10
»Guten Morgen, Elise, gut geschlafen?«
Ich schrecke aus dem Schlaf. Vermutlich bin ich beim dreitausendzweihundertfünfundfünfzigsten Schaf eingeschlafen, auf alle Fälle bin ich vollständig benommen.
»Das Wetter ist wundervoll, ein schöner Herbsttag«, fährt Hélène fort, während sie die Fensterläden öffnet.
Ich weiß nicht, warum sie ihre Zeit damit verliert, sie zu öffnen und zu schließen, denn für mich ändert das ohnehin nichts. Es läutet.
»Ah, die Haustür! Moment, ich komme gleich wieder.«
Hoffentlich schnell, denn ich muß dringend Pipi machen. Eine Männerstimme. Ich lausche. Florent Gassin. Sieh mal einer an!
»Es tut mir leid, daß ich Sie so früh störe, aber ich möchte Ihnen und Ihrem Mann einige Fragen stellen.«
»Paul ist schon weg, er bringt Virginie zur Schule, ehe er zur Bank fährt.«
»Na, das macht nichts. Hören Sie, es ist nicht für die Öffentlichkeit, ich wollte nur wissen, ob Sie etwas von dem Gerücht gehört haben, daß Sophie Migoin eine Affäre gehabt haben soll …«
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
»Ähm … nein danke.«
»Setzen Sie sich doch bitte. Entschuldigen Sie mich einen Moment, ich komme gleich zurück.«
»Ähm … ja.«
Sie platzt in mein Zimmer herein.
»Hier, die Bettschüssel. Inspektor Gassin ist da. Ich weiß nicht, was ich tun soll, er will wissen, ob Sophie … Glauben Sie, daß ich es ihm sagen soll?«
Zeigefinger. Sie zieht die Schüssel weg.
»Bis gleich.«
Dann geht sie zurück ins Wohnzimmer.
»So, jetzt habe ich Zeit.«
»Also, es geht um Sophie Migoin …« setzte Gassin erneut an, die Sache scheint ihm peinlich.
»Ja, ich habe davon gehört …«
»Also stimmt es?«
»Ich denke, ja. Ich habe gehört, wie sie mit einem Mann telefonierte, um sich mit ihm zu verabreden …«
»Wissen Sie, wer es war?«
»Nein. Und selbst wenn ich es wüßte, würde ich es Ihnen nicht sagen. Sophie ist tot, Stéphane auch, es macht keinen Sinn, jetzt schmutzige Wäsche zu waschen.«
»Aber glauben Sie nicht, man sollte eindeutig feststellen, ob Stéphane Migoin wirklich all diese Morde begangen hat?«
»Ich weiß nicht, was das mit Sophie zu tun hat.«
»Die Untersuchungsrichterin ist nicht ganz davon überzeugt, daß Stéphane Selbstmord begangen hat. Sie möchte sicher sein, daß es sich nicht um ein Komplott handelt, um ihm die Schuld für die Morde in die Schuhe zu schieben.«
Nicht dumm, die Frau Richterin. Wie gut, daß es sie gibt!
»Aber der Brief, den Stéphane hinterlassen hat?«
»Ja, der Brief, in meinen Augen ein unwiderlegbares Beweisstück. Das glauben auch die Experten von der Kripo. Er wurde auf einer Schreibmaschine geschrieben, und zwar auf eben der, die Stéphane Migoin für seine Geschäftskorrespondenz benutzte. Er wurde also verfaßt, ehe er verschwand, das Format ist dasselbe wie bei all seinen Briefen, und er hat ihn auch selbst unterschrieben.«
Auf der Maschine geschrieben? Das ändert alles! Als würde ein Typ wie Stéphane sein Geständnis auf der Maschine schreiben! Das machen nur die Intellektuellen. Stéphane sehe ich eher seinen Füllhalter zücken und ordentlich auf ein Blatt Karopapier schreiben …
»Warum erzählen Sie mir das alles?«
»Ich bin der Auffassung, daß es Sie angeht. Es war immerhin Ihr Stiefsohn … ich meine, entschuldigen Sie, aber …«
»Renaud ist tot, Inspektor, und nichts auf der Welt kann ihn wieder lebendig machen. Ich habe die Nase voll von all diesen Geschichten, alles, was ich will, ist meine Ruhe!«
»Aber zur Ruhe kann man nur durch Wissen gelangen, Madame, die Wahrheit wird Sie beruhigen …«
»Woher wollen Sie das wissen? Das Wissen ist oft schmerzlicher als Unwissenheit, vor allem, wenn die Wahrheit unerträglich ist. Und was Sie mir da sagen, ist unerträglich.«
»Sie können sich an die These der Richterin halten, aber ich glaube nicht, daß sie sich bestätigen wird.«
»Sind Sie fertig? Ich bin sehr beschäftigt.«
Gassins verwirrte Stimme … Er ist jung, es tut ihm leid, und er verhaspelt sich:
»Gut, ich verabschiede mich, ich wollte Sie nicht stören …«
»Auf Wiedersehen, Inspektor.«
»Auf Wiedersehen, Madame, ich …«
Die Tür fällt ins Schloß. Geräuschvolles Durcheinander.
