|83|Dialog in der professionellen Kommunikation – Social Media im Unternehmensalltag
Martina Seefeld und Jörg Hoewner
Social Media im Unternehmen: Kollaboration als Chance
Sobald die Rede auf Web 2.0 beziehungsweise Social-Software-Anwendungen in Unternehmen kommt, wird häufig der Begriff Enterprise 2.0 verwendet, der sich aus den Bestandteilen Web 2.0 und Enterprise zusammensetzt. Geprägt hat diesen Begriff der Harvard-Professor Andrew McAfee: »Enterprise 2.0 is the use of emergent social software platforms within companies, or between companies and their partners or customers« (McAfee 2008). Es geht also zunächst nur um die unternehmensinterne beziehungsweise unternehmensübergreifende Abbildung von Prozessen auf Basis von Social Software. Laut einer aktuellen Studie1 setzen derzeit 32 Prozent der Dienstleistungsunternehmen in Deutschland Social Software ein (vgl. Abbildung 1). Ein hoher Anteil der Anwendungen dient dabei unternehmensinternen Zwecken statt, vor allem in den Bereichen Wissensaustausch, in der Internen Kommunikation und im Innovationsmanagement. Genutzt wird vor allem typische Web 2.0-Software wie RSS-Reader, Social Networking-Tools, Mitarbeiter- und Projektblogs, Wikis und Social Bookmarking Systeme (vgl. Bercelon Research/CoreMedia 2007).2
Um Beispiele aus der Praxis zu nennen: Bei der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein, einem Unternehmen mit 6.000 Mitarbeitern, |84|nutzen circa 2.500 Mitarbeiter ein unternehmensinternes Wiki zum Wissensaustausch, für die Projektarbeit, zur Präsentationsvorbereitung, für Brainstormings und für organisatorische Zwecke wie etwa zur Vorbereitung von Meetings (vgl. Socialtext Incorporated 2008).
Das klassische Intranet wurde hier fast vollständig durch die Wiki-Plattform ersetzt, was sich vor allem in der Akzeptanz der Nutzer zeigt. Zusätzlich engagieren sich mehrere hundert Kundenberater des Unternehmens als Blogger. Mit Hilfe von Weblogs halten sie ihre Kunden, in der Regel Investoren, über Marktentwicklungen und Trends im Finanzbereich auf dem Laufenden. Die Einsatz- und Nutzungsmöglichkeiten von Social Media sind demnach vielfältig (King 2007):
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Die Intelpedia von Intel, eine interne Wissensplattform, umfasst circa 5.000 Seiten Inhalt und verzeichnet monatlich 13,5 Millionen Abrufe.
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Das Sony PlayStation-Team nutzt Wikis im Projektmanagement.
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|85|Das Unternehmen Manning & Napier nutzt ein Wiki zum Nachverfolgen von News aus dem Life Science-Bereich.
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Bei IBM nutzen circa 125.000 Mitarbeiter die internen Wikis; außerdem besteht ein internes Social-Bookmark-System mit circa 50.000 Bookmarks (Millen/Feinberg/Kerr 2005) und circa 11.000 Weblogs, die sich teils ausschließlich an interne, teils an externe Zielgruppen richten.
Naturgemäß zeigen sich technologieorientierte Unternehmen bislang besonders Social Media-affin; aber auch die traditionellen Dienstleister und produzierende Betriebe ziehen mittlerweile kräftig nach.
Anders als noch in der Anfangsphase des Webs, als häufig die IT-Abteilungen von Unternehmen die Einführung neuer Systeme betrieben haben, zeigen sich heute vor allem Marketing- und PR-Abteilungen oder das Management als treibende Kraft. In gut einem Drittel aller Fälle sind es junge, technologieaffine Mitarbeiter, die als interne Botschafter dafür sorgen, dass sich Unternehmen mit dem Thema auseinandersetzen (Berlecon Research/ CoreMedia 2007: 23) Für ein diesbezügliches Engagement der Mitarbeiter gibt es mehrere Gründe:
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Viele Social Software-Anwendungen sind kostengünstig, einfach zu installieren und zu bedienen.
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Üblicherweise lassen sich sehr schnell produktive Arbeitsergebnisse erzielen, sofern sich Mitarbeiter mobilisieren lassen, die Anwendungen zu nutzen.
