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Nebelparder-Landungsschiff Jagdhütte,
im Anflug auf Nadirsprungpunkt
Tukayyid, Freie Republik Rasalhaag

28. Mai 3052

Es ist die Zeit seines ewigen Alptraums, eine schwarze Nacht, die kein Ende zu haben scheint, wohin er auch geht. In seinem Alptraum sieht er die Feuerdämonen rings um sich versammelt. Sie sind geformt wie Menschen, aber sie bestehen aus Feuer. Wie ewige menschliche Fackeln.

Er hat in seinem Alptraum Angst, versucht, vor ihnen davonzulaufen. Er hat schon früher Angst gehabt, als Kind, aber nie so wie jetzt. Das hier ist ein unbeschreiblicher Schrecken, wenn die Dämonen auf ihn zustürzen, unartikulierte Schreie ausstoßend, die irgendwie gedämpft an seine Ohren dringen. Trent versucht davonzulaufen, aber die wütenden Gestalten erscheinen nur wieder neu vor ihm, aus dem Nichts.

Er versucht, nicht immer zu fliehen. Manchmal probiert er, die Feuerdämonen zu schlagen oder zu treten, jede Unze an Kriegertraining und Kampfkraft auszunutzen, die er besitzt. Aber er ist den Flammen nicht gewachsen. Schlimmer noch sind die Schmerzen, wenn es ihm gelingt, sie zu treffen. Er schreit. Seine Stimme hallt seltsam verzerrt durch die Traumwelt. Er weiß, daß es seine Schreie sind. Und daß der Geruch von verbranntem Fleisch von seinem eigenen Körper stammt. Das ist kein üblicher Alptraum. Das geht darüber weit hinaus.

Was ihm vor allem angst macht, ist, daß der Traum kein Ende zu nehmen scheint. Er versucht aufzuwachen, sich aus dieser Schreckenswelt zurückzuziehen. Aber er hat offenbar keine Möglichkeit, sich zu befreien. Nicht einmal die Schmerzen und die Angst reichen aus, ihn aufwachen zu lassen. Doch er versucht es weiter. Er muß es versuchen. Wenn das kein Alptraum ist, muß es die Hölle sein. Trent glaubt nicht an die Hölle, aber wenn er tot ist, was kann das sonst sein?

Angst ist ihm nicht fremd, aber als Krieger hat er gelernt, sie zu überwinden. Dies hier aber ist eine Angst, vor der es keine Rettung gibt. Die flammenden Dämonen, ihr Brüllen, ihre sengende Hitze, lassen sich von nichts beeindrucken. Und über seinen Schreien hört er ein fernes Lachen. Es sind die Feuerdämonen. Sie verspotten ihn. Sie umtanzen ihn. Sie martern ihn. Das Lachen ist schlimmer als das Feuer. Die aus seiner Verzweiflung geborene Wut verzehrt ihn noch zusätzlich.

Dann hört er eine Stimme. Das ist neu, etwas, das noch nicht zuvor geschehen ist. Die Stimme scheint seinen Namen zu rufen. Sie hallt durch sein Hirn und Herz. Er rennt an einem der Feuerdämonen vorbei, der flammende Finger ausstreckt und seinen Arm versengt. Trent ignoriert ihn. Es scheint, als wären seine Füße in Blei gegossen, aber er läuft weiter, auf den Klang der Stimme zu. Plötzlich scheinen Licht und Bewegung in die Dunkelheit vorzudringen. Er versucht, sich auf die Bilder zu konzentrieren, aber sie bleiben verschwommen. Als er weiterläuft, scheint das Licht ganz zu verblassen.

»Sterncaptain?« sagte die Stimme, diesmal klar und ohne Echohall. Trent öffnete das linke Auge und sah ein Gesicht über sich. Es war weiblich und gehörte jemandem, den er nicht kannte. Ein Schleier schien über dem Bild zu liegen, aber als er die Hand zu heben versuchte, um ihn wegzuwischen, gelang es ihm nicht. Eines meiner Augen öffnet sich nicht...

