2. INFERNO

 

Fletcher gönnte Yuen und seinen Männern eine kurze Verschnaufpause. Der Zustand von Private Alexandros hatte sich stabilisiert. Er bestand darauf, sein rotes Stirnband über der weißen Binde zu tragen. Ryan verglich unterdessen die Pheromonpackung des unbekannten Soldaten mit seiner eigenen. Äußerlich wirkten sie identisch, bis auf eine Nummer auf der Rückseite.

»Ist definitiv was anderes, als unser Dreck«, sagte er. »Deren Zeug ist völlig geruchlos und die Typenbezeichnung stimmt nicht.«

»Was machen wir jetzt?«, fragte Gabriel. »Die sahen nicht aus wie Amateure.«

»Zumindest sollten uns die Viecher von nun an in Ruhe lassen.«

»Hoffst du.«

»Geben sie mir ein Magazin, Chief«, bat Yuen.

»Was haben sie vor, Doktor?«, wollte Fletcher wissen, reichte ihm aber sofort eins.

»Mir ein paar Antworten von General McQueen holen.«

»Die könnten wir auch gebrauchen«, murrte Ryan.

»Guter Plan«, stimmte Fletcher zu und zwang sich zurück auf die Beine. »Gabriel, du passt auf Alexandros auf. Ryan geht voraus. Der Doc und ich übernehmen die Rückendeckung.«

Seine Männer folgten dem Befehl und Yuen nickte ihm bestätigend zu. Zwei Etagen mussten sie noch zu Fuß überwinden.

Die Gespräche reduzierten sich auf ein Minimum. Alexandros brummte der Schädel von seinem Streifschuss am Kopf. Specialist Gabriel blieb die ganze Zeit in seiner Nähe, falls er das Gleichgewicht verlieren sollte. Ryan sorgte mit einem Nachtsichtgerät auf den Augen für eine gleichmäßige Marschgeschwindigkeit und Fletcher hielt den Blick nach hinten gerichtet, um etwaige Verfolger sofort orten zu können. Der Einheit waren die Flüche ebenso wie die Späße vergangen. Feindliche Soldaten in einer der geheimsten Militärbasen der Nation konnten nichts Gutes bedeuten.

Während sie sich schnaufend über die langen Treppen kämpften, erschütterte plötzlich eine Explosion weit unter ihnen die Betonmauern.

»Was war das?«, keuchte Alexandros und lehnte sich an das Geländer.

»Vielleicht sprengen sich die Schwachköpfe den Weg zum Bahnhof frei«, mutmaßte Ryan.

»Da werden sie aber enttäuscht sein«, brummte Fletcher. »Der letzte Zug ist vor zwei Tagen abgefahren.«

»Die können doch einfach den Schienen folgen.«

»Vier Kilometer in tiefster Dunkelheit mit einer durchgedrehten Biowaffe am Arsch?«, erwiderte Fletcher. »Da kann ich mir was Besseres vorstellen.« Nach dem gewaltsamen Tod von Zhang Saki hatte er seine Etikette wieder abgelegt.

»Außerdem warten unsere Leute am anderen Ende«, fügte Ryan hinzu.

»Genau wie da oben«, sagte Alexandros und zeigte an die Decke. »Die sind trotzdem reingekommen.«

»Queen-six, hier Goliath«, sprach Fletcher in sein Funkgerät. Er hatte es schon zwei Mal versucht, aber erhielt erneut nur Rauschen als Antwort.

»So schlimm ist die Strahlung doch gar nicht mehr«, wunderte sich Gabriel bei einem Blick auf sein Armdisplay. »Hier könnten wir es bereits jahrelang aushalten. Warum antwortet McQueen nicht?«

»Vielleicht ist er abgehauen und hat uns zurückgelassen«, knurrte Alexandros.