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Gerade jüngere Mitarbeiter nutzen privat Social Networks wie Xing oder Facebook, Blogs und Wikipedia und wollen deren Vorteile auch im Job nicht missen. Manche Unternehmen machen sich diese Tatsache zunutze: Als Procter & Gamble feststellte, dass 10.000 seiner 138.000 Mitarbeiter auf Facebook und 16.000 auf LinkedIn angemeldet waren, fasste das Unternehmen kurzerhand alle unternehmensinternen Wikis, Blogs und die Facebook/LinkedIn-Profile in einem Enterprise 2.0-Portal zusammen (Bennett 2008).
|86|Aller Anfang ist schwer: Hürden bei der Einführung von Social Software in Unternehmen
In der Wahrnehmung von Unternehmen bestehen neben den offensichtlichen Vorteilen auch eine Reihe von Hürden, die Enterprise 2.0 behindern (Berlecon Research/CoreMedia 2007: 21). Zu den wesentlichen zählen zunächst ein unklarer Nutzen, mögliche Sicherheitsrisiken, die kaum mögliche Kontrolle über die Inhalte, die technische Komplexität und teils auch die mangelnde Offenheit der Geschäftsführung.
Laut einer Umfrage der Universität Köln zum Einsatz von Wikis liegen die Hauptprobleme in der »mangelnden Beteiligung« und der »schlechten Strukturierung« (Uni Köln 2006). In einem Artikel des Manager Magazins schätzt Andrew McAfee, dass über die Hälfte aller Enterprise 2.0-Projekte als Fehlschlag enden. Ein weiteres Drittel der Betriebe scheitere an organisatorischen Untiefen, und gerade mal zehn Prozent der Unternehmen hätten ausreichende Erfolgschancen. McAfee sieht dafür gleich mehrere Gründe:
»Damit eine neue Technik eine alte dauerhaft ersetzen könne, müsse diese zehnmal besser beziehungsweise leichter bedienbar sein. Des Weiteren zwängen Spezialisten den Plattformen oftmals ungeeignete Strukturen auf, deren Vorteile nur selten den Aufwand rechtfertigten. Auch konkrete Anreize, mit denen die Führungskräfte ihre Mitarbeiter zur aktiven Teilnahme bewegten, seien häufig Fehlanzeige. Und schließlich sei die Unternehmenskultur noch nicht reif, gravierende Einschnitte und die damit verbundenen Anwendungen zu akzeptieren.« (Lochmaier 2006)
Unsere praktischen Erfahrungen bei der Einführung von Enterprise 2.0-Anwendungen haben zu folgenden Ergebnissen geführt: Neben fehlenden Prozessen und Strukturen wirken sich insbesondere kulturelle und kommunikative Aspekte negativ auf die Akzeptanz von Social Media aus. Ohne die Rückendeckung des Managements ist ein Enterprise 2.0-Projekt zum Scheitern verurteilt; ebenso, wenn die Unternehmenskultur Offenheit und Fehlertoleranz vermissen lässt: Sollen Mitarbeiter Content liefern und bearbeiten, müssen sie auch Fehler machen dürfen.
Gleichzeitig spielt die Nutzenwahrnehmung eine zentrale Rolle: Ist der Nutzen für mich als Mitarbeiter höher als der Aufwand, den ich hineinstecken muss, wenn ich mich beteilige? Den potenziellen Nutzen zu vermitteln, ist eine klassische Kommunikationsaufgabe. Andere Nutzen- beziehungsweise Aufwandaspekte betreffen die Bedienbarkeit einer Anwendung (usability), die Auffindbarkeit von Inhalten (findability) und deren Qualität|87|. Diese Faktoren lassen sich über ein intelligentes Schnittstellen-Design (interface design) der Arbeitsabläufe (workflow) und Prozesse zur Qualitätssicherung optimieren.
Einführung von Enterprise 2.0: Schlüsselfaktor Kommunikation
Drei vermeintlich einfache Regeln unterstützen die Kommunikation vor und während der Einführung von Enterprise 2.0 besonders effizient (Abbildung 2):
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Nutzen Sie Designprinzipien, die eine größtmögliche Einbindung aller stakeholder gewährleisten.
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Binden Sie Schlüsselpersonen ein. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Enterprise 2.0-Projekt die nötige Relevanz bekommt und mit Nachdruck vorangetrieben wird.
