6. KAPITEL
Der Vormittag verging schnell. Annie streckte sich und schaute zum ersten Mal seit Stunden von dem Test hoch, an dem sie arbeitete. Pete sah zu ihr hinüber, und sie lächelte ihn an. Er erwiderte ihr Lächeln nicht, aber das störte sie nicht. Sie hatte nichts anderes erwartet. Stattdessen nahm er die Kopfhörer des Players ab, den sie ihm geliehen hatte, und drückte die Stopp-Taste.
„Zeit fürs Mittagessen“, sagte sie.
„Heißt das, dass Sie wirklich etwas essen werden?“, fragte Pete und zog leicht die Augenbrauen hoch. „Oder läuft das genauso wie beim Frühstück, als Sie nur einen Becher Tee vor Ihrem Gesicht hin und her schwenkten?“
Annies Lächeln wurde zu einem amüsierten Feixen. „Ich bin am Verhungern“, gab sie zu, „und werde jetzt wirklich etwas essen. Allerdings muss ich vorher noch ins Büro, die eingegangene Post durchsehen und die Telefonanrufe beantworten, die im Laufe des Vormittags auf dem Anrufbeantworter gelandet sind.“
Pete folgte ihr in den Flur.
„Das muss Sie doch wahnsinnig machen“, meinte sie. „Den ganzen Vormittag nur rumsitzen und mir zusehen. Nicht gerade aufregend, schätze ich.“
Im Gegenteil, dachte Pete. Er hatte einen sehr angenehmen Vormittag damit verbracht, ihr einfach nur zuzusehen und sich mit ihrer Musiksammlung zu vergnügen. Von den Beatles über Bach bis hin zu den Spin Doctors hatte er sich alles angehört, und es hatte ihm gefallen. Es war lange her, dass er sich die Zeit genommen hatte, Musik zu hören. Annies Kopfhörer schirmten die Umgebungsgeräusche nicht vollständig ab, sodass er sich sicher fühlte. Er wusste, dass er trotzdem alles mitbekam, was um ihn herum geschah.
Annie zu beobachten war alles andere als lästige Pflicht. Selbst wenn sie saß, war sie ständig in Bewegung. Sie wippte mit dem Fuß, spielte mit einem Bleistift oder irgendwelchen anderen Gegenständen … Besonderes Vergnügen hatte es ihm bereitet, sich jeden abgewetzten Fleck ihrer ausgeblichenen Jeans einzuprägen. An ihrer linken Hüfte gab es eine Stelle, an der die Naht allmählich aufriss …
Da heute Sonntag war und Cara den Tag mit Jerry verbrachte, war der Anrufbeantworter den ganzen Vormittag über eingeschaltet gewesen. Annie drückte den Abspielknopf und wandte sich dann den Mails zu. Eine Nachricht war angekommen. Annie zog das Blatt Papier aus dem Drucker und sah es sich an, während die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter abgespielt wurden.
Drei Anrufe von Leuten, deren Namen ihr nichts sagten, dann Nicks vertraute Stimme, die sie an ihre Verabredung für die Feier im Museum für Moderne Kunst erinnerte. Er bat um Rückruf. Zweifellos hatte er einen neuen Fund, dessen Echtheit schnellstmöglich und äußerst dringend überprüft werden musste. Natürlich gratis, als Gefallen für einen alten Freund. Er war kein Kunde, aber immer hatte er Arbeit für sie. Er würde sie darum bitten, seine Sache irgendwie dazwischenzuschieben, ihr anbieten, ihr bis spät in die Nacht hinein Gesellschaft zu leisten. Und während sie an den nötigen Tests arbeitete, würde er zweifellos versuchen, sie mit Wein und Essenseinladungen zu verführen.
Sowohl der Käufer als auch der Verkäufer der Kupferschale, an der sie arbeitete, hatten eine Nachricht hinterlassen, außerdem noch fünf andere Kunden.
Annie wählte die Nummer des ersten Kunden, der angerufen hatte, sagte Hallo und wurde etwa zehn Minuten mit Fragen bombardiert. Es ging um ihr letztes Gutachten zu einem Kunstwerk, das er verkaufen wollte.
An Mittagessen war vorerst wohl nicht zu denken.
Ihr knurrte der Magen. „Einen Moment, bitte“, sagte sie in den Hörer und schickte den Kunden in die Warteschleife. Dann sah sie hinüber zu Pete. „Könnten Sie mir einen großen Gefallen tun?“, bat sie. „Würden Sie bitte in die Küche gehen und mir Brot, Erdnussbutter, Gelee, einen Teller und ein Messer bringen? Ich hänge am Telefon fest.“
„Ich habe eine bessere Idee“, antwortete Pete. „Ich mache Ihnen ein Brot fertig.“
„Das müssen Sie nicht“, gab sie überrascht zurück.
