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|129|Shooter for Girls – Zur Offensivität von Gamerinnen-Portalen

Jutta Zaremba

Auf dem weiten Terrain von Computerspielen und ihren weiblichen Spielern – und somit dem Bereich Games & Gender – begegnet man zwei Auffälligkeiten: Zum einen hat die Gameindustrie den weiblichen Markt endgültig entdeckt. Die ständig wachsende Zahl der Spielerinnen von PC-Games, Konsolenspielen und Handy-Games ist der Computerspielindustrie sehr willkommen: Sie reagiert auf diese Entwicklung mit Artikeln (vgl. EA-Magazin 2006; Retro 2007), mit genderstereotypen Games1 und sogar mit der ersten Computerspielzeitschrift für ein weibliches Publikum, Play Vanilla2 . Zum anderen erweisen sich wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der Thematik der Gamerinnen als auffallend defensiv: So wird beinahe verwundert nach spezifischen Gründen von Spielerinnen geforscht oder auch untersucht, was Mädchen an Spielen nicht mögen (vgl. Reinecke 2007; Hartmann u.a. 2006). Ebenso wird der gerade innerhalb der deutschen Computerspieldebatte hinlänglich untersuchte Aspekt der Aggression nun erst recht bei weiblichen Spielern problematisiert (vgl. Oppl 2006). Auch Ansätze, die auf den ersten Blick offensiv mit der Gamerin umzugehen scheinen, verorten diese dennoch weiterhin in einer weiblichen »bedroom culture«, die eher auf Privatsphäre und heimische Gefilde ausgerichtet ist (vgl. Bryce u.a. 2002).

Während sich demnach verschiedene wissenschaftliche Disziplinen schon schwer mit der grundsätzlichen Existenz der Gamerin tun, gilt dies insbesondere für diejenigen Spielerinnen, die dem Spiel mit Shootern öffentlich frönen.3 Wie das Beispiel der Frag Dolls belegt (Abbildung 1), erzeugen |130|sie diese Öffentlichkeit mittels selbstbewusster Visualisierungen und durch provokante Namensgebungen, die in diesem Fall aus der netten Rag Doll –Stoffpuppe dezidiert in eine aggressive Frag Doll und damit in das Fragging als dem Töten in Games übergeht. Gerade Spielerinnen von Shootern organisieren sich auf zahlreichen Internet-Portalen und bilden dort einen wichtigen Teil der weiblichen Gamer-Kultur.

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Abbildung 1: Frag Dolls

(Quelle: http://www.fragdolls.com/index.php/about., 03.06.2008)

Aus dem großen Reservoir an weiblichen Portalen soll nun ein Einblick in drei deutsch- und englischsprachige Gamerinnen-Portale gegeben werden: Dies sind die Zockerweibchen, der PMS-Clan und die Grrlgamer. Sie alle favorisieren Shooter; gleichzeitig gehen sie durchaus unterschiedlich in ihrer (Selbst-)Inszenierung und in ihrer Haltung gegenüber der Gameindustrie vor.

Clans – weiblich

Bei zweien der drei Portale handelt es sich um Clans: Im Computerspielbereich bezeichnet Clan den Zusammenschluss mehrerer Spieler zu einem Team beim E-Sport. Der E-Sport umfasst den Wettkampf im Spielen von |131|netzwerkbasierten Computer- oder Videogames im Mehrspielermodus.4 In der 1997 gegründeten Electronic Sports League, kurz ESL, tragen Clans aus aller Welt ihre Wettkämpfe aus. Registriert sind derzeit über 650.000 Spieler,5 in Deutschland gibt es circa 50.000 Clans, wobei in Europa und Nordamerika der Taktik-Shooter »Counterstrike« der vorherrschende E-Sport-Titel ist. Jeder Clan wählt einen eigenen Namen, der ihn im Internet und bei Veranstaltungen identifizierbar macht. Immer gibt es einen Clan-Leader, der die Clanregeln vorgibt und der neue Clanmitglieder akquiriert. Immer mehr E-Sport-Teams verfolgen auch finanzielle Interessen: So streben professionelle E-Sportler, die Progamer, Sponsorendeals und Preisgelder aus Turniersiegen an, die die Haupteinnahmequellen von erfolgreichen Clans darstellen.