»General McQueen lässt seine Männer nicht im Stich«, meldete sich Yuen zu Wort. »Wenn er nicht antwortet, hat er einen guten Grund dafür.«

»Zum Beispiel?«

Darauf fielen Yuen gleich mehrere Antworten ein. Seit dem Fahrstuhlabsturz versuchte er sich abzulenken, indem er sämtliche Gerüchte und Informationsfetzen der letzten Jahre zusammensetze, die er von Freunden und Kollegen erhalten hatte. Die Forschungen an biologischen Waffen und künstlichen Intelligenzen waren nicht die einzigen Aufgabengebiete gewesen. Besondere Sorge bereiteten ihm die experimentellen Kampfroboter, die ebenfalls in der McKnight Air Force Base entwickelt wurden.

»Chief, sind ihnen die Roboter an der Oberfläche aufgefallen, die unsere Soldaten unterstützt haben?«, fragte er.

»Eine Handvoll Cerberus, mehr nicht. Diese Vierbeiner mit einem Maschinengewehr auf dem Rücken. Die meisten davon werden wohl an der Front sein. Warum?«

Yuen stampfte ein paar Stufen hoch, um die Einheit wieder in Bewegung zu versetzen.

»Denken sie doch mal nach«, sagte er. »Ein Computervirus kompromittiert den Basiscomputer, lässt hochgradig gefährliche Biowaffen frei und bedroht sogar unsere KI, von der eigentlich niemand außer dem Generalstab wissen sollte. Für wie sicher halten sie in so einem Fall den Einsatz von autonomen Kampfrobotern, die nur nach ihren einprogrammierten Protokollen vorgehen?«

»Oh Scheiße«, brachte Alexandros hervor.

»Ich dachte, dieses Problem hätten Ihre Kollegen schon vor Jahren gelöst?«, hielt Fletcher dagegen. »Die Systeme der Roboter sind mit endlos langen Codes verschlüsselt, für deren Entschlüsslung selbst der gesamte Basiscomputer eine Million Jahre brauchen würde?«

»Ein normaler Computer, ja«, gab Yuen zu, holte aber dann Amys Quantenkern aus seinem Laborkittel. »Ein Quantencomputer arbeitet anders. Er versucht nicht, jeden Schlüssel einzeln hintereinander durchzuprobieren, sondern testet sie alle auf einmal. Nur das korrekte Ergebnis kommt durch. Verfügt der Chip über genügend Qubits, kann er jeden konventionellen Schlüssel im Bruchteil einer Sekunde knacken. Quantencomputer erfordern ein Umdenken in der Kryptografie, aber dazu fehlen uns seit Jahren die nötigen Mittel.« Yuen ließ Amy wieder in seinem Kittel verschwinden. »Wir hatten gehofft, unseren sogenannten Gegnern einen Schritt voraus zu sein und haben nie damit gerechnet, dass sie über einen uns vergleichbaren Forschungsstand verfügen. Es wäre viel leichter, einen wirksamen Schutz zu entwickeln, wenn wir wüssten, wie so ein Angriff aussieht. Dafür hat das Militär meine Arbeit bewilligt.«

»Wenn die also in den Mainframe der Basis eindringen und unsere Systeme lahmlegen können, ...«

»... dann ist es gut möglich, dass sie bereits über einen ausreichend dimensionierten und einsatzbereiten Quantencomputer verfügen, der jegliche konventionelle Verschlüsselung unsererseits unbrauchbar macht«, vollendete Yuen den Satz.

»Heißt das, die Roboter da oben sind tickende Zeitbomben!?«, kombinierte Alexandros aufgebracht.

»Es ist nur eine Theorie, aber bis ich sie überprüfen kann, sollte sich General McQueen auf menschliche Ressourcen verlassen.«

»Warum haben sie ihm das nicht schon vorher gesagt?«

»Da ging es um ein Fehlverhalten von Türöffnern«, verteidigte sich Yuen. »Uns Zivilisten hat man erzählt, Aufständische aus dem Süden stünden kurz vor einem Angriff auf die Basis. Kein Wort von feindlichen Infiltratoren oder ausgebrochenen Biowaffen.«

»Dann sollten wir uns beeilen«, fasste Fletcher zusammen, als sie endlich Ebene Eins erreichten und nur noch die fünfhundert Meter lange LKW-Auffahrt vor ihnen lag. »Queen-six, hier Goliath!«, versuchte er es erneut.

