14

»Du hast Cyra. Sie ist schön, und sie will dich haben. Was willst du denn von mir?«

Magnus' Finger strichen behutsam durch ihr Haar. Dann lachte er in sich hinein. »Heute nacht wird gefeiert und meine Gäste bleiben bis morgen früh. Mein Bett überlasse ich meinen Eltern.« Er lachte wieder kopfschüttelnd.

»Du wirst Lotti nicht fortschicken, nicht wahr?«

Er hörte die Angst in ihrer Stimme und ärgerte sich darüber. »Geht es dir denn nie um dich selbst? Natürlich bleibt Lotti hier. Heute nacht schläfst du hier auf dem Fußboden.«

Ingunn befahl Zarabeth, Schüsseln, Schalen und Bretter zu spülen und Eisentöpfe mit Sand zu schrubben. Zarabeth war froh um die Arbeit, da sie auf diese Weise für sich sein konnte und nicht von den Männern behelligt wurde. Als sie eine Frauenstimme ansprach, achtete sie zunächst nicht darauf. Die Frau wiederholte: »Du bist also Zarabeth?«

Zarabeth hob den Kopf, und Magnus' Mutter Helgi stand vor ihr. Ihr Gesicht war gerötet von der Hitze und dem Wein, den sie getrunken hatte. Zarabeth forschte wachsam in ihrem Gesicht, konnte jedoch keine Bösartigkeit in ihren schönen, blauen Augen erkennen. Magnus hatte ihr erzählt, wie kräftig seine Mutter war, und mit welchem Schwung sie das Butterfaß rührte. Seine Stimme hatte einen liebevollen Klang, als er von Helgi gesprochen hatte. Sie war eine füllige Frau mit schweren Brüsten, das helle Haar von Silberfäden durchzogen. Sie hatte ein tiefes Grübchen am Kinn, das sie ihrem Sohn vererbt hatte.

Zarabeth nickte.

»Die Männer reden darüber, daß er dich vom Tod gerettet hat; du sollst deinen Gemahl ermordet haben.«

»Er hat mich gerettet, das stimmt.«

»Das andere stimmt nicht?«

Zarabeth schüttelte müde den Kopf. »Nein, aber es macht nichts. Er weigert sich, mir zu glauben.« Sie warf ihr feuchtes Haar nach hinten und entblößte den Sklavenkragen. »Ich bedeute ihm nichts. Ich bin nur eine Sklavin.«

Helgi stockte der Atem. Sie hatte das Band noch nicht gesehen, das lange Haar der Frau verdeckte es. Warum hatte Magnus ihr das angetan? »Warum hat er dich gerettet?«

»Ich glaube aus Rache.«

»Laß sie zufrieden, Mutter. Hör nicht auf sie. Sie spricht nie die Wahrheit.«

Helgi wandte sich an ihren Sohn. »Stimmt es nicht, daß du sie hergebracht hast, um dich an ihr zu rächen?«

»Es ist unwichtig, warum ich sie hergebracht habe! Sie ist hier, und sie wird hier bleiben.«

»Ja, das stimmt«, sagte Zarabeth mit lauter Stimme. »Ich habe keine andere Wahl, denn so lange er meine kleine Schwester festhält, sind mir die Hände gebunden.«

Magnus vergaß die Gegenwart seiner Mutter. Wütend packte er Zarabeths Handgelenk, riß sie herum. »So etwas sagst du nie wieder, verfluchtes Frauenzimmer! Ich habe dir gesagt, daß ich Lotti niemals als Druckmittel gegen irgend jemand benutzen werde. Das Kind steht unter meinem Schutz.«

»Ich glaube dir nicht. Du wirst das Kind bedrohen, wenn du meinst, mich damit kleinzukriegen.«