„Ich weiß.“ Er lächelte. „Und eins können Sie mir glauben: Ich tue so etwas nicht für jeden.“
Aber für mich, durchfuhr es Annie, und ein wohliger Schauer durchlief sie, als sie ihm in die dunklen Augen schaute. Nicht genug damit, dass der Kerl einfach umwerfend aussah – sein Lächeln war der Hammer. Bisher hatte sie nur Liebenswertes an ihm entdeckt. Er konnte aber kaum vollkommen sein, oder etwa doch? So unrealistisch der Gedanke auch war, sie wünschte sich genau das. Peter Taylor, Sicherheitsberater und Leibwächter, war völlig unerwartet in ihr Leben geschneit. Konnte sie ernstlich darauf hoffen, dass er blieb?
Als er das Büro verließ, ging er rückwärts und ließ ihren Blick erst los, als es sein musste. Annie lauschte seinen Schritten auf der Treppe, während sie die Verbindung zu ihrem Kunden wiederherstellte.
Ein Blick auf die Uhr: Viertel vor eins. Sie freute sich jetzt schon auf die Nacht. Eine Nacht, die sie wieder mit Pete Taylor in ihrem Schlafzimmer verbringen würde. Wir werden reden, rief sie sich zur Ordnung, nur reden.
Zehn Minuten später starrte Annie das Telefon an. Ein Gespräch erledigt, noch fünf weitere warteten. Sie stieß den Atem aus und warf einen Blick auf den Wandkalender. Oktober. Es war erst Oktober. Konnte sie dieses Arbeitspensum wirklich bis Dezember durchhalten?
Im Augenwinkel nahm sie eine Bewegung am Fenster wahr und drehte sich um.
Was zum Teufel …?
Im Baum vorm Fenster hing etwas. Etwas Rotes und …
Sehr Totes.
Ein Kadaver.
Ein totes gehäutetes Tier baumelte von einem Ast. Es sah grauenvoll aus. Wieder bemerkte sie eine Bewegung. Da lief gerade jemand weg.
„Pete“, rief sie, sprang von ihrem Stuhl auf und rannte ans Fenster. Wer immer gerade noch dort draußen gewesen sein mochte, war schon fast um die Hausecke herum verschwunden. Sie sah nur noch eine schwarze Jacke von hinten. Vielleicht auch langes schwarzes Haar? „Taylor!“
Sie lief zur Eingangstür, aber Pete war schon die Treppe heruntergekommen und rannte in einem Tempo auf sie zu, das normalerweise nur Raubkatzen an den Tag legten. Er fing sie in den Armen auf, um sie nicht umzuwerfen, als er auf dem glatten Hartholzboden schlitternd zum Stehen kam.
„Was ist los?“, fragte er scharf. „Annie, was ist passiert?“ „Da draußen war jemand“, stieß sie keuchend hervor. „Beeilen Sie sich. Vielleicht erwischen Sie ihn noch!“
„Bleiben Sie hier“, befahl Pete und rannte zur Tür. Er zog seine Waffe, als er in die kühle Nachmittagsluft hinauslief. Leuchtend gelbes, goldbraunes und rotes Herbstlaub lag dicht an dicht auf dem Rasen, und er konnte sehen, welchen Weg der Eindringling genommen hatte, als er davonlief. Die Spur führte direkt in einen der Nachbargärten, mitten durch eine Hecke aus hohen Büschen.
Pete rannte zu den Sträuchern hinüber und spähte zwischen ihnen hindurch. Der Garten dahinter war leer, weit und breit niemand zu sehen. Er warf einen Blick zurück zum Haus. Es behagte ihm nicht, dass er Annie dort allein und schutzlos zurückgelassen hatte. Was, wenn das Ganze nur ein Ablenkungsmanöver war, das ihn vom Haus und damit von Annie weglocken sollte?
Im selben Moment trat sie auf die Vorderveranda ihres Hauses. Ärger durchzuckte ihn, und er trabte zu ihr zurück. „Mir ist, als hätte ich Sie gebeten, im Haus zu bleiben“, sagte er kalt. Aber als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte, löste sich sein Zorn sofort in nichts auf.
„Es tut mir leid“, sagte sie und zog fröstelnd die Schultern hoch. Ihre blauen Augen wirkten noch größer als sonst. „Ich … ähm. Mir war ein wenig unheimlich allein da drin.“
Pete steckte seine Waffe zurück ins Schulterholster. „Kommen Sie“, sagte er deutlich freundlicher. „Es ist kalt hier draußen. Gehen wir wieder rein.“
Aber Annie wandte sich entschlossen ab und marschierte los, um das Haus herum. „Wir müssen es abschneiden“, sagte sie. „Wir können es nicht da hängen lassen.“
Verwirrt folgte ihr Pete und blieb beim Anblick des toten Tieres im Baum wie erstarrt stehen. Ein gemurmelter Fluch entschlüpfte ihm.
