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Planetare Kommandostelle der Nebelparder,
Warrenton, Hyner
Nebelparder-Besatzungszone
Trent betrat das Besprechungszimmer gemeinsam mit allen anderen Offizieren der 3. Parder-Kavalliere, aber er hätte ebensogut allein sein können. Offiziere wie Oleg Nevversan und Ramon Showers warfen ihm feindselige Blicke zu, aber er tat sein Bestes, sie zu übersehen. Nur Sterncaptain Nanci vom Elementar-Binärstem schien bereit, sich mit ihm abzugeben. Sie stand an seiner Seite und ließ ihn mit ihrem riesigen, muskelbepackten Körperbau wie einen Zwerg erscheinen. Die Blicke, die er von den anderen Offizieren erhielt, schien sie überhaupt nicht wahrzunehmen. Sie hat ebensowenig einen Blutnamen wie ich. In ihren Augen haben wir dadurch etwas gemein.
Trent sah zu ihr hoch. Seine Arme waren in entspannter, dabei jedoch durchaus trotziger Manier verschränkt. »Weißt du, warum man uns zusammengerufen hat, Nanci?«
»Positiv«, antwortete sie mit einer so tiefen Stimme, daß sie fast männlich klang. »Zumindest glaube ich das. Es geht das Gerücht um, daß Galaxiscommander Hang Metha mit der Kommandeurin des 19. Einsatzsternhaufens hier ist.«
»Ein Überfall, frapos?«
»Es ist anzunehmen, daß sie Sterncolonel Paul Moon und Thilla
Showers um irgendeine Mission gegeneinander bieten. Und da das
Bieten hier stattfindet, liegt logischerweise der Gedanke nahe, daß
es um einen Schlag gegen das Draconis-Kombinat geht.« Trent mußte
ihr recht geben, denn Hyner lag auf der Grenze zum
Kurita-Raum.
Er unterdrückte ein Grinsen. Ein Überfall auf eine Kombinatswelt
würde ihm die Gelegenheit bieten, in der unbesetzten Inneren Sphäre
zu bleiben und die Informationen weiterzugeben, die er und Judith
gesammelt hatten. »Ich hoffe, du hast recht. Ich würde die
Gelegenheit begrüßen, meine Einheit in die Schlacht zu
führen.«
»Nur, wenn du geboten wurdest. Obwohl du dir da keine Sorgen zu
machen brauchst, Trent.«
»Wieso meinst du das?«
Sie zuckte leicht die Schultern und antwortete mit leiser Stimme,
so daß die anderen Offiziere im Raum sie nicht verstehen konnten:
»Alle hier wissen, wie sehr Sterncolonel Moon dich
verachtet.«
»Pos«, erwiderte Trent ebenso leise. »Und deshalb würde ich
erwarten, daß er mich aus seinem Gebot streicht.«
»Neg. Ich habe ihn über dich reden hören. Paul Moon wird dafür
sorgen, daß du auf jeden Fall geboten wirst. Seine Absichten, was
dich betrifft, sind sonnenklar, würde ich sagen.«
Trent verstand. Nachdem es Moon nicht gelungen war, sich Trent vom
Hals zu schaffen, indem er ihn als Solahma nach Diana versetzte,
würde er sicherstellen, daß er im Kampf fiel. Trent gab sich keinen
Illusionen hin. Selbst wenn er Erfolg hatte und einen glorreichen
Tod starb, würde Paul Moon einen Weg finden, seinen Namen in den
Dreck zu ziehen. Was auch geschah, für ihn würde es keine Ehre
geben.
Bevor er sich weiter mit Nanci unterhalten konnte, öffnete sich die
Tür am anderen Ende des Zimmers, und zwei Personen traten ein. Eine
davon erkannte Trent als Sterncolonel Paul Moon. Die andere war
eine kleinere Kriegerin mit den Rangabzeichen eines
Galaxiscommanders. Das mußte Hang Mehta sein, Moons Kommandeurin.
Sie war sehr viel kleiner als er, aber sie ging dem hünenhaften
Elementar einen vollen Schritt voraus, und ihre stählerne Miene
identifizierte sie zweifelsfrei als die höherrangige Offizierin des
Paares. Alle Anwesenden nahmen Haltung an, als die beiden vor die
Stirnwand des Raumes traten.