»Idiot! Alles Idioten! Laßt mich doch endlich in Ruhe, verflucht noch mal! Scheiße, Scheiße, Scheiße! Die sollen sich doch alle zum Teufel scheren!«
Sie schreit und tritt gegen die Möbel. Und ich kann ihr nicht helfen, ich liege wie eine gestrandete Seerobbe auf meinem Bett. Ich höre sie noch ein wenig toben, dann herrscht Ruhe. Sie muß erschöpft sein. Zorn und Kummer erschöpfen. Für mich war es sehr schwer, nicht schreien, toben, weinen, mir die Augen auskratzen, die Haare raufen oder Fußtritte verteilen zu können, als ich meine Lage begriff. Es war hart, mich nicht bis zur Erschöpfung verausgaben zu können, sondern statt dessen in Trauer zu verfallen, es war hart, allein zu sein, ganz auf mein Gehirn reduziert, das unaufhörlich Gedanken, Bilder und Worte aneinanderreiht, und das nicht aufhört zu leben.
Es ist wieder ruhig geworden. In der Stille höre ich ein anhaltendes Wimmern, ein schmerzliches, angespanntes Wimmern, und ich stelle mir Hélène vor, wie sie dasitzt, den Kopf auf die Arme gelegt und dieses nicht abreißende, schmerzvolle Stöhnen ausstößt, das an ein verletztes Tier oder an ein hilfloses Kind erinnert. Es ist sehr ergreifend, den geheimen Schmerz eines Menschen mitzuerleben. Ich schlucke. Das Wimmern hört nicht auf, es wird lauter und schriller und geht übergangslos in ein rauhes Schluchzen über, dann verstummt sie.
Schritte. Eine Tür. Der Wasserhahn wird aufgedreht. Sie spritzt sich wahrscheinlich Wasser ins Gesicht. Der Wasserhahn wird wieder zugedreht. Schritte, die auf mich zukommen.
»Er ist weg. Er ist überzeugt davon, daß Stéphane der Schuldige ist. Nur die Richterin hat Zweifel. Ist das alles ein Durcheinander. Ich weiß noch, wie wir vor sieben Jahren beschlossen haben hierherzuziehen. Die Ruhe, das Landleben, die Lebensqualität … Was für ein Unsinn.«
Sie scheint einen Augenblick zu überlegen, dann fährt sie fort:
»Wissen Sie, ich habe mir oft die Frage gestellt, was mein Sohn tun wird, wenn er groß ist. Ich weiß auch nicht, warum, aber ich habe ihn immer mit wehendem Haar am Ruder eines Segelschiffs gesehen …«
»Mein Sohn«, sie muß wirklich an ihm gehangen haben, als wäre es ihr eigenes Kind gewesen …
»Und doch hatte ich in meinem tiefsten Inneren eine böse Vorahnung, eine fürchterliche Vorahnung des kommenden Unglücks. Vielleicht, weil er ein Junge war. Jungen sterben häufiger als Mädchen, sie sind anfälliger. Eigentlich hatte ich immer Angst um ihn, ganz so, als schwebe eine schlimme Bedrohung über ihm, eine Gefahr, die im Schatten lauert. Und ich hatte recht. Man hat ihn mir genommen.«
Sie holt Luft. Ihr Atem geht ganz ruhig.