Helgi beobachtete die beiden und fragte sich, was zwischen ihnen vorgefallen war. Sie hatte Magnus nie so aufgebracht gesehen. Von ihren drei Söhnen war er derjenige, der sich in jeder Situation fest im Griff hatte. Er war stolz darauf, sich selbst und andere zu beherrschen. Er war immer ruhig, seine Stimme stets gelassen und fest. Nie brüllte er vor Wut los wie jetzt. Nun glich er seinem jüngeren Bruder John, der schrie und fluchte, und der sich nicht darum kümmerte, ob der ganze Gutshof über seine Gefühle Bescheid wußte. Magnus hegte offenbar tiefe Gefühle für diese junge Frau, deren Gesicht von einem wilden Kranz roter Locken umgeben war. Er wollte es nur nicht wahrhaben. Oder vielleicht waren ihm seine Gefühle klar, und er kämpfte mit aller Macht dagegen an. Helgi legte eine Hand auf den Arm ihres Sohnes. »Laß sie los, Magnus. Du hast nie zuvor Sklaven schlecht behandelt. Fang nicht jetzt damit an.«

»Ja, geh zu deiner Cyra!«

Jetzt lächelte er auf Zarabeth herab, aber es war ein Lächeln, das seiner Mutter keineswegs gefiel. »Nein, ich werde dich nicht schlecht behandeln. Und ich werde nicht zu Cyra gehen.« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging zu seinem Vater und seinen Brüdern zurück, die laut sangen, von König Harald Schönhaar, der den habgierigen Gorm von Dänemark an seinen eigenen, langen Haaren erdrosselt hatte.

Die Zeit kroch dahin. Zarabeth konnte vor Müdigkeit keinen Gedanken fassen. Doch es gab immer mehr Schüsseln, Platten und Trinkgefäße zu spülen. Eine endlose Flut schmutzigen Geschirrs. Aus den Augenwinkeln sah sie, daß die anderen Sklaven das Langhaus verlassen und ihre Hütte aufgesucht hatten. Doch sie mußte Strafarbeit tun. Viele der Männer schliefen, mit den Köpfen auf dem Tisch liegend, laut schnarchend. Das Feuer war erloschen, kein Rauch stieg mehr zu der Öffnung im strohgedeckten Dach auf. Viele Gäste lagen der Reihe nach ausgestreckt auf dem Boden, jeder in eine Decke gehüllt. Ingunn kam zu ihr herüber, laut gähnend. »Du arbeitest langsam, Sklavin. Du wirst nicht eher zur Ruhe kommen, bis du hier fertig bist.«

Zarabeth dachte an Magnus' Worte. Lotti steht unter meinem Schutz. Sehr wohl. Sie wollte ihm glauben. Ihre kleine Schwester würde für nichts bezahlen, was sie machte. Sie lächelte Ingunn an und sagte: »Nein, Ingunn. Ich bin todmüde und lege mich jetzt schlafen, wie alle anderen Sklaven es bereits getan haben.«

Ingunn holte hörbar Luft. Das hatte sie nicht erwartet. Ihre Wut kochte über. »Du wagst es?«

»Ja, ich wage es.« Zarabeth hob die Schultern und wandte sich von dem Holzzuber ab, der mit schmutzigem Geschirr gefüllt war.

»Ich peitsche dich solange aus, bis dir das Fleisch am Rücken platzt, du Schlampe!«

Zarabeth sah die unbändige Wut in den Augen der Frau, ohne darauf zu achten. Schnell entfernte sie sich und steuerte die breite Holztür des Langhauses an, stieß sie auf und trat ins Freie. Die Nacht war gar nicht dunkel, nicht wie zu Hause. Es war die Zeit der Mitternachtssonne. Der Himmel war immer noch grau, von fahlem Lichtschein erhellt, wie in der Dämmerung, kurz bevor ein Regen einsetzt.

Es war warm, eine milde Brise wehte vom Viksfjord herauf. In der Ferne über dem Wasser ragten die Berge wie mächtige Schatten auf, die Gipfel wolkenverhangen. Sie erinnerte sich vage an die wogenden, grünen Hügel ihrer Heimat in Westirland, an die vom Meer aufsteigenden, feuchten Nebelschwaden. Hier war es trocken und warm, und die Landschaft von solcher Schönheit, daß sie am liebsten geweint hätte.

Sie ließ den Kopf sinken und schluchzte.

Sie spürte seine großen Hände, die ihre Arme umfingen, spürte, wie er sie an seine Brust zog. Sie schluchzte haltlos, fühlte sich schwach und hilflos.