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Vermitteln Sie kontinuierlich den Nutzen der neuen Instrumente für Ihr Unternehmen. Sorgen Sie dafür, dass die aktivsten Nutzer Anerkennung erfahren.
|88|Designprinzipien
Gemeint sind Rahmenbedingungen für das Design von Anwendungen. Enterprise 2.0 basiert auf Software, die davon lebt, dass Anwendergruppen zur Produktion von Inhalten (also von Wissen) beitragen. Beim sogenannten user centered design steht die Interaktion des einzelnen Users mit der Softwareanwendung im Fokus des Designprozesses: Wie nimmt ein User die Anwendung wahr? Welche Optionen hat er? Passen Bedienelemente und der Kontext, in dem er sie nutzt, zusammen?
Das community centered design erweitert dieses Konzept insofern, dass der Nutzer nicht nur mit der Software, sondern über die Software auch mit anderen Nutzern interagiert. Er gehört damit zu einer Gruppe von Nutzern – der Community. Beim community centered design werden die Nutzer frühzeitig in den Entwicklungsprozess eingebunden, um ihre Bedürfnisse berücksichtigen zu können. Die Einbindung kann zum Beispiel erfolgen, indem die Nutzer befragt werden, Vorschläge einbringen, Zwischenstände bewerten, testen und über Weiterentwicklungen informiert werden.
Wenn möglichst viele Mitarbeiter an der Entwicklung von Social Media beteiligt werden sollen, ergeben sich zwangsläufig Fragen und Aufgabenstellungen wie:
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Wie vermeiden wir Wildwuchs, also dass zum Beispiel Betriebsgeheimnisse oder persönliche, sensible Daten öffentlich werden?
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Wie gewährleisten wir, dass die Inhalte qualitativ hochwertig sind und gefunden werden?
Auch hier können Designprinzipien helfen, denn in der Anwendung selbst können Mechanismen eingeführt werden, die die Qualitätssicherung unterstützen (z. B. Verschlagwortung, Bewertung von Inhalten) oder motivieren, hochwertige Inhalte einzustellen (Reputationsmechanismen, wie man sie z. B. von der Verkäufer-Bewertung bei eBay kennt). Daneben gehören Support-Systeme ebenso zum Anwendungsdesign wie die Erstellung von sogenannten policies für das Veröffentlichen von Inhalten.3
|89|Schlüsselpersonen einbinden
Ohne Rückendeckung des Top-Managements geht es nicht. Selbst technisch perfekt durchdachte Anwendungen werden ohne die Unterstützung von zentralen Personen im Unternehmen scheitern. Fehlt sie, lassen sich weder Änderungen in den Prozessen durchsetzen noch Führungskräfte gewinnen, ihrerseits ihre Mitarbeiter zu Anwendern zu machen. Den Führungskräften kommt hierbei die Rolle zu, Vorbild zu sein, also das System selber zu nutzen, die Sinnhaftigkeit und den Nutzen des Projektes und die eigene Unterstützung des Projektes zu vermitteln. Ihre Rolle ist es auch, zu erinnern, zu motivieren, Anreize zu setzen. Dazu müssen wiederum die Führungskräfte selbst gewonnen werden. An diesen beiden Stellen hakt es oft, weil es immer noch zum Selbstverständnis vieler Vorstände, Führungskräfte und Kommunikationsverantwortlicher gehört, alles wissen und kontrollieren zu wollen.
Um es klar zu sagen: Social Media im Unternehmen heißt, Kontrolle abzugeben und anderen Personen die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern. Enterprise 2.0 ist also zunächst eine kulturelle Herausforderung.
Doch nicht nur Führungskräfte sind als Schlüsselpersonen wichtig. Eine Kerngruppe von Personen muss frühzeitig dafür sorgen, dass in Wiki, Blog oder Bookmarking-System hochwertige Inhalte vorhanden sind. Nur so erschließt sich dem ungeübten Nutzer die Anwendung und er wird zum Mitmachen animiert. Interne Multiplikatoren müssen so als Botschafter für die Systeme werben, Erfolgserlebnisse kommunizieren, Kollegen anleiten und coachen. Um diese Multiplikatoren zu identifizieren, können Methoden der Netzwerkanalyse behilflich sein.