»Irgendwann steht man plötzlich vor den Trümmern seines Lebens. Doch was kann man dafür? Niemand ist Herr über sein Schicksal, nicht wahr? Hätten Sie jemals gedacht, daß Ihnen so etwas zustoßen könnte? Diese Stadt bringt Unglück, genau das ist es. Wir müssen weg von hier. Paul sagt, das sei unmöglich. Er hat Angst, anderswo keinen so interessanten Posten zu finden. Er verkauft lieber seine Seele, als etwas weniger zu verdienen. Er weiß nicht, was er tut. Ich glaube, im Grunde verabscheue ich ihn. Ja, ich glaube, ich verabscheue ihn schon seit einer geraumen Weile. Das kommt oft vor, nicht wahr? Man glaubt jemanden zu lieben und dann fällt einem auf, daß man ihn eigentlich verabscheut. Wie spät ist es? Mein Gott, die Zeit vergeht so schnell, wenn man keine Hoffnung mehr hat. So, jetzt ziehe ich Sie erst mal an.«
Während sie sich ungeschickt abmüht, summt sie nervös und schrill eine Melodie vor sich hin, die ich nicht kenne. Mein unbeweglicher Körper muß schwer sein. Ich versuche, mich leicht zu machen. Dies Gesumme, das Fröhlichkeit vortäuschen soll, ist erbärmlich, die arme Hélène steht wirklich kurz vor einem Nervenzusammenbruch. So, ich bin angezogen. Auf ins Eßzimmer.
Gedrückte Stimmung beim Mittagessen, es gibt einen Rest Püree und tiefgefrorene Fischstäbchen. Ich habe keinen großen Hunger. Hélène sagt kein Wort, sie summt noch immer diese nervtötende Melodie, während sie mir den Löffel in den Mund schiebt. Ihre Bewegungen zeugen von innerer Zerrissenheit und Angespanntheit, ich habe den Eindruck, daß es ihr wirklich sehr schlecht geht. Um die lästige Aufgabe zu erleichtern, kaue ich möglichst schnell. Kein Käse, kein Dessert, nur Kaffee. Stark, schwarz und wohlschmeckend, aber viel zu heiß. Ich verbrenne mich, ohne daß ich protestieren könnte. Und hopp, los geht’s.
Ich hoffe, daß Yvette bald wieder gesund ist, damit ich nach Hause kann. Vor allem, seit ich gehört habe, daß Paul mich für eine Spionin hält. Der Rollstuhl bleibt abrupt stehen. Was ist denn nun wieder?
»Hélène! Ich wollte Sie gerade anrufen!«
Ah, Miss Perfekt alias Claude Mondini, die mit gedämpfter Stimme eilig hinzufügt:
»Heute morgen war ein Inspektor bei mir, um mich über Sophies Privatleben auszufragen … Natürlich habe ich ihm gesagt, ich wüßte nichts. Jeder hat schließlich ein Recht, sein Leben zu leben, stimmt’s? Und wenn ich daran denke, was sie Stéphane vorwerfen! Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan, Jean-Mi mußte mich geradezu bedrängen, eine Schlaftablette zu nehmen. Das ist wirklich furchtbar, furchtbar!«
Dann lauter:
»Sie kümmern sich jetzt um Elise?«
»Yvette hat sich den Knöchel verstaucht …«
»Ach ja, das habe ich bei allem, was hier vor sich geht, ganz vergessen. Übrigens, am Sonntag ist die Schnitzeljagd der Jugendlichen von Saint-Jean, Sie müssen unbedingt kommen, das wird super, wenn Sie wollen, kann ich ein wenig mit Elise Spazierengehen und sie dann hinterher in die Bibliothek bringen.«
»Warum nicht? Haben Sie Lust auf einen kleinen Spaziergang, Lise?«
Mit dieser Quasseltante? Nein danke! Kein Zeigefinger.
»Sie schläft vielleicht. Hören Sie, ich vertraue sie Ihnen an. Bis gleich und danke, ich muß mich beeilen, ich bin spät dran«, entschließt sich Hélène.
Hiiilfe!
»Elise? Elise huuhu, ich bin es, Claude, hören Sie mich?«
Resignierter Zeigefinger.
»Wir werden einen schönen Spaziergang machen. Wo es endlich mal nicht regnet. Außerdem brauche ich Bewegung, ich bin so nervös … Hélène sieht recht mitgenommen aus, um zehn Jahre gealtert. Jean-Mi hat gestern Abend Paul getroffen, er macht sich große Sorgen um sie, er hat Angst, daß sie in eine Depression verfällt … Wenn man bedenkt, daß Stéphane ihr bester Freund war, und daß er … den armen kleinen Renaud … und all die anderen … Und ich habe ihn am Steuer des weißen Kombi gesehen, und nicht eine Sekunde daran gedacht, daß … Die Polizei sagt, es sei der Wagen gewesen, mit dem sein Vorarbeiter zu den Baustellen fuhr. Jeder fand es ja normal, daß er ihn auch benutzt. Die Baustellen sind so schmutzig, er kann ja schließlich seinen BMW nicht jeden Tag waschen … Der Inspektor hat mir gesagt, daß sie den Kombi genauestens untersuchen. Vor allem den Kofferraum … Jean-Mi will nicht, daß ich darüber rede, er sagt, ich sei zu sensibel, aber es nutzt nichts, die Augen zu verschließen. Und die arme Sophie … ihretwegen habe ich gelogen.«
Dann flüstert sie dramatisch:
»Ihnen kann ich es ja sagen, ich weiß schon lange, daß sie jemanden hatte.«
Ich hatte also recht! Ich hatte schon wieder recht! Zum Teufel, übertragt mir doch die Ermittlungen!