Seit Mitte der neunziger Jahre erobern vermehrt weibliche Clans die Gameszene. Vor allem im englischsprachigen Raum, aber durchaus auch im deutschen Spiele-Universum, treten weibliche Clans und Communities an die Öffentlichkeit und korrigieren das oft sehr klischeebeladene – gerade unter männlichen Spielern verbreitete – Bild der lieber im Hintergrund agierenden, technisch unversierten und aggressionsvermeidenden Gamerin. Nicht zuletzt um diesem Zerrbild zu widersprechen, schließen sich Mädchen und Frauen zu Spielerinnen-Bündnissen zusammen. Ganz unterschiedlich ist ihre Präferenz für entweder exklusiv weibliche Clans oder für eine Kooperation mit männlichen Gamern. Hinzuweisen ist zudem auf den Umstand, dass Gamerinnen-Portale zumeist in der Freizeit von ihren Mitgliedern gepflegt werden.6 Somit haben hier Begeisterung und Spielspaß Vorrang vor finanziellen Interessen, wenngleich diese je nach Portal durchaus mit hineinspielen können.

|132|Zockerweibchen – Gaming Girls

Die seit dem Jahr 2000 existierenden Zockerweibchen7 bilden eine Ausnahme im weiblichen Gameuniversum, da sie nicht nur Webportal, sondern auch Datenbankanbieter für die Vielzahl an weiblichen Clans, Teams und Communities sind. Daher lautet der Untertitel ihres Logos »Webportal Hosting Community für Gaming Girls«. Somit sind sie zentrale Anlaufstelle für Aktive und Interessierte im Bereich Shooter und Multiplayer-Online-Rollenspiele. Innerhalb der Gamerinnen-Community wird der Begriff Zockerweibchen teilweise bereits als Synonym für E-Sportlerin oder Zockerin verwendet. Mit ihrer Namensgebung markieren sie das Terrain des Gamens für sich: Zocken ist ein Synonym für Computerspielen, und Weibchen ein ironischer Verweis auf das biologische Geschlecht und auf eine damit suggerierte körperliche und mentale Schwäche. Gerade die Verbindung vom oft mit männlichem Spiel gleichgesetzten harten Zocken und von vermeintlicher weiblicher Schwäche deutet an, dass es bei den Zockerweibchen zu zahlreichen Überraschungen und Abweichungen von genderstereotypen Standards kommt.

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Abbildung 2: Zockerweibchen-Logo

(Quelle: http://www.zockerweibchen.de, 03.06.2008)

Auch das Logo des Portals (Abbildung 2) besitzt ironische Züge: Am linken Bildrand präsentiert sich eine dunkelhaarige Frau im Stil der siebziger Jahre, die mit angehobener Augenbraue ihr Publikum herausfordernd ansieht, während sie eine große Pistole gezückt hält. Am rechten Bildrand befinden sich drei Patronenhülsen, ihre Gestalt ähnelt Lippenstiften. Die Frauenfigur und die Patronen erinnern deutlich an Cate Archer aus dem Detective-Game No One Lives Forever, das ebenfalls ironisch im Stil der siebziger Jahre angelegt ist und als Waffe einen Lippenstift bereithält. Grundsätzlich herrscht im Logo – wie dann auch auf den gesamten Webseiten |133|– die Farbkombination Rot und Schwarz vor, was herausfordernde Erotik, Action und Kampfkünste signalisiert.