»Versuchen Sie nicht, sich zu bewegen. Sie sind an Bord des Hospitalschiffs Jagdhütte auf dem Weg nach Hyner. Ich bin MedTech Karen. Sie sind schwer verwundet und zur besseren Behandlung Ihrer Verletzungen festgeschnallt.«

»Sieg, frapos?« Seine Stimme war durch trockene Lippen und eine ausgedörrte Kehle kaum hörbar.
Die MedTech senkte den Kopf. »Sie fragen nach Tukayyid. Wir haben das Schlachtfeld am 3. Mai aufgegeben. Nur die Wölfe konnten beide Ziele erreichen. Die Jadefalken und Geisterbären haben jeweils ein Unentschieden erkämpft, beide unter schweren Verlusten. Wir befinden uns im Waffenstillstand mit ComStar.«
Waffenstillstand ... Neg! Trents Gedanken flossen zäh wie Melasse, aber er verstand die Bedeutung ihrer Worte. Die Schlacht um Tukayyid war als Schlacht um Terra gedacht gewesen. Hätten die Clans gewonnen, hätte Terra ihnen gehört, und es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Rest der Inneren Sphäre unter ihrer Macht gefallen wäre. Eine Niederlage bedeutete mehr als nur Schande, sie zwang die Clans, ihre Invasion fünfzehn Jahre anzuhalten. Ein Krieger wie Trent würde mit Sicherheit zu alt sein, noch an der Front zu kämpfen, wenn sie wieder aufgenommen wurde. Schlimmer noch, der Große Kreuzzug der Clans, die Innere Sphäre zurückzuerobern und einen neuen Sternenbund zu errichten, war zum Stehen gekommen.
Ihm war, als hätte er den einen Alptraum für einen anderen eingetauscht. Die Kriegerkaste der Clans hatte nichts mit den Militärs der Inneren Sphäre gemein, die ihren Kriegern gestatteten, bis ins hohe Alter zu kämpfen, senil und tatterig. Nein, die Clans hielten die Reihen ihrer Krieger jung und heißblütig. Neue Krieger, genetisch gezüchtet und in den Geschkos gestählt, bildeten die Fronteinheiten der Parder. Ältere Krieger, Männer und Frauen jenseits der Dreißig, wurden in Solahma-Einheiten abgeschoben, die wenig Hoffnung auf einen ehrbaren Tod boten.
Trent hatte keine Ahnung, wie lange er bewußtlos gewesen war, wie lange er mit den Feuerdämonen seiner
Alpträume gerungen hatte, aber jetzt erschienen ihm
die Schrecken dieses Traums angenehmer als die Realität. Alle Hoffnung war verloren. Alle Hoffnung bis auf
eine. Und daran klammerte er sich.
Ein Blutname.
Sterncolonel Benjamin Howell hatte versprochen, ihn
vorzuschlagen. Trotz der Niederlage der Nebelparder
auf dem Schlachtfeld konnte Trent noch darauf hoffen,
einen Blutnamen zu erringen. Das bedeutete ein Weiterleben nach seinem Tode, eine Hoffnung, daß sein genetisches Erbe dem Clan eines Tages weiter dienen konnte. »Wie lange?« krächzte er, als die MedTech seine
ausgedörrten Lippen mit einem feuchten Tuch abtupfte.
Seine Oberlippe fühlte sich geschwollen an, wie nach
einem Fausthieb auf den Mund.
»Sie waren sechsundzwanzig Tage bewußtlos. Wir
docken morgen an unser Sprungschiff an. Erinnern Sie
sich an das, was geschehen ist?«
Trent schloß das Auge und verzog leicht das Gesicht.
Ja, er erinnerte sich. Er hatte Jez gerettet, seine Pflicht
getan. Es war zu einem massierten Artilleriebeschuß
und ComGuard-Angriff gekommen. Dann Flammen
und Feuer. Der Geruch schien ihm wieder in die Nase
zu dringen, der Geruch von verbranntem Fleisch. »Pos«, antwortete er, während sie sein Bett justierte
und ihn etwas aufrichtete, damit er noch etwas anderes
außer der Decke sehen konnte. Die dumpfgrüne Farbe
der Schottwände zeigte ihm, daß er sich auf einer Intensivstation befand, und die Einteilung des Landungsschiffes als Hospitalschiff sagte ihm noch erheblich
mehr. Er kannte diese Farben nur zu gut. Er fand sich
nicht zum erstenmal in seinem Leben als NebelparderKrieger an einem solchen Ort.
Trent wußte nicht, was er denken oder sagen sollte. Er
war schon oft verwundet worden, aber niemals derart lange bewußtlos gewesen. Hatten sie ihn zur Förderung des Heilprozesses künstlich bewußtlos gehalten? Erinnerungen an das Feuer und die schrecklichen Bilder des Alptraums wirbelten durch seine Gedanken, als er darüber nachsann, was geschehen war.