»Ich habe sie eines Tages in ihrem Wagen gesehen, im Wald bei Futaie. Ich war dort, um die Piste für das BMX-Rennen am Palmsonntag abzustecken. Es war drei oder vier Uhr nachmittags. Zuerst habe ich nur den Wagen gesehen, der hinter einem kleinen Wäldchen geparkt war und gleich an ein Liebespaar gedacht. Natürlich habe ich mich diskret verhalten, und dann habe ich Sophies Peugeot 205 erkannt. Zunächst habe ich mir nichts Böses gedacht, aber ich hatte ein eigenartiges Gefühl, eine Art Schauder, verstehen Sie … Da die Sonne auf die Scheiben schien, konnte ich nicht sehen, was im Inneren vor sich ging. Normalerweise hätte ich hingehen und sie begrüßen müssen, aber irgend etwas hat mich zurückgehalten, sicherlich meine Intuition, es ist wirklich unglaublich, wie intuitiv ich handle. In diesem Augenblick hat sich die Beifahrertür geöffnet, er ist ausgestiegen, hat mit den Händen sein Haar in Ordnung gebracht und sich an einem Baum erleichtert. Ich fand das unglaublich ordinär, aber auf alle Fälle hab ich mich gefragt, was er da mit Sophie im Auto tat. Ohne Schlechtes über seinen Nächsten sagen zu wollen, ist es doch manchmal so, daß man nicht umhin kann, gewisse Schlußfolgerungen zu ziehen, nicht wahr? Ich habe natürlich keinen Muckser von mir gegeben. Er ist wieder eingestiegen, und sie sind ganz dicht an mir vorbeigefahren, ohne mich zu sehen. Ich hockte in den Brennnesseln, ich sage Ihnen nicht, ich habe mich vielleicht verbrannt, aber auf alle Fälle konnte ich sie aus nächster Nähe sehen: Sophie mit einem glückseligen Lächeln und er mit dem befriedigten Gesicht einer Bestie … Das hätte ich nie von ihm gedacht.«
Aber von wem, verdammt noch mal?
»Ich habe Jean-Mi nichts davon erzählt, ich wollte ihn nicht belasten, aber wir haben uns mit voller Absicht immer weniger gesehen. Ich muß ja schließlich nicht zur Komplizin ihres Verhaltens werde. Wenn ich daran denke, Sophie und Manu, das ist doch wirklich grotesk …«
Manu? Hat sie Manu gesagt? Aber was hat denn der jetzt in dieser Geschichte verloren? Wir brauchen nicht Manu, sondern Paul, du mußt dich irren!
»Und die arme Betty, die glaubt, mit Weizenkleie ihre geistige Leere füllen zu können, sie hätte besser daran getan, auf ihren Mann zu achten. Ich fand schon immer, daß er einen stechenden Blick hat, wie Rasputin, und mit diesem schwarzen Bart … brrrr … Aber ich schwatze und schwatze, ich langweile Sie sicher!«
Aber nein, absolut nicht, ausnahmsweise faszinierst du mich mal, los, go on.
Aber nein, sie redet von Bäumen, von fallendem Laub, vom kommenden Winter, von Zwiebelschalen, die auf die bevorstehende Kälte hinweisen, vom Krieg in Jugoslawien, von der Hungersnot in Afrika, von der Schwierigkeit, Kleidung und Medikamente zu sammeln, von der Kälte der Menschen, von ihrer mangelnden Sensibilität, und ich denke immer wieder ›Manu und Sophie, Manu und Sophie‹, wie bei einem Mantra, das mir die Erkenntnis bringen soll.