Die Zockerweibchen sind beim Figh7Club Network (F7C) eingegliedert, einer seit 2003 bestehenden Plattform für verschiedene E-Sport-Ligen, Clans und Communities.8 Das F7C bietet umfangreiche Dienste an, die neben täglichen News, Artikeln und Reviews zu diversen Spielen ein übergreifendes Forum, eine User- und Clandatenbank, eine Spieledatenbank und ein aktuelles LAN-Party-Verzeichnis umfassen. Daher können auch die Zockerweibchen umfassende Informationen und Services anbieten, die hier speziell auf weibliche Clans abgestimmt sind. So werden den 750 Mitgliedern unterschiedliche Einblicke in registrierte Clans gegeben: Rund ein Dutzend aktuelle Clans sind gelistet, deren Präferenzen und Besonderheiten zusätzlich in Interviews nachvollziehbar werden. So gibt es beispielsweise Clans namens aX.dangerous-girls, maedchenblu.t, Team Bavarian Heaven Ladys oder sharKz `LadYz, die alle vorzugsweise Counterstrike spielen. Ebenso existieren die Rubriken »Clan sucht Spielerin« und »Spielerin sucht Clan«, um die meist zahlenmäßig schwachen Clans zu stärken und unter Spielerinnen mit Nicknames wie angeleyes, Countess, spielkind, bLutjungfer, Lunatic oder beyoNd zu vermitteln. Zudem veranstaltet das Gamerinnen-Portal noch einen eigenen Zockerweibchen-Cup: Hierbei werden offizielle Turniere rund um Counterstrike ausgetragen, bei denen weibliche Teams nach einem festen Regelwerk gegeneinander antreten und Preisgelder gewinnen können.9

Neben diesen ambitionierteren Clanregionen gibt es auch verspieltere Gefilde. Beispielsweise erstellen Portal-Mitglieder eigene Umfragen, die meist mit genderspezifischen Fragestellungen verbunden sind und zwischen Ernst und Spaß pendeln, wie eine Umfrage zum Thema »Gamingmaus speziell für Frauen?«10 Ebenso zwischen Spaß und Ambitioniertheit angesiedelt sind zahlreiche Bildergalerien, in denen verschiedene LAN-Partys, Spiele-Messen oder weibliche Turniere festgehalten sind. Es handelt sich meist um Fotos von einzelnen Gamerinnen oder von Teams, die auf den jeweiligen Events waren und dies humorvoll dokumentieren. Zudem |134|gibt es im F7C-Shop noch drei Merchandising-Artikel: Das Zockerweibchen-Girlie-Shirt, das Zockerweibchen-RSS Chat-Shirt und ein ZW-Keyhanger.

Insgesamt bietet das umfassende Portal jede Menge Insider-Informationen rund um das female gaming, das in den größeren E-Sports-Kontext eingebettet wird. Dementsprechend pragmatisch gehen die Zockerweibchen mit der Gameindustrie um: Unter dem lakonischen Link »Firmen« führen sie 128 Game-Entwickler und Vertreiber samt Adressen und Kurzbeschreibungen auf und geben so einen sehr informativen Einblick in die Produzentenseite. Vor allem aber nutzen sie zusammen mit dem F7C die Dienste von drei Sponsoren, die sie unter »Partner« aufführen: Dies sind der Hardwareausstatter Commodore GamingTM , der Peripheriegeräteausstatter Creative sowie der Kopfhörerhersteller Sennheiser Communications. Sie stellen Ausstattung und Preisgelder bei E-Sport-Turnieren und LAN-Partys zur Verfügung, wenn beispielsweise der Zockerweibchen Cup den Untertitel Lady Player by Commodore Gaming erhält und fünf Commodore g-Systeme als Preis winken. Damit sorgen die Zockerweibchen ganz zielorientiert für professionelle Bedingungen und Anreize ihrer Gamerinnen, die auch Voraussetzungen für internationale Vergleiche schaffen.

 

PMS-Clan – Play like a girl

Der rein weibliche PMS-Clan11 gründet sich im Jahr 2002 nach einem Aufruf von Xbox Live und Playstation 2 Online. Er zählt über 800 aktive Mitglieder12 und setzt mit dedizierter Unterstützung durch die Gameindustrie neben Spielspaß vor allem auf Wettbewerb. Zwar agiert der PMS-Clan ausschließlich durch seine weiblichen Mitglieder, doch es existiert eine feste Allianz mit dem männlichen H2O-Clan, der zunächst als technische Unterstützung von PMS begann und nun selbst zum Clan und befreundeten Gegenstück der weiblichen Community avanciert ist.