Nutzen vermitteln und belohnen
Die Vermittlung des Nutzens der Enterprise 2.0-Instrumente ist eine zentrale Kommunikations- und Führungsaufgabe. Dazu müssen die Multiplikatoren und Führungskräfte erst einmal selbst in die Lage versetzt werden, dieses Wissen zu vermitteln, zum Beispiel durch Trainings oder Workshops und begleitende Kommunikationsangebote. Der mögliche Nutzen, Erfolgsbeispiele und Leuchttürme sollten flankierend auf den klassischen Kommunikationskanälen vermittelt werden, also zum Beispiel über die internen |90|Medien und auf Veranstaltungen. Auch Leuchttürme motivieren Mitarbeiter, sich zu beteiligen: Diejenigen, die am aktivsten zur Entwicklung des Inhalts beitragen und die besten Beiträge müssen als Beispiel für andere deutlich sichtbar werden.
Der Nutzen der neuen Anwendungen sollte laufend evaluiert werden. Denn droht eine Anwendung mangels Akzeptanz zu scheitern, muss interveniert werden. Und schließlich muss Engagement belohnt werden: Erfolgreich sind Projekte gerade im Wissensmanagement häufig dann, wenn Engagement gehaltsrelevant wird.
Wie sich Unternehmen dem Web 2.0 nähern
Parallel zur Kommunikation über klassische Kanäle bieten Unternehmen ihre Informationen vermehrt auf YouTube4 an. Um hier erfolgreich zu sein, suchen sie bewusst nach weniger werblichen Aufhängern für Produkte und Services – wagen mehr Entertainment, ohne die Information zu vernachlässigen. Denn Information und Unterhaltung sollten im Vordergrund stehen und sich deutlich von PR- oder Werbebotschaft unterscheiden, um Akzeptanz im Web 2.0 zu finden.
So erhielten Journalisten, Redaktionen und wichtige Blogger Weihnachten 2007 statt trockener Information über die Möglichkeit, den Weihnachtsspam im E-Mail-Account einzudämmen, von der Kommunikationsabteilung von Symantec eine sogenannte Social Media Release (Symantec Social Media Press Release 2007). Zentraler Bestandteil dieser interaktiven Variante einer Pressemitteilung war ein Link zu einem Weihnachtslied über Spam, das nicht nur auf der Homepage von Symantec hinterlegt war, sondern auch auf YouTube. Die Zugriffe erreichten innerhalb kürzester Zeit hohe fünfstellige Raten und positive Rückmeldungen von Kunden und YouTube-Nutzern. Umdenken und selbst komplexe technische Sachverhalte verständlich und erfolgreich kommunizieren – das sind die ersten Lektionen, die Unternehmen lernen, wenn sie sich mit den Möglichkeiten des Web 2.0 beschäftigen.
|91|Social Media Audit als Identifikationsstrategie zentraler Positionen
Unbekanntem nähert man sich am besten durch Beobachtung und Analyse – so auch der Web 2.0-Sphäre. Vergleichbar einer Medienanalyse, geben immer mehr Unternehmen sogenannte Social Media Audits in Auftrag. Diese Analysen basieren auf sorgfältig ausgefilterten Quellen aus Weblogs, Foren, Social Bookmarks und Social News, die qualitativen und quantitativen Relevanzchecks unterworfen werden, um dann in mehreren Schritten nach sozialwissenschaftlichen Kriterien ausgewertet zu werden. Ziel ist es, mit Hilfe einer solchen Analyse einen komprimierten Überblick über Themen zum Unternehmen, seine Produkte und Dienstleistungen, die im Netz diskutiert werden, zu erhalten. Identifiziert und klassifiziert werden auf diese Weise auch die wichtigsten Blogger und Foren, die sich zu den unternehmensrelevanten Themen äußern.
Nutzen aus solchen Analysen ziehen Unternehmen, wenn die Ergebnisse einer solchen Analyse möglichst vielen Bereichen zugänglich gemacht und umfassend diskutiert werden, um anschließend in einen stringenten Dialog mit Bloggern und Kunden einzufließen. Flankierend kann ein solches Social Media Audit eingesetzt werden, um Strategien der Kundenkommunikation zu überdenken und neu aufzusetzen.
Gefragt ist die Meinung von Bloggern immer stärker auch bei Produktentwicklungen oder der Beurteilung von Webauftritten. Reine Pressekonferenzen scheinen passé, laden doch viele Unternehmen neben Journalisten und Redakteuren längst auch wichtige Meinungsmacher unter den Bloggern ein und räumen deren Informationsbedürfnissen großen Raum ein.
