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Planetare Kommandostelle der Nebelparder,
Warrenton, Hyner
Nebelparder-Besatzungszone
Trent stand in militärischer Ruhestellung am hinteren Ende des riesigen Wartungshangars, die Arme im Rücken, den Körper vollkommen gerade. Der runde Kragen seiner grauen Montur trug die Abzeichen seines Rangs und seiner neuen Einheit, eine blitzeschleudernde Gewitterwolke, durch die feuerrot die Augen eines Parders brachen. Im schummrigen Licht der gewaltigen Halle machte er eine beeindruckende Figur, und erst bei näherem Hinsehen sah man seine Narben. Wie lange er auch genas, sein Körper würde immer die Spuren Tukayyids tragen. Die Synthehaut auf seinem Gesicht war heller als am Rest seines Körpers, und das von einem metallischen Ring von Schaltkreismustern umrahmte Auge verlieh ihm eine drohende Aura.
Trent allerdings gefiel, wie er jetzt aussah, und allmählich akzeptierte er das Gesicht im Spiegel als sein eigenes.
Er war in den Hangar gekommen, um seine Leibeigene kennenzulernen. Phillip, der stämmige MasterTech, brachte sie herüber. Die Frau steckte in einem alten Overall, der ihr zwei Nummern zu groß und an mehreren Stellen durchgescheuert war. Ihr langes schwarzes Haar war nachlässig zurückgebunden. Die grünen Augen verrieten eine Spur orientalischen Generbes, wirkten jetzt aber verquollen und müde. Offenbar machte MasterTech Phillip ihr das Leben schwer. Er sah, wie sie dem MasterTech aus den Augenwinkeln einen Blick zuwarf, und bemerkte eine Spur von Wut, die sie nicht ganz unter Kontrolle hatte.
Trent wartete ruhig, bis die beiden in Hörweite waren. Er stellte fest, daß die Augen der Leibeigenen neugierig über sein Gesicht wanderten. Seine Narben, die stolzen Spuren der Schlacht. »Du bist Judith, frapos?«
»Ja, ich meine, pos, Sterncaptain«, antwortete sie und verbesserte sich, bevor er oder ein anderer sie bestrafen konnte.
Gut, dachte Trent.
Sie lernt.
Er atmete ein und reckte sich ein wenig. »Ich bin Trent, der
Krieger, der dich im Racice-Delta besiegt und im Namen unseres
Clans beansprucht hat. Du bist mein Besitz, meine Leibeigene. Du
bist keine Person mehr. Du hast kein Leben über das hinaus, was ich
dir zugestehe. Verstehst du das, frapos?«
Die Worte waren notwendig. Der Besitzer einer Leibeigenen hatte
dafür zu sorgen, daß sie wußte, was von ihr erwartet wurde. Für
Trent war es eine Selbstverständlichkeit - eine der Grundregeln des
Lebens, des Nebelparder-Lebens. Er hatte Judith auf Tukayyid
kämpfen sehen und wußte, sie stand ihm als wagemutige Kriegerin in
nichts nach. Sie hatte sich als verschlagen und furchtlos erwiesen,
und eben das hatte ihn veranlaßt, sie als Isoria für den Clan
einzufordern. Jetzt mußte er sie zähmen, ihren Willen brechen. Aber
nicht zu gründlich. Gerade weit genug, um ihr einzuschärfen, wer
und was sie jetzt war.
Judith sah hinab auf ihr Handegelenk, um das in drei Schlaufen die
Leibeigenenkordel gewickelt war. Sie rieb sich den Arm, als störe
die Schnur sie, dann drehte sie sich wieder zu Trent um. »Positiv,
Sterncaptain. Ich erinnere mich nur zu gut an den Kampf. Master
Phillip hat dafür gesorgt, daß ich meine Stellung bei den
Nebelpardern inzwischen kennengelernt habe.« Sie rieb sich den Arm
etwas weiter oben, wo ein dunkler Fleck zu sehen war, ein Beweis
dafür, daß Phillip sich bei seiner neuen Untergebenen nicht auf
verbale Mißhandlungen beschränkt hatte. Trent störte das nicht. So
ging es in den niederen Kasten nun einmal zu.