Die Namensgebung des PMS-Clan ist ein Spiel mit weiblicher Aggressivität: Das Kürzel PMS ist zunächst als Kürzel für das Prämenstruelle Syndrom bekannt, mit dem biologische »Unzulänglichkeiten« von Frauen beschrieben werden. Ursprünglich benutzte der Clan die Abkürzung jedoch |135|für Psychotic Man Slayers, um zwei Jahre danach die Benennung abzuwandeln in Pandorás Mighty Soldiers. Beide Bezeichnungen legen ein »unheilvolles« weibliches Verhalten des Clans nahe: Wird bei der Erstbenennung der Vorwurf einer radikalfeministischen, männermordenden Allianz durch Übertreibung ad absurdum geführt, so kombiniert die Zweitbenennung als Pandoras Mächtige Soldatinnen zwei Motive miteinander: Mit Pandora kommt »schönes Übel« in weiblicher Gestalt über die Menschheit, und ihre kriegerischen Gehilfinnen deuten schon auf militante Claims in der Computerspielwelt. Aus mehreren Gründen fällt ihre Wahl auf das Genre der Shooter: Laut PMS-Clan sind Shooter das am stärksten wettbewerbsorientierte Feature in Clanumgebungen, sie gewährleisten den größten Spielspaß und sie laden durch ihre Gefährlichkeit die Erotik von Gamerinnen auf.

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Abbildung 3: PMS-Clan

(Quelle: http://www.pmsclan.com, 03.06.2008)

Dementsprechend inszeniert sich der PMS-Clan cool und verwegen (Abbildung 3): Links oben auf der grauschwarzen Website befindet sich eine metallene Zielscheibe mit Einschusslöchern, rechts oben blickt ein erotisches Comic-Trio mit Anlehnung an Catwoman, Detective-Girl und Body Workerin |136|die Zuschauer herausfordernd an. Dazu korrespondieren die darunter befindlichen Fotos und Logos einer Diashow, die auf der Homepage automatisch geladen wird. Zu sehen sind – ebenfalls als Trio und in einer auf den Zuschauer herabblickenden Pose – die Clangründerin Amber Dalton sowie zwei weitere Mitglieder. Dieses Pressefoto signalisiert Entschlossenheit, Erotik und Professionalität des rein weiblichen PMS-Clan.

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Abbildung 4: Game with Fame, PMS-Clan XBOX Live

(Quelle: http://www.xbox.com/en-US/live/pmsclan/default.htm, 03.06.2008)

Wie eng die Kooperation des PMS-Clans mit der Gameindustrie ist, lässt sich an ihrer hohen Sponsorensättigung ablesen: Zunächst gibt es drei primäre Sponsoren, nämlich den Internetanbieter Verizon FIOS, den Speicherkartenhersteller patriot memory sowie den Gameserver und Webhost MYIS. Noch deutlicher sichtbar wird die Spielindustrie-Orientierung an der Aufteilung in Spiel-Sektionen, die überwiegend nach Hardwareausstattungen benannt sind. So gibt es neben der grundlegenden Sektion PMS PC auch die der PMS XBL (XBox Live) und die der PMS PS2 (Playstation 2). Die allgemeine Sektion PMS Casual ist für Gelegenheitsspielerinnen, ambitioniert geht es bei der PMS Elite um Hardcore-Gamerinnen zu, die nur dann in die Elite-Sektion aufgenommen werden, wenn sie neben dem professionellen Spiel mit XBox und Playstation eine angemessene Einstellung dem Clan gegenüber sowie ein gutes Teamwork aufweisen. Zudem gibt es noch die Sektion PMS International, bei der andere Zeitzonen als die nordamerikanische für weltweite Gamerinnenkontakte sorgen sollen. Hier wird der Aspekt der Globalität der PMS-Spielerinnen betont, der auch auf Fotos von Clanfrauen mit asiatischen und afroamerikanischen Zügen sichtbar wird.

|137|Eine Verbindung der offensichtlichen Prägung durch die Gameindustrie mit einem multiethnischen Image stellt auch der Aufruf Game with Fame (Abbildung 4) dar: Auf der Hardware- und Sponsoring-Basis von XBox Live, präsentiert sich der PMS-Clan mit acht Spielerinnen, die verschiedene Ethnien umfassen. Neben dem abgewandelten Frauenzeichen-Logo des Clans inszenieren sich gutgelaunte, siegesgewisse Gamerinnen auf Studiofotos. Zusammen mit kurzen Statements der acht Frauen wird der Eindruck von Attraktivität und Professionalität erweckt. Bei der Game with Fame-Kampagne kommt deutlich die Erfolgsorientiertheit des Clans zum Tragen, die sich auch im folgenden Clan-Statement findet: »PMS is ideally placed to access the female demographic in key territories around the globe. Through a wide variety of online activities, events and tailor-made campaigns we can help you reach this exciting growth market with a highly credible message.«13