Ein regelmäßiges Monitoring, wie es für die Erstellung von Social Media Audits notwendig ist, ergänzt die Arbeit der Öffentlichkeitsarbeiter und hilft, die Relevanz eines Blogs rechtzeitig einzuschätzen und im Ernstfall auch auf Kritik (berechtigte oder unberechtigte) reagieren zu können. Mit Hilfe von Experten und spezialisierten Agenturen wagen sich auf Basis solcher Audits mehr und mehr Unternehmen an neue Formate in ihrer Kommunikation. Umdenken heißt dann, konsequent auf die Bedürfnisse und Sprache der Blogger reagieren und mehr Transparenz und Offenheit wagen.
Wenig sinnstiftend sind Analysen, wenn sie ausschließlich als Krisen-Frühwarnsystem eingesetzt werden. Dann werden Analyseergebnisse im Laufe des Beobachtungszeitraums immer unspezifischer, weil zu häufig Parameter und Analysedesigns verändert und damit wertvolle Hinweise für |92|Trends in Kommunikation oder Kundendialog nicht wahrgenommen werden können. Unternehmen entwickeln in solchen Fällen ihr Wissen im Umgang mit Web 2.0 nicht weiter und machen sich allein abhängig von ihren Dienstleistern. Nicht selten führt es auch dazu, dass Abteilungen wie Vertrieb oder Marketing sporadisch auf Blogeinträge in Foren reagieren und die Kommunikation sich punktuell verselbstständigt.
Innen und Außen zusammenführen
Spätestens dann sollte von Seiten der Unternehmenskommunikation reagiert werden, denn Geschwindigkeit ist Chance und Risiko zugleich im Web 2.0. Leichter fällt es Unternehmen, die bereits intern erste Erfahrungen sammeln konnten mit Social Media Anwendungen für ihr Wissensmanagement oder neue Anwendungen in der internen Kommunikation nutzen, dann ist der Schritt zum externen Dialog logische Weiterentwicklung in der Unternehmens- und Kommunikationsstrategie. Erfolgreiche Beispiele von Konzern bis Mittelstand machen es vor: IBM, Nokia, Lego oder auch der Saft-Blog der Kelterei Walther – der Dialog mit Bloggern, Kunden und Mitarbeitern zahlt sich aus.
Technologieunternehmen oder Unternehmen mit kurzen Produktzyklen sind Vorreiter dabei, den offenen Dialog auch im Web 2.0 erfolgreich zu führen. IBM, Nokia oder HP haben längst eigene Plattformen, um die Diskussion mit Bloggern, Kunden, Entwicklern, Journalisten und Partnern transparent und zeitnah zu führen. Sind einzelne Blogger erst einmal als Meinungsbildner identifiziert, erhalten sie Einladungen für Produkttests oder Events, wie Diskussionsforen, Produkteinführungen oder interne Veranstaltungen.
In mittelständischen oder kleineren Unternehmen dagegen zählt die Initiative einzelner Führungskräfte oder Geschäftsführer, wie etwa das Beispiel von Kerstin Walther und ihrem Saftblog5 deutlich macht. In rund zwei Jahren hat sich das Unternehmen mit seinen 15 bis 20 Mitarbeitern bundesweit ins Bewusstsein gebloggt. Gemeinsam mit anderen Chief Executive Officer (CEO)-Blogs ist dem Saftblog, dass sichtbar wird, wie sehr sich die Grenzen zwischen interner und externer Kommunikation aufweichen|93|. Spannend für Kunden und Mitarbeiter ist der direkte Draht zum Geschäftsführer, wobei das Interesse und die Anforderungen an Glaubwürdigkeit und Authentizität parallel zur Unternehmensgröße steigen.
Erfolgsfaktor offene Kommunikation
Studien zur Reputation von Unternehmen belegen die hohe Bedeutung, die der Rolle der CEOs in der Unternehmenskommunikation zukommt. Mitarbeiter und Kunden betrachten Unternehmen und ihre Manager immer kritischer, immer größer wird der Vertrauensverlust durch Steuerskandale und Bespitzelung von Mitarbeitern. Ein CEO-Blog kann dabei nicht Allheilmittel sein, wie das Scheitern des CEO-Blogs von Siemens-Chef Dr. Klaus Kleinfeld eindrucksvoll belegt. Nach Meinung von Klaus Eck war das Problem des Kleinfeld-Blogs »dass er nicht vernünftig moderiert wurde« (Tiedge 2007). Vielmehr muss ein solcher Blog Ausdruck einer sich wandelnden Unternehmenskultur sein und eingebettet in eine stringente Unternehmens- und Kommunikationsstrategie, die intern und extern unterschiedliche Kanäle für Dialog, Kritik und Emotionen bereithält.