Magnus drehte sie langsam zu sich um. Er spürte ihre Tränen, spürte, wie der Weinkrampf ihren Körper schüttelte.

»Du bist müde«, sagte er nach langem Schweigen. »Du bist müde, und deshalb weinst du.«

Sie hob den Kopf und sah ihn im Zwielicht an. »Das möchtest du wohl gerne glauben, Magnus.«

Er beugte sich über sie und küßte sie, schmeckte ihre tränensalzigen Lippen. Ihr Schmerz quälte ihn. Seine Hände strichen über ihren Rücken, seine Finger berührten ihren Hals und fühlten das kühle Eisen des Sklavenbandes.

Er hatte dem Schmied den Auftrag erteilt, es um ihren Hals zu legen. Er hatte zugesehen, wie er es ihr angepaßt hatte, hatte beobachtet, wie ihr Gesicht immer bleicher wurde, bis jede Farbe daraus gewichen war.

Sie trug selber Schuld. Sie hatte ihn wütend gemacht, hatte versucht, einen anderen Mann zu verführen. Sie hatte ihm keine andere Wahl gelassen.

Langsam schob er sie von sich. Ihr Gesicht war tränennaß.

»Warum hast du mich betrogen? Warum?« Er wich einen Schritt zurück, entsetzt über seine Schwäche, die Pein in seiner Stimme. Wie weit hatte diese Frau ihn gebracht!

Zarabeth sah die Veränderung in seinem Gesicht, wie die Kälte in seine Augen aufstieg, wie er sich verschloß.

»Ich habe dich nicht betrogen.«

»Lügnerin. Geh ins Langhaus und leg dich schlafen. Morgen wartet eine Menge Arbeit auf dich.«

Er drehte auf dem Absatz um und ließ sie stehen, strebte mit langen Schritten dem Tor im Palisadenzaun zu, redete kurz mit den Wachen und schob den schweren Riegel beiseite.

Langsam kehrte sie zum Langhaus zurück. Auf dem Fußboden war kein Platz frei. Die Männer schnarchten laut, manche Frauen ebenfalls. Ein Pärchen tauschte Zärtlichkeiten aus, die beiden brachten aber in ihrer Berauschtheit nicht viel mehr zustande. Unschlüssig stand Zarabeth einen Moment herum, dann ging sie zur Kammer, in der Lotti und die Kinder schliefen. Sie schob ihre Schwester ein wenig beiseite, die anderen Kinder rückten im Schlaf willig nach, dann kroch sie unter die Decke. In wenigen Minuten war Zarabeth eingeschlafen, Lotti schmiegte sich wohlig an sie.

Magnus glaubte, sie habe ihn verlassen. Er musterte jeden Schlafenden in dem großen Raum. Sie war nicht da.

Er spähte in jede Kammer, Ärger und Angst wuchsen gleichermaßen. Schließlich fand er sie schlafend bei den Kindern. Vor Erleichterung sackten ihm beinahe die Knie weg. Kopfschüttelnd über sich selbst machte er es sich mit einer Decke im großen Raum bequem. Als der Schlaf endlich kam, träumte er von einer Frau, die ihn lockte, ihn auslachte. Als er sie zu sich drehte, hatte sie kein Gesicht. Sie warf den Kopf zurück, und um ihren Hals lag ein Eisenband.

Die Männer brachen am nächsten Vormittag spät auf, um zu ihren Familien zurückzukehren. Magnus' Eltern und seine Brüder verabschiedeten sich erst nach einem üppigen Mittagsmahl.