»Gut. Dann weißt du, daß dein Platz in unserem Clan in der
Technikerkaste ist. Mein Tech wurde während der jüngsten Kämpfe
getötet. Du wirst seinen Platz einnehmen.«
»Verstanden, Sterncaptain. Der MasterTech hat mich vor zwei Tagen
über meine neue Aufgabe informiert. Sie werden mit meiner Arbeit
zufrieden sein. Ich habe schon viel darüber gelernt, wie unsere
Mechs gewartet und repariert werden.«
Trent sah ein Funkeln in ihren Augen, als hege sie Hoffnungen. Sie
versteht nicht, wie Nebelparder mit
Leibeigenen aus der Inneren Sphäre verfahren. »Judith, du
wirst den Rest deines Lebens in deiner neuen Position
verbringen.«
»Ich versuche, mich Ihnen zu beweisen, Sterncaptain. Eines Tages
hoffe ich, wieder als Kriegerin einen BattleMech in die Schlacht zu
führen.«
Trent schüttelte den Kopf. »Negativ, Judith. Du verstehst dein
neues Leben nicht richtig. Wir Nebelparder schließen uns der
Dummheit der Wölfe oder Geisterbären nicht an. Wir nehmen keine
Leibeigene aus der Inneren Sphäre und gestatten ihnen, in unsere
Kriegerkaste aufzusteigen. Das würde unsere Zucht verwässern. Du
bist als Technikerin ausgetestet und wirst ein Mitglied dieser
Kaste bleiben und bis zu deinem Tod in dieser Rolle
dienen.«
Sie verzog keine Miene, aber Trent fragte sich unwillkürlich, wie
sie sich an dieses neue Leben gewöhnen würde. Bei den Clans war es
keine ungewöhnliche Erfahrung, als Leibeigener genommen zu werden,
aber für jemanden wie sie mußte die Umstellung gewaltig sein.
Immerhin war sie eine Kriegerin gewesen - wenn auch aus der Inneren
Sphäre, wenn auch eine Freigeburt. Und eine Kriegerin von solchem
Können, daß Trent ihre Gefangennahme als Triumph ansah. »Welchen
Status hat mein OmniMech, Tech?« bellte er.
Judith zuckte zusammen und nahm beinahe Haltung an, wenn auch
möglicherweise mehr aus alter Gewohnheit denn aus Respekt vor ihrem
neuen Herrn. »Ihnen wurde ein neuer Kata-Waldwolf zugeteilt.« Sie schüttelte den Kopf,
als sie sich korrigierte und den Clan-Namen für den Kampfkoloß
benutzte. »Ich hab ihn ...«
Trent trat an sie heran, bis er keine Handbreit mehr von ihrem
Gesicht entfernt war. »Du wirst weder Kontraktionen verwenden noch
Buchstaben verschlucken, Technikerin. Wir sind hier nicht in der
Gosse der Inneren Sphäre.« Er schnauzte sie an wie ein Katzmeister
eine unerfahrene Kadettin.
»Aye, Sterncaptain«, gab sie zurück, als Trent wieder zurücktrat.
»Die Reaktorabschirmung wurde ersetzt und ist betriebsbereit. Ich
arbeite daran, das Bein zu ersetzen und die beschädigten
Cockpitkomponenten auszutauschen. Die Gefechtssteuerung wird in
zwei Tagen einsatzbereit sein. Ich hoffe, in einer Woche die
Panzerung vollständig ersetzt zu haben. Danach können die
Waffenmodule konfiguriert werden.«
Trent schüttelte den Kopf, um ihr klarzumachen, daß das nicht gut
genug war. »Mein Mech muß bis zum Ende der Woche voll ausgestattet,
repariert und in Primärkonfiguration gefechtsbereit
sein.«
Judiths Gesicht verzog sich in einer Mischung aus Ärger und Frust.