Eine neue Stimme von knapp außerhalb seines Gesichtsfeldes störte sein Nachdenken. »Wie lange ist er wach?«
»Erst wenige Minuten, Doktor«, antwortete MedTech Karens Stimme.
»Was weiß er?«
»Nur das Ergebnis der Schlacht und wie lange er bewußtlos war. Nichts über das Ausmaß seiner Verletzungen.« Sie sprach leise, aber ihr Tonfall sagte alles.
Trent versuchte, seinen Körper zu bewegen, eine Art physische Inventur durchzuführen. Er schob die Füße etwas auseinander, wenn auch nur wenig und mit schmerzenden Gelenken. Immerhin, Füße und Beine schienen noch da zu sein. Auch sein linker Arm reagierte, aber der rechte blieb bewegungslos, unfähig, die Signale aus dem Gehirn zu befolgen. Mein Arm, habe ich den Arm verloren? Und mein Auge, es ist abgedeckt. Habe ich das auch verloren?
»Sterncaptain Trent.« Es war die neue Stimme, und jetzt trat das Gesicht eines älteren Mannes in sein Blickfeld. Dem Alter und der Kleidung nach zu schließen war der Mann offenkundig Mitglied der Wissenschaftlerkaste. Krieger erreichten nie ein derart fortgeschrittenes Alter, aber die niederen Kasten versteiften sich auf überkommene Traditionen und erhielten ihre Alten am Leben. »Ich bin Doktor Shasta. Fühlen Sie Schmerz?«
»Neg«, erwiderte Trent. Seine Stimme war schwach, klang in seinen eigenen Ohren aber klarer als zuvor. Er schien mit jedem Atemzug neue Kraft zu schöpfen, als erwache sein Körper aus einem tiefen Schlaf. Er spürte keine Schmerzen, aber das Fehlen des Gefühls in einem Arm und einem Auge beunruhigte ihn. Er fragte sich, wie weitreichend seine Verletzungen sein mochten.
Der Mann, der sich Doktor Shasta nannte, starrte nachdenklich auf Trent herab. Er hatte weißes, weit gelichtetes Haar. »Sie haben schwere Verbrennungen erlitten. Ohne die Hilfe unserer Entsatzeinheiten und Ihrer Leibeigenen wären Sie gestorben.«
Leibeigenen? Er erinnerte sich an den Krieger, den er als Isoria beansprucht hatte, derjenige, der die Krabbe so tollkühn gesteuert hatte. »Wie schlimm?« stammelte er.
»Ihr rechter Arm und die Hand wurden schwer verbrannt. Wir haben Myomerimplantate benutzt, um ihnen Beweglichkeit und Kontrolle zurückzugeben. Ich mußte auch Ihre Knochen mit Kohlenstoffspänen verstärken. Es wird noch einige Tage dauern, bis wir den Arm kalibrieren können, so daß es möglich wird, ihn einzusetzen. Auch ihr Gesicht wurde schwer verbrannt, und Ihr rechtes Auge war nicht zu retten. Wir haben ein neues aus ihrer Genprobe gezogen. Es wird in einigen Tagen soweit sein. Deshalb ist Ihr Kopf immobilisiert. Die Wachstumsmatrix sitzt auf Ihrem Gesicht.«
Mein Auge ist verloren. Sie ließen ihm ein neues wachsen, aber wie konnte ein Mann ohne seine eigenen Augen in die Schlacht ziehen? »Wieder kämpfen, frapos?« fragte Trent mit krächzend keuchender Stimme. Seine größte Furcht war, daß all diese Mühe nur dazu diente, ein Leben ohne Hoffnung darauf zu verlängern, jemals wieder Männer und Frauen in die Schlacht führen zu können.
Der runzlige alte Doktor schüttelte fast zögernd den Kopf, als halte er etwas zurück. »Sie werden wieder einen BattleMech steuern, Sterncaptain. Sie wissen noch nicht alles über Ihre Verletzungen, aber den Rest heben wir uns für später auf, wenn der Zeitpunkt günstiger ist. Jetzt brauchen Sie erst einmal Stärkung und Ruhe. MedTech Karen wird Ihnen helfen, etwas zu essen, danach werden Sie schlafen.«
Trent schloß das linke Auge und fühlte warme Feuchtigkeit auf der Wange. Er klammerte sich an die Worte Doktor Shastas. Er würde dem Clan wieder dienen können, würde sich erheben und einen Blutnamen der Howell-Linie erringen können. Er würde wieder Krieger in der Schlacht befehligen können. Der Krieg würde sicher wiederkehren, und Trent schwor sich, daß er ein Teil des Stahlgewitters sein würde. Diesmal würde es keine Alpträume geben. Er hatte sich dem Feuer gestellt und überlebt. Er hatte den Tod getroffen, war tagelang bewußtlos gewesen. Aber er war zurückgekehrt. Was konnte ihn jetzt noch aufhalten? Nichts konnte ihn noch stoppen!