Sowohl die Studie von Burson-Marsteller (2006) als auch jene von Ketchum (2007) spiegeln die hohe Erwartungshaltung der Öffentlichkeit an ein besseres Kommunikationsverhalten der CEOs sowie an ein ausgeprägteres und differenziertes Verantwortungsbewusstsein gegenüber gesellschaftlichen Problemen und Aufgaben. Die erfolgreiche Kommunikation eines CEOs wird somit zum Erfolgsfaktor für das gesamte Unternehmen und das nicht nur in Krisenzeiten!
Dort präsent zu sein, wo die interessierten Öffentlichkeiten, Kunden oder (zukünftigen) Mitarbeiter sind, wird zukünftig die Herausforderung sein. Corporate- und CEO-Blogs werden sich als neue Kommunikationsebene etablieren und stehen mit Mitarbeiter-Zeitung und Pressemeldungen im Wettbewerb um Akzeptanz und Aufmerksamkeit bei den adressierten Zielgruppen.
|94|Zusammenfassung
Die Einführung von Enterprise 2.0-Software bietet Unternehmen Chancen, altbekannte »Knackpunkte« (interne und externe Kommunikation, Wissensmanagement, Prozessoptimierung etc.) neu und durchaus Erfolg versprechend anzugehen. Ungewohnte Herausforderungen stellen dabei die Einbindung und Aktivierung der Mitarbeiter dar, die neuen Möglichkeiten auch zu nutzen und zu füllen. Zur Implementierungsstrategie gehört entsprechend eine Kommunikation, die weit über reine Information hinausgeht: Social Media verlangen Unternehmen, die sie einsetzen wollen, von Anfang an ein hohes Maß an Transparenz und Mitarbeiter-Einbindung ab – und eben nicht erst mit der formellen Einführung einer weiteren Technologie. Um die Zeichen frühzeitig auf Erfolg zu stellen, sollten auch Methoden aus dem Instrumentarium des Change Managements (je nach Gegebenheiten Workshops, Kultur-Analysen etc.) eingeplant werden. Nur so lässt sich die Quote der Enterprise 2.0-Erfolgsstorys steigern, wobei folgende Tipps bei der Einführung von Social Software eine praktische Orientierungslinie bilden können:
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Geben Sie Ihrem Projekt eine Mission und ein möglichst messbares Ziel – und damit einen für alle ersichtlichen Sinn.
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Gewinnen Sie das Top-Management für das Projekt.
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Stellen Sie ein Kernteam zusammen, das intern »trommelt« und für erste hochwertige Inhalte sorgt.
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Erweitern Sie das Kernteam um Multiplikatoren beziehungsweise interne Botschafter.
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Binden Sie frühzeitig die späteren Nutzer – Führungskräfte und Mitarbeiter – ein, um deren Anforderungen und Nutzungskontexte zu berücksichtigen.
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Denken Sie an Features, die Akzeptanz fördern: Reputationssysteme, Qualitätssicherungsmechanismen.
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Sorgen Sie für Regeln – es geht hier um Menschen, nicht um Technik – schaffen Sie Motivation, zum Beispiel durch Anreize und Vorbilder.
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Kommunizieren Sie den Nutzen, vermitteln Sie Erfolgserlebnisse.
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Social Media leben von dauerhaftem Engagement – planen Sie die dafür notwendigen Ressourcen ein.
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Ein Enterprise 2.0-System muss fortlaufend verbessert werden: Beobachten Sie die Nutzer, fordern Sie Feedback ein. Social Media sind immer lernende Systeme und niemals fertig.
|95|Internetquellen
Bennett, Elizabeth (2008), »Social Software`s Culture Clash«, in: http://www.base linemag.com, http://www.baselinemag.com/c/a/Messaging-and-Collaboration/ Social-Softwares-Culture-Clash, 25.06.2008.
Berlecon Research/CoreMedia (2007), »Enterprise 2.0 in Deutschland. Verbreitung, Chancen und Herausforderungen«, in: http://www.coremedia.com, http://www. coremedia.com/de/87728/download-center, 25.04.2008.