»Bei allem Respekt, Sterncaptain, aber das ist unmöglich. Es
herrscht ein Mangel an Techs, und ich habe nicht einen Helfer. Die
Termine, die ich Ihnen gegeben habe, sind schon schwer
einzuhalten.«
Trents linke Gesichtshälfte verzog sich ebenfalls und zeigte sein
Mißfallen, aber die Synthehaut der rechten Seite bewegte sich nicht
und ließ keinerlei Emotion erkennen. »Hast du mich beim erstenmal
nicht verstanden, Leibeigene? Ich habe dir befohlen, bessere
Leistung abzuliefern.«
»Ich wüßte nicht, wie ...«
Trent schnitt ihr das Wort ab. »Du bist jetzt Clan, Judith. Du
wirst lernen müssen zu improvisieren. Es ist mir gleichgültig, ob
du dazu bis Freitag durcharbeiten mußt, du wirst meinen
Waldwolf kampfbereit machen.«
»Bis Freitag«, bestätigte sie und senkte in einer Geste der
Unterwerfung den Blick.
»Gut. An diesem Tag werde ich an einem Gestampfe teilnehmen.
MasterTech Phillip kann dir erklären, was das ist und welche
Bedeutung es hat. Mein BattleMech muß rechtzeitig fertig
sein.«
Sie nickte. »Ich werde tun, was Sie verlangen,
Sterncaptain.«
»Und noch mehr als das.« Er drehte auf dem Absatz um und
marschierte davon.
Die Simulatorkanzel bockte und schwankte, als Trent den Waldwolf durch einen erneuten Schlagabtausch steuerte, diesmal im Kampf gegen einen Kriegsfalke. Als er auf dem Sichtschirm ein gespenstisch lebensechtes Modell des OmniMechs an seiner imaginären Kampfmaschine vorbeiziehen sah, mußte er an die letzte Gelegenheit denken, bei der er einen Mech dieses Typs gesehen hatte: im Racice-Delta.
Er warf seinen bereits angeschlagenen Waldwolf in einen Sprint und hastete im Zickzack durch das gegnerische Schußfeld. Der Kriegsfalke hatte seinen Versuch, dem Feuer auszuweichen, vorhergesehen. Er setzte seine PPKs zu einem Unterdrückungsbeschuß ein, mit dem er versuchte, Trent festzusetzen. Der konnte seine Bewunderung für die Programmierer des Simulators nicht verhehlen. Er war so lebensecht, daß man fast glauben konnte, im Cockpit der gegnerischen Maschine säße tatsächlich ein MechKrieger.
Statt wegzuducken, was dem Kriegsfalke erlaubt hätte, einen vernichtenden Treffer in die linke Flanke des Waldzvolf zu setzen, stürmte Trent geradewegs in einen blauen Blitzschlag aus hochenergetischen Teilchen. Der Simulator erzitterte, und ein bösartiger, elektrischblauer Lichtbogen tanzte über das Cockpit. Die Temperatur im Innern der engen Kanzel stieg dank der an den Computer gekoppelten Heizelemente deutlich an, und Trents Haut kribbelte. Besonders die Synthehaut, die keine Schweißdrüsen besaß. Nichts war, wie es einmal gewesen war. Alles hatte sich verändert. Er hatte sich verändert...
Er wirbelte herum und feuerte einen Schwärm Langstreckenraketen auf den Kriegsfalke ab, wartete nicht ab, wie viele von ihnen ihr Ziel trafen, als der andere Mech sich in eine tiefere Gefechtshaltung duckte. Der Simulator bockte und bebte, als er hart nach rechts abschwenkte. Drei der PPKs des Kriegsfalke feuerten. Ihre simulierten Energieblitze bohrten sich in den Torso des Waldwolf und peitschten über seine internen Komponenten. Trent sah enttäuscht zu, wie die letzten Reste Panzerung verdampften und die Strahlbahnen sich in die internen Systeme fraßen. Auf der Befehlskonsole flammten Ausfallwarnungen auf. Die roten Lämpchen waren die einzige Beleuchtung im Innern des Cockpits. Gyroskopausfall. Reaktorabschirmungsbruch. Reaktortreffer. Jedes einzelne dieser Lämpchen erzählte seinen Teil einer Geschichte, die er sich einzugestehen weigerte.
Plötzlich fielen alle Lichter aus. Es war vorbei. Er schlug auf den Freigabeknopf, der die Cockpitkapsel des Simulators zischend aufgleiten ließ, und sah hinüber zu dem Tech, der das Programm geladen und abgefahren hatte.
»Zahlen«, forderte er streng, hob den Neurohelm vom Kopf und wischte sich den Schweiß von der linken Stirnhälfte.