Nach solchen Tagen sehne ich mich nach Ruhe und nach meinem Zuhause, vor allem seit ich weiß, daß Paul mich als Spionin bezeichnet. Die Zeit der nächtlichen Annäherungsversuche ist vorbei! Hat der gute Paul vielleicht andere, dringlichere Sorgen? Glücklicherweise hat Yvette gestern angerufen, sie ist wieder vollkommen hergestellt und wird mich übermorgen natürlich zusammen mit Jean Guillaume im Auto abholen. In diesem Haus verschlechtert sich die Stimmung zusehends, Paul und Hélène streiten nur noch. Sie stopft sich mit Beruhigungspillen voll, und er schreit sie an. Er hält ihr ständig vor, daß sie ärztliche Hilfe braucht. Mich hat man inzwischen im Eßzimmer abgestellt. Virginie sieht fern und scheint von all dem nichts zu bemerken.
»Virg’ mach bitte den Fernseher leiser«, brüllt Paul.
Sie stellt den Ton lauter. Ich spüre, daß es gleich zum großen Krach kommen wird.
»Hörst du nicht? Stell den verfluchten Fernseher leiser!«
Keine Reaktion. Der Pinguin zetert weiter gegen Batman.
»Himmel noch mal! Hältst du mich zum Narren?«
»Aua, laß mich los! Mama, Mama!«
Klatsch, klatsch, zwei kräftige Ohrfeigen. Virginie heult los wie eine Sirene. Hélène stürzt aufgebracht ins Zimmer.
»Laß sie los, du Miststück! Ich verbiete dir, sie anzurühren, du hast keinerlei Rechte ihr gegenüber.«
»Paß auf, was du sagst, Hélène!«
Die Stimmung wird immer angespannter. Er hat Virginie offenbar losgelassen, denn ich höre sie in ihrer Ecke schniefen.
»Ich sage, was ich will, du machst mir keine Angst!«
»Bitte hör auf damit!«
Ich ›sehe‹ sie vor mir, wie sie einander gegenüberstehen, auf den Hinterbeinen aufgerichtet, mit aufgeblähten Nüstern, zusammengekniffenen Lippen, bleich, wie alle Paare, die im Tanz des Zorns gefangen sind. Und dann unterbricht Paul den Kampf.
»Ah, du gehst mir auf die Nerven, ich verschwinde!«
»Paul, wohin gehst du?«
»Das kann dir doch egal sein! Kümmer dich um deine Tochter.«
Die Tür schlägt zu.
»Mama!«
»Ja, mein Liebling, ich bin ja da …«
»Was gibt es heute zum Abendessen?«
»In der Küche steht Pizza.«
»Kann ich beim Essen Batman anschauen?«
»Wenn du willst, aber mach nichts schmutzig.«
Ende des Kriegsszenariums. Virginie setzt sich mit ihrer Pizza vor den Fernseher, letztes Schniefen. Ich spüre, daß jemand hinter mir steht. Es ist Hélène. Sie schiebt meinen Rollstuhl in die Küche.
»Möchten Sie ein Bier?«
Zeigefinger. Oh, ja, oh, ja, ein frisches, kühles Bier …
Ich höre, wie sie den Kronkorken öffnet und das Bier in ein Glas schenkt. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen, das könnte glatt ein Werbespot sein. Ah, endlich! Das Bier rinnt eiskalt durch meine Kehle, ah, auf diesen Schluck gut gekühltes Bier warte ich seit einem Jahr … Sie gibt mir noch etwas Bier, dann höre ich, wie sie selbst trinkt.
»Paul hat ganz recht, ich schlucke zuviel Tabletten. Aber ich kann einfach nicht schlafen, und ich halte es nicht mehr aus, mich nachts im Bett hin- und herzuwälzen und immer wieder über all das nachzudenken. Ich glaube, meine Ehe ist in einer Krise. Sie müssen uns für ganz schön verrückt halten.«
Kein Zeigefinger.
»Wissen Sie, ich werde Ihnen etwas sagen, was ich bisher keiner Menschenseele anvertraut habe.« Sie senkt die Stimme. »Paul ist nicht Virginies Vater.«
Beinahe hätte ich mich an meinem Bier verschluckt.
»Als ich ihn kennenlernte, war Virginie gerade geboren. Er hat mich geheiratet, sie als sein Kind anerkannt und mir versprochen, sich um sie zu kümmern, wie um seine eigene Tochter. Er hat Wort gehalten … Virginie weiß nicht, daß er nicht ihr Vater ist, ich habe es ihr nicht gesagt. Den anderen wird sie sowieso nie kennenlernen. Möchten Sie noch etwas Bier?«
Zeigefinger. Wir trinken.