Zarabeth bediente an der Tafel, stumm und fahrig, mit dunklen Schatten unter den Augen. Ihr Kleid war zerknittert und beschmutzt. Magnus fragte sich, warum sie sich nicht gewaschen und frische Kleider angezogen hatte. Ihr Haar hing ihr zu einem schweren Zopf geflochten zwischen den Schulterblättern. Immer wieder wanderte ihr Blick zu Lotti hinüber, die mit den anderen Kindern spielte. Sein Sohn beobachtete das kleine Mädchen, und in seinen klaren, blauen Augen stand Abneigung. Magnus seufzte. Wenn der Junge nur verstehen würde. Sein Bruder Mattias brach ein Stück frisches Brot ab. »Du mußt mit der Frau fertigwerden. So kann das nicht weitergehen.«

»Es hat doch erst angefangen. Was meinst du eigentlich?«

»Du gibst mir ungebetenen Rat über meine Frau. Zugegeben, ich habe Glyda letzte Nacht gestattet, sich an meinem Körper zu vergnügen. Ich habe meinen Samen in sie ergossen. Vielleicht bringt sie diesmal ein Kind lebendig zur Welt.« Nach einer Pause fuhr Mattias fort: »Ich bin nicht blind und nicht sonderlich dumm. Deine Blicke verfolgen diese Frau mit dem seltsam roten Haar wie ein hungriger Wolf, der sie verschlingen möchte. Dann wieder siehst du sie an, als würdest du dein Leben geben, um sie zu beschützen. Hast du eine Erklärung dafür, Bruder? Hast du deinen Verstand und deine Männlichkeit an dieses Frauenzimmer verloren, das ihren Ehemann vergiftet hat?«

»Das geht dich nichts an.«

»Vater wollte es genau wissen, und Horkel mußte ihm erzählen, was passiert ist. Er sagte, du hast dich wie ein Ehrenmann verhalten.«

»Horkel weiß nicht, wovon er redet.«

»Er wußte, daß du das Mädchen heiraten wolltest, und daß sie dich abgewiesen hat.«

»Es reicht, Mattias.« Damit erhob er sich und begab sich zu seinem jüngeren Bruder Jon.

»Gerade wollte ich mit Magnus über. Orm sprechen«, sagte Harald nun zu Mattias gewandt. »Ich traue dem Burschen nicht. Er wird versuchen, Ingunn zu entführen, daran zweifle ich nicht.«

»Ingunn würde nicht mit ihm gehen.«

»Pah! Da wäre ich nicht so sicher. Sie redet uns nach dem Mund, Mattias, aber sie will zu ihm. Das Mädchen ist verstockt und wirft mir böse Blicke zu. Sie war immer schon wankelmütig. Nachdem ich ihr den Umgang mit Orm untersagt hatte, wurde sie immer trotziger. Und selbst wenn sie ihn abweist, wird er sie zwingen, mit ihm zu gehen. Und dann muß ich ihn töten.« Harald seufzte tief. »Aber was passiert, wenn sie ein Kind von ihm erwartet, bevor ich ihn töten kann?«

Mattias lachte. »Vater, du spinnst dir das Ende einer Geschichte zusammen, die noch gar nicht begonnen hat. Magnus ist wieder da. Er wird nicht zulassen, daß Orm seinen Grund und Boden betritt.«

Harald brummte und schaute zu seiner Tochter hinüber, die mit der neuen Sklavin redete. Ingunn war erbost, das sah er sogar aus der Ferne. Er hoffte, sie würde die Frau nicht wieder schlagen. Es würde Ärger geben, das lag in der Luft.

Ingunn war wütend über die Unverschämtheit der

Sklavin. Ihre Hände zitterten. »Du hast nur Augen für den Balg! Mach deine Arbeit, Sklavin, sonst peitsche ich dich aus!«

In diesem Augenblick stürzte Egill sich mit einem Wutschrei auf Lotti, die einen Ball gefangen hatte, der nicht für sie bestimmt war. Lotti stürzte unter Egills Attacke zu Boden.

Zarabeth schrie auf und rannte zu den Kindern. Sie hob Egill hoch und befreite Lotti. Als sie das Kind zu sich herumdrehte, machte sie große Augen. Lotti wies grinsend auf Egill und rief laut und vergnügt: »Egill! Spaß!«

Zu Zarabeths Erstaunen rappelte Lotti sich auf die Beine, schrie erneut aus Leibeskräften »Egill!« und stürzte sich auf den Jungen. Die beiden gingen zu Boden, Arme und Beine ineinander verschlungen, wälzten sie sich im Ringkampf auf der Erde.