Trent erwachte mit einem Gefühl, als ob das gesamte Universum auf ihn herabstürzte. Er kannte diesen Eindruck nur allzu gut, die Übelkeit und Desorientierung eines Hyperraumsprungs. Das Sprungschiff und die angekoppelten Landungsschiffe waren aus einem Sonnensystem in ein anderes gesprungen, hatten ein Loch ins Gefüge der Realität gerissen, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Das beunruhigende Schwindelgefühl, das eine derartige Transition begleitete, hatte ihn geweckt.

Er öffnete das Auge und sah sein Zimmer. Er wachte zum sechstenmal seit seiner Bewußtlosigkeit auf. Jedesmal war er länger als zuvor wach geblieben. Was noch wichtiger war, er fühlte sich mit jedem Mal stärker, als verdoppele sich mit jedem Aufwachen die Kraft seines Körpers. Er wurde stets von MedTech Karen versorgt, deren Gesicht und Hände ihm vertraut geworden waren. Selbst die synthetischen Rationen schmeckten Trent, und das allein zeigte ihm, wie schwer er verletzt worden sein mußte.

Er durfte den linken Arm bewegen, was ihm die Kontrolle über sein Bett gab. Den sperrigen genetischen Wachstumsbeschleuniger hatte man von der rechten Hälfte seines Gesichts entfernt, und dadurch konnte er das Bett weit genug anheben, um sich in eine sitzende Position aufzurichten. Mit der linken Hand hatte er die Kunsthautbandagen um seinen anderen Arm betastet, ebenso wie sein Gesicht und die Verbände, die seinen halben Kopf einzuhüllen schienen.