„Ich glaube, es ist ein Kaninchen“, sagte Annie und schluckte hart. „War ein Kaninchen, meine ich. Haben Sie ein Messer?“
„Warten Sie. Wir können es nicht abschneiden.“
„Warum nicht?“
„Das ist ein Beweisstück.“
Annie starrte das gehäutete Tier an und versuchte die Tränen zurückzudrängen, die ihr plötzlich in die Augen stiegen. „Es hängt genau vor meinem Bürofenster“, stieß sie mit zitternder Stimme hervor.
„Ich rufe das FBI an“, sagte Pete sanft. „Sie können hoffentlich jemanden schicken, der sich sofort darum kümmert.“
„Und wenn nicht?“
„Annie, wir dürfen die Ermittlungen nicht erschweren.“
„Ich weiß nicht, was ich schlimmer finden soll“, antwortete sie. Eine Träne rollte ihr die Wange hinunter. Sie wischte sie hastig weg. „Den Umstand, dass jemand dieses Ding da aufgehängt hat, oder die Tatsache, dass ich es nicht abschneiden darf, obwohl ich das möchte.“
„Es tut mir leid“, sagte Pete und trat näher an sie heran. Er streckte die Arme nach ihr aus, wohl wissend, dass er genau das bisher sorgsam vermieden hatte: körperlichen Kontakt jeder Art. Er konnte sie nicht in den Armen halten, ohne den Wunsch zu verspüren, sie zu küssen. Und wenn er sie küsste, war er verloren. Trotzdem griff er nach ihr, um sie zu trösten – nur damit sie aufhörte zu weinen.
Aber sie drängte sich an ihm vorbei und eilte ins Haus zurück.
Er folgte ihr ins Labor, wo sie ihn komplett ignorierte und sich ganz und gar auf ihre Arbeit konzentrierte.
Pete ging ins Büro und rief das FBI an. Dann brachte er Annie das Brot, das er für sie vorbereitet hatte.
Es blieb den ganzen Tag unberührt auf dem Tisch liegen.
Annie lag mit geschlossenen Augen lang ausgestreckt in der Badewanne. Das Wasser kühlte nach und nach ab, und sie überlegte gerade, ob sie einen Teil ablassen und heißes Wasser nachlaufen lassen sollte, als es leise an der Badezimmertür klopfte.
„Alles in Ordnung da drin?“, fragte Pete.
Sie seufzte. „Ja. Ich bin gleich fertig.“
„Lassen Sie sich ruhig Zeit“, sagte er, aber schon hörte er, dass sie das Wasser abließ.
Fünf Minuten später ging die Badezimmertür auf, und Annie trat heraus. Sie trug einen karierten Pyjama. Ihre Haut schimmerte rosig, und sie bürstete sich das Haar. Ihr Blick suchte Pete, der an der Schlafzimmertür stand.
„Darf ich jetzt abschließen?“, fragte er.
Sie nickte, setzte sich im Schneidersitz aufs Bett und bürstete weiter ihr Haar. „Wie lange dauert es noch, bis die Bewegungsmelder installiert sind?“, fragte sie.
Pete wusste, was sie wirklich wissen wollte: Wie lange dauert es, bis ich mein Zimmer endlich wieder für mich allein habe? „Mit ein bisschen Glück nur ein paar Tage“, antwortete er.
Sie nickte.
Er verschwand kurz im Bad, wusch sich bei offener Tür, damit er sie hörte, wenn sie ihn brauchte. Sein Handtuch hängte er neben ihr Badetuch auf den Handtuchhalter. Ihr Badetuch war noch feucht, und es roch nach ihr. Das ganze Bad roch nach ihr: frisch, sauber, süß.
Pete schaltete das Licht im Badezimmer aus und ging zurück ins Schlafzimmer. Er setzte sich auf seinen Schlafsack und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand.
Annie legte ihre Haarbürste auf das Nachtschränkchen neben ihrem Bett und schaltete das Licht aus.
Dunkelheit.
Die Dunkelheit hüllte ihn ein, und er wartete geduldig, bis seine Augen sich daran gewöhnt hatten. Im Schutz der Dunkelheit zog er sein T-Shirt aus und schlüpfte aus seiner Jeans. Die Nacht zuvor hatte er in seinen Kleidern geschlafen, aber das war ihm viel zu warm geworden. Er legte sich hin und lauschte auf das leichte Rascheln von Annies Bettdecke. Sie wälzte sich ein paarmal hin und her, bevor sie zur Ruhe kam.