Auch bei anderen Gelegenheiten präsentiert sich der Clan sehr öffentlichkeits- und pressesicher: Auf ihrem Portal finden sich zahlreiche Fotos von Game-Messen und Events, auf denen die Mitglieder versiert posieren. Vor allem die Gründerin Amber Dalton ist oft im Fokus von öffentlichen Auftritten des Clans: Sie ist das Aushängeschild des Portals und wurde von Next Generation Business als eine der »Game Industry's 100 Most Influential Women« gewählt (Cherbak 2006). Dalton kommt in den meisten Presseartikeln und Interviews des Portals zu Wort, sie besitzt eine umfangreiche Website und steht im Zentrum der Videos zum PMS-Clan, die auf der YouTube-Plattform existieren. Durch ihr professionelles Auftreten und ihr typisch amerikanisches Outfit besitzt Dalton durchaus Starqualitäten. Auch andere Clanmitglieder, die Leader innerhalb der verschiedenen Clan-Sektionen sind, besitzen ein eigenes Profil auf der Plattform MySpace. Zusammen mit der monatlichen Vorstellung eines weiblichen Gamer of the month arbeitet der PMS-Clan an einer ständigen Verdichtung seines legendären Portals. Dazu gehört ferner, dass der Clan mittlerweile auch für seinen Auftritt im virtuellen Second Life gesorgt hat. Außerdem ist zukünftig noch die Einrichtung von PMS-TV geplant.

 

|138|Grrlgamer – Girls who got game

Die Grrlgamer14 existieren seit 1997 und speisen sich ursprünglich aus dem Riot-Grrl Umfeld, bei dem es um eine feministische Sichtweise im Frauenmusik-Business und um den Support von weiblichen Bands geht. Entsprechend verortet sich die Grrlgamer-Gründerin Nikki Douglas in der Riot-Grrl-Bewegung, wo sie zunächst eine Rubrik über Games aus weiblicher Perspektive schreibt, um bald darauf das Gamerinnen-Portal zu initiieren:

»I started GrrlGamer.com in 1996 as a column on my first website RiotGrrl.com. The column, where I could review games from the female point of view, was the first of its kind anywhere and the first indicator on the Internet that gamers did indeed include women & girls. The column became GrrlGamer.com, the very first website about computer and video gaming for women, that was also written and produced solely by women. Now 10 years later, GrrlGamer has helped shape the computer and video games industry by continuing to support, nurture and celebrate the fabulous female gamer!«15

Ihre grundsätzlich autarke Einstellung legen die Grrlgamer schon dadurch an den Tag, dass, begonnen von der Technik über das Design bis zum Management, alle Bereiche des Portals von einer weiblichen Crew absolviert werden. Bei den Spielen gibt es erneut eine Präferenz von Shootern, die jedoch nicht ausschließlich ist: Da die Grrlgamer neben PC-Games noch Konsolenspiele und Mobiles Spielen auf Handys in ihre Beschäftigung miteinschließen, sind sie für eine Bandbreite an Genres wie Multiplayer-Online-Rollenspiele, Simulationen oder Kickboxspiele aufgeschlossen. Für diese Spiele bieten die Grrlgamer eigens erstellte »Strategy Guides«, bei denen sie für ein erleichtertes Spielen Cheats, Walkthroughs16 und Ähnliches offerieren.

Auf dem Logo der Grrlgamer (Abbildung 5) sind Manga-ähnliche Mädchenfiguren mit übergroßen Augen abgebildet, die den Betrachter offensiv anblicken. Über asiatisch anmutenden Schriftzeichen inszenieren sich freche Grrls als lässiges Trio oder auch mit cooler Revolver-Pose. Vor dem Hintergrund von bekannten Game-Heldinnen, zeichnen sich pinkfarbene |139|Mädchenfiguren ab. Dies ist auch als Kommentar zu den mädchenstereotypen Pink Games zu verstehen, die von den Grrlgamer mit Verachtung betrachtet werden. Dem wirken sie entgegen, indem sie in der Rubrik »Grrlgamer Junior« ihre eigene Auswahl von Kids-freundlichen Games vorstellen, die sich nicht nur an ein weibliches Publikum richten.

