7
»Ich höre nicht auf dich, Zarabeth! Du lügst mich an, und ich will nichts von dir wissen!«
Zarabeth faßte sich in Geduld gegen Tokis Mißtrauen. »Ich lüge nicht. Ich will Lotti haben. Gib sie mir, und ich verlasse York. Du wirst mich nie wieder sehen. Olav wird Keith freundlicher behandeln. Ich lüge nicht, Toki. Um Himmels willen, warum sollte ich?«
Tokis Abneigung, Argwohn und Neid war eine Mischung aus gleichen Teilen. Wie sie diese Zarabeth, die Tochter dieser ausländischen Schlampe, die sich Olavs Zuneigung erschlichen und den einzigen Sohn aus seinem Herzen verdrängt hatte, wie sie diese Schlampe haßte und wünschte, sie würde endlich gehen, sähe sie am liebsten tot. Toki schüttelte den Kopf.
»Du willst also diesen Wikinger? Dann war alles eine Lüge, was du ihm heute morgen am Brunnen erzählt hast?«
»Ja, um Olav davon zu überzeugen, daß es mir ernst war. Ich mußte Magnus vorlügen, daß ich ihn nicht haben will, um Olav in dem Glauben zu wiegen, ich täte, was er von mir verlangt. Es ist mir gelungen, aber jetzt muß ich mich beeilen, um zu Magnus zu gehen und ihm die Wahrheit zu sagen. Bitte Toki, ich bin in Eile! Gib mir Lotti!«
Die Frau zögerte immer noch. Wenn sie ihr die Mißgeburt aushändigte, würde sie jedes Druckmittel über die Schlampe verlieren. Aber wenn Zarabeth die Wahrheit sagte ... Toki war in Nöten und trank rasch den Rest Bier aus Keiths Krug. Sie wischte sich den Schaum mit dem Handrücken vom Mund und blickte voller Verachtung auf ihren betrunkenen, schnarchenden Mann.
»Toki bitte, denk doch nach! Aus welchem Grund sollte ich dich belügen?«
»Ich habe ja leider kein Kind«, sagte Toki plötzlich mit einer Kopfbewegung zu ihrem Mann, der im Rausch rülpste. »Keith besteigt mich, keucht und ergießt seinen Samen in mich, aber es wächst nichts in meinem Bauch. Bald wird er die Lust daran verlieren. Und ich habe keine Nachkommen vorzuweisen. Aber jetzt habe ich Lotti, und ich finde sie gar nicht schwachsinnig oder närrisch, nicht wirklich.«
Zarabeth hatte den Wunsch, ihre Finger um Tokis Hals zu krallen und zuzudrücken, bis sie das Leben ausgeröchelt hatte. Sie atmete jetzt schwer, ihr Herz schlug hart. Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu geben, um Keith nicht zu wecken. »Sie gehört dir nicht, Toki. Lotti gehört mir, und daran wird sich nichts ändern. Gib sie mir zurück. Ich habe keine Goldmünzen und keinen Schmuck, um dich zu bezahlen. Ich würde dir alles geben.«
»Wieso sollte ich sie aufgeben? Ich bezweifle, daß Olav dich zu deinem Wikinger fortläßt. Er ist stolz, und er ist unerträglich eitel, aber er ist nicht dumm. Wenn sein Sohn nur ein bißchen von seinem Geschäftssinn geerbt hätte, aber er ist ungeschickt und hört nicht auf mich, auch wenn er weiß, daß ich recht habe. Wir beide sind auf Olav angewiesen, sonst würden wir verhungern. Ich fange an, ihn richtig zu hassen, Zarabeth.«
Zarabeth wußte nicht, ob sie den Vater oder den Sohn meinte. »Gib mir Lotti, Toki. Willst du wirklich die Tochter einer Schlampe haben? Und wieso glaubst du, daß
Olav eines Tages Lotti nicht Keith vorzieht? Das könnte leicht geschehen. Sie ist hübsch wie ihre Mutter. Aber wenn du sie mir gibst, und wir beide fortgehen, will Olav sicher, daß ihr bei ihm wohnt. Er wird dir Sklaven geben, Toki, und du wirst ein schönes Leben haben. Denk doch nur, du wirst edle Wollstoffe und Seiden bekommen, aus denen du dir Gewänder und Umhänge nähen kannst; vielleicht sogar neuen Schmuck.«
Das gierige Funkeln in Tokis Augen erlosch, und sie sagte: »Das glaube ich nicht. Du hast auch keine Sklaven. Er behängt dich nicht mit Schmuck und schenkt dir keine schönen Seidenstoffe für neue Kleider. Er denkt nur an sich. Selbst deine Brosche ist nur aus gehämmerter Bronze. Du trägst keine Ringe, keine Armbänder. Olav behängt sich mit Silber und Gold. Warum sollte er mich reicher beschenken als dich, seine geliebte Zarabeth?«
»Ich weiß nicht. Er hat mir immer gesagt, er habe nicht genug Geld für Sklaven. Und er meint, er muß aussehen wie ein reicher Mann, damit fremdländische Händler Notiz von ihm nehmen und glauben, er habe besonders gute Ware, und es lohne sich, mit ihm Geschäfte zu machen. Ich mache mir nichts aus schönen Kleidern und Schmuck, Toki. Er wird froh sein, wenn ihr bei ihm wohnt, und du ihm das Haus besorgst. Gib mir Lotti.«
»Vielleicht hast du recht«, sagte Toki und schlug das Bärenfell beiseite, das den Schlafbereich vom übrigen Haus abtrennte und tauchte ins Dunkel. Gleich darauf kam sie wieder mit Lotti auf dem Arm. Das Kind schlief tief und fest.