Nach mehreren langen Minuten völliger Stille fragte Annie schließlich: „Taylor, sind Sie noch wach?“
Er lächelte in der Dunkelheit. „Ja.“
„Ich frage mich …“
„Was?“
„Wann haben Sie mal einen freien Tag?“
„Gar nicht. Erst wenn der Job erledigt ist.“
„Aber das dauert vermutlich noch mindestens sechs Wochen. Wird das nicht zu anstrengend? Sie beobachten mich Tag und Nacht. Das bringt Sie doch an den Rand der Erschöpfung!“
„Nein.“
Die Antwort kam so überzeugend rüber, dass Annie ihm glauben musste. „Ist Ihr Job immer so?“, fragte sie. „Ich meine, so rund um die Uhr? Bleibt Ihnen da überhaupt noch Zeit für Ihr Privatleben?“
„Ich habe kein Privatleben.“
„Freiwillig?“
Einen Moment schwieg er. „Ja, ich glaube schon“, antwortete er dann. „Und was ist mit Ihnen? Sie arbeiten doch auch rund um die Uhr.“
„Ich habe ein Privatleben“, widersprach Annie. „Ich gehe aus und unternehme … Dinge.“
Wem versuche ich eigentlich etwas vorzumachen, fragte sie sich. Pete oder mir selbst?
Sie runzelte die Stirn und starrte an die Decke. Wann hatte sie das letzte Mal eine Verabredung gehabt? Als Nick das letzte Mal in der Stadt war. Er hatte sie in ein kleines italienisches Restaurant ausgeführt und anschließend versucht, sie zu überreden, mit ihm auf sein Hotelzimmer zu gehen. Ich habe zu viel Wein getrunken, fiel ihr wieder ein, und hätte seinem Drängen beinah nachgegeben …
„Annie, es tut mir leid wegen heute Nachmittag“, unterbrach Pete ihr Grübeln. Schlagartig war Nick vergessen. „Ich wünschte wirklich, ich hätte das anders regeln können.“
„Es war nicht Ihre Schuld“, sagte Annie müde.
„Ja, schon, aber trotzdem wünschte ich …“ Seine Stimme verklang. Oh Mann, er wünschte, diese ganze Untersuchung wäre anders angepackt worden. Er wünschte, Annie hätte sich nicht als so nett, lustig und umwerfend süß erwiesen. Er wünschte, er könnte es sich gestatten, sich Sorgen um sie zu machen, sich um sie zu kümmern, sie gernzuhaben. Zu spät, flüsterte eine leise Stimme in ihm. Viel zu spät, du hast sie bereits gern …
Er hörte, wie Annie sich in ihrem Bett aufsetzte. „Was?“, fragte sie kaum hörbar. „Was wünschen Sie sich?“
Pete stützte sich auf die Ellbogen. Er spürte, dass sie aufrecht in ihrem Bett saß, und bekam es mit der Angst zu tun, sie könne aufstehen und zu ihm kommen. Das wäre eine Katastrophe. Wenn sie ihn auch nur berührte, würde er in Flammen aufgehen. Spontane Selbstentzündung. Was bliebe dann von seinem Leben? Eine Sensationsmeldung auf der Titelseite des National Enquirer.
Ihm fiel wieder ein, wie er am Morgen die Treppe hinuntergerannt war, wieder spürte er den Adrenalinstoß, der ihn durchfuhr, als sie seinen Namen rief. Er hatte Annie nur kurz in den Armen gehalten. Nur wenige Sekunden lang, aber wenn er diese Erinnerung in Zeitlupe vor seinem inneren Auge abspielte … Gefährlich. Du liebe Güte, viel zu gefährlich.
„Was wünschen Sie sich?“, fragte Annie erneut. Er hörte ein Geräusch, als rutschte sie ans Fußende ihres Bettes, von wo aus sie ihn sehen konnte, wenn sie in die Dunkelheit spähte.
„Alles Mögliche“, antwortete Pete, „viel zu viel. Versuchen Sie zu schlafen, Annie.“
Es wurde wieder still.
Pete betete und wandte sich dabei auch an die Götter seines Großvaters. Bitte, lasst die Versuchung nicht noch größer werden, als sie schon ist …
Etliche endlos scheinende Minuten blieb es still.
Dann ließ Annie einen erlesenen Fluch vom Stapel. „Ich kann nicht schlafen. Ich bin fix und fertig, aber meine Gedanken drehen sich ständig im Kreis. Und ich muss morgen früh aufstehen und …“
„Haben Sie die Augen geschlossen?“, fragte Pete.
„Nicht direkt …“
„Schließen Sie Ihre Augen.“ Sein Tonfall erlaubte keine Widerrede. „Ich bringe Ihnen eine Entspannungstechnik bei. Einverstanden?“
„Na schön“, gab Annie zurück, unüberhörbare Zweifel in ihrer Stimme. „Aber ich habe so etwas schon versucht. Es funktioniert nicht.“
„Diese Methode funktioniert. Haben Sie einen Lieblingsort? Einen Platz, der Ihnen völlige innere Ruhe schenkt?“
Annie spähte hinauf zur Decke und dachte nach. „Monument Valley“, entschied sie dann. „Ich liebe diesen Ort. Die Sonnenaufgänge waren einfach unglaublich. Aber … Nein, vielleicht besser der Strand auf Tahiti. Der war fantastisch.“ Sie setzte sich auf. „Dort hat es mir wirklich besonders gut gefallen. Andererseits – die Pyramiden in Ägypten hatten etwas an sich … Ich fühlte mich dort wie auf einem anderen Planeten, und das war so überraschend beruhigend …“
„Annie.“
„Ja?“
„Legen Sie sich hin.“
Sie ließ sich wieder auf ihr Kissen fallen und zog sich die Decke bis unters Kinn.