»Dritte Parder-Kavalliere, Sturmreiter des Nebelparders«, dröhnte
Galaxiscommander Mehta in feierlichem Ton. »Wieder werdet ihr Blut
schlürfen im Namen unseres Clans und beweisen, daß wir nicht so
verwundet sind, wie unsere Feinde es annehmen. Die Wölfe haben
versucht, uns zu überfallen, um ihre Ehre wiederherzustellen, und
Khan Lincoln Osis hat bestimmt, daß Galaxis Delta unseren
Eidbrüdern und Eidschwestern ebenso wie den Barbaren vor den Toren
unsere Stärke demonstrieren wird.«
»Seyla«, intonierten sämtliche Parder im Raum. »Unser Ziel ist die
einen Sprung entfernte draconische Grenzwelt Maldonado. Dort
befinden sich mehrere Militärstützpunkte. Unser Angriff wird die
dortigen Truppen schockieren und dem Kombinat ebenso wie unseren
Mit-Clans vor Augen führen, daß der Nebelparder noch immer jagen
und vernichten kann.« Sie sah zu dem Sterncolonel hoch, der schräg
hinter ihr stand. »Sterncolonel Paul Moon hat erfolgreich um das
Recht geboten, Maldonado anzugreifen. Unter seinem Befehl werdet
ihr mit einer Wildheit zuschlagen, die unter den Sternen
widerhallen wird.«
»Seyla«, antworteten sie wieder.
Moon trat neben seine Vorgesetzte. »Sturmreiter, mein Gebot war so
kühn wie das Feuer in eurem Herzen.« Er blickte zu Sterncaptain
Oleg Nevversan. »Trinärstern Sturm, ihr werdet unsere Gegner
zerfetzen.« Er deutete auf Ramon Showers. »Und Supernova Einsatz,
ihr werdet unsere Feinde heulend in die Flucht schlagen.« Dann
wandte er sich an Trent, und sein Tonfall sank um eine volle
Oktave. »Und Trinärstern Beta Einsatz, ihr werdet in das Tal des
Todes stürmen, um alle niederzumähen, die sich uns in den Weg
stellen. Zwei Landungsschiffe werden bereits vorbereitet. Ihr
fliegt in drei Tagen ab.«
»In das Tal des Todes ritten die
Sechshundert...« Trent erinnerte sich an die Worte eines
alten Gedichts, das er Jahre zuvor gelesen hatte. Er suchte die
Augen Sterncolonel Paul Moons, der ihn mit eisigem Blick
fixierte.
Trent saß im Cockpit seines Kampfdämon und justierte wohl zum tausendsten Mal seit seiner Rückkehr die Pilotenliege. Er vermißte seinen Waldwolf, der nach seinem Abflug nach Diana einem anderen Krieger zugeteilt worden war. Statt dessen hatte er einen der Ersatzmechs erhalten, die er aus den Heimatwelten mitgebracht hatte. Obwohl er für eine höhere Gewichtsklasse qualifiziert war, hatte er sich für den Kampfdämon entschieden. Er hatte jedoch immer noch Probleme damit, sich an die geducktere Rumpfhaltung dieses Mechs zu gewöhnen.
Judith kletterte durch die Luke ins Cockpit und zwängte sich hinter die Pilotenliege. BattleMechkanzeln waren außer in Sonderfällen nur für einen MechKrieger zugeschnitten. Sie konnten im Notfall zwei Personen aufnehmen, aber nur in qualvoller Enge. Sie zog die Luke hinter sich zu.
»Ich habe deine Nachricht erhalten - daß wir
reden müssen.«
»Pos«, antwortete Trent und stellte den Neurohelm auf die
Funkkonsole rechts neben sich. »Unsere Einheit greift Maldonado im
Draconis-Kombinat an.«
Judith lächelte. »Großartig. Ich wußte, es würde sich etwas
ergeben.«
»Aye, aber du mußt irgendwie ComStar informieren. Wir fliegen in
wenigen Tagen ab, und ein voll aufgeladenes Sprungschiff erwartet
uns. Wir werden am 7. Mai im Maldonado-System eintreffen und die
Planetenoberfläche siebzehn Tage später erreichen.«
»Das läßt uns nicht viel Zeit«, stellte Judith fest.