Die anderen Kinder schauten einen Augenblick zu, dann fingen auch sie miteinander zu ringen an. Es dauerte nicht lang, und vier Kinderknäuel wälzten sich vergnügt quietschend auf der Erde.

Magnus, der sich am anderen Ende des Raums mit Jon und anderen Männern unterhielt, drehte sich durch das Geschrei um, und sah die kämpfenden Kinder. Sein erster Gedanke galt Lotti, und er rannte los.

Zu seiner Verblüffung saß die Kleine rittlings auf Egill, ihre kleinen Hände in seinem Haarschopf verkrallt und hüpfte quietschend und lachend auf ihm herum. Egill wollte sie abschütteln, doch Lottis Beine klammerten sich um seinen Leib, nicht bereit, ihren Vorteil aufzugeben. Jetzt erkannte auch Magnus, daß sein Sohn ihr nicht weh tun wollte. Egill mußte sich das Lachen verbeißen.

Zarabeth hob Lotti hoch, lachte glücklich und küßte das schmutzige Gesicht des Kindes. Ihr Lachen klang süß und bezaubernd und erhellte ihr Gesicht. Magnus schluckte und wandte sich ab. Sie hatte zum ersten Mal gelacht seit... Nein, daran wollte er nicht denken. Es war alles nur eine Lüge gewesen. Eine einzige Lüge.

Er wollte sie besitzen. Er vertrieb sich die Zeit während des langen Tages, ging mit seinen Männern zur Jagd und nahm Egill mit. Am Abend beobachtete er sie bei der Arbeit. Wie immer ließ sie Lotti nicht aus den Augen. Er wollte sie beruhigen, ihr sagen, daß alle Erwachsenen stets ein Auge auf die Kinder hatten; doch sie würde ihm nicht glauben. Die Stunden krochen dahin, und immer wieder suchte er sie mit Blicken. Cyra hatte er weggeschickt. Schließlich sagte er Ingunn, Zarabeth habe genug gearbeitet. Seine Schwester war nicht begeistert über seine Einmischung, nickte aber stumm. Er wartete und beobachtete, wie Zarabeth Lotti zu Bett brachte.

Er wartete eine weitere halbe Stunde. Horkel sang ein Lied von Magnus Vater, dem Held einer Seeschlacht vor etwa fünfzehn Wintern. Damals hatte Harald zwanzig Sklaven gefangen und viele Kisten mit Silber und Gold erbeutet.

Als die Leute zu gähnen anfingen, erhob sich Magnus und wünschte gute Nacht. Zarabeth war nicht mehr im Langhaus. Er ging zur Sklavenhütte. Dort war sie nicht. Er fand sie im Gespräch mit einer der Wachen, die auf ihrem Posten auf dem Turm am Nordtor saß. Eifersucht und Wut stiegen in ihm hoch, bis er verärgert über seine eigene Schwäche erkannte, daß Hollvard der Wächter war, ein alter Mann mit weißen, schütteren Haaren und zahnlosem Mund.

Rasch trat er auf sie zu und blieb stehen.

»Ja, Herrin«, sagte Hollvard gerade in seiner bedächtigen Art. »Da draußen in den Bergen treibt sich Gesindel herum. Selbst ein Mann in Begleitung von sechs Bewaffneten muß sich in acht nehmen. Es sind unsichere Zeiten.«

»Zarabeth«, sagte Magnus und legte ihr die Hand auf die Schultern. Sie spannte sich an, schwieg aber.

»Ich habe der Herrin von unseren Sitten und Gebräuchen erzählt.«

»Ja, das habe ich gehört.« Er bedachte sie mit einem bitteren Blick. »Du hast sie gewarnt, daß es dumm wäre, aus Malek fortzulaufen.«

»Nein, danach hat sie nicht gefragt. Ich habe ihr nur von den Gefahren in der Gegend erzählt.«

»Sie hat dich aus einem bestimmten Grund gefragt, Hollvard, zweifle nicht daran.«

Hollvard schüttelte verständnislos den Kopf. Magnus sagte zu Zarabeth: »Komm jetzt, es ist Zeit zu Bett zu gehen.«

Sie hob zum ersten Mal den Kopf, und er sah ihre Angst, ihren Trotz. Mit ruhiger Stimme befahl er: »Sieh mich nicht so an! Komm.«

Und er nahm ihre Hand, nickte Hollvard zu und führte sie zum Langhaus. Die Nacht war lau und hell.