„Ich erzähle Ihnen von meinem Lieblingsplatz. In Ordnung?“ Petes Stimme war leise und sanft.
„In Ordnung.“
„Schließen Sie Ihre Augen“, fuhr Pete fort. „Und Ihren Mund, sonst funktioniert es nicht.“
Gehorsam schwieg sie.
„Mein Lieblingsort war an einem Strand“, erzählte Pete. „Nicht auf Tahiti, aber am Ufer des Pazifiks. Normalerweise war ich müde, verschwitzt und dreckig, wenn ich dorthin kam. Also habe ich zuerst immer meine Stiefel ausgezogen und bin direkt in das klare blaue Wasser hineingegangen.“
In Sekundenschnelle wurde Pete in die Vergangenheit zurückversetzt. Oh ja, er kam aus dem Dschungel und tauchte ein in das klare blaue Wasser. Um sich das Blut abzuwaschen. Um den Tod von Körper und Seele zu streifen. Um Vergessen in den endlosen blauen Weiten des Ozeans zu finden.
Aber das konnte er Annie wohl kaum erzählen. Ruhig fuhr er fort: „Stellen Sie sich das vor. Malen Sie sich aus, wie Sie durchs Wasser gleiten und alles von sich abstreifen, was heute geschehen ist. Da, wo Sie sind, im Schutz des Riffs, ist das Meer ruhig. Nur eine leichte Dünung schaukelt Sie auf und ab. Sie können bis zum Horizont schauen und sehen nichts als Wasser, blaues Wasser. Scheinbar endlose Weiten blauen Wassers.“
Annie lag mit geschlossenen Augen im Dunkeln und ließ sich von Petes leisen Worten einlullen. Jetzt, wo er sich entspannte und etwas träger sprach, kam sein Näseln stärker durch. Ihr gefiel es. Der leicht schleppende Tonfall passte viel besser zu ihm als die abgehackte, emotionslose Sprechweise, die er sonst verwandte.
„Sie steigen aus dem Wasser“, sagte er, „und gehen den Strand hinauf. Der Sand ist fein und weich und heiß unter Ihren Füßen. Das fühlt sich richtig gut an. Eine Decke liegt ausgebreitet auf dem Strand, und Sie strecken sich darauf aus. Es ist warm, und die Sonne streichelt Ihr Gesicht. Niemand sonst ist am Strand. Sie haben diesen Ort ganz für sich allein. Also ziehen Sie Ihre nassen Kleider aus.“
Pete hielt einen Moment inne. Er bekam das selbst heraufbeschworene Bild nicht mehr aus dem Kopf: Annie, nackt am Strand. Verdammt, das Ganze soll der Entspannung dienen …
„Sie legen sich rücklings auf die Decke und spüren die heiße Sonne auf der Haut. Der Himmel ist so blau, wie Sie es noch nie gesehen haben, und der Sand ist leuchtend weiß. Sie schließen Ihre Augen und lauschen dem Rauschen der Wellen und dem Kreischen der Seevögel. Das ist wie Musik, eine Musik mit eigenem Rhythmus und eigenem Reim. Sie wirkt beruhigend, und schon bald fühlen Sie sich entspannt. Sie fühlen sich, als schwebten Sie …“
Er konnte Annies Atem hören. Sie atmete langsam und gleichmäßig, und er ließ seine Stimme verklingen. Sie war eingeschlafen.
Sie vertraute ihm. Noch ein paar solcher Nächte, und er konnte sie fragen, was sie in Athen getan hatte. Mit wem sie gesprochen hatte, wohin sie gegangen war. Er würde sie fragen, ob sie vielleicht in diese Sache verwickelt war …
Obwohl er nicht wirklich glaubte, dass Annie an einer Verschwörung beteiligt war. Er lächelte in sich hinein. Sie schien unfähig zu sein zu lügen. Noch ein paar Nächte, und ich habe Gewissheit …
Leider sollte jedoch schon morgen die Alarmanlage auf den neuesten Stand gebracht werden. Und das hieß, dass er bald im Gästezimmer schlafen würde, fern von ihr.
Pete lag noch lange wach und starrte in die Dunkelheit, bevor auch er endlich einschlief.
Pete rief Whitley Scott am frühen Morgen an, als Annie unter der Dusche stand.
„Können Sie reden?“, fragte Scott.