Diesmal war Karen nicht allein. Doktor Shasta schwebte neben ihr. Plötzlich erkannte Trent, daß die Anwesenheit des Mannes eine Bedeutung hatte, möglicherweise ein Zeichen für etwas Ernsteres war. »Ist alles in Ordnung, frapos?« fragte er.

Doktor Shasta stützte einen Ellbogen in die Hand des anderen Arms und griff sich mit der anderen ans Kinn, während er Trent betrachtete. Seine Miene drückte Besorgnis aus, aber er antwortete nicht sofort. »Wir werden Ihre Verbände wechseln müssen, Stemcaptain. Es wird Zeit, Ihnen die Ausmaße Ihrer Verletzungen zu zeigen.«

»Sie haben gesagt, ich werde wieder einen Mech steuern«, stellte Trent ruhig fest. »Für einen Krieger ist darüber hinaus nichts von Bedeutung.«

Dr. Shasta lächelte, aber Trent erschien es wie Mitleid. »Ich habe in meiner ganzen Laufbahn Krieger behandelt, Sterncaptain. Jede Kaste hat ihre Bürden ebenso wie ihre Privilegien. Sie werden vielleicht noch lernen, daß es einen höheren Preis für das Recht gibt, wieder Truppen im Gefecht zu kommandieren.«

Was war das? Aufmüpfigkeit? Von dem Mitglied einer niederen Kaste? Dr. Shasta streckte die Hand aus und entfernte mit einer Schere die äußeren Schichten des Verbands um Trents Kopf. Trent hielt still, aber zu seiner Überraschung raste sein Atem. Wovor habe ich Angst, vor den Worten eines bloßen Wissenschaftlers? Ich werde wieder kämpfen können! Das ist das einzige, was zählt.

Der gesamte Vorgang kostete zehn lange, nicht enden wollende Minuten. MedTech Karen reichte Doktor Shasta einen Spiegel, den er seinerseits an Trent aushändigte. Ohne zu zögern hob Trent den Spiegel vors Gesicht und betrachtete mit seinem gesunden Auge, was sich darin zeigte.

Nur ein Verband war noch an Ort und Stelle, ein quadratischer Flicken über dem rechten Auge. Sein rundum freigelegtes Gesicht war schwer gezeichnet. Die Haut schien verschwunden, ersetzt durch eine feuchte, fast glänzende Synthehaut, unter der die Adern gespenstisch vortraten. Die Hälfte seiner Haare war fort, der Rest anscheinend nur durch die Polsterung des Neurohelms gerettet worden. Vom rechten Ohr war nur ein deformierter Fleischklumpen geblieben. Seine Nase erinnerte durch nichts mehr an ihre frühere Form. Es war fast, als wäre sein Gesicht geschmolzen. Die Nasenöffnungen klafften weit auf, und antiseptische Creme schien daraus hervorzuquellen.

Auf der rechten Seite war von seiner Oberlippe nichts mehr geblieben. Zahnfleisch und Zähne lagen frei. Jetzt verstand Trent, warum er beim Trinken immer auf sein Kinn gesabbert hatte - oder auf das, was davon übrig war. Das markante Kinn, ein Kennzeichen der HowellBlutlinie, war kaum noch vorhanden. Haut und Muskelfleisch waren so dramatisch weggefressen, daß nur noch etwas Kunsthaut die dünne Schicht Gewebe über den Knochen bedeckte. Die fürchterlichen Narben zogen sich bis zum Hals hinab.

Doktor Shasta hatte die Verbände um seinen rechten Arm entfernt, und Trent sah, welchen Preis er für den Ausstieg und sein Überleben bezahlt hatte. Die Hand schien rot, aber gesund, doch Unter- und Oberarm waren so fürchterlich versengt, als wären sie den Feuern der Hölle selbst ausgesetzt gewesen. An Stelle des verlorenen Muskelgewebes zogen sich Myomerbündel unter der Synthehaut entlang. Der Arm hing leblos herab, aber irgendwie wußte Trent, daß er funktionsfähig war. Die Myomermuskeln würden ihn wahrscheinlich kräftiger machen als zuvor.