Burson-Marsteller Deutschland, CEO Reputation Studie 2006, vierte Studie der Public Relations Agentur Burson-Marsteller in Frankfurt zur Reputation der CEOs der DAX30-Unternehmen, vgl. http://www.burson-marsteller.de/in dex.php?option =com_content&Itemid=49&task=view&id=38, 26.06.2008.
Hoewner, Jörg (2007), »Einige Erfolgsfaktoren für Web 2.0-Anwendungen«, in: http://www.moderne-unternehmenskommunikation.de/wordpress/kommuni kationstechnologien/social-media-design-erfolgsfaktoren, 25.06.2008. Ketchum (2007), Expectations and Frustrations: How the Public perceives Corporations and CEOs, http://www.ketchum.com/node/1164, 26.06.2008. King, Rachael (2007), »No Rest for the Wiki. The online tools for building collective info banks are making deeper inroads in corporations and rewriting the rules of collaboration«, in: http://www.businessweek.com, www.businessweek. com/print/technology/content/mar2007/tc20070312_740461.htm, 25.06.2008.
Lochmaier, Lothar (2007), »Führung 2.0 und der intelligente Schwarm«, in: http:// www.manager-magazin.de , http :// www.manager-magazin.de/it/cio-spezial/0 , 2828,513549,00.html, 25.04.2008.
McAfee, Andrew (2008), Harvard Business School, http://blog.hbs.edu/faculty/ amcafee, 25. 06.2008.
Millen, David/Feinberg, Jonathan/Kerr, Bernard (2005), »Social Bookmarking in the Enterprise«, in: http://acmqueue.com,http://acmqueue.com/modules.php?nam e=Content&pa=showpage&pid=344, 25.06.2008.
Pleil, Thomas (2007), »Blog-Monitoring: 20 Tools und ein paar Tipps«, in: http:// thomaspleil.wordpress.com/2007/09/03/blog-monitoring-20-tools-und-ein-pa ar-tipps, 25.06.2008.
Socialtext Incorporated (2008), »Cases 2.0«, in: http://www.socialtext.com, http:// www.eu.socialtext.net/cases2/index.cgi, 25.04.2008.
Symantec Social Media Press Release (2007), »Morgen, Kinder, wird’s Spam geben…«, 12.12.2007, http://www.symantec.com/de/de/about/theme.jsp?the meid=smpr_200712 12& depthpath=0&header=0 2007, 25.06.2008. Tiedke, Anja (2007), »Webtagebücher: Wenn der Chef bloggt«, in: http://www.ma nager-magazin.de, 05.11.2007, http://www.manager-magazin.de/it/artikel/0, 2828,513244,00.html, 25.06.2008.
Universität Köln, Seminar für ABWL und Personalwirtschaftslehre (2006), »Wikis in Unternehmen. Kollaboratives Arbeiten mit Wikis im Unternehmensumfeld«, |96|in: http://wikipedistik.de, http://wikipedistik.de/umfrage/ergebnisse.html, 25. 04.2008.
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) 2008, »Positiver Jahresauftakt bei Dienstleistern der Informationsgesellschaft«, in: http://www. zew.de, ftp://ftp.zew.de/pub/zew-docs/brep/aktuell.pdf, 25.04.2008.
1 |
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung/Creditreform 2008. |
2 |
RSS steht für Really Simple Syndication: Format, in dem man Inhalte einer Website oder eines Blogs abonnieren kann. Social Networking bezeichnet Websites, auf denen sich Internetnutzer über ihre Profile miteinander vernetzen. Bekannt sind hier vor allem die Angebote von Xing, MySpace und Facebook. Ein Weblog ist eine Art öffentliches Journal, das von einer oder mehreren Personen zu privaten oder beruflichen Themen geführt wird. Wiki steht für ein System, über das Nutzer gemeinsam Inhalte dokumentieren oder erarbeiten können. Am bekanntesten ist hier die Online-Enzyklopädie Wikipedia, daneben gibt es viele Wikis zu Spezialthemen und unternehmensinterne Wikis. Social Bookmarking: Damit ist gemeint, dass Internetznutzer ihre Internet-Lesezeichen (Bookmarks) auf speziellen Websites (beispielsweise Mr. Wong) miteinander teilen und somit Wissen einander zugänglich machen. |
3 |
Zum Beispiel die IBM-Regeln zum Bloggen: http://www.ibm.com/blogs/zz/en/guideli nes.html, 25.06.2008. |
4 |
http://www.youtube.com, 25.06.2008. |
5 |
http://www.saftblog.de, 26.06.2008. |