„Etwa drei Minuten“, antwortete Pete. Er stand in der Tür zum Büro, lauschte nach Annie und behielt gleichzeitig den Flur im Auge, weil Cara jeden Moment kommen musste. „Ich muss Sie bitten, den Einbau der Bewegungssensoren zu verzögern. Sorgen Sie dafür, dass die Installationsfirma Annie anruft und ihr mitteilt, dass es noch mindestens eine Woche dauern wird, bis sie die Installation vornehmen können.“
„Annie, hmm?“, warf Scott mit bedeutungsschwerer Betonung ein.
Pete ignorierte den Einwurf. „Tun Sie das?“
„Klar.“
„Was haben Sie herausgefunden?“, fragte Pete.
„Wegen der Anrufe?“
„Und wegen des Steins, der durchs Fenster geflogen ist, und wegen des Wolfsmenschen in dem Auto und wegen des Kadavers im Baum …“
„Ja, ja, schon gut“, fiel Scott ihm ins Wort. „Nicht viel. Das hat für uns im Moment keine Priorität …“
„Dann stufen Sie die Priorität gefälligst herauf“, verlangte Pete. Sein Ton ließ erkennen, dass er darüber nicht mit sich reden lassen würde.
Trotzdem wagte Scott einen Versuch. „Ach kommen Sie schon, Pete. Sie kennen doch diese Bekloppten. Wahrscheinlich ist das so eine Gruppe durchgeknallter Weltverbesserer. Wir haben einfach nicht genug Leute, um uns mit Drohungen zu befassen, die nicht ernst zu nehmen sind.“
„Ich stufe sie als ernst zu nehmend ein“, widersprach Pete kurz angebunden. „Setzen Sie sofort ein Team darauf an.“
Schweigen. Whitley Scott mochte es nicht, herumkommandiert zu werden. Aber Pete hatte den längeren Atem, und schließlich seufzte Scott verärgert. „Ich schaue, was ich tun kann“, sagte er mürrisch. „Was geschieht denn jetzt bei Ihnen? Kommen Sie bei Morrow voran?“
„Sie fängt an, mir zu vertrauen. Allmählich sieht sie einen Freund in mir.“
„Einen Freund?“, höhnte der Chef der FBI-Abteilung. „Was soll der Scheiß, Pete? Freund! Wenn ich das schon höre. Verführen Sie sie, verdammt noch mal. Frauen vertrauen den Männern, mit denen sie schlafen. Das entspricht ihrer Natur. Dann wird sie Ihnen all ihre Geheimnisse erzählen.“
„Ich muss aufhören“, unterbrach Pete ihn brüsk, obwohl er immer noch das Wasser oben laufen hörte und nichts von Cara zu sehen war. Er legte auf, Scotts Worte immer noch im Ohr. Verführen Sie sie.
Warum reagierte er nur so wütend auf diesen lässig dahingesprochenen Vorschlag?
Weil Annie nun mal … nun ja … eben Annie war. Sie war etwas Besonderes. Pete mochte alles an ihr. Er mochte sie sehr. Viel zu sehr, um sie auf diese Weise auszunutzen.
Er ließ sich schwerfällig auf Annies Bürostuhl fallen und massierte die verspannten Muskeln in Nacken und Schultern. Ironischerweise war es nämlich so: Wenn er wirklich Pete Taylor wäre und wirklich nur ein einfacher Bodyguard, dann hätte er längst alles darangesetzt, sie herumzukriegen.
Das Leben war schon verdammt seltsam.
„Hey“, unterbrach Cara Annies Konzentration. „Ich habe hier einen Anruf für dich, von dem ich glaube, dass du ihn selbst entgegennehmen willst. Der Typ von der Alarmanlagenfirma.“
Annie schaute von ihren Geräten auf, streckte ihre steife Schulter- und Rückenmuskulatur und massierte sich mit einer Hand eine Verspannung im Nacken. „Danke. Ich nehme den Anruf hier entgegen.“
Sie ging zu dem weißen Labortelefon hinüber, das an der Wand neben der Tür hing. Es war später Nachmittag, und das Tageslicht begann bereits zu schwinden. Als sie das Telefon abnahm, schaltete sie die Deckenbeleuchtung ein.
„Anne Morrow am Apparat“, sagte sie und warf dabei einen Blick zu Pete hinüber. Er saß zurückgelehnt auf einem Stuhl, die Füße auf einen Hocker gelegt. Ihr wurde bewusst, dass seine entspannte Haltung nur Show war. Er beobachtete sie genauso aufmerksam wie immer. Ganz bestimmt entging ihm nicht, dass sie den Blick nicht von seinen langen Beinen lassen konnte. Verdammt, der Mann sah einfach zu gut aus. Sie wandte ihm den Rücken zu und versuchte sich auf ihren Telefonpartner zu konzentrieren.