»Mein Gesicht...«, war alles, was er sagen konnte, als er wieder in den Spiegel sah.
Der Doktor nickte. »Die synthetische Haut wird Sie vor Infektionen schützen und ist haltbarer als natürliches Gewebe.« Trent sah hinüber zu MedTech Karen. Der Ausdruck des Mitleids in ihren Augen versetzte ihm einen Stich.
»Ich trage das Zeichen des Kriegers«, erklärte er stolz und senkte den Spiegel. Die Narben und Verletzungen beweisen, daß ich im Kampf keine Furcht zeige, daß ich wild und gnadenlos zuschlage. Sie werden jedem, der mich sieht, beweisen, daß ich das Herz des wahren Parders besitze. Aber er wußte gleichzeitig, daß er Zeit brauchen würde, sich an das Gesicht im Spiegel zu gewöhnen. Es war neu und fremd.
Doktor Shasta nickte langsam. »Für den Rest Ihres Lebens, Sterncaptain. Unsere medizinische Wissenschaft könnte den Schaden leicht reparieren, aber die Kriegerkaste erlaubt uns nicht, medizinische Mittel zur Befriedigung der Eitelkeit zu verschwenden.«
Damit hatte Trent keine Probleme. Die Clans, und die Nebelparder besonders, haßten Verschwendung. Seit den Tagen Nicholas Kerenskys war das ein Merkmal ihrer Gesellschaft. Ohne diese Einstellung hätten die Clans nicht überleben können. »Ich verlange nicht von dir, daß du den Schaden reparierst. Ich werde die Narben mit Stolz tragen. Sie weisen mich als wahren Krieger vor jedem aus, der Augen hat zu sehen.«
Dr. Shasta schüttelte ein wenig den Kopf. »Wie Sie wünschen, Krieger. Ich habe getan, wozu Mitglieder meiner Kaste verpflichtet sind. Ich habe Ihre Verletzungen behandelt, damit Sie zurück in den aktiven Dienst als Krieger treten können. Ich habe Sie soweit wiederhergestellt, wie es notwendig ist, damit Sie in die Ränge derer zurückfinden, die im Namen des Nebelparders in den Kampf ziehen.«
Trent lächelte. »Wer mein Gesicht sieht, soll erkennen, daß ich nicht geflohen, sondern dem Feind mutig entgegengetreten bin.«

Adeptin Judith Fabers Schreie wurden von den dunklen, schallgedämpften Wänden tief im Innern des Nebelparder-Landungsschiffs Hartel spurlos verschluckt, während ihre Verhörmeister sich über ihrem schlaffen Körper unterhielten, als wäre sie gar nicht da. Sie wußte, daß sie auf dem Flug von Tukayyid ins All sein mußte, war sich aber nur sehr entfernt bewußt, sich auf einem Raumschiff zu befinden. Es erschien ihr mehr wie ein Ausflug in den Schlund der Hölle. Judith konnte die Gesichter ihrer Folterer nicht erkennen, aber ihre Fragen hatte sie nun schon seit Tagen über sich ergehen lassen müssen.

Die Erinnerung an ihre Gefangennahme war verschwommen, verzerrt von Drogen und den Schmerzen der Folter. Sie war nur halb bei Bewußtsein gewesen, als die Parder sie gefaßt hatten. Sie hatten eine Kordel mehrmals um ihr Handgelenk geschlungen und sie an Bord eines Landungsschiffs getrieben. Beiläufig hatte einer der Posten den Sieg der ComGuards auf Tukayyid erwähnt, aber ihre Freude war von kurzer Dauer gewesen. Mit tödlicher Effizienz hatte man sie verhört. Zuerst im Gesprächsstil, dann mit Hilfe von Drogen, Elektroden und Neurofeedbacksensoren. Sie war von den extremen Methoden keineswegs überrascht worden. Tatsächlich hatte sie bei der Vorbesprechung der Mission davon erfahren. Aber theoretisches Wissen war die eine Sache. Praktische Erfahrung eine andere. Judith blieb nur die pure Willenskraft als ein dünner Schleier zwischen Todesqualen und Wahnsinn.

