Das ist alles, was ich will.“
Susannah legte ihre Finger auf ihren Mund, die eben noch seine Lippen berührt hatten. Dann setzte er seinen Helm auf.
Auch Bone trat näher heran und reichte ihm eine Weste, vollbepackt mit diverser Ausrüstung. Von einer Pistole im Seitenholster, Leuchtkugeln, Suchradar, bis hin zu sicher verwahrten Granaten war alles dabei. Das hohe Gewicht der Weste zog ihn ein wenig nach unten.
„Ganz schön schwer, der ganze Plunder.“
„Dient alles nur der Sicherheit“, meinte Bone kurz und schnallte die Weste fest. Trotz Ausrüstung machte der ganze Raumanzug einen äußerst mobilen und beweglichen Eindruck. Vorbei waren die Tage, in denen Raumfahrer kaum ihren Kopf drehen, geschweige denn, ihren eigenen Körper betrachten konnten. Die ganze Erscheinung ähnelte eher einem beweglichen Kampfanzug, wie ihn auch Soldaten auf der Erde trugen. Eindeutig Militärequipment.
„Ich hoffe, ich werde das Zeug nicht brauchen.“
„Lieber auf Nummer sicher gehen. Such deine Antworten!“
„Das hab ich vor. Und ihr wartet auf uns! Fliegt nicht ohne uns los.“
„Hals- und Beinbruch“, antwortete Bone.
„Bring sie mir heil zurück! Beide! Bis später im Erdorbit.“
Sie reichten sich die Hände, drückten dann aber die Fäuste aneinander, wie es Kumpels so tun.
„Kinderspiel. Ich wünschte, ich dürfte sie fliegen“, sprach Bone.
„Diesmal nicht. Du kümmerst dich um Big Mama“, erwiderte Steven.
Susannah stellte sich ihm in den Weg, legte ihre Hände auf seinen Anzug und atmete schwer. Ihr Gesichtsausdruck sprach 1000 Bände. Sie war dagegen.
„Ich muss. Sie warten. Keine Angst, du bist in guten Händen. Wir sind alle erfahrene Jungs und ihr habt den besten Piloten!“
„Endlich gibst du es auch mal zu!“, freute sich Bone.
„Ich hätte lieber dich!“, haderte Susannah und versuchte verkrampft zu lächeln.
„Ich weiß. Bis später.“
Schließlich ging Steven die Rampe zur Schleuse hinab. Bone und Susannah gingen oberhalb des Rampengeländers entlang zur Aussichtsplattform. Die breite halbkreisförmige Fensterfront aus Panzerglas bot einen guten Ausblick auf die Oberseite der knapp 35 Meter langen Arche, direkt auf das gegenüberliegende Cockpit, keine vier Meter entfernt.
Langsam presste Susannah die Hände gegen das Glas und starrte hinunter in die Ladebucht. Links und rechts verliefen lange schmale Metallstege entlang des Rumpfes. Nur die mutigsten Menschen, frei von jeglichen Höhenängsten, trauten sich bei geöffneten Toren über das Gittergeflecht. Die Erde weit unter ihm, setzte Steven wie gewohnt einen Fuß vor den anderen.
Die pfeilförmige Silhouette der Arche glich der Explorer bis ins Detail. Die Flügel ins Innere eingezogen, nahm sie fast die ganze Ladebucht ein und bedeckte mit ihrer glatten Unterseite die bereits geöffneten Tore der Ladebucht wie die Außenhülle selbst. Das kleine Schiff schmiegte sich wie ein Baby im Bauch der Mutter, festgehalten von unscheinbaren Stabilisatoren und unsichtbaren Kräften energetischer Kraftfelder.
Susannahs Augen folgten seinem Weg auf der rechten Seite. Ihr Puls raste. Langsam näherte er sich der Einstiegsschleuse. Mit ungutem Gefühl beobachtete sie, wie Kowski auf dem Sitz des Co-Piloten Platz nahm und das Shuttle startklar machte. Die Nähe erlaubte es, jeden einzelnen Handgriff zu beobachten. Minuten vergingen, bis Steven endlich das Cockpit betrat und sie einen letzten direkten Blick erhaschen konnte. Ermutigend gab er das Zeichen zum Start.
„Wir treffen uns am vereinbarten Zielpunkt. Wünscht uns Glück!“, erklang die gefilterte Stimme glasklar, frei von jeder Störung. Steven winkte noch einmal kurz, schenkte ihr einen Handkuss und widmete sich voller Konzentration seinen Instrumenten.
„Viel Glück!“, antwortete sie, doch er hörte es nicht mehr.
Cockpit der Arche
Steven bemerkte den neugierigen Blick seiner Co-Pilotin nur zu deutlich. Musternd betrachtete sie ihn von oben bis unten.
„Wir haben uns wohl etwas verspätet, wie?“, sprach sie.
„Ich musste noch ein paar Vorkehrungen treffen. Da draußen läuft uns nichts weg.“ Jetzt nur nichts anmerken lassen, dachte sich Steven.
„Vorkehrungen also.“ Kowski grinste und wandte sich ab.
„Sagen Sie nichts!“
„Schon gut. Ihr Geheimnis ist sicher. Kann’s losgehen?“
„Bereit, wenn Sie es sind“, antwortete Steven lächelnd.
Hangar der Explorer
Überraschend lautlos koppelte die Arche ab, sank nach unten, tauchte in den dunklen Schatten der Explorer ein, um wenige Augenblicke später im kalten Licht der Sonne zu erstrahlen.
Die Trennung war vollzogen. Die Triebwerke zündeten und schoben das kleine Schiff unhörbar unter der Explorer hinfort. Mit leerem Blick starrte Susannah in die Sterne.
„Komm, Sue! Gehen wir“, meinte Bone bedacht. „Bis zu ihrer Rückkehr haben wir viel zu tun.“
„Ja, du hast Recht“, besann sie sich und folgte ihm zurück in die oberen Decks der Explorer. Sie hatte ihre eigene Aufgabe. Denn während Steven die Erde erkundete, untersuchten sie einen anderen Ort. Einen Ort, der viele Veränderungen durchlebt hatte und ebenso viele Geheimnisse verbarg.
Dann schlossen sich die beiden äußeren Tore.