„Wir haben ein kleines Problem mit unserer Terminplanung“, sagte der Mann am anderen Ende der Leitung mit starkem New Yorker Akzent. Er hatte sich als Eigentümer der Alarmanlagen-Installationsfirma vorgestellt, die Pete wegen der Bewegungsmelder angerufen hatte. „Der früheste Termin, an dem ich meine Leute zu Ihnen schicken kann, wäre nächste Woche. Ende nächster Woche. Frühestens Donnerstag oder Freitag. Möglicherweise auch erst am Montag darauf.“
„Oh verdammt.“ Annie kaute auf ihrer Unterlippe herum. „Es war abgemacht, dass Sie heute kommen.“
„Tut mir leid, Miss“, antwortete der Mann. Er klang kein bisschen so, als täte ihm etwas leid. „Falsche Jahreszeit. Halloween. Sie können versuchen, eine andere Firma zu finden, aber es ist überall dasselbe. Keiner kommt mit den Aufträgen nach.“
Annie starrte aus dem Fenster in die Dämmerung. Noch anderthalb Wochen mit Pete in ihrem Schlafzimmer! Aber warum regte sie sich darüber nicht so auf, wie sie das noch gestern oder vorgestern getan hätte?
„Soll ich Sie auf der Warteliste lassen?“, fragte der Mann. „Ja“, antwortete Annie. „Ja, danke. Danke für Ihren Anruf.“
Langsam legte sie auf. Dann informierte sie Pete über den Inhalt des Gesprächs. Er nahm die Neuigkeit gelassen auf, verzog wie üblich keine Miene. War er enttäuscht? Oder vielleicht eher erfreut? Sie hätte es nicht sagen können.
„Ist das eine offizielle Pause?“, fragte Cara fröhlich, als sie ins Labor zurückkam. „Es wäre an der Zeit. Du arbeitest schon den ganzen Nachmittag ohne Unterbrechung. Und ich habe endlich alle Daten dieser grässlichen Kupferschale erfasst und bin jetzt in Feierstimmung.“
„Du bist immer in Feierstimmung“, meinte Annie lächelnd.
„Schon, aber diesmal habe ich eine gute Ausrede. Jerry wird gleich vorbeikommen. Was hältst du davon, wenn wir alle chinesisch essen gehen?“
„Ich weiß nicht recht“, meinte Annie.
„Ach komm schon“, drängte Cara. „Du weißt doch genau, wie komisch du wirst, wenn du tagelang nicht aus dem Haus kommst. Ein bisschen frische Luft und Huhn nach Sichuan-Art werden dir guttun.“
Annie warf Pete einen Blick zu. „Was meinen Sie, Taylor? Wollen Sie chinesisch essen gehen?“
„Ich gehe, wohin Sie gehen.“
„Das weiß ich“, gab sie ungeduldig zurück. „Ich fragte, ob Sie es wollen.“
Er nahm seine Füße in den ausgelatschten Cowboystiefeln vom Hocker und stand auf. „Sehr gern“, antwortete er. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er ihr in die Augen schaute.
Annie beobachtete Pete, während Jerry wilde Geschichten von seinen letzten Ausgrabungen in Südamerika erzählte. Zwischen ihnen standen noch die Reste ihres Abendessens. Als der Kellner den Tisch abräumte, sah Pete zu Annie hinüber und lächelte. Sie spürte sofort wieder die inzwischen vertraute Wärme der Anziehungskraft zwischen ihnen und musste den Blick abwenden.
Dies ist kein Rendezvous, rief sie sich zum bestimmt hundertsten Mal an diesem Abend ins Gedächtnis. Pete ist mein Leibwächter. Er ist nur hier, um mich zu beschützen. Doch in seinen Augen brannte mitunter ein so intensives Feuer, dass es ihr schier den Atem verschlug.
In den wenigen Tagen, in denen er sie jetzt beschützte, hatte er keinen Moment den Eindruck vermittelt, dass sie für ihn etwas anderes war als ein Job. Einerseits war er freundlich, ja sogar nett, im Allgemeinen höflich. Andererseits benahm er sich ganz und gar nicht wie ein Mann, der sich nach ihrer Berührung verzehrte.
Jedenfalls nicht so, wie sie sich danach sehnte, von ihm berührt zu werden.
Oh, verdammt noch mal, dachte Annie. Wann habe ich die Grenze überschritten zwischen: „Dies ist ein Mann, den ich kennenlernen möchte“ und „Dies ist ein Mann, den ich haben muss“? Wann ist das passiert?
Vermutlich letzte Nacht, als sie sich von seiner sanften, leicht heiseren Stimme in den Schlaf hatte wiegen lassen. Oder vielleicht schon früher am Tag, als er ihr angeboten hatte, ihr etwas zu essen zu machen. Oder vielleicht schon in der Nacht davor, als sie stundenlang wach lagen und redeten …
„Du bist so schrecklich still heute Abend“, wandte Jerry sich an Annie. „Und du hast fast nichts gegessen. Was ist los?“
Annie sah an der Sitzhaltung der beiden, dass er und Cara unterm Tisch Händchen hielten. Cara wirkte sehr glücklich.