»Da stimmt was nicht«, knurrte Ryan. »Hier oben hatten wir vorhin klaren Empfang.«

»Queen-six!«, wiederholte sich Fletcher.

»... iath, ... -six«, rauschte es auf einmal zerhackt aus den Funkgeräten.

Sofort versammelten sich seine Männer um ihn, um nichts zu verpassen.

»Goliath hier! Wir haben das Paket, aber ...«

»General McQueen ... Rückzug aus ... Flugplatz wird angegriffen!«

»So eine Scheiße!«, rief Alexandros dazwischen.

»Ruhe!«, grollte Fletcher.

»... außer Kontrolle! Äußerste Vorsicht vor ...«, fuhr die Stimme fort. »Luftunterstützung ... Extraktion bereit. ... Signal VIP ... wenn in Position! Queen-six Ende!«

»Chief! Unser Truck ist weg!«, meldete Gabriel.

»Was? Welcher Vollidiot ...?«, fluchte Fletcher und blickte sich nach Alternativen um. »Was ist mit den Geländewagen da hinten?«

Gabriel joggte im Laufschritt auf die zwei schwarzen Straßenkreuzer zu, doch die Türen waren verschlossen.

»Keine Chance.«

»Warten sie«, rief Yuen und untersuchte die Zentrale der Logistikstation, an der normalerweise die Versorgungs-LKW entladen wurden. Darin befand sich ein Schlüsselkasten für alle in der Basis geparkten Fahrzeuge. Aus Sicherheitsgründen gehörten auch die VIP-Limousinen von Politikern dazu. »Versuchen sie es damit«, sagte er und warf Gabriel eine kleine Fernbedienung zu.

Auf Knopfdruck entriegelten sich die Türen.

»Hervorragend«, freute sich Fletcher. »Nichts wie ... man, das sind aber dicke Scheiben.«

»Das sind keine normalen Jeeps, sondern Panzerausführungen«, erklärte Yuen. »Die gehören irgendwelchen Senatoren, die vor einer Woche bei uns Zuflucht gesucht haben.«

»Und wo sind die jetzt?«

»Wen juckt das?«, knurrte Alexandros. »Meinetwegen sollen sie hier unten verrecken!«

»Einsteigen«, befahl Fletcher. »Ryan, du fährst!«

Mit dem schweren Geländewagen dauerte die Fahrt an die Oberfläche nur eine Minute, wo es bereits dunkle Nacht geworden war. Die massiven Betonschotten im Boden von Bunker Fünf standen sperrangelweit offen, ebenso wie die Tore des Hangars. Kaum konnten sie einen Blick hindurchwerfen, verstanden sie, warum General McQueen den Funkkontakt auf ein Minimum beschränkt hatte.

Von den ehemals zweihundert Soldaten war die eine Hälfte tot und die andere kämpfte ums nackte Überleben. Eins der großen Transportflugzeuge lag brennend auf dem Flugfeld. Durch das Inferno hindurch sah man das Dach der Kaserne, auf dem sich verzweifelte Menschen um einen Platz in den Rettungshubschraubern stritten. Kampfflugzeuge und -hubschrauber lieferten sich in den Wolken Gefechte gegen kleine Drohnen und stürzten wie Fallobst zu Boden.

»Verdammter Mist«, hauchte Fletcher, als hätte er Angst, von feindlichen Sensoren gehört werden zu können. »Was ist denn hier los?«

»Queen-six an alle Truppen«, tönte es aus den Funkgeräten. »Position aufgeben und Rückzug zum ...!« Es folgte ein Schrei, abgerissen von statischem Rauschen, als eine Rakete den Evakuierungshubschrauber des Generals traf. Die gegenläufigen Koaxialrotoren zersplitterten ineinander und deckten das Dach der Kaserne mit einem tödlichen Schrapnellregen ein.

