Hier ist Stärke gefragt
Einfach mal faul sein ist völlig out geworden, Langeweile das Schreckgespenst der Leistungsgesellschaft. »Ich bin ja so im Stress«, ist ein so häufig gehörter Satz, dass ihn schon Kleinkinder begeistert nachplappern. Sie spüren, dass all jene, die dies sagen, irgendwie wichtig und anerkannt sind. Dass aber Faulsein und Langeweile erst neue Kraft und Kreativität zutage bringen, wird gemeinhin ignoriert. Hohes Ansehen erlangt dagegen, wer parallel in Beruf, Partnerschaft und aufsehenerregenden Hobbys Erfolge vorweisen kann.
Dabei schadet ein bisschen Stress gewiss nicht. Er fördert die Leistungsfähigkeit und verschafft letztlich jenes wohlige Gefühl, etwas unter Hochdruck geschafft zu haben. Doch die ständigen überhöhten Anforderungen, wie sie heute in vielen Bereichen des Lebens herrschen, führen auf Dauer zu einem durch und durch negativen Gefühl, das irgendwann gar nicht mehr weichen will. Erfolg kann nicht eintreten, wenn die Ansprüche so hoch sind, dass sie sich kaum erfüllen lassen. Wer psychisch stark genug ist, erlebt den Stress nicht als negativ oder lässt sich davon nicht unterkriegen. Doch wer weniger stabil ist, für den stellen die ständigen Stresserlebnisse schließlich ein Gesundheitsrisiko dar.
Oft schlägt sich das Leiden der Seele zunächst noch mit eher unauffälligen Symptomen auf den Körper und seine Organe nieder: Das Kreuz schmerzt, der Bauch grimmt. Bei anhaltender Ignoranz folgt dann aber oft der psychische Zusammenbruch. Mehr seelische Widerstandskraft brauchen längst nicht mehr nur Manager in besonders hart umkämpften Branchen, die sich täglich gegen Konkurrenten behaupten müssen, oder Menschen, die besonders schwere Schicksalsschläge erleiden. Hohe Anforderungen herrschen überall – am einfachen Arbeitsplatz der Sachbearbeiterin, in der Kleinfamilie, in der Partnerschaft und natürlich auch angesichts von persönlichen Krisen wie Liebeskummer, Arbeitslosigkeit, Geldsorgen, Krankheit, Trauer und Verlust.
Oft reicht die Energie nicht mehr aus, sich neben beruflichen Problemen gleichzeitig auch privaten konstruktiv zu stellen. Depressionen und Burn-out werden längst als Volkskrankheiten angesehen. Gerade an diesen Leiden zeigt sich, dass der Grat zwischen Stärke und Schwäche schmal geworden ist. Viele Menschen suchen ihr Heil in Drogen. Nur mit der abendlichen Flasche Rotwein schaffen sie es noch, sich endlich einmal wohlig und frei zu fühlen.
Man braucht schon ein gesundes Selbstbewusstsein, ein Selbstwertgefühl, das nach Art einer Sprungfeder konstruiert ist, oder wenigstens hilfreiche Techniken, um die ständigen Angriffe auf die eigene psychische Gesundheit abwehren zu können. Das Kapitel verdeutlicht, wie sich unterschiedliche Bedrohungen auf die seelische Gesundheit auswirken, und zeigt Menschen, die es trotzdem geschafft haben, aus den so entstandenen Tiefs wieder herauszukommen.