»Mach dir keine Sorgen. Ich habe ihr ein Schlafmittel gegeben. Sie machte solchen Lärm, obwohl sie nur diese absonderlichen Laute von sich gibt. Ständig hat sie deinen Namen gerufen. Ich habe sie nicht geschlagen, obwohl sie mir sehr auf die Nerven gegangen ist. Ich habe ihr nur einen Schlaftrunk gegeben.«
Zarabeths Zorn stieg wieder hoch, doch sie schluckte ihn hinunter. Sie hatte gewonnen. Sie nahm Lotti und bettete sie sanft an ihre Schulter. »Ich gehe jetzt. Vergiß meine Worte nicht, Toki.«
Keine zehn Minuten später erreichte Zarabeth den Hafen von York. Dunkle Wolken verhüllten den Mond. Alles schlief, selbst die Gesetzlosen und streunenden Hunde hatten sich in irgendwelche Winkel verkrochen. Nur das sanfte Plätschern der Wellen gegen die Holzplanken war zu hören, nichts sonst. Viele Boote lagen vertäut an den Holzpfählen. Sie rannte jetzt, nur noch von einem Gedanken beseelt: Magnus zu finden, ihm alles zu erklären, mit ihm zu fliehen, und York für immer den Rücken zu kehren.
Lotti bewegte sich an ihrer Schulter, und sie flüsterte leise auf das Kind ein. Die Kleine schlief wieder ein.
Zarabeth wollte Magnus Namen laut rufen, aber etwas hielt sie zurück. Etwas stimmte nicht, etwas . . .
Sie blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf das Handelsschiff vor ihr. Sie hatte es nie zuvor gesehen. Auf seinem geschwungenen Bug hockte kein geschnitzter Rabe. Wild blickte sie zum nächsten Boot und zum nächsten, vergeblich. Die mächtige Seewind war nicht mehr da.
Magnus hatte die Stadt verlassen.
Sie konnte es nicht fassen. Lotti wimmerte, und sie strich dem Kind besänftigend über den Rücken. Er war fort... er hatte sie verlassen. Er glaubte, sie habe ihn betrogen. Er hielt sie für eine treulose, gemeine Lügnerin. Und niemand würde ihn vom Gegenteil überzeugen.
Plötzlich wußte sie, daß alles vorbei war. Für sie gab es keine Zukunft mehr. Zarabeth sank in die Knie, schlang ihre Arme um Lotti und wiegte sie; dazu summte sie eine klagende Weise, nicht um das Kind zu trösten, sondern sich selbst.
Als Olav sie fand, graute bereits der Morgen.
»Ich habe einen Entschluß gefaßt«, sagte Olav. Der Wikinger hatte York vor einem knappen Monat verlassen, und Olav fühlte sich wohl. Zarabeth war wieder wie früher — ruhiger vielleicht, fügsamer, und das war ihm gerade recht, denn er hegte keine Sympathie für scharfzüngige, aufsässige Weiber. Sie kochte und bediente ihn und gehorchte ohne Widerrede. Ihre Unterwürfigkeit behagte ihm.
Sie blickte ihn nun teilnahmslos an.
»Ja, ich habe einen Entschluß gefaßt.«
Lotti sagte ihren Namen in ihrer verschwommenen, lallenden Art. Und Olav warf dem Kind einen ungehaltenen Blick zu. »Kannst du ihr nicht wenigstens beibringen, deinen Namen deutlich auszusprechen?«
Zarabeth blickte ihn kühl an. »Ich höre sie ganz deutlich.« Und mit einem Achselzucken fügte sie hinzu: »Aber ich bin jung und habe gute Ohren.«
Olav zügelte seinen Unmut.