»Chief«, brummte Corporal Ryan hinter dem Lenkrad. »Haben wir einen Plan B?«

»Karen«, hauchte Yuen von der Rückbank. »Wo ist die Ärztin mit meiner Tochter?«

»Hier oben sind wir geliefert«, sagte Fletcher und wandte sich an den Fahrer. »Bring uns vom Berg runter, aber schnell! Vielleicht schießen die nicht auf Zivilfahrzeuge.«

»Verstanden.«

»Chief!«, meldete sich Yuen erneut. »Wo ist meine Tochter!?«

»General McQueen hat sie zur Evakuierung in die Siedlung geschickt. Wir holen sie dort ab.«

»Wer zum Teufel sind die?«, fragte Gabriel bei einem Blick aus dem Seitenfenster. »Kann irgendwer die Markierungen auf den Tragflächen erkennen?«

»Keine Chance«, antwortete Fletcher. »Ist auch völlig egal. Die sind unseren fünf zu eins überlegen.«

Das Zivilfahrzeug schien die Angreifer tatsächlich zu täuschen. Bei ihrer Flucht quer über das Flugfeld schlugen links und rechts Bomben und Raketen ein, Militärjeeps wurden von Gatlingguns zersiebt und Fußsoldaten wie Streichhölzer niedergeschossen, aber der Geländewagen blieb bis auf ein paar Querschläger nahezu unversehrt.

Der Chief und seine Männer konnten dem nächtlichen Treiben nur hilflos zusehen. Ihnen fehlte jegliche Ausrüstung, um ihren Kameraden zu helfen. Specialist Gabriel wollte zumindest so viele Verwundete bergen, wie es das Platzangebot des überdimensionierten Straßenkreuzers zuließ, doch Yuen überzeugte Fletcher, keinesfalls anzuhalten. Sollten die feindlichen Drohnen bemerken, dass sie keine Zivilisten waren, würde die nächste Rakete in ihrem Geländewagen einschlagen.

Nach zwei Minuten hatten sie den Flugplatz hinter sich gelassen und bogen auf die südliche Bergstraße zur Militärsiedlung ab. Schwarzer Rauch verdeckte das brennende Schlachtfeld und ließ nur erahnen, wie viele Männer und Frauen binnen einer Stunde ihr Leben verloren hatten. Im Wagen war es still geworden. Gabriel inspizierte zur Sicherheit noch einmal den Kopf von Alexandros. Ryan krallte sich zornig an das Lederlenkrad und Fletcher suchte auf seinem Armdisplay die Militärfrequenzen nach Funksprüchen ab.

»Der General ist tot, aber ein paar Vögel fliegen noch«, fasste er zusammen.

»Können die uns evakuieren?«

»Erstmal müssen wir vom Berg runter«, sagte Fletcher und zeigte auf die kurvige Serpentinenstraße mit steilem Gefälle. »Hier kann kein Hubschrauber landen.«

Ryan verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und trat aufs Gas. Mit seinem Nachtsichtgerät konnte er auch ohne Scheinwerfer genug erkennen. Der gepanzerte Wagen erwies sich trotz seiner tonnenschweren Ausführung als ausgesprochen spritzig.

Kurz vor der letzten Biegung in das künstliche Dorf rauschten plötzlich zwei Dutzend Drohnen über ihre Köpfe hinweg, gefolgt von einer Handvoll Kampfhubschrauber.

»Das war‘s wohl«, sagte Ryan. »Versucht mal rauszufinden, in welche Richtung die abdrehen.«

Die Evakuierung der Siedlung war bereits abgeschlossen, als der Geländewagen das Tal erreichte. Eine große Staubwolke am Horizont entpuppte sich beim Blick durch ein Fernglas als Militärkonvoi, angeführt von den Bussen und Truppentransportern, die zuvor die Kreuzung blockiert hatten.

»Brauchen sie noch was von zu Hause?«, fragte Fletcher.