»Ich habe keinen Einfluß auf die Zeitplanung. Wir müssen nehmen,
was wir bekommen. Aber wer weiß, wann sich eine derartige
Gelegenheit wieder bietet? Wir müssen das Eisen schmieden, solange
es heiß ist.«
»Stimmt. Ich hoffe nur, daß bei ComStar jemand den
Nachrichtenverkehr überwacht, der die Codes erkennt, die ich
benutze. Sie sind alt... sehr alt.«
Trent streckte die Hand aus und klopfte ihr beruhigend auf die
Schulter. »Wir haben für diese Gelegenheit viel durchgemacht,
Judith. Möglicherweise ist das Ziel endlich in Sicht. Falls dem so
ist, werden wir bald sehr viel Unrecht wiedergutmachen.«
Sterncaptain Oleg Nevversan beugte sich über den Holokartentisch im Herzen der Kommandostelle und studierte das Gelände ihrer Landezone. Es war ein langer, gewundener Canyon, fast einen Kilometer tief, aber auf beiden Seiten des durch seine Mitte strömenden Flusses lagen wogende, grasbewachsene Hügel. Sie erstreckten sich ein kurzes Stück an beiden Ufern entlang, bevor sie jäh in steile Felswände übergingen. Die Schluchtwände waren so steil, daß es - außer über die vorhandenen Straßen - unmöglich war, die Schlucht zu betreten. Der Stützpunkt lag in bester Verteidigungsposition. Verteidigung - etwas, das die Parder verachten.
»Wenn mein Trinärstern und die Einsatz-Supernova am Westufer des Shenandoah abspringen und Trents Trinärstern auf der anderen Seite, können wir ihm keine effektive Unterstützung zukommen lassen, wenn wir den Feind stellen.«
»Positiv«, bestätigte Sterncolonel Paul Moon und deutete auf den nördlichen Teil des Canyons, wo die Felswand in einem Bereich, in dem die Berichte eine Militäranlage anzeigten, deutlich in die Schlucht vorragte. »Trents Trinärstern wird den Feind zuerst angreifen und aus der Deckung locken. Aber die Tiefe des Flusses hindert euch daran, überzusetzen, wenn er euch braucht. Ihr werdet den Fluß drei Kilometer nördlich der Basis durchqueren müssen. Bis ihr sie erreicht, wird es für Trent und seine Einheit zu spät sein.«
Oleg betrachtete den breiten Strom, der auf der Karte grün leuchtete. »Trent ist kein Dummkopf, Sterncolonel. Er hat sich zumindest als hervorragender Taktiker erwiesen, wenn auch sonst nichts zu seinen Gunsten spricht. Sobald er diese Karte der Zielregion sieht, wird er das Problem erkennen.«
Moon nickte und drückte mehrere der Kontrollknöpfe an der Seite des Tisches. Das Holobild des Flusses schrumpfte auf knapp zwölf Meter zusammen, mehr als genug, um eine Durchquerung mit BattleMechs zu gestatten. »Leider hat es einen Fehler gegeben. Durch ein Versehen wurde Trents Kopie der Operationspläne um ein Modell des Flusses im Sommer aufgebaut. Wir treffen zu Beginn des Frühlings auf Maldonado ein. In den Sommermonaten ist der Fluß ein schmales Band, das auf der ganzen Länge leicht zu überqueren ist. Wenn ihr dort ankommt, wird die Frühlingsschmelze den Bach in einen wilden, tobenden Strom verwandelt haben, den kein bekannter BattleMech sicher durchqueren könnte.«
»Die Chancen für sein Überleben sind
bestenfalls minimal«, stellte Nevversan fest.