Zarabeth gab Lotti ein weiches Stück Brot, das sie vor einer Stunde aus dem Ofen geholt hatte. Es war noch warm, und sie hatte es mit süßem Honig bestrichen.
»Was ist mit dir los? Warum bist du so schroff? Willst du meinen Entschluß nicht hören?«
»Du wirst ihn mir früh genug mitteilen.«
»Nun gut. Ich habe mich entschlossen, dich zu heiraten.«
Sie rührte sich nicht, kein Muskel zuckte in ihrem Gesicht. Aber ihr Verstand raste wie wild. Wieso sagte er ihr nicht einfach, daß er sie in seinem Bett haben wollte? Wieso Heirat? Mit ihm das Bett zu teilen war unzüchtig. Ihn zu heiraten war wesentlich schlimmer. Sie blieb stumm, aus Angst, die falschen Worte könnten ihr über die Lippen kommen. Eine Heirat mit ihm war absurd. Sie hielt den Kopf gesenkt.
»Ich habe mit König Guthrums Ratgebern und mit dem König selbst gesprochen. Es ist mir gelungen, die weichsten Vogelfedern aus Lappland für ihn aufzutreiben. Ich habe ihm einen günstigen Preis dafür gemacht. Dadurch war er mir wohl gesonnen, als ich seinen Rat einholte. Es stimmt tatsächlich, daß eine seiner Konkubinen sein Blut in sich hat. Er dient dem Christengott, läßt sich aber durch keinen Gott, ob heidnisch oder christlich, von seinem Verlangen abbringen. Als ich ihm sagte, ich möchte dich heiraten, da du nicht mit mir blutsverwandt bist, meinte er, nicht einmal die christlichen Bischöfe würden Einwände dagegen erheben.«
»Warum willst du mich heiraten? Du weißt, daß ich dich verachte. Warum?«
»Hüte deine Zunge, Zarabeth, denn das Kind hört genau, was du sagst. Das Kind kann auch hören, was ich mit ihm zu tun gedenke, wenn du dich meinen Wünschen widersetzt.«
Zarabeth war alles egal. Es war ganz einfach. Sie ließ alles über sich ergehen, denn ihr blieb keine andere Wahl. Wäre Lotti nicht gewesen, hätte sie sich einfach hingelegt und wäre gestorben. Aber Lotti brauchte sie, und deshalb mußte sie weiterleben. Sie blickte Olav stumm und teilnahmslos an, ihr Herz war leer.
»Ich nehme dich entweder als mein Eheweib in mein Bett oder als meine Hure.«
»Sie hob die Schultern. »Warum nicht als deine Hure?«
Sie dürfte nicht so reden, dachte er und fixierte sie mit wachsendem Unmut. Sie sollte ihm dankbar sein, müßte ihm auf Knien danken, wenn er sie zur Frau nahm, ein Weibsbild ohne Mitgift, nichts als das verfluchte Idiotenkind. »Nein, ich halte dich nicht als meine Hure. Das wäre nicht gut für mein Geschäft. Die Leute würden über mich klatschen, möglicherweise an meiner Ehre zweifeln, denn du bist jung und ich, nun, ich bin nicht mehr so jung, wie ich einst war. Nein, es wäre nicht gut für meinen Ruf, dich zu meiner Hure zu machen. Du wirst meine Gemahlin sein — so kann niemand mich verurteilen. Alle werden mich als Ehrenmann achten. Wir werden bald heiraten. Ich lasse dir ein neues Gewand zur Hochzeit nähen, Zarabeth. Und du wirst glücklich sein und wirst lächeln und sanft mit mir sprechen, und du wirst allen, die dich fragen, lobende Worte über mich sagen.«
Zarabeth sah ihn an. »Wenn ich mich weigere, dich zu heiraten, wirst du dann Lotti töten?«
»Ja.«
Er würde Lotti gegen sie benutzen, so lange sie lebte. Zarabeth wandte den Kopf und schnitt ein Stück von dem frischen Brot ab. Sie strich Butter und Honig darauf und biß hinein. Sie aß schweigend und nachdenklich.