Darüber hinaus hält das Portal noch zwei weitere Dienste für Gamerinnen bereit. Zum einen spezifische Artikel wie Got Boobs? – Breast Physics in Videogames, The Fat Maiden Revolution, Why Games Need Grrl Power, Lara Croft, & the Breast Connection oder Babes in Boyland: Knocking Down Stereotypes17 , in denen offensive Positionen der Grrlgamer zum Ausdruck kommen, die eine Mischung aus Spielfreude, (Selbst-)Ironie und Feminismus sind. Zum anderen gibt es die Rubrik SimGrrl, die sich auf die bei weiblichen Gamern absolut beliebte Ausstattungssimulation The Sims 1 und 2 bezieht. Hier findet man wiederum recht konventionelle Dienste wie herunterladbare Skins18 und Raumsets für The Sims, ergänzt noch um den Verweis auf zahlreiche kostenlose Skins beim Internetportal Yahoo.

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Abbildung 5: Grrlgamer

(Quelle: http://www.grrlgamer.com, 03.06.2008)

Auffällig ist jedoch bei den Grrlgamer, dass sie – im Unterschied zu vielen anderen weiblichen Portalen – keinen Sponsor haben. Dennoch besitzen sie ihre eigene Vermarktungstaktik mittels ihrer Grrlgamer Mall: Hier können insgesamt dreißig Fanartikel für Mädchen und Frauen erworben werden, die von aggressiveren Motiven (Gun Grrl T-Shirt, Grrl Jr. Ringer T-Shirt, Ninja Grrl Bag) bis zu romantischeren Designs (Heart Spaghetti Tank, Valentine's Day Bear, Guitar Hero Grrl Tee) reichen. Dabei betont das Portal, dass jeder Kauf die Aufrechterhaltung der Grrlgamer unterstützt. Zudem wird sich das Portal zukünftig noch als Vermittler von Mobilem Gaming versuchen|140|: In ihrem Moyaya Store wollen sie gegen eine Gebühr von 5 Dollar pro Game ihren Usern beim Austausch von mobilen Spielen behilflich sein – hierbei umfassen die Genres Rennspiele, Rollenspiele, Puzzle sowie Action- und Kampfspiele. Grundsätzlich anders ist bei den Grrlgamer zudem, dass es keinerlei Link auf andere Portale gibt. Vielmehr weisen sie auf die mit ihnen verbundenen affiliates hin: Hier verlinken sie zu Namen aus ihrem befreundeten Gameumfeld, das aus eher in Gamerkreisen bekannten Spielefirmen, Vertrieben und Communities besteht.19 Auch daran ist abzulesen, dass die Grrlgamer sich zwischen Kennerschaft, Design und freier Community bewegen. Daher sieht die Gründerin Nikki Douglas das Grrlgamer-Portal als spezifische Kunstform ihrer Generation: »[…] this is my generations truest art form and I plan on being a part of it until they call me GrannyGrrl!«20

Gamerinnen-Offensivitäten

Bei allen drei Portalen handelt es sich um Beispiele für emanzipierte Konsumentinnen von Warenwelten des Games-Bereiches, den sie konsequent und kreativ für ihre eigenen Zwecke zu nutzen wissen. Doch diese weiblichen Communities sind mehr als reine Prosumer (im Sinne von Mitproduzenten von Waren) oder bloße Visualisierungsinstanzen von Alltagskreativität. Vielmehr finden sich hier Netzwerkerinnen, die – in Anlehnung an Jim Banisters Beschreibung des Phänomens vom sozialen Netzwerk – gleichzeitig den Status von Produzenten, Vertreibern, Vermarktern, Händlern und Konsumenten einnehmen (vgl. Banister 2004). Diese Gleichzeitigkeit aller fünf Funktionen ist bei den Portalen immer vorhanden, variabel ist jedoch die Gewichtung. Die unterschiedlichen Gewichtungen lassen sich an den verschiedenen Form(en) der Offensivität(en) ablesen, durch die sich die Gamerinnen inszenieren.