»Sie konnten die beiden leichteren Mechs abschießen und dem Kriegsfalke insgesamt vierunddreißig Prozent Schaden zufügen, bevor es zum Systemausfall kam.«
Systemausfall. Das Wort hallte durch Trents Gedanken. Techjargon für seinen Tod. Er mußte besser werden, härter und länger trainieren. Das Gestampfe fand in sieben Tagen statt. Er mußte sich vorbereiten. Trent fuhr sich mit der Zunge über die Reste seiner Lippen und nickte. »Lade ein neues Programm. Zufallsbegegnungen, alle Gewichtsklassen.«
»Aye, Sterncaptain«, bestätigte der Tech. Trent ließ sich zurück in die Simulatorkapsel gleiten und bereitete sich auf einen neuen Durchgang vor.
»Du machst schon wieder Überstunden«, stellte Phillip fest und ließ Judith zusammenzucken, die sich gerade verrenkte, um durch die enge Zugangsluke unter dem Cockpit des Waldwolf zu passen. Der sonst lärmende Wartungshangar war um diese Zeit seltsam still, und jedes Grunzen, das sie während ihrer Arbeit ausstieß, echote gespenstisch durch die Halle. Nur ihr Kopf und ein Arm hatten Platz im Innern des Mechs, wo sie mit einem Elektronikwerkzeug die Schaltkreise justierte.
Beim Klang seiner Stimme rutschte sie ins Freie. Haare und Arme waren mit hellgrünem Kühlmittel und Schmiermitteln verklebt.
»Gibt es dafür einen Grund, Tech?« fragte er.
»Aye, Master Phillip. MechKrieger Trent hat mir befohlen, seinen
Mech bis zum Ende der Woche fertigzumachen - für das
Gestampfe.«
Philips Tonfall wurde weicher. »Stimmt, das hat er. Nun, dann werde
ich dir helfen, denn die Zeit wird knapp.«
»Danke, Master Phillip«, antwortete Judith und neigte leicht den
Kopf. Sie hatte während ihrer Ausbildung vom Gestampfe gehört.
Eigentlich hätte sie Phillip Fragen darüber stellen müssen, aber
ihr Instinkt riet ihr davon ab. Er verbirgt
etwas, und je weniger Information ich ihm liefere, desto mehr
Chancen hat er, sich zu verraten. Es war nur ein Verdacht,
aber sie war mehr als bereit, ihn weiterzuverfolgen.
»Vielleicht werde ich in diesem Fall mit dir zusammenarbeiten - um
dir ein Beispiel unserer Techniken und Verfahrensweisen zu
liefern«, meinte Phillip und strich den Overall über seinem
ausladenden Bauch glatt.
Judith betrachtete ihn kurz und nickte. »Das wäre mir sehr recht.«
Sie sah ihm nach, als er auf die andere Seite des Mechs und aus
ihrem Blickfeld verschwand. Und ich weiß
genug, um alles zw überprüfen, was du
tust...
Trent stieg schweißgebadet aus dem Simulator. Seine Beine zitterten leicht, als die Muskeln sich nach der Anstrengung des Gefechts entspannten. Der an eine große Metallkapsel erinnernde Simulator zischte, als die Pneumatikkolben, mit denen das Dach bewegt wurde, sich lösten. Er blieb einen Augenblick stehen, dann lehnte er sich an den Simulator. Er warf dem Tech, der die Simulation gefahren hatte, nicht einmal einen Blick zu. Der letzte Durchgang war viel besser gelaufen. Drei zerstörte Mechs derselben oder einer leichteren Klasse. Erst der vierte, ein riesiger Gargoyle, hatte ihm den Garaus gemacht. Aber schlußendlich hatte er das Programm geschlagen, wie er auch echte Krieger besiegt hätte.
Er atmete tief durch. Seine Brustmuskulatur schmerzte. Trent war klar, daß er sich in den letzten Tagen übernommen hatte. Sein Körper war noch dabei, sich langsam und schmerzvoll von den Verletzungen zu erholen, und jetzt, da die Simulatorsitzungen vorbei waren, schlug eine Woge der Erschöpfung über ihm zusammen.