»All das liegt lange zurück … ist Vergangenheit. Ich war jung. Ich war dumm. Wissen Sie, ich hatte keine einfache Kindheit. Oh, nicht was Sie denken, ich komme aus gutem Haus, aber mein Vater war nicht gerade sanft, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und meine Mutter … sie sagte nichts, sie hatte Angst. Sie trank, um zu vergessen. Sie hat sich dreißig Jahre lang prügeln lassen. Als mein Vater starb, war es eine wahre Erlösung für sie. Aber sie hat ihn nicht lange überlebt. Sechs Monate später ist sie selbst an Krebs gestorben. Ein richtiges Melodram.« Ihre Stimme hat einen sarkastischen und bitteren Klang. »Ich sehe immer noch meinen Vater, meinen würdevollen Vater vor mir – er war Arzt –, und meine Mutter und mich, blaß und unter unseren gutgeschnittenen Kleidern von blauen Flecken übersät … Warum erzähle ich Ihnen das? Ah, ja, ich wollte ihnen sagen, wann ich Tony getroffen habe … wenn ich das alles geahnt hätte … Ah, ich habe Kopfschmerzen, aber das kenne ich schon: Sobald ich von meinen Eltern oder von Tony rede, bekomme ich Kopfschmerzen. O mein Gott, aber es ist schon spät, ich muß Virginie ins Bett bringen. Noch etwas Bier?«
Zeigefinger. Die schäumende Flüssigkeit rinnt durch meine Kehle. Paul ist also nicht Virginies Vater. Und was ändert das? Nichts. Und dieser Tony …? Was mag er nur getan haben, daß sie so von ihm spricht? Vielleicht hat er sie auch geschlagen. Und wo ist er jetzt? Im Gefängnis? Nein, also nun erfinde ich schon wieder Räuberpistolen.
Sind sie sicher, daß Virginie nichts ahnt? Kinder wissen oft mehr, als man sich vorstellt. Auf alle Fälle war mein Aufenthalt in diesem Haus nicht unnütz. Was ich hier Neues erfahren habe, liefert mir mindestens eine Woche lang Stoff zum Grübeln. Angewidert stelle ich mir diese gutbürgerliche Familie mit dem sadistischen Vater vor … Nach zehn Minuten kommt Hélène zurück:
»So, fertig. Im Fernsehen gibt es eine Reportage über Kolumbien, interessiert Sie das?«
Zeigefinger. Warum nicht? Das bringt mich auf andere Gedanken. Also auf zur grünen Hölle, den Drogenkartellen, den Gipfeln der Anden. Aber eigentlich wäre mir eine ausführliche Reportage über Virginies leiblichen Vater lieber …
»Guten Tag! Oh, aber Sie sehen ja blendend aus! Guten Tag, Hélène! Ging alles gut? Ist es Ihnen nicht zuviel geworden?«
Yvette! Meine Yvette! Ich könnte ihr um den Hals fallen!
»Nein, kein Problem. Und wie geht es Ihrem Knöchel?« fragt Hélène.
»Alles in bester Ordnung. Also wirklich so etwas Dummes …«
»Und Monsieur Guillaume?«
»Er wartet im Wagen. Sie wissen ja, wie die Männer sind, immer in Eile …«
»Ah … na, dann wollen wir ihn nicht warten lassen. Elises Sachen sind gepackt.«
»Sie sehen müde aus, Hélène. Sind Sie sicher, daß es Ihnen nicht zuviel Arbeit war?«
»Nein, nein, es ist nur so, daß ich im Augenblick sehr schlecht schlafe … Ich begleite Sie zum Auto.«
Ich werde nach draußen geschoben, natürlich bin ich froh, wieder nach Hause zu kommen, aber irgendwo tut es mir leid, dieses Häuschen zu verlassen, gerade jetzt, wo Hélène im Begriff ist, mir aufregende Geständnisse zu machen.
Man hebt mich in den Kombi, der Rollstuhl wird hinten verstaut.
»Guten Tag, Elise!«
Jean Guillaumes joviale Stimme. Er drückt meine rechte Hand.
»Immer noch genauso hübsch!«
Lachen, freundliches Geplänkel, auf Wiedersehen, bis bald, wir telefonieren. Der Wagen fährt an. Yvette beginnt sogleich, mir den Aufenthalt bei ihrer Cousine bis ins kleinste Detail zu schildern: Der Tenor ihrer ganzen Erzählung – keine besonderen Vorkommnisse.