»Sie hat knapp bestanden«, stellte eine tiefe Stimme von außerhalb ihres Sichtfelds fest. Es war ihr gleich. Die Foltern waren kaum noch zu ertragen. Sie war bereit, aufzugeben, beinahe soweit, ihren Inquisitoren die Wahrheit zu sagen. Selbst der Tod wäre ihr eine willkommene Erlösung von den Schmerzen gewesen.

»Die Drogenbefragung ist sehr effektiv, aber ComStar hat sich in früheren Begegnungen als findig erwiesen«, bemerkte die hellere, beinahe weibliche Stimme. »Sie könnte mit Neuroblockern behandelt worden sein, um unsere Befragung zu behindern.«

»Ist sie ein Risiko?«
»Vielleicht«, antwortete die mißtrauische Stimme. »Aber es bleibt zweifelhaft. Nur eine Handvoll unserer Leute hat bei den Kämpfen auf Tukayyid Leibeigene genommen. Es wundert mich, daß sie nicht mit den anderen ComGuardisten, die wir gefangen haben, zurückgeschickt werden wollte.«
»Aus ihrem Verhör geht hervor, daß Sie bei den Kämpfen Freunde und Untergebene verloren hat und Schuldgefühle für deren Tod empfindet, obwohl sie selbst bewunderungswürdig gefochten hat. Wie wir bereits gestern erörterten, sitzt ihr Schuldbewußtsein tief, und es hat sich bisher als mächtiges Werkzeug erwiesen, um ihren Willen zu brechen.«
Judith klammerte sich an das Zögern der mißtrauischen Stimme, deren Besitzer sie gequält und gefoltert hatte, um ihre Erinnerungen an die Oberfläche zu zerren. »Sie besitzt bemerkenswerte technische Fertigkeiten für eine Kriegerin.«
»Möglicherweise hält sie das am Leben und macht sie von Nutzen für uns. Sterncaptain Trent hat sie als Isoria beansprucht«, meinte die tiefe Stimme. »Aber wir beschreiten nicht den Weg, den die Wölfe gewählt haben. Sie wird nie das Risiko eines durch die Ränge aufsteigenden Phelan Kell für uns darstellen - nicht, wenn wir sie als Tech klassifizieren. Und genau das wäre mein Vorschlag.«
»Sie hat Sterncaptain Trents Leben gerettet, frapos?« Die tiefe Stimme antwortete nicht sofort. »Pos. Seine Hilfseinheit wurde überrannt, und die Techs sind verloren. Wenn er will, kann sie als seine Tech fungieren.« Judith hörte, wie Finger schnell und methodisch über eine Tastatur klapperten. Ein paar Sekunden, nachdem das Tippen aufgehört hatte, legte sich eine Hand auf ihre Stirn. »Ich weiß, daß du mich hören kannst, Judith. Deine Kraft wird möglicherweise zurückkehren, aber im Augenblick mußt du dich damit zufriedengeben zuzuhören, frapos? Du hast als Kriegerin gekämpft, aber diese Zeiten sind für dich vorbei. Du gehörst jetzt dem Nebelparder und hast eine neue Rolle zu erfüllen. Die Gnade der Kerenskys sei mit dir ...«
Bevor sie das Bewußtsein verlor, lächelte Judith - in dem Bewußtsein, daß ihre Peiniger nie herausfinden würden, weshalb. Es beginnt...

BattleTech 38: Exodus
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