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Feld-HQ des Trinärsterns Beta,
180 km westlich von Warrenton, Hyner Nebelparder-Besatzungszone
Die tragbare Kommandokuppel war im Grunde nichts anderes als ein Zelt mit verstärkten Seiten. Die Fiberkarbonstangen und Preßfaseraußenhülle waren auf ein schnelles Auf- und Abbauen ausgerichtet, wie es dem Kampfstil der Nebelparder entsprach.
Sterncaptain Jez Howell stand unter der eingebauten Lampe in der Mitte der Kuppel. Den tragbaren Feldkommunikator hatte sie vor sich. Trent und Russou kamen herein und blieben vor ihr stehen. Das aktenkoffergroße Gerät befand sich zwischen ihnen.
»Seht es euch an«, meinte Jez ohne langes Herumreden und schaltete den Kommunikator mit der Fernsteuerung ein. Der graue Bildschirm zeigte in satten Farben die Überreste eines Gebäudes. Nur die groben Umrisse des Hauses und ein riesiger Schutthaufen, aus dem dunkler Qualm in den Himmel stieg, waren noch davon übrig. Zwischen den Trümmern bewegten sich Arbeiter und Mitglieder der Wissenschaftlerkaste mit tragbaren Sensoren, Schaufeln und allerlei sonstigem Gerät.
»Was ihr hier seht, ist alles, was von Sturmstern Alpha des Binärsterns Gamma noch existiert. Sie lagen schlafend in den Kojen, als eine Lastwagenladung Sprengstoff außerhalb des Lagers explodierte. Eine über die örtlichen Medien an die Planetare Kommandostelle übermittelte Nachricht erklärt, die Katzenkiller 5 hätten diesen Angriff zu verantworten.«
Russou starrte auf den Schirm. »Über Nacht sind unzählige Wandschmierereien in meinem gesamten Streifengebiet aufgetaucht: Kv. Die Unterstützung für diese Guerilleros scheint nicht nachzulassen, sondern zuzunehmen, Sterncaptain.«
Jez nickte mit grimmiger Miene. »Sterncolonel Moon hat gestern die Vernichtung der Großstadt Kimota angeordnet. Das wird uns helfen, die Unterstützung für diese Katzenkiller-Fünfer zu vernichten.«
Trent schüttelte nur den Kopf. Noch mehr sinnloses Morden. Es wird Zeit, dieses Spiel zu beenden - ein Spiel, das wir immer offensichtlicher verlieren.
Jez bemerkte die Geste. »Du hast etwas zu
sagen, Sterncaptain Trent, frapos?«
»Pos, Sterncaptain. Diese Aktion wird dem Widerstand, der nach der
Zerstörung von Beaver Falls aufgeflammt ist, nur neue Nahrung
liefern.«
»Du hast möglicherweise einen anderen Vorschlag, frapos? Wenn es
geht, einen, der deinen Vorgesetzten gegenüber keine
Respektlosigkeit beinhaltet.«
»Ich wurde erzogen, den Kampf zu gegnerischen Kriegern zu tragen,
Sterncaptain Jez.« Genau wie du, auch wenn du
das vergessen zu haben scheinst. »Die Anführer dieser
Guerilleros sind Militärs, selbst wenn wir sie als bloße Banditen
ansehen. Sie führen diese Widerstandsbewegung präzise und planvoll,
und unser Vergeltungsfeldzug hat ihre Sache bisher nur gestärkt.
Aber selbst diese Widerstandsoperation kann militärische Realitäten
nicht ignorieren.«
Er bückte sich und schob eine kleine Laserdisk in den
Feldkommunikator. Das Bild des zerstörten Gebäudes verschwand und
wurde von einer detaillierten Echtfarbenkarte der Region ersetzt.