Yuen schüttelte den Kopf. »Schließen sie zum Konvoi auf, damit ich meine Tochter wiederbekomme!«

»Du hast den Mann gehört, Ryan.«

»Verstanden, Chief«, antwortete der Fahrer und fegte durch das aufgegebene Dorf hindurch.

Es wirkte friedlich und vollkommen verlassen, so als hätten die Bewohner sich freiwillig zur Umsiedlung entschieden. Fenster und Türen waren verschlossen, alle Elektrogeräte abgeschaltet und sogar die Schlagbäume nach unten geklappt. Die halbjährlichen Übungen zeigten einmal mehr ihre Effizienz.

»Die haben ein ganz schönes Tempo drauf«, berichtete Ryan, als sie sich den Flüchtlingen allmählich näherten.

»Ich kann dir auch genau sagen warum«, sagte Gabriel. »Die verdammten Drohnen kommen zurück!«

»Die werden doch nicht ...«

Da klinkten die ferngesteuerten Kampfflugzeuge bereits ihre Raketen aus, die wie Brandpfeile auf den Konvoi zurasten. Einen Augenblick später sägten sie zusätzlich mit ihren Geschützen durch die Busse hindurch, bis sich ein gewaltiger Feuerball über ihnen erhob und die Fahrzeuge von der Straße geschleudert wurden.

»So eine Scheiße!«, grollte Alexandros. »Bring uns hier weg, Ryan!«

»Nicht ohne meine Tochter!«, entgegnete ihm Yuen.

»Fahr schneller!«, befahl Fletcher. »Wir müssen sie finden, bevor die zurückkommen!«

Ryan blickte in den Rückspiegel. Der Fluchtweg war noch immer frei, aber er gehorchte seinem kommandierenden Offizier und trat das Gaspedal auf der schnurgeraden Straße bis aufs Bodenblech durch.

»Goliath an alle verbündeten Truppen!«, rief Fletcher in sein Funkgerät. »Angriff auf den Fluchtkonvoi! Brauchen dringend Luftunterstützung!«

Der Wagen hatte die brennenden Wracks erreicht, zwischen denen verletzte Zivilisten und militärisches Personal planlos herumirrten. Die Rauchschwaden erschwerten das Atmen und begrenzten die Sicht in der Dunkelheit zusätzlich auf wenige Meter. Nur die lodernden Flammen hellten die Nacht etwas auf. Panisches Geschrei machte jeden Kommunikationsversuch zunichte.

»Karen!«, brüllte Yuen aus einem geöffneten Fensterschlitz. »Karen! Jiao!«

»Das ist doch Schwachsinn!«, sagte Alexandros, aber Yuen versuchte es weiter.

»Goliath an alle!«, rief Fletcher erneut. »Wir brauchen Luftunterstützung! Ist noch irgendwer in der Nähe?!«

»... liath, Hawk-one«, rauschte es aus den Lautsprechern. »... im Anflug.«

»Wir kriegen Support!«

»In dem Qualm finden die uns nie!«, wiederholte sich Alexandros. »Ryan, verdammt! Schaff uns hier raus!«

»KAREN!«, rief Yuen erneut und suchte die Verwundeten ab, wo er Dr. Webb am ehesten vermutete.

»Das bringt nichts, Doc!«, hielt Fletcher ihn zurück. »Wir kommen wieder, wenn sich der Rauch gelegt hat!«

»Nein! Warten sie! Da vorn!«, rief Yuen und zeigte auf eine Gruppe, in deren Mitte die Ärztin einen kleinen Jungen versorgte. Noch ehe Fletcher reagieren konnte, sprang Yuen schon aus dem Auto. »Karen! Steig ein!«

Dr. Webb sah sich verwundert um, als sie ihren Namen hörte. Dann erkannte sie Yuen. Sie fasste dem bewusstlosen Kind unter die Arme und trug ihn zum Geländewagen. Jiao hing sicher verpackt in einem Babyrucksack an ihrer Brust.