»Pos«, bestätigte Moon und täuschte Besorgnis vor. »Und falls es
ihm irgendwie gelingen sollte, bis zu eurem Eintreffen zu
überleben, solltest du deinen Spielraum dazu ausnutzen,
sicherzustellen, daß er Maldonado nicht lebend verläßt. Hast du
verstanden, Sterncaptain?«
»Positiv.« Schweißperlen traten auf Nevversans Stirn, als ihm klar
wurde, wie weit Sterncolonel Moon zu gehen bereit war. »Aus deinen
Worten entnehme ich, daß du nicht an dieser Mission teilnehmen
wirst. Sterncolonel, frapos?«
»Korrekt. Offiziell leitest du die gesamte Operation.«
Oleg Nevversan verstand, was das bedeutete. Er
sorgt dafür, notfalls alles abstreiten zu können. Was immer
er auf Maldonado tat, ob er Moons Befehle befolgte oder nicht,
er würde die gesamte Verantwortung zu
tragen haben nicht der Sterncolonel. Es war kein angenehmes Gefühl.
»Verstanden, Sterncolonel.«
»Sehr schön«, erklärte Moon und schaltete den Holotisch ab. »Dieses
Gespräch hat nie stattgefunden.«
Planetare Kommandostelle der Nebelparder,
Warrenton, Hyner
Nebelparder-Besatzungszone
Als Sterncolonel Moon um 4 Uhr morgens vom KommOffizier geweckt wurde, war seine erste Reaktion Wut. Als er erfuhr, daß er eine HPG-Nachricht des Galaxiscommanders in Empfang nehmen sollte - seiner Vorgesetzten -, verwandelte die Verärgerung sich in Eifer und Zielstrebigkeit. Er zog sich hastig an und rannte hinunter in die HPG-Empfangsstation, wo der KommOffizier ihm von der anderen Seite der schallisolierten Glasbarriere die Nachricht überspielte.
Das Holoprojektionssystem war ungefähr mittig in den Boden des Raumes eingelassen. Als es seine Arbeit aufnahm, bildete sich unter kurzem Flackern ein Hologramm Hang Mehtas. Paul Moon war sofort klar, daß es um etwas Wichtiges gehen mußte. Die direkte holographische Projektion über interstellare Entfernungen war kostspielig, und soweit er es begriffen hatte, durch den erforderlichen Aufwand, um sie aufzubauen und aufrechtzuerhalten, ein technischer Alptraum. In der Regel blieb sie den bedeutendsten Gelegenheiten vorbehalten. Angesichts seiner Befehlshabenden Vorgesetzten nahm Moon augenblicklich Haltung an.
»Ich gehe davon aus, daß du allein bist und dieser Raum abgeschirmt ist, frapos?« erwiderte Mehta den Gruß. Paul Moon legte einen kleinen Schalter um, der eine Wandsektion über die Glasplatte schob. Nun konnten nicht einmal die Techs mehr sehen, was hier geschah.
»Jetzt ist er es, Galaxiscommander.«Sie rieb sich nachdenklich die Stirn, dann sah sie Moon wieder an. »Es hat sich eine potentielle Notsituation betreffend einen deiner Offiziere ergeben, nämlich Sterncaptain Trent deines Trinärsterns Beta. Er ist sofort festzunehmen und in Hochsicherheitsverwahrung zu nehmen - jeder Kontakt nach außen ist zu unterbinden.«
Moon fühlte, wie das Blut sein Gesicht verließ. »Sterncaptain Trent und sein Trinärstern befinden sich auf dem Flug zu ihrem Sprungschiff für den Angriff auf Maldonado, Galaxiscommander.«
»Rufe das Landungsschiff und brich die Mission
ab«, befahl Mehta.
Paul Moon zögerte eine Millisekunde, bevor er antwortete. »Das kann
ich nicht, Galaxiscommander. Unser Missionsprotokoll schreibt
ausdrücklich vor, daß Sprung- und Landungsschiffe auf einer
Überfallmission nach dem Start alle und jede Kommunikation zu
ignorieren haben.« Anscheinend hatte Hang Mehta diese Vorschrift
vergessen, obwohl sie selbst dafür verantwortlich gewesen war. Das
draconische Agentennetz hatte Landungsschiffen auf dem Flug in eine
Mission schon wiederholt widersprüchliche Befehle geschickt oder
andere ehrlose Täuschungen versucht. Das Missionsprotokoll sollte
sicherstellen, daß niemand die Befehle eines Parder-Überfalls
verfälschen konnte. Jetzt wirkte sich das plötzlich zu ihrem
Nachteil aus.