Sie umfaßte Warrenton, den Sitz der Planetaren Kommandostelle der
Nebelparder, und dessen Umgebung in einem Umkreis von dreihundert
Kilometern. Die Straßen erschienen als graue Linien, Städte und
Dörfer waren mit mattroten Punkten markiert. »Wir haben versucht,
das Problem mittels brutaler Gewalt zu lösen, aber ich meine, der
Schlüssel liegt
darin, ihre BattleMechs zu lokalisieren. Diese Banditen
sind MechKrieger. Wenn wir ihre Mechs finden, haben
wir auch die Piloten. Besser noch, wenn wir ihnen die
BattleMechs nehmen, schalten wir sie ein für allemal als
Gefahr aus. Ohne ihre Kampfmaschinen sind sie nicht
mehr als eine Handvoll Männer und Frauen gegen den
größten der Clans.«
»Trent, du redest wie ein Kadett. Wir haben einen solchen Plan
bereits in Erwägung gezogen. Wir haben alle
wahrscheinlichen Verstecke der Banditen für ihre BattleMechs
durchsucht und nichts gefunden.«
Trent erlaubte sich ein leichtes Grinsen. »Ich habe die
Berichte gelesen, Sterncaptain. Aber ich habe mich auch
über Hyner kundig gemacht. Unsere eigenen Unterlagen zeigen die
mögliche Existenz einer alten Sternenbundbasis auf dieser Welt auf,
auch wenn sie nie gefunden wurde.« Er streckte die Hand aus, nahm
Jez die
Fernbedienung ab und richtete sie auf den Feldkommunikator. Das
Kartenbild veränderte sich leicht. Zusätzlich zu den roten Punkten
der Städte und Dörfer tauchte
ein einzelner gelber Punkt - der warnend blinkte - zwischen ihrem
derzeitigen Lager und Warrenton auf. »Du sprichst in Rätseln,
Trent«, erklärte Jez. »Du
glaubst, dies sei der Ort, an dem sich die Katzenkiller
verstecken, frapos?«
»Positiv. Ich halte es für sehr wahrscheinlich.« Jez' Augen wurden
groß. Sie riß ihm die Fernsteuerung praktisch aus der Hand und
verringerte den Maßstab der Kartendarstellung auf dem aus dem
Kommunikator ausgefahrenen Bildschirm. »Da ist nichts als
stinkender Sumpf. Wie sollten sie unbemerkt dorthin gelangen? Wir
hätten ihre Mechs aus der Luft entdeckt.« Trent deutete auf die
Karte. »Zur Zeit des Sternenbunds befand sich an diesem Ort eine
Methanverarbeitungsanlage. Sie lieferte ein Drittel der auf Hyner
verbrauchten Energie, bevor sie in den Nachfolgekriegen zerstört
wurde, die dem Zusammenbruch des Sternenbunds folgten.«
»Jetzt reden wir also von alten Ruinen, frapos?« »Auf gewisse
Weise. Nach allem, was ich in der Datenbank gefunden habe, besaßen
Anlagen dieser Art gewaltige subplanetare Rohrsysteme, in weiten
Teilen groß genug, um eine ganze Anzahl von BattleMechs zu
verbergen. Angesichts der Isolation dieser Anlage und ihrer Nähe zu
den Sichtungen der Katzenkiller-Mechs wäre es ein logisches
Versteck. Wenn auch nur ein Teil des Komplexes noch halbwegs intakt
ist, stellt er den einzigen Punkt in dieser Region dar, der groß
genug ist, den Guerilleros als Versteck zu dienen.«
Jez betrachtete die Karte. »Und unsere Truppen haben dieses Gebiet
nicht durchsucht, frapos?«
»Positiv. Laut Missionsdatenbank stand es nicht auf der Suchliste,
weil es aus der Luft observiert werden konnte.« »Dann werden wir
sie angreifen und ihnen zurückzahlen, was sie unseren Kriegern
angetan haben.« Jez' Stimme sang vor Kampfeslust.
»Neg, Jez. Wenn wir sie besiegen wollen, müssen wir uns den Parder
auf der Pirsch zum Vorbild nehmen. Sieh dir das Gelände an. Es ist
ein schwieriges Schlachtfeld, und obwohl wir nur Banditen jagen,
werden gute Krieger bei dem Versuch sterben, sie zu vernichten.
Diese Sümpfe sind ein einziger Morast, und wahrscheinlich haben die
Katzenkiller sie vermint und das Wasser für weitere Hinterhalte
präpariert.«
»Wir stellen ihnen eine Falle, frapos?«
»Pos. Wir locken sie mit einem Köder hervor, an dem sie nicht
vorbeikommen können. Einem so reichen und so nahen Ziel, daß sie
der Versuchung eines Angriffs nicht widerstehen können. Und da wir
wissen, von wo sie kommen werden, können wir zuschlagen und sie ein
für allemal zermalmen.«
Jez sah Trent an, aber ihre Miene verriet nicht, was sie dachte.
»Und was, bitte schön, könnte sie so sehr reizen?«
»Um unsere Ressourcen zu schützen, werden wir kleinere Munitions-
und Waffenlager einrichten. Ein Konvoi zu einem dieser Depots kann
auf die am Sumpf vorbeiführende Straße umgeleitet werden. Die
Guerilleros müssen unter Munitionsmangel leiden, und sie werden dem
Reiz nicht widerstehen können, so nahe vorbeifahrende
Nachschubfahrzeuge zu überfallen. Um sicherzugehen, werden wir
unter den niederen Kasten Informationen über den Inhalt des Konvois
ausstreuen. Indem wir das in Dörfern wie Chinn und New Bethesda
tun, wo bereits guerillerofreundliche Wandschmierereien aufgetaucht
sind, können wir sichergehen, daß die Nachricht sie
erreicht.«
»Die Zeit, die du mit deiner Leibeigenen verbringst, hat dir
beigebracht, wie dieser Abschaum der Inneren Sphäre zu denken«,
stellte Jez in sarkastischem Ton fest. »Aber du könntest da über
etwas gestolpert sein. Ich werde es nach oben weiterleiten.