Zentral wäre zunächst die Genderoffensive: Alle Portale betonen den Umstand der Provokation allein durch ihre öffentliche Existenz innerhalb einer männlich dominierten Gamewelt. In Steigerung zu einer braven gendersensitiven Einstellung, geben sie sich als genderaggressive Konsumentinnen zu erkennen, die ihre Wahl des Marktsegmentes Shooter selbstbewusst |141|vorführen. Diese genderuntypische Kombination von Gamerinnen und Shootern bestimmt wiederum das Image, mit dem die Spielerinnen sich als Produzentinnen ihrer Portale in Szene setzen. Ob durch ihre provokanten Namensgebungen als Zockerweibchen, Pandorás Mighty Soldiers oder Grrlgamer oder durch die Visualisierungen ihrer Logos: Sie werben für sich als genuines Produkt der noch recht unbekannten Gamerinnenkultur. Dieses Produkt vermarkten alle Portale – mehr oder minder aufwendig – in konkreten Merchandising-Artikeln in assoziierten Shops. Dass die Gamerinnen ein Produkt sind, mit dem geworben werden kann, nutzen die Portale in ganz unterschiedlichem Maße in Form von Sponsoring durch die Gameindustrie. Dabei macht es einen Unterschied, ob ein Portal selbst nach Sponsoren sucht und diese recht unauffällig auf ihren Websites platziert wie etwa die Zockerweibchen zur Durchführung ihrer Turniere mit Preisgeldern oder ob ein Portal eigens durch einen Sponsor ins Leben gerufen wird und somit permanentes Product Placement betreibt wie der PMS-Clan. Letzterer handelt öffentlichkeitswirksam mit seinem Marktwert innerhalb der Computerspielszene und unternimmt unentwegt Versuche, um sein Image der professionellen und erotischen Gamerin zu pflegen. Ohnehin gehören ambitionierte Eigenvermarktung durch Presseartikel und öffentliche Bekanntmachung in Form von Fotos und Interviews im Web 2.0 zu den konsequenten Partizipationsstrategien weiblicher Portale.

Insgesamt pendeln weibliche Game-Communities zwischen den Versuchen, ihr Portal als Sprungbrett für professionelle Karrieren oder als Kommunikator für »ernsthaften Spielspaß« zu nutzen. In jedem Falle sind sie wichtige multifunktionale Gender-Netzwerke, die sich kreativ und engagiert innerhalb der riesigen Computerspielbranche behaupten.

Literatur

Banister, Jim (2004), Word of Mouse: The New Age of Networked Media, Beverley Hills/CA.

Bryce, Jo/Rutter, Jason (2002), »Killing like a Girl. Gendered Gaming in Gendered Space«, http://www.digra.org/dl/db/05164.00312, 20.05.2008.

Cherbak, Fiona (2006), »Game Industry's 100 Most Influential Women«, 11.09., http://digg.com/gaming_news/GAME_INDUSTRY_S_100_MOST_INFLUE NTIAL_WOMEN, 20.05.2008.

|142|EA Magazin (2006), »Die Spielerin – Frau verspielt«, http://www.presse.electronicarts. de/publish/page20466959471304.php3?1=1&aid=166&spieleid=, 20.05.2008.

Hartmann, Tilo/Klimmt, Christoph (2006), »Gender and Computer Games: Exploring Females’ Dislikes«, in: Journal of Computer-Mediated Communication, Jg. 11 H. 4, S. 910–931.

Oppl, Caroline (2006), Lara Crofts Töchter? Eine Längsschnittstudie zu Computerspielen und aggressivem Verhalten von Mädchen. Dissertation, FU Berlin, http://www.diss. fu-berlin.de/2006/107/index.html, 20.05.2008.

Reinecke, Leonard u.a. (2007), »Why Girls Play. Results of a Qualitative Interview Study with Female Video Game Players«, in: Hamburger Forschungsberichte zur Sozialpsychologie HAFOS 77.

Retro (2007), Girls in Games Jg. 9, H. 5.

Richard, Birgit (2004), Sheroes. Genderspiele im virtuellen Raum, Bielefeld.

