Lehren für den Alltag
Die Kindheit ist nicht alles: Menschen können seelische Stärke auch noch später im Leben erwerben. Denn die Persönlichkeit ist keineswegs in Stein gemeißelt. Bis vor wenigen Jahren dachten Psychologen noch, nach der Pubertät, spätestens aber nach dem 30. Geburtstag ändere sich der Mensch nur mehr wenig. Er sei in seinen wesentlichen Charakterzügen festgelegt. Doch das sehen Fachleute inzwischen anders: Auch im späten Erwachsenenalter können Menschen ihr Wesen durchaus noch ändern. Es gibt allerdings eine wichtige Voraussetzung dafür: Sie müssen es auch wollen!
Persönlichkeitstests zeigen: Gerade wenig resiliente Menschen sind besonders wandlungsfähig. Psychologen haben mittlerweile eine Reihe von Handlungsanweisungen parat, mit deren Hilfe sich ein bisschen Hornhaut auf die Seele legen lässt. Das gelingt am besten, wenn man sich selbst, seine Stärken und Schwächen gut kennt. Deshalb beginnen die meisten Programme zum Aufbau seelischer Widerstandskraft zunächst mit einem Test, der die persönlichen Stärken ermittelt.
Doch auch wer sich stark fühlt, sollte sich klarmachen: Resilienz ist keine lebenslange Eigenschaft. Durch große Erschütterungen kann sie selbst bei psychisch noch so starken Persönlichkeiten eines Tages verloren gehen. Ohnehin ist die psychische Widerstandskraft in hohem Maße davon abhängig, in welcher Situation sich ein Mensch gerade befindet. Wenn jemand gegen jede Art von Beziehungskrise gut gewappnet ist, heißt das nicht, dass er auch einen schweren Verkehrsunfall psychisch unbeschadet übersteht. Und wer mit den Schultern zuckt, wenn er seinen Job verliert, den mag die Diagnose einer chronischen Krankheit umhauen.
Psychologen geben deshalb Ratschläge, wie es gelingt, Stärke zu bewahren und die Speicher möglichst immer wieder aufzufüllen. Dazu gehört es vor allem, sich Herausforderungen zu stellen, statt sich vor ihnen zu drücken. Denn Resilienz kann in einem Menschen nur wachsen, wenn er immer wieder die Erfahrung macht, dass er Krisen bewältigen oder schwierige Aufgaben meistern kann. Schließlich ist Resilienz nicht allein ein Persönlichkeitsmerkmal, sondern auch eine Strategie, wie man mit Schwierigkeiten umgeht. Diese Strategie sollte man immer wieder neu erproben und an die aktuelle Situation anpassen, damit man darin geschult bleibt, sie flexibel auch bei bislang unbekannten Hürden anzuwenden.
Allerdings sollte man sich auch nicht blind auf jede Herausforderung stürzen: Es gilt, schonend mit seinen Ressourcen umzugehen. Kein Mensch sollte mehrere Großbaustellen eröffnen. Wer gerade im Privatleben eine sehr belastende Situation zu bewältigen hat – eine Scheidung etwa –, der ist gut beraten, nicht just zu dieser Zeit auch noch im Beruf einen schon länger schwelenden Konflikt entflammen zu lassen. Zu viel Stress ist ohnehin eine der ganz großen Bedrohungen für die psychische Widerstandskraft. Es gilt deshalb, den Umgang mit Druck im Berufs- wie im Privatleben zu erlernen. Neu zu lernen, wie man sich Auszeiten nimmt, wie man auf das Leben und die Umwelt mehr achtet – und sich zu erinnern, wie das eigentlich noch ging, das mit dem Faulsein.