Es ist kühl geworden, wir müssen heizen. Yvette entlüftet die Heizkörper, überprüft den Ölbrenner, ergeht sich in Schimpftiraden gegen das Wetter und den verfrühten Kälteeinbruch.
Sie tauscht mein Baumwoll-Sweat-Shirt gegen einen Pullover. Ich höre zerstreut den Wetterbericht, als der Sprecher plötzlich ankündigt: »Morgen ist der 13. Oktober. Sonnenaufgang um …« Der 13. Oktober! Ein Jahr! Schon ein Jahr! Morgen ist es ein Jahr her, daß Benoît und ich durch diese Glastür in Belfast gehen wollten … Ein Jahr, daß ich mich in eine lebende Tote verwandelt habe. Wie ist das nur möglich? Wie kann die Zeit so schnell vergehen? Ich habe das Gefühl, gerade erst aus dem Koma erwacht zu sein. Aber nein, da waren all diese Kindermorde, all die neuen Bekanntschaften, der Sommer ist wie im Flug vergangen … Mein Gehirn hat die ganze Zeit über wie eine gut geölte Maschine funktioniert. Jetzt muß ich mich bewegen! Ich muß mich bewegen, ich will mich bewegen. Wenn ich diesen verfluchten Zeigefinger rühren kann, ist auch noch ganz anderes möglich. Ein Jahr! Das reicht! Ab morgen denke ich nicht mehr, ich handele!
Offenbar hilft es. Catherine die Große kann es nicht fassen.
»Wissen Sie was, Yvette? Ich habe den Eindruck, daß sich ihre Muskeln von Zeit zu Zeit zusammenziehen … Nein, ganz bestimmt, als würde sie sich anspannen. Kommen Sie doch mal her.«
Wenn du wüßtest, wie ich sie anspanne. Wenn du wüßtest, welche Energie ich aufbringe, um diese verfluchten Muskeln anzuspannen, ich habe das Gefühl, meine Adern platzen bald.
»Hier, fassen Sie mal an, da und da. Das muß ich unbedingt Raybaud sagen, also ich bin der Ansicht, daß das eine enorme Verbesserung ist.«
Die Anstrengung hat mich erschöpft. Ich bin schweißgebadet. Natürlich denkt Catherine die Große nicht daran, mich abzutrocknen. Sie tönt: »Sie haben Blut im Kofferraum von Stéphanes Wagen entdeckt …«
»Nein …«
»Doch, sie haben es heute morgen im Radio durchgegeben. Blutgruppe AB – wie der kleine Massenet.«
»Das hieße, er hätte Michael in der Forsthütte getötet und dann zum Fluß gebracht?« erkundigt sich Yvette aufgeregt.
»Ich habe keine Ahnung, mehr haben sie nicht gesagt. Sie suchen weiter. Sie haben auch Blut der Gruppe Null gefunden – das ist die Blutgruppe des kleinen Mathieu Golbert –, aber offenbar hat Stéphane auch Blutgruppe Null, also scheint es mir recht schwierig …«
Überlegen wir mal. Wenn ich recht habe, und Stéphane unschuldig ist, bedeutet das, daß der Mörder seinen Wagen benutzt hat. Das bedeutet wiederum, daß er ihn gut genug kannte, um ihn sich auszuleihen, aber unter welchem Vorwand? Ich stoße immer wieder auf das Problem mit Sophies Liebhaber. Paul oder Manu? Oder warum nicht gleich das halbe Dorf?
»So, Elise, nun strengen Sie sich noch einmal an, anspannen, anspannen …«
Nun bin ich schon wieder in meine Gedanken versunken und vergesse darüber, meine Kräfte zu mobilisieren. »Anspannen, anspannen«, sie hat gut reden, ich habe das Gefühl, gespannt wie ein Flitzebogen zu sein.