»Freigeburt!« fluchte sie.
»Wenn ich fragen darf, Galaxiscommander«, warf Moon vorsichtig ein.
»Warum ist es notwendig, Stemcaptain Trent festzunehmen?«
Mehta sah ihn mit saurer Miene an. »Zeta-Galaxiscommander Benjamin
Howell wurde auf Diana des Schmuggels überführt. Beim Drogenverhör
gab er zu, daß Sterncaptain Trent einer seiner Helfershelfer ist.«
Moons Gedanken überschlugen sich. Trent - ein
Verräter an unserer Kaste? Er war versucht, Galaxiscommander
Mehta davon zu erzählen, wie er dafür gesorgt hatte, daß Trents
Chancen, lebend von dem Überfall auf Maldonado zurückzukehren,
minimal ausfallen sollten. Aber er hatte sie schon einmal wütend
erlebt und verspürte kein Bedürfnis, das noch einmal mitzumachen.
Schlimmer noch, Trent war ein wahrer Überlebenskünstler. »Schmuggel
ist ein Verbrechen, daß nur Händlern und Banditen würdig ist. Es
liegt weit unter der Ehre eines Kriegers.«
»Sei kein solcher Idiot«, herrschte Galaxiscommander Mehta ihn an.
»Hier geht es um weit mehr als eine bloße Verletzung der Kaste, du
Surat. Siehst du die Gefahr nicht, franeg? Trent war auf Diana und
ist wieder zurückgekehrt. Er hat den Weg zu den Heimatwelten
zurückgelegt. Unsere Agenten in der Clanwache sind der Ansicht, daß
ein Mann, der bereit ist, sich gegen seine Kaste zu wenden, auch
fähig ist, sich gegen den Clan zu wenden. Trent ist ein
potentieller Verräter. Und falls er einer ist, besteht die Gefahr,
daß er unser größtes Geheimnis besitzt - die Lage der
Clan-Heimatwelten.«
»Verräter?« Der Gedanke, daß ein ClanKrieger, selbst Trent, sein
Volk verriet, war unvorstellbar. Vielleicht litten diese
spionierenden Narren in der Wache unter Alpträumen und sahen
Gespenster, wo es in Wahrheit nichts zu sehen gab. Ein Krieger
würde sich nie gegen seinesgleichen kehren ...
»Verleugne die Gefahr nicht, Sterncolonel Moon. Ich habe mir die
Freiheit genommen, von meinem Wachagenten auf Hyner seinen und den
Zugriff seiner Freigeburtsschlampe auf das Computersystem deiner
Garnison überprüfen zu lassen.«
»Du hast mein Netz überprüft, ohne mich zu informieren?«
»Pos, du Narr. Hier steht mehr auf dem Spiel als dein lächerliches
Ego und dein Revierinstinkt. Trent und diese Judith haben insgesamt
vier Stunden damit zugebracht, die gesamten strategischen und
taktischen Planungen und Aufstellungen unseres Clans in der
Besatzungszone herunterzuladen. Diese Informationen wurden
stückchenweise aus dem System gezogen, und weil die beiden das
Wartungsuntersystem und Trents Zugriff als Trinärsternführer
benutzten, gab es keinerlei Sicherheitsalarm. Sie hat unsere
Logistik durchgesehen und bestimmte Einheiten lokalisiert, während
er die Dienstaufstellung anderer Welten überprüft hat. Die Daten,
die diese beiden mitführen, enthalten, zusammengeführt und
ausgewertet, das gesamte Wissen über unsere Truppenaufstellung in
der Inneren Sphäre.«
Moon war entsetzt. »Dazu hatte er keinerlei Anlaß, es sei denn, er
will sich gegen uns wenden.«
Hang Mehtas Tonfall wurde dunkler und drohender. »Ich weiß, daß du
versucht hast, Sterncaptain Trent als Solahma-Krieger abzuschieben.