»Antworte mir, Zarabeth!«
Sie schluckte den letzten Bissen hinunter und wischte sich den Mund. »Ich erinnere mich nicht, daß du mir eine Frage gestellt hast. Wolltest du etwas von mir, Olav?«
»Verflucht, du wirst mich heiraten!«
»Das ist keine Frage.«
Er sprang vom Stuhl auf, und das bedeutete Gewalt. Diesmal war sie vorbereitet. Sie packte das vor ihr liegende Messer. »Ich warne dich, Olav, komm mir nicht zu nahe, oder ich schlitze dir die Kehle auf.«
»Das würdest du nicht tun«, sagte er und beäugte das scharfe Messer mißtrauisch.
»Ich dulde keine Gewalt, Olav. Du schlägst mich nicht wieder. Und du rührst Lotti nie wieder an. Sonst bringe ich dich auf der Stelle um. Glaube mir, ich meine es ernst.«
Er suchte sein Gesicht zu wahren. Dann nickte er achselzuckend, und sie legte das Messer beiseite. »Eine Frau darf ihrem Ehemann nicht drohen«, sagte er und holte tief Luft.
»Aber eine Stieftochter darf ihm drohen.«
Er runzelte die Stirn über die Bitterkeit ihrer Worte. »Du spielst das vernachlässigte Waisenkind, Zarabeth. In Wahrheit führst du ein bequemes Leben, und ich lasse dir viele Freiheiten. Andere Frauen beneiden dich um deine Stellung.«
»Wirst du deinen Sohn und deine Schwiegertochter zum Hochzeitsmahl einladen?«
Ein böses Lächeln umspielte Olavs Lippen. Es war ihr gleichgültig, ob er mit Keith Zwistigkeiten hatte. Nichts hatte sie wirklich berührt, seit Magnus fortgefahren war.
Es kümmerte sie nicht, ob Keith neidisch auf seinen Vater war, ob Toki giftig keifte. »Aber ja«, sagte Olav und rieb sich die Hände. »Ich werde alle einladen und ein großes Fest geben.«
Und so geschah es. Er scheute keine Kosten. Eine Woche später, an einem strahlenden Maitag, wurden Olav und Zarabeth vermählt, zuerst in einer christlichen Feier. Der Bischof persönlich vollzog die Trauung, um König Guthrum eine Gunst zu erweisen. Danach legte das Paar vor den Göttern der Wikinger und Germanen Odin, Thor und Freya den ehelichen Treueschwur ab. Olav hatte Zarabeth in ein kostbares Gewand aus rosaroter Seide gehüllt, in der Mitte von einem weißen Lederband gegürtet. Darüber trug sie einen Überwurf in tieferem Rosa, an den Schultern von zwei fein gehämmerten Silberbroschen gehalten, die der alte Crinna persönlich gefertigt hatte.
Auf dem Marktplatz wurden lange Tische aufgestellt, die sich, mit köstlichen Speisen beladen, förmlich bogen. Gebratenes von Rind und Hammel, Schalen mit wilden Äpfeln und Birnen, gedünstete Zwiebeln und gebackene, klein geschnittene Rüben. Dazu gab es frisches Brot, eine große Schale Honig und einen Klumpen Butter. Es gab so reichlich zu essen, daß die Gäste Olav bewunderten, ihn wegen seiner Großzügigkeit priesen und dabei vergaßen, daß er seine Stieftochter heiratete, die nicht einmal halb so alt war wie er. Er hatte sogar feinen Wollstoff für ein neues Kleid für Lotti spendiert. Die Kleine wich während der Hochzeitsfeier vor dem christlichen Bischof nicht von Zarabeths Seite, das Köpfchen an Zarabeths Schenkel gepreßt. Keith und Toki hielten sich bescheiden im Hintergrund. Denn Toki, sonst nie um eine zänkische Bemerkung verlegen, sah genau, wie ehrfurchtsvoll die Gäste und Nachbarn sich vor Olavs Großzügigkeit verneigten. Am späten Nachmittag machte sogar König Guthrum persönlich seine Aufwartung, und Olav strahlte und sonnte sich in seiner Gunst.
Zarabeth nahm die neiderfüllten Blicke der unverheirateten Frauen und Witwen mit Gelassenheit hin. Wenn sie bloß wüßten, dachte sie, wenn sie bloß ahnten, welche dumpfe Leere in ihr gähnte. Sie dachte an die bevorstehende Nacht, sah Olav nackt vor sich, wie er auf ihr lag, ihr Jungfernhäutchen zerriß. Doch nicht einmal dieser Gedanke berührte sie sonderlich. Es würde einer Fremden geschehen. Es ließ sie kalt. Sie spürte, wie Lotti sich enger an sie schmiegte, und sie nahm die Hand des kleinen Mädchens in ihre.