Gabriel öffnete die Kofferraumabdeckung und verwies Alexandros ins Gepäckabteil, damit sie genug Platz hatten. Anschließend wandte er sich an den Fahrer. »Bring uns aus dem Trümmerfeld!«

Das musste er Ryan nicht zweimal sagen. Er ließ den Motor aufheulen und preschte die brennende Straße entlang, während hinter ihnen bereits weitere Bomben fielen.

»Goliath, Hawk-one«, kratzte es aus den Funkgeräten. »Im Anflug auf den Konvoi.«

»Hawk-one, Position südlich des Konvois in einem schwarzen Zivilfahrzeug!«, meldete Fletcher. »Erbitten sofortige Extraktion. VIP-Paket an Bord!«

»VIP bestätigt, Goliath. Wir kommen runter.«

Kurz darauf rauschten zwei mittelschwere Transporthubschrauber samt einsamer Eskorte über das Schlachtfeld. Dabei wehten sie den Rauch vorübergehend davon und gaben den Blick auf das Chaos frei. Kaum ein Fahrzeug war von den Präzisionswaffen verschont worden.

»Goliath, bereitmachen zur Extraktion.«

Einer der Hubschrauber vollführte eine Hundertachtzig-Grad-Wende und stoppte damit abrupt in der Luft. Danach senkte er sich im Schwebeflug über die Straße. Ryan hämmerte auf die Bremse und hielt den Wagen nur ein paar Meter davor an.

»Alle raus! Los! Los! Los!«, befahl Fletcher.

Die Soldaten kletterten als Erste in den Helikopter und zogen anschließend Dr. Webb und Yuen herein.

»Danny! Passagiere an Bord!«, hörten sie den Piloten rufen. »Lloyd, gib uns Deckung!«

»Drohnenanflug! Fünf Uhr hoch!«, meldete sich jemand aus dem Funkgerät. Kurz darauf ertönte das dröhnende Geschütz des eskortierenden Kampfhubschraubers.

»Lloyd, verdammt!«, brüllte der Pilot. »Fünf Uhr!«

»Das ist mehr als eine!«, kratzte eine Frauenstimme aus den Lautsprechern. »Bring die Leute hier Weg, Mitchell! Ich lenk sie ab!«

»Roger!«, erwiderte der Pilot. »Danny, in Formation! Kurs null-acht-null!«

»Null-acht-null, verstanden!«

Durch die geöffneten Türen konnten die Passagiere beobachten, wie der Eskortenhubschrauber sich von den beiden Transportern trennte und mit dem Beschuss der anfliegenden Drohnen begann. Zwei Lenkraketen trafen ihr Ziel und holten die ferngesteuerten Flugkörper vom Himmel. Eine weitere Drohne wurde vom Bordgeschütz in Stücke geschossen, aber dann rauschten auf einmal Kugeln vom Boden heran, deren Tracer in der Nacht wie goldene Laserstrahlen aussahen.

»Triebwerk getroffen!«, meldete Lloyd. »Ich geh runter!«

»Ich dreh um und hol sie raus«, knarzte Dannys Stimme. Einen Augenblick später drehte der Flügelmann um.

»Negativ!«, befahl Mitchell. »Die haben Bodentruppen abgesetzt. Wir müssen hier weg.«

»Wir lassen Lloyd nicht im Stich!«

»Reiß dich zusammen, Lieutenant!«, rief Mitchell. »Kurs null-acht-null!«

Danny wirbelte seinen Hubschrauber trotzig zurück in Formation. »Roger, LT«, bestätigte er mürrisch.

Sie ließen den brennenden Konvoi hinter sich. Die feindlichen Drohnen stürzten sich wieder und wieder wie ein wütender Bienenschwarm auf die verzweifelt umherirrenden Menschen. Eine Gruppe von vierbeinigen Kampfrobotern mit Kanonen auf dem Rücken war von den unbekannten Angreifern abgeworfen worden. Der lückenlosen Formation nach zu urteilen, wollten sie niemanden entkommen lassen, der von dem Überfall berichten konnte. Yuen und den Soldaten blieb keine Alternative zur Flucht. Noch einmal zu landen bedeutete den sicheren Tod.