Damit könntest du dir selbst die Schlinge um den Hals gelegt
haben.«
»Ich verstehe nicht«, antwortete Moon. »Du hast diese Befehle
bewilligt. Khan Osis selbst hat erklärt, daß die Krieger, die auf
Tukayyid gekämpft haben, minderwertig sind und uns den Sieg
gekostet haben.«
»Genug Gewäsch«, bellte Mehta. »Ich versichere dir, Sterncolonel,
wenn Trent ein Verräter ist, wirst du, und du allein, dafür büßen.
In der Zwischenzeit hast du einiges zu tun.«
»Ich verstehe nicht.«
»Du hast Sprung- und Landungsschiffe zu deiner Verfügung, frapos?
Du bist ein Sternhaufenführer, frapos? Setze auf der Stelle die
größtmögliche Streitmacht ein. Du wirst nach Maldonado fliegen und
tun, was auch immer erforderlich ist, um sicherzustellen, daß
Sterncaptain Trent festgenommen wird. Wenn du ihn nicht
gefangennehmen kannst, wirst du ihn vernichten. Auf jeden Fall
wirst du verhindern, daß er irgendwelche Informationen über den
Nebelparder an unsere Feinde weitergeben kann.«
Moon fühlte, wie sich jeder Muskel in seinem Körper anspannte, als
er seine Befehle hörte. Das würde nicht einfach werden. Die
Überfalltruppe mußte inzwischen fast am Sprungpunkt sein. Sie würde
das Hyner-System unmittelbar nach dem Andocken an ihr Sprungschiff
verlassen. Er konnte ein oder zwei Sterne und eines der
Breitschwert-Landungsschiffe aufbieten.
Wenn er einem der mit Lithium-Batterien ausgerüsteten Sprungschiffe
befahl, in einem Mikrosprung einen Piratensprungpunkt des Systems
anzusteuern, war es möglich, in vier bis fünf Tagen anzudocken.
Danach blieb ein Sprung ins Maldonado-System.
»Ich werde dich nicht enttäuschen, Galaxiscommander«, erklärte er
mit einem hastigen Gruß, den sie nicht erwiderte. Auf gewisse Weise
war er plötzlich guter Dinge. Falls sein ursprünglicher Plan für
Trent fehlschlug, würde er ihn auf Maldonado persönlich töten
können. So oder so würde Paul Moon sicherstellen, daß Trent
starb.
»Nein, Paul Moon, das wirst du nicht«, erwiderte Mehta eisig. Das
Hologramm löste sich auf und die normale Beleuchtung flammte wieder
auf. Moon wußte, daß ein Versagen ihn alles kosten würde, wofür er
so hart und lange gearbeitet hatte.
Die enge, schwach beleuchtete Landungsschiffsmesse, die auf dieser Aktion als Besprechungsraum herhalten mußte, war von der Art dumpfem Aroma erfüllt, wie man es gewöhnlich mit Bereitschafts- und Umkleideräumen in Verbindung brachte. Trent betrachtete die Karte des Shenandoah-Flußtals auf Maldonado, in dem das 12. Dieron-Regiment stationiert war. Seine taktischen Fähigkeiten ließen ihn einige Probleme in der Planung erkennen, von denen die bewußte Aufteilung ihrer Kräfte noch das kleinste war.
Das 12. Dieron war in einem Festungskomplex in der Ostwand des Canyons stationiert - auf der Seite, an der Trent und sein Trinärstern abgeworfen werden sollten. Es würde schwierig werden, sie von dort zu vertreiben. Soweit Trent den Plan verstand, war seine Einheit als Köder vorgesehen, als eine Gruppe, die klein genug war, um die Draconier ins Freie zu locken. Dann würde die Parder-Streitmacht auf der anderen Flußseite plötzlich übersetzen, von den Windungen der Schlucht vor Entdeckung geschützt, und das Dieron ebenfalls angreifen.