Vielleicht gelingt es dir doch noch, dich in den Augen unseres
Kommandeurs zu rehabilitieren.«
Das Bild Sterncolonel Paul Moons auf dem Feldkommunikatorschirm kreuzte in nachdenklicher Ablehnung die Arme. »Wie du siehst, Sterncolonel«, meinte Jez, »denke ich, diese Banditen gefunden zu haben, und der Plan, den ich vorschlage, bietet uns den perfekten Köder, um sie ins Freie zu locken.« Sie hatte nicht erwähnt, daß die Idee von Trent stammte, und hatte das auch nicht vor. Soweit es Jez betraf, waren seine Handlungen ihre. Schließlich war er ihr Untergebener ...
»In der Tat. Es sind Risiken damit verbunden. Du kannst bei einer solchen Operation nur eine minimale Anzahl Mechs einsetzen. Bei der Verwendung einer größeren Streitmacht würden wir unsere vorzeitige Entdeckung riskieren.«
»Verstanden, Sterncolonel. Ich plane, Stern
Alpha persönlich zu leiten.«
»Neg, Sterncaptain. Diese Mission ist ehrlos. Krieger lassen sich
nicht zu Täuschung und dem feigen Einsatz von Hinterhalten herab.
Du kannst sie begleiten, wenn du willst, aber die Leitung sollte
bei Sterncaptain Trent liegen.«
»Trent?«
Paul Moon grinste. »Pos. Möglicherweise schaffen diese Banditen ihn
mir endlich vom Hals. Und wenn sie ihn nicht heim zu den Kerenskys
schicken, besudeln wir mit dieser Aufgabe zumindest nicht die Ehre
guter Krieger.«
»Wie du befiehlst, Sterncolonel.« Jez neigte respektvoll den
Kopf.
»Du hast dir eine Belobigung verdient, Jez. Dank dir wird sich der
Parder doch noch dieser sogenannten Katzenkiller entledigen.«
Judith wollte gerade in ihr Zelt gehen, als sie Trent kommen sah. Es war ein langer Tag gewesen, und obwohl sie sich nach ihrem Bett sehnte, war ihr klar, daß die Wünsche ihres Eigentümers vorgingen. »Sie sind noch spät auf den Beinen, Sterncaptain«, stellte sie fest.
Trent lächelte. »Meine Suche nach dem SternenbundWaffendepot blieb bisher ohne Ergebnis, aber die Entdeckung der Methanverarbeitungsanlage hat sich gelohnt.« Er hatte sich wiederholt mit Judith über seine Bemühungen unterhalten, die alte Sternenbundbasis auf Hyner zu finden, ein sogenanntes Brian-Kastell. »Jetzt habe ich die Informationen, die wir brauchen, um diese Katzenkiller zur Strecke zu bringen.«
»Wird das eine weitere Vergeltung wie Beaver Falls und Kimota?« fragte sie und konnte die Verbitterung in ihrer Stimme nicht verbergen.
»Jetzt, da du eine Leibeigene und ein Mitglied des Clans Nebelparder bist, weißt du, daß ein Krieger Befehlen gehorchen muß, Judith. Allen Befehlen, jedem Befehl, wie er auch aussehen mag. Ich war in Beaver Falls. Ich habe protestiert, solange es möglich war. Schließlich mußte ich trotzdem meine Pflicht tun.«
»Und die Ehre?«
»Achte auf deinen Ton, Leibeigene. Du kannst nicht wissen, was in
meinem Herzen vorgeht. Ich war dort, Judith. Ich habe Unschuldige
sterben sehen, habe die Sinnlosigkeit ihres Tods gesehen. Aber
diesmal wird es anders. Diesmal werden wir gegen die Katzenkiller
selbst antreten - Krieger gegen Krieger. Und wenn wir fertig sind,
werden sie tot sein, und diese Vergeltungsschläge werden
aufhören.«
»Ich traue Sterncaptain Jez nicht«, stellte Judith fest.
»Vertrauen ist irrelevant«, gab Trent zurück. »Was jetzt zählt, ist
meine Ehre. Der Kampf, den ich für diese Banditen vorgesehen habe,
gewährt ihnen mehr als sie verdienen - eine Chance, wie Krieger zu
kämpfen und zu sterben.«
»Die Worte höre ich wohl, aber ich weiß auch, was ich von den
anderen Techs gehört habe. Diese Jez ist gnadenlos, und sie scheint
Sie abgrundtief zu hassen. Ich habe von Ihrem Widerspruchstest
gegen sie im Baker Canyon gehört.«
»Er war notwendig.«
»Aber er zeigt mir, daß sie vor nichts zurückschreckt, um Ihnen zu
schaden.«
»Du hast recht. Aber es gibt Zeiten, in denen du als meine
Leibeigene auf meine Voraussicht und meinen Instinkt als Krieger
vertrauen mußt. Und dies ist eine dieser Zeiten...«