Zaremba, Jutta (2006), »Gender Non/Konform: Die produktive Uniformität von Heldinnen und Gamerinnen«, in: Winfred Kaminski/Martin Lorber (Hg.), Clash of Realities. Computerspiele und soziale Wirklichkeit, München, S. 161–174.

Zaremba, Jutta (2007), »Gender und Games: Virtuelle Frauenfiguren und ihre Fankulturen«, in: Margit Frölich u.a. (Hg.), Computerspiele: Faszination und Irritation, Frankfurt/M.

 
1

Hier sind es vor allem die sogenannten Pink Games, mit denen geschlechterstereotyp auf weibliche Belange reagiert wird. Siehe z. B. »Meine Tierklinik in Afrika«, »Mein Pferdehof 2«, »Meine Tierpension« oder »Nintendogs«.

2

Play Vanilla – Games & Gadgets ist seit Frühjahr 2007 auf dem Markt: http://www.play vanilla.de, 20.05.2008.

3

Bei Shootern handelt es sich um ein Computerspiel-Genre, dessen Spielgeschehen den Kampf mit diversen Schusswaffen gegen eine Vielzahl von Gegnern prägt. Dabei wird die Spielwelt aus der Ich-Perspektive bzw. Egoperspektive betrachtet, die einer direkten Kameraperspektive gleichkommt und für einen größeren Sog ins Spielgeschehen sorgt. Ich benutze hier nicht den nur im Deutschen verwendeten Begriff Ego-Shooter, sondern entweder nur den neutralen Terminus Shooter bzw. FPS (First-Person-Shooter).

4

E-Sport wird in einigen Ländern wie Brasilien oder China bereits von den etablierten Verbänden des organisierten Sports als Sportart anerkannt, in Deutschland jedoch bislang nicht.

5

Vgl. http://www.esl-europe.net, 03.06.2008.

6

Eine Ausnahme bilden hierbei die Womengamers (http://www.womengamers.com, 20.05.2008), deren Betreiberinnen sich finanzielle Einkünfte durch ihr Portal sichern können. Da die Womengamers nicht auf Shooter spezialisiert sind, werden sie in diesem Artikel nicht behandelt (siehe dazu Zaremba 2006 und 2007 sowie Richard 2004).

7

Gemischtgeschlechtlich gegründet durch Heike Preßler und Uli Lächelt, http://www. zockerweibchen.de, 20.05.2008.

8

Alle Pages werden über ein einheitliches, selbsterstelltes Content Management System betrieben. Das F7C Network wird komplett durch das Berliner Station 54 Community Management betreut, das seit 2000 gemeinsam mit Electronic Arts für technische und organisatorische Unterstützung von Videospiel-Communities sorgt.

9

Die Preisgelder liegen zwischen 100 und 500 Euro für die ersten drei Plätze.

10

http://www.zockerweibchen.de/umfrage-datenbank-ergebnis,566,1.html, 20.05.2008.

11

Vgl. http://www.pmsclan.com, 20.05.2008.

12

Als bislang einziges weibliches Portal besitzt der PMS-Clan zudem einen Eintrag bei Wikipedia unter http://www.en.wikipedia.org/wiki/PMS_Clan, 20.05.2008.

13

Vgl. http://www.pmsclan.com/sponsors.html, 20.05.2008.

14

Vgl. http://www.grrlgamer.com, 20.05.2008.

15

Vgl. http://www.grrlgamer.com/crew.php, 20.05.2008.

16

Ein Cheat ist eine Möglichkeit, den gewöhnlichen Spielverlauf zu beeinflussen, etwa indem man schwierige Spiellevel überspringt und so das Spiel abkürzt. Ein Walkthrough ist eine schriftliche Komplettlösung aus dem Internet, aus Zeitschriften oder aus offiziellen Lösungsbüchern, mit detaillierten Anleitungen zur erfolgreichen Beendigung eines Spiels.

17

Alle Artikel unter http://www.grrlgamer.com/articles.php?cat=editorials, 20.05. 2008.

18

Mit Skins lässt sich das Design von Objekten abwandeln, indem das Aussehen der grafischen Benutzeroberfläche modifiziert wird.

19

Beispielsweise GeeVee, bitparade, PlayIC.com, Goozex, SI Radio, RenChi, Armchair Arcade.

20

http://www.grrlgamer.com/crew.php, 20.05.2008.