»Wir können dasselbe Ziel erreichen, wenn wir alle auf der gleichen Flußseite landen«, schlug Trent Sterncaptain Oleg Nevversan vor. »Wenn du deine Einheit weit genug zurückhältst, kann ich sie ebenso gut herauslocken.«
Oleg Nevversan schüttelte den Kopf. »Negativ, Sterncaptain. Dieser Plan bietet keinen Raum für Veränderungen. Er stammt vom Sterncolonel persönlich.«
Diese Mitteilung beruhigte Trent nicht im mindesten. »Krieger haben immer das Recht, eine Aufstellung zu verändern, solange sie die gestellten Missionsziele erreichen.«
»Nicht in diesem Fall«, erklärte Nevversan entschieden. »Wir gehen laut Befehl vor, Sterncaptain.« Sein Ton war beinahe selbstgefällig. Trent sah hinüber zu Sterncaptain Russou und Sterncommander Alexandra, die seine frühere Position als Kommandeurin von Einsatzstern Beta übernommen hatte. Russou zog die linke Augenbraue hoch. Offensichtlich erschien dieser Plan auch ihm fragwürdig. Alexandra schaute einfach wieder auf die Karte.
Nevversan schaltete den Projektor ab. »Wir docken in drei Tagen an - und springen. Sorge dafür, daß deine Einheiten bei der Ankunft einsatzbereit sind.«
Mit diesen Worten kam die Besprechung zu einem schnellen Ende. Trent begnügte sich weitgehend damit, Russou und Alexandra anzuweisen, die Gefechtspläne durchzusehen. Dann wanderte er hinaus auf den Gang und zu seiner kleinen Kabine. Er schloß die Tür und sah Judith, die an der herabklappbaren Koje wartete.
»Probleme?« fragte sie, als sie sein Gesicht
sah. »Vielleicht. Wir hatten seit dem Start wenig Zeit, uns zu
unterhalten. Ich wüßte gerne mehr darüber, wie man uns abholen
will, wenn wir auf Maldonado ankommen.«
Judith zuckte die Schultern. »Unbekannt. Ich habe den
IFF-Transponder deines OmniMechs umgebaut. Auf den normalen
Frequenzen wird er die übliche Freund-Feind-Kennung für den
Kampfdämon ausstrahlen - wie es ein IFF
tun soll. Aber jetzt sendet er ein zweites Signal im hohen
Frequenzbereich aus. Auf allen Zielsuchgeräten, die diesen Bereich
abhören, erscheinst du blau.«
»Wir haben keine Information darüber, ob deine ComStar-Komplizen
die Botschaft erhalten haben?«
Sie nickte. »Das ist korrekt.«
»Was ist mit dir, Judith? Du kannst nicht mit in meinen Mech
steigen, wenn wir auf Maldonado eintreffen. Wie willst du
entkommen?« Die Sorge in seiner Stimme war echt und ging über das
hinaus, was man von einem Eigentümer erwarten konnte. Aber für
Trent war Judith mehr als eine normale Leibeigene.
Sie lächelte. »Ich bin nicht so weit mitgekommen, um dann
zurückzubleiben. Mach dir keine Sorgen um mich, Trent. Ich werde
den anderen Techs entkommen. Wenn ComStar da ist und dich abholt,
werde ich an deiner Seite sein - darauf kannst du dich
verlassen.«
»Aber was, wenn die ComStar-Truppen nicht auftauchen. Was
dann?«
»Dann werde ich bis zum bitteren Ende an deiner Seite sein. Wir
haben das hier gemeinsam begonnen, und wenn nötig, werden wir
gemeinsam sterben.«
Der rothaarige Präzentor IV Karl Karter strich sich über den Bart, als er den Ausdruck der Transmission noch einmal las. Durch das Fenster schien gelblichweiß Peshts größter Mond. Hier, in der Sicherheit der ComStar-Basis im Vorgebirge der Kinchas, schien er unendlich weit entfernt.
Karters Stab versammelte sich. Ihre grauen ComGuard-Uniformen trugen das Einheitsabzeichen der 308. Division, Göttliche Schwingen. Die meisten seiner Truppen standen auf Tukayyid, aber an dieser Flanke der Clan-Besatzungszone verfügte er über eine spezielle Schnelle Eingreiftruppe, die jederzeit startklar war, um größere Clan-Übergriffe zu stoppen.
Er wartete, bis alle Offiziere den Raum betreten hatten und die Tür geschlossen war, bevor er etwas sagte. Es waren gute Männer und Frauen, die er hier um sich versammelt hatte. Sie hatten fast alle auf Tukayyid gegen die Geisterbären gekämpft, waren im Feuer der größten Schlacht in der Geschichte der Menschheit gestählt worden. Die 1. Armee der ComGuards bestand fast ausschließlich aus Veteranen der Geisterbärenangriffe - daher ihr Beiname: >Die Bärenschlächter<. Seit dem glorreichen und kostspieligen Sieg auf Tukayyid hatten sie nicht mehr allzu viel Gelegenheit zum Kämpfen bekommen. Aber die Nachricht, die er jetzt empfangen hatte, würde das ändern.
»In Ordnung, Leute, aufgepaßt und gut zugehört«, ergriff er das Wort, nachdem der letzte seiner Offiziere Platz genommen hatte. »Die hohen Tiere haben uns dieses Ei ins Nest gelegt, und uns bleibt keine Wahl, als uns drum zu kümmern.« Er hob den Ausdruck in die Höhe. »Auf direkte Anordnung des Präzentors Martialum und der Präzentorin Katrin a Troth vom Oberkommando der 1. Armee haben wir den Befehl, mit allen verfügbaren Kräften bis spätestens zum 24. Mai nach Maldonado zu fliegen.«
»Wie lautet die Mission, Sir?« fragte DemipräzentorFrakes.
»Wir sollen einen Überläufer abholen. Anscheinend
hat eine unserer ROM-Agentinnen einen NebelparderKrieger zur
Desertion überredet. Unsere Aufgabe ist es,
beide da rauszuholen, wie auch immer.«
»Die Nebelparder stehen nicht auf Maldonado«,
wandte Demipräzentorin Loxley ein.
Präzentor Karter grinste. »Am vierundzwanzigsten
Mai werden sie dort stehen. Unsere
ROM-Agentin hat
durchgegeben, daß für dieses Datum ein Überfall geplant sei. Und
auf ausdrücklichen Befehl des Präzentors
Martialum haben wir >alle und jede notwendigen Mittel
und Maßnahmen< einzusetzen, um sicherzustellen, daß
der Deserteur lebend das Schlachtfeld verläßt.« Karter nahm sich
den Ausdruck noch einmal vor. Er
suchte nach einem bestimmten Satz. »Um es genau zu
sagen, meine Damen und Herren Offiziere: >Die weitere
Existenz der 308. Division ist für den erfolgreichen Abschluß
dieser Mission als vernachlässigbar anzusehend« Schweigen senkte
sich über den Raum. »Was ist mit
der örtlichen Garnison?« fragte Frakes. »Soweit ich
weiß, steht das 12. Dieron auf Maldonado.«
»Der Kopie eines Befehls zufolge, die ich ebenfalls erhalten habe,
hat Theodore Kurita persönlich eine Nachricht an das Regiment
geschickt. Es ist angewiesen, mit
uns in jedweder Hinsicht voll und ganz zu kooperieren.«
»Dieser Krieger muß ja mächtig wichtig sein«, meinte
ein anderer Offizier.
»Das braucht uns nicht zu kümmern. Wir haben nur
etwa ein Bataillon einsatzbereit, aber wir müssen sofort
aufbrechen. Unser Sprungschiff steht noch ein paar Tage entfernt an
einem Piratenpunkt. Wir müssen uns im Laufschritt einschiffen,
rausfliegen und nach Maldo
nado springen.«
Demipräzentor Frakes meldete sich noch einmal.
»Wir haben schon früher gegen die Clans gekämpft und
sie besiegt. Ich kann es kaum erwarten, das zu wiederholen.«
Zustimmendes Gemurmel antwortete ihm. »Ich stimme dir zu,
Demipräzentor, aber wir brechen
nicht auf, um die Parder zu besiegen. Wir werden eine
Agentin und einen Krieger rausholen.« Karter neigte
den Kopf und kniff die Augen zusammen. »Aber beim
Blute Blakes, wenn wir eine Chance bekommen, dabei
noch ein paar Clanner mehr ins Jenseits zu schicken,
werden wir sie den Tag verfluchen lassen, an dem sie
die Göttlichen Schwingen schlagen hörten.«