Endlich ist die Tortur vorbei. Ich komme langsam wieder zu Atem. Schweigen. Yvette hat die Heizung angestellt. Ich höre, wie das Wasser in den Rohren gluckert. Wenn laut meiner Theorie Sophies Liebhaber der Mörder ist, warum sollte es nicht Manu gewesen sein? Aber warum sollte Virginie Manu decken? Bei Paul wäre das verständlich, sie glaubt, er sei ihr Vater, aber Manu? Ich ertappe mich dabei, wie ich mir eine perverse Beziehung zwischen Manu und Virginie vorstelle. Das ist idiotisch. Vorstellen kann man sich vieles. Trotzdem bleibt festzuhalten, daß es in dieser Stadt jemanden gibt, der hinter der Maske des Biedermannes fähig ist, kleine Kinder zu töten und zu verstümmeln. Das ist verrückter als alles, was ich mir vorstellen kann. Wie sagte Benoît immer? ›Alles ist möglich, alles kann passieren, man braucht nur die Zeitung aufzuschlagend Ich habe in meinem Leben viele Krimis gelesen, und ich bilde mir ein, eine gute Amateurdetektivin zu sein. Eines der letzten Bücher, das ich gelesen habe, ehe ich mich für den Wettbewerb der Miss Mehlsack entschied, handelte von den Ermittlungen des FBI gegen einen Massenmörder. Darin wurde dargelegt, daß es im allgemeinen zwei Arten von pathologischen Mördern gibt: Sie unterliegen zwar alle einem unwiderstehlichen Drang, aber die einen wissen genau, was sie tun, und es ist ihnen ein Vergnügen, die Polizei und ihre Mitbürger in die Irre zu führen, während die anderen ihre Taten vergessen, sobald sie sie begangen haben und guten Gewissens ihre Unschuld beschwören. Ein anderer Teil ihres Ichs hat die Morde begangen, ein Teil, der sich ihrem Bewußtsein entzieht. Doch wenn ich davon ausgehe, daß Stéphane auf Grund eines wohldurchdachten Plans von dem wahren Mörder getötet wurde, muß ich annehmen, daß dieser Mörder sehr genau weiß, was er tut. Es handelt sich also nicht nur um einen Kranken, sondern vielmehr um einen Perversen, dem es Freude macht zu beobachten, wie alle im dunkeln tappen. Um einen Perversen, der meine Ängste genießt. Und warum sollte er nicht auch Virginie unter Kontrolle haben?
Ich schäme mich meiner Gedanken.
Aber …
Es läutet.
»Guten Tag, Herr Kommissar, bitte kommen Sie, wir sind gerade erst zurückgekommen.«
In Yvettes Stimme schwingt Unwillen mit. Den armen Yssart hat sie wirklich nicht gerade ins Herz geschlossen. Ich hingegen bin entzückt von seinem Besuch.
»Guten Tag.«
Zeigefinger.
»Ich bin in der Küche«, bemerkt Yvette im Hinausgehen.
»Ich muß um Entschuldigung bitten, daß ich schon wieder unangemeldet komme, aber die Umstände …«
Weiter!
»Sie haben sicherlich die letzten Entwicklungen der Angelegenheit verfolgt.«
Zeigefinger.
»Sie wissen also, daß man in Stéphane Migoins Wagen Blutspuren gefunden hat.«
Zeigefinger.
»Die Laboruntersuchungen haben ergeben, daß die älteren Blutspuren von Michael Massenet und die neueren von Mathieu Golbert stammen. Darüber hinaus hat der Parkplatzwächter des Einkaufszentrums versichert, er habe etwa zu der Zeit, als der Mord an Mathieu Golbert geschah, einen großen weißen Kombi vom Parkplatz fahren sehen. Alle sind davon überzeugt, daß Migoin der Mörder war. Die andere, einzig mögliche Erklärung wäre, daß jemand ohne sein Wissen seinen Wagen benutzt hat beziehungsweise den Firmenwagen, mit dem er auf die Baustellen führ. Aber nur jemand, der ihn gut kannte, hätte ihn sich ausleihen können. Der Baustellenleiter hat ein wasserdichtes Alibi und die Arbeiter ebenfalls. Ich fragen Sie also: Hatte Sophie Migoin einen Liebhaber?«
Zeigefinger.
»Wissen Sie, wer es war?«
Abgewinkelter Zeigefinger.
»Gut, ich werde Ihnen einige Namen aufzählen. Heben Sie bitte bei dem, der Ihnen in Frage zu kommen scheint, den Zeigefinger. Jérôme Leclerc. Jean-Michel Mondini. Luc Bourdard. Christian Marane. Manuel Quinson.
Zeigefinger.
»Aha! Offenbar sind Sie immer bestens informiert. Meine Besuche bei Ihnen sind wirklich keine Zeitverschwendung. Sie sind sozusagen die Miss Marple von Boissy-les-Colombes. Das Problem ist, daß Manuel Quinson zum Zeitpunkt des Mordes an dem kleinen Golbert auf Geschäftsreise war. Er befand sich auf einem Fortbildungsseminar in Paris. Dort hat er den ganzen Tag mit fünfundzwanzig anderen leitenden