„Sie hatte eine schwere Woche“, antwortete Cara an ihrer Stelle. „Sie hat ein paar Arbeitstage verloren, weil sie nach England fliegen musste, um die Totenmaske des alten Stands Against the Storm abzuholen. Und als sie wieder hier landete, wurde sie vom FBI schikaniert, als sie durch den Zoll wollte. Die haben sie sechs Stunden festgehalten.“
„Warum das?“, fragte Jerry. „Was hast du diesmal angestellt, Morrow?“
Annie warf Pete einen Blick zu. Er beobachtete sie sehr genau. „Nachdem ich die Maske in der English Gallery abgeholt hatte, ging dort eine Bombe hoch, und die Gallery wurde ausgeraubt.“
„Du machst Witze!“ Jerry war sichtlich schockiert.
„Über so etwas mache ich ganz bestimmt keine Witze“, meinte Annie kläglich.
„Oh Gott, du hast aber auch ein Pech.“ Jerry schüttelte bedauernd den Kopf. „Vielleicht solltest du eine Weile in den Staaten bleiben. Ich meine, noch so ein Zufall wie dieser, und …“
„Nein, danke.“ In Annies Augen blitzte Zorn auf. „Meine Arbeit verlangt Reisen ins Ausland. Ich lasse nicht zu, dass man mir eine Änderung meines Lebensstils aufzwingt.“
„Vielleicht hättest du nach der Geschichte in Athen ein bisschen kooperativer sein sollen“, meinte Jerry und runzelte die Stirn.
„Wie viel kooperativer, Tillet?“, fragte Annie sauer. „Meinst du, so kooperativ, den Typen vom FBI ein unterschriebenes Geständnis zu liefern? Genau das wollen sie nämlich.“ Sie wandte sich an Pete. „Wir sollten jetzt besser gehen. Ich habe heute Abend noch einiges zu tun.“
„Kommt es eigentlich auch mal vor, dass sie nicht arbeitet?“ Jerrys Frage war an Pete gerichtet. Wieder an Annie gewandt, sagte er: „Du musst inzwischen ganz fürchterlich reich sein. Vielleicht sollte ich versuchen, dich als Sponsorin für mein neuestes Projekt zu gewinnen. Schau, ich habe da eine Stelle in Mexiko gefunden …“
„Ich weiß, ich weiß“, wiegelte Annie ab und rollte mit den Augen. „Ich habe davon gehört. Allein in dieser Woche schon mindestens – warte – fünftausend Mal.“
„Du weißt, dass es dich interessiert“, fuhr Jerry unbeeindruckt fort. „Du könntest mitkommen.“ Er warf einen Seitenblick zu Cara hinüber. „Du auch“, fügte er hinzu. Dann wandte er sich wieder an Annie. „Wann hast du das letzte Mal an einer Ausgrabung teilgenommen?“
„Es würde mir Spaß machen“, antwortete Annie, „aber ich habe wirklich nicht das Geld und die Zeit dafür.“
Der Kellner brachte die Rechnung, und sie griff danach, aber Pete war schneller. „Das geht auf Mr Marshall“, erklärte er lächelnd.
„Darauf trinke ich“, grinste Jerry.
Annie sah zu, wie Pete die Rechnung an der Kasse beglich. Sie stand auf und zog sich ihre Jacke an. Petes Lederjacke hing über der Rückenlehne seines Stuhls, und sie nahm sie hoch. Gott, ist die schwer. „Bis morgen, ihr beiden“, sagte sie und zwinkerte Cara vielsagend zu.
Pete gesellte sich an der Tür zu ihr und nahm ihr seine Jacke ab. „Danke.“
„Was schleppen Sie in Ihren Taschen mit sich herum?“, fragte Annie, als sie die wohlige Wärme des Restaurants hinter sich ließen und den Gehsteig betraten. „Ihre Jacke wiegt mindestens einen Zentner.“
Sie zog den Reißverschluss ihrer eigenen Jacke zu. Trotzdem fröstelte sie ein wenig in der kalten Herbstluft.
„Das sind die eingenähten Metallplatten“, erläuterte Pete. „Für den Fall, dass ich mich einer Kugel in den Weg werfen muss.“
Annie lachte.
„Ich meine es ernst“, sagte er. „Die Jacke ist kugelsicher.“
Er musterte sie im trüben Licht der Straßenlaterne an der Ecke. Seine dunklen Augen wirkten weich, warm und leuchtend. Wenn ein anderer Mann sie so angesehen hätte, hätte sie all ihre Ersparnisse darauf verwettet, dass er sie gleich küssen würde. Nicht so Pete Taylor. Er wandte den Blick ab, schaute zu Boden und trat zwei Schritte zurück, fort von ihr.
Annie verbarg ihren Ärger und wandte sich um. Schweigend gingen sie beide zu seinem Auto.