Das Massaker des Gestampfes würde sicherlich schneller ablaufen als alles, was er bisher in den Simulationen erreicht hatte, und es würde mehr Ausdauer erfordern. Er hatte sich noch nicht soweit getrieben, weil er genau wußte, daß sein Körper noch nicht dazu entschlossen. Er hatte eine Woche zur Vorbereitung, eine Woche, in der er sich auf eine Stufe hocharbeiten mußte, die es ihm nicht nur erlaubte, am Gestampfe teilzunehmen, sondern auch, es zu gewinnen.
Trent fühlte einen Druck, den nur Wahrgeborene erfahren konnten. Er war ein Clankrieger, aber er war dreißig Jahre alt. Nach Clanbegriffen hatte er seinen Höhepunkt erreicht. Von nun an würde er weniger Gelegenheiten bekommen, nach einem Blutnamen zu greifen, weniger Gelegenheiten, eine Befehlsfunktion zu erreichen. Wenn es ihm nicht gelang, sich einen Blutnamen zu erkämpfen, würde er bei den Nebelpardern schnell in die Unbedeutendheit absinken. Die Furcht, zum alten Eisen geworfen zu werden, nagte an ihm, trieb ihn an. Es war dieser Gedanke, diese versteckte Angst, die ihn in das Gestampfe trieb. Bereit oder nicht.
Und wenn er diesmal versagte, würde der Absturz ein vollständiger sein. In seinem Alter und ohne Blutnamen konnte er leicht in einer verfluchten SolahmaEinheit enden - bei einer Truppe alter, wertloser Krieger, die in Selbstmordaktionen verheizt wurden, die ihnen vielleicht noch eine Chance auf die Ehre boten, wie ein Krieger im Kampf zu fallen. Das Gestampfe war Trents letzte und einzige Hoffnung. ,
Der Hüne beugte sich über den Schreibtisch, um die Informationen auf dem integrierten Bildschirm besser lesen zu können. Er zögerte über einer Textseite und strich sich mit einer riesigen Hand durch das kurzgeschorene blonde Haar, während er nachdachte.
Für die meisten Kommandeure wäre sein Büro nicht ungewöhnlich klein gewesen, aber bei einem Mann seiner Ausmaße wirkte es eng und bedrückend. Wäre er ein MechKrieger gewesen wie viele seiner Untergebenen, hätte man den Raum sogar verschwenderisch groß nennen können. Aber Sterncolonel Paul Moon war ein Elementar, durch genetische Manipulation zum Einsatz in den Gefechtspanzeranzügen der Clan-Infanterie herangezüchtet und nach normalmenschlichen Standards ein Riese. Er schien hinter einem Kinderschreibtisch zu sitzen, nicht hinter einem Möbelstück, das einem Militärkommandeur angemessen war.
Er drehte sich zu den Panzerglasfenstern in seinem Rücken um und starrte hinaus auf die Stadt. Im Morgenlicht stieg bereits Nebel auf, als das heiße Sonnenlicht den Frost und die dünne Schneedecke verdampfte. Die planetare Kommandozentrale der Nebelparder bot wenig Schutz gegen die Kälte Hyners. Er hatte geglaubt, aus seiner Zeit in der Geschko auf der Nebelparder-Heimatwelt Diana den Winter zu kennen, aber diese Eiseskälte ging darüber weit hinaus.
Der Sterncolonel sah wieder auf den Schirm und betrachtete das Bild des neu zu seinem Sternhaufen versetzten Offiziers. Sterncaptain Trent. Der Mann war ein Nebelparder-MechKrieger, aber trotz der Länge seiner Dienstzeit und einer Teilnahme an der Invasion der Inneren Sphäre hatte er sich nicht bemerkenswert ausgezeichnet. Sicher, seine Leistungen in der Anfangsphase der Invasion waren bewundernswert gewesen. Die Berichte beschrieben ihn als höchst kompetenten Offizier und fähigen Taktiker.
Aber dann folgte der Bericht über seine Leistungen auf Tukayyid. Moon hatte selbst nicht an dieser schicksalhaften Schlacht teilgenommen, aber einige seiner engsten Kameraden hatten dort gekämpft - und ihr Leben gegeben. Statt des erwarteten schnellen Sieges waren die Nebelparder praktisch zurück ins All geworfen worden. Schlimmer noch, fast zwei ganze Galaxien waren vernichtet worden. Es war nicht der Fehler ihrer Anführer. Lincoln Osis war ein großer Khan, der sich wie ein Phönix aus dem Massengrab von Tukayyid erhoben hatte. Nein, für Paul Moon waren es eindeutig nicht die Führer, sondern die Krieger, die gegen die ComGuards versagt hatten. Ungetestete Freigeburten - Barbaren der Inneren Sphäre - hatten auf diesem vermaledeiten Planeten die angebliche Elite der Clans besiegt.