Er blieb stehen und zog sie sehr behutsam, sehr sanft an sich. »Schau mich an, Zarabeth.«

Sie hob den Kopf, und er erforschte ihre Gesichtszüge. Sanft berührten seine Fingerspitzen ihren Mund, ihre Wangen. Dann küßte er sie. Ihre Lippen waren kalt und fest aufeinander gepreßt.

Er lächelte. »Nein, Liebes. Öffne deine Lippen für mich. Du hast es schon einmal getan, erinnerst du dich?«

Als sie sich blitzschnell entwand und mit Fäusten auf ihn einschlug, reagierte er nicht schnell genug. Sie rannte zurück zum Tor.

Er wollte hinter ihr herschreien, besann sich aber eines Besseren. Er konnte direkt hören, wie seine Männer sich erzählten, daß ihm die Sklavin davongelaufen sei, und er wie ein brünftiger Hirsch hinter ihr her gebrüllt habe.

Er rannte los und holte sie schnell ein. Sie hatte bereits den Holzriegel beiseite geschoben und das Tor aufgerissen. Bevor er sie fassen konnte, war sie draußen. Hollvard glotzte hinter ihr her. Er hatte sich nicht gerührt, um sie aufzuhalten. Sie rannte nicht zum Wasser hinunter, sondern wandte sich landeinwärts und lief den schmalen Feldweg zum Wald hinauf. Dort wollte sie sich vor ihm verstecken.

An der ersten Baumreihe packte er zu.

Seine Wut war verraucht. Im Gegenteil, er war ihr direkt dankbar, denn hier war der richtige Ort. Hier würde er sie nehmen im Schatten der mächtigen Tannen.

»Ich werde dir nicht weh tun«, sagte er und hielt sie an sich gedrückt. Sie schüttelte den Kopf. Er hob ihr Kinn und küßte sie. Sie riß den Kopf herum, keuchend, und er küßte ihr Ohr und ihre Wange. Er hielt ihren Kopf zwischen den Handflächen fest. »Jetzt«, sagte er. »Jetzt ist es soweit.«

Dann hob er sie hoch und ließ sich mit ihr seitlich zur Erde fallen. »Zarabeth«, raunte er dabei, »ich tu dir nichts. Ich nehme dich, und ich wünsche nicht, daß du gegen mich kämpfst.«

Sie schaute dem Mann ins Gesicht, den sie geliebt hatte, den Mann, den sie nun fürchtete, und sagte sehr ruhig: »Wirst du zu Cyra zurückkehren und zu deinen anderen Frauen, wenn du mich genommen hast? Wirst du mich danach in Frieden lassen?«

Er blickte sie wortlos an.

»Du willst mich doch nur strafen, um mich zu unterwerfen, um zu beweisen, daß du der Stärkere bist, um mir zu zeigen, daß du der Herr bist. Wenn du dein Ziel erreicht hast, scherst du dich nicht mehr um mich. Wirst du mich dann in Frieden lassen?«

Langsam und mit klarer Stimme antwortete er: »Du wirst jede Nacht meines Lebens bei mir schlafen und jeden Morgen neben mir aufwachen, selbst wenn ich dich nicht jede Nacht nehme.«

»Warum? Ich bedeute dir nichts! Du haßt mich, du glaubst, ich habe dich belogen, dich betrogen. Warum?«

Darauf wußte er keine Antwort. Sie versuchte, sich ihm zu entwinden; er legte rasch sein angewinkeltes Bein über sie.

Langsam schnürte er ihr Kleid über den Brüsten auf. Dabei blieb sein Blick auf ihrem Gesicht haften. Als seine Finger ihre nackte Haut berührten, flackerten seine Augen.