Ihr frisch angetrauter Gatte setzte das Trinkhorn an die Lippen und trank gierig vom süßen Honigmet. Danach reichte er den berauschenden Trunk an den König weiter. König Guthrum, alt, fett, und graubärtig, saß mit frommer Miene neben seiner Gemahlin, während im Hintergrund zwei seiner Konkubinen schäkerten, jung und prall um Brüste und Arme. Unterdessen waren alle Gäste betrunken, Männer wie Frauen. Und jeder hatte für den frischgebackenen Bräutigam gute Ratschläge parat.
Zarabeth ließ die Dinge ungerührt an sich vorüberziehen. Selbst als Toki sich zu ihr setzte, darauf bedacht, Olav stets im Auge zu behalten, sagte sie kühl: »Toki? Was wünschst du?«
»Du glaubst, du hast gewonnen, nicht wahr, Zarabeth? Nun, das hast du nicht. Sieh dir nur Olav an. Er ist so betrunken, daß er sich kaum aufrecht halten kann. Hör nur, wie unnatürlich er über die dummen Scherze des Königs lacht! Es ist bejammernswert. Und jetzt wirst du bezahlen. Du wirst teuer bezahlen.«
»Mag sein.«
»Er wird dir keinen Balg machen!«
»Ich hoffe nicht.«
Toki schwieg, äugte Zarabeth mit betrunkener Starrheit an. »Es ist mir egal«, sagte sie schließlich verächtlich.
Zarabeth festigte ihren Griff um Lottis Hand. Sie sah zu Olav hinüber, der bedenklich schwankte und empfand nur milden Ekel.
»Wenn er kotzt, ist dir das auch egal?«
Zarabeth seufzte. »Dann werde ich wohl oder übel aufwischen.«
Toki warf Lotti einen bösen Blick zu und wandte sich ihrem gleichfalls betrunkenen Ehemann zu. Zarabeth zog sich zurück, niemand nahm davon Notiz, denn es gab noch genug zu trinken. Spät nachts traten zwei betrunkene Männer lachend an sie heran, den bewußtlosen Olav in ihrer Mitte schleppend.
»Nur die zärtlichen Hände einer Frau können den wieder wecken!«
»Das beste ist, wir bringen ihn zu Bett. Entweder er stirbt oder er schwört beim Aufwachen, Mönch zu werden.«
Die beiden trugen Olav ins Haus, Zarabeth und Lotti folgten. Der König hatte huldvolle Worte zu ihr gesprochen, ebenso die Königin. Das Königspaar hatte die Braut der Großmut und dem edlen Sinn ihres Gemahls empfohlen. Zarabeth war müde nach dem langen Tag. Sie wies die Männer an, Olav auf sein Bett zu legen. Nachdem die beiden ihr mit lüsternen Blicken eine gute Nacht gewünscht hatten und gegangen waren, breitete sie eine Wolldecke über Olav und ließ ihn allein. Sie betete, er möge die Nacht durchschlafen.
Olav schlief die Nacht nicht durch. Er wachte irgendwann auf, noch schwer berauscht, begriff, daß er mit Zarabeth verheiratet war und machte sich auf die Suche nach ihr.
Er fand sie neben Lotti schlafend, rüttelte sie am Arm und krächzte: »Warum schläfst du hier? Warum bist du nicht bei mir? Es ist deine Pflicht, bei mir zu schlafen! Ich habe teuer für dich bezahlt. Du bist meine Frau!«
Zarabeth spürte, wie Lotti sich neben ihr verkrampfte. Sie hatte nicht geschlafen; sie hatte gehört, wie er durch den Flur torkelte. Sie war darauf vorbereitet und sagte mit gelassener Stimme: »Geh wieder zu Bett, Olav. Die Frauen haben mir gesagt, du bist heute nacht zu betrunken, um mich zu nehmen. Hoffentlich wird dir nicht übel. Denn ich habe keine Lust, dein Erbrochenes aufzuwischen. Gehe jetzt weg.«
Im gleichen Augenblick wich jeder lüsterne Gedanke an seine frisch angetraute Gemahlin. Sein Magen krampfte sich zusammen und drehte sich um. Aufstöhnend schlang er die Arme um seinen Leib, taumelte durchs Haus in den Laden und riß die Tür ins Freie auf. Zarabeth blieb ruhig liegen, flüsterte nur leise in Lottis Haar: »Schlaf weiter, meine Kleine. Er wird uns heute nacht nicht mehr belästigen.«
Am nächsten Morgen fand Keith seinen Vater an die Haustür gelehnt, schlafend wie ein Toter.