Krieger wie Trent. Er gehörte zu denen, die
Schuld an der Schande der Parder auf Tukayyid trugen.
Als er die Akte des Mannes betrachtete, steigerte sich Paul Moons
Verachtung für ihn noch. Trent war bis zum Rang eines Sterncaptains
aufgestiegen, hatte aber bei einem früheren Versuch, einen
Blutnamen zu erringen, versagt. Jetzt hatte er einen Antrag auf
Zulassung zum Gestampfe eingereicht. Er wird
wieder versagen. Alles spricht gegen ihn. Die Chance, ein
Gestampfe zu gewinnen und anschließend einen Blutnamen zu erringen,
waren so gering, daß man sie fast als nicht vorhanden bezeichnen
konnte.
Als Elementar, genetisch dazu gezüchtet, in einem der Kampfanzüge
ins Gefecht zu ziehen, mit deren Hilfe Clan-Infanteristen
feindliche Mechs in Stücke rissen, betrachtete Moon alle Krieger,
die eine dieser Kampfmaschinen steuerten, mit einer gewissen
Herablassung. Die Clangesellschaft sprach MechKriegern einen etwas
höheren Status als Elementaren zu, aber in seinen Augen war das
keineswegs gerechtfertigt. Er sah auf seine gewaltigen Arme hinab,
auf die Schwielen an den Unterarmen, wo das Netzfutter des
Elementarpanzers über die Jahre die Haut gerieben hatte, und
lächelte. Wie alle Krieger, die einen Mech
steuern, hält dieser Trent sich wahrscheinlich flir überlegen. Ich
bin darauf gezüchtet, größer, stärker und tödlicher als ein bloßer
Mech
Krieger zu sein. Und jetzt war Paul Moon in der Position, einen Mann wie Trent seine Sicht der Wirklichkeit zu lehren.
Die Berichte zeigten, daß dieser Trent auf Tukayyid seinen OmniMech verloren hatte. Einer seiner anderen Offiziere, Sterncaptain Jez, hatte eingegriffen und ihm das Leben gerettet, als er einen Rückzug anführte. Einen Rückzug! Moons Abscheu nahm weiter zu. Ein wahrer Krieger wäre mutig in den Tod gegangen, statt winselnd nach Hause zu kriechen wie dieser Trent. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war der Mann in den Dreißigern - hatte seine beste Zeit hinter sich und war auf dem Weg ins Nirgendwo. Ein mittelmäßiger Krieger, der nur überlebte, aber nichts leistete. Und jetzt gehörte er Sterncolonel Paul Moon.
Er hatte den Mann noch nie gesehen und konnte ihn schon jetzt nicht leiden. Je schneller Sterncaptain Trent aus seiner Einheit verschwand, desto besser. Er war ebenso inakzeptabel wie der Gestank von Tukayyid, der an ihm haftete. Wie ein übler Geruch, dessen Ursprung man nicht feststellen konnte, würde Trent die Kampfmoral seiner Kameraden senken. Er und Jez stammten aus derselben Geschko, aber sie war es, die ihren Wert bewiesen hatte. Ironischerweise, indem sie in der Schlacht sein wertloses Leben gerettet hatte.
Sein Schicksal liegt jetzt in meiner Hand. Vielleicht könnte ich ihn retten und in einen Krieger verwandeln, der den Namen Nebelparder verdient. Vielleicht könnte er, wenn er die Zeit dazu bekommt, sogar seine Ehre wiederherstellen. Sterncolonel Paul Moon schüttelte den Kopf. Nein. Versagen und Schwäche im Innern des Clans hatten zur schändlichen Niederlage auf Tukayyid geführt. Krieger wie Trent hatten die Invasion scheitern lassen. Sie verdienten keine Belohnung in den Augen anderer Wahrgeborener, sondern nur Vernichtung.