Sie spürte, wie seine schwieligen Finger ihre Brustknospen berührten, und sie wimmerte. »Gefällt dir das, Zarabeth? Du bist so zart, so unendlich zart.«

Seine Handfläche strich von einer Brust zur anderen, seine Augen fixierten immer noch ihr Gesicht, beobachteten jede ihrer Regungen. Sie vermochte ihn nicht aufzuhalten. Sie mußte ihn ertragen. Sie zog sich in ihr Inneres zurück. Das bemerkte er. »Nein, du bleibst hier bei mir, und du spürst mich, Zarabeth. Du spürst, wie ich dich berühre, und ich werde zusehen, wie deine Lust in deine Augen steigt. Du wirst dich mir nie wieder entziehen. Ich lasse es nicht zu.«

Er beugte sich über sie und küßte sie. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, und er drängte seine Zunge dazwischen. Eine unendliche Wärme durchströmte ihn, Wärme und Zärtlichkeit. Und er kämpfte nicht dagegen an. Er konnte nicht dagegen ankämpfen. Er überließ sich dem Ansturm seiner Gefühle. Sein Verlangen nach ihr war groß, größer als je zuvor nach einer Frau. Er wollte sie nicht mit Gewalt nehmen. Er küßte sie, nicht fordernd, sondern hingebungsvoll, wollte ihr zu verstehen geben, daß er sanft mit ihr sein würde, und seine Hände liebkosten ihre Brüste. Sie hielt sich völlig still. Dann schob seine Zunge sich tiefer in ihren Mund, und sie erschauerte, ihre Brust hob und senkte sich in seiner Hand.

»Zarabeth«, flüsterte er an ihren offenen Lippen. »Ich komme zu dir.« Sie erstarrte, als seine Hand über ihren Bauch zu ihrem Becken tastete. Tiefer, sie sehnte sich danach, seine Finger tiefer zu spüren. Zu ihrer grenzenlosen Beschämung stöhnte sie auf. Sie stöhnte vor Lust. In ihr war ein mächtiges Verlangen, das ihr unbegreiflich war.

Er hob den Kopf und lächelte. Seine Finger lagen auf ihrem Bauch. »Noch einmal, Zarabeth.« Seine Hand tastete nach ihrem Schamhügel und seine Finger fanden sie.

Sie blickte ihn an, Angst und Erregung in ihren Augen. Langsam, ganz langsam begannen seine Finger sie zu liebkosen. Sie bewegte sich nicht. Er sah das Erstaunen, die Verlegenheit, die Scham in ihren Augen und flüsterte: »Ja, so bereitet ein Mann einer Frau Lust. Sag mir, daß es dir gefällt, Zarabeth. Sag es mir.«

Sie schüttelte den Kopf und flüsterte: »Aber es tut auch weh . . .«

Seine Finger ließen von ihr ab; er spürte, wie sie den Atem anhielt. Er küßte sie und schob seinen Mittelfinger in sie. Wie eng sie war, doch diesmal war ihre Öffnung feucht. Er wußte, wenn er jetzt nicht in sie eindrang, würde er seinen Samen vergeuden. Sein Geschlecht war schmerzhaft pochend erregt und hart. Er biß die Zähne aufeinander, doch es half nichts.

Er riß ihr den Rock hoch und drückte ihre Schenkel auseinander. In ihren Augen stand nun Angst, stärker als ihre Erregung. Erbrachte sich zwischen ihren Beinen in Position und zog ihre Knie an. »Halt jetzt still. Ich tu dir nicht weh.« Langsam führte er sich in sie ein. Die Hitze ihres Körpers raubte ihm beinahe den Verstand, doch er behielt die Kontrolle und schob sich unendlich behutsam in sie. Sie war eng, ihre Muskeln saugten sich förmlich an ihm fest. Er schloß die Augen. Ihre Fäuste hämmerten gegen seine Brust, seine Schultern; er ließ sich durch nichts aufhalten.

Sie weinte. So durfte es nicht sein. Er spürte ihr Jungfernhäutchen, und sein Verlangen steigerte sich ins Unerträgliche. Er beugte sich über sie, ohne sich in ihr zu bewegen und küßte sanft ihre kalten Lippen. »Zarabeth, schau mich an.«

Mit geschlossenen Augen schüttelte sie heftig den Kopf.

Im Schatten der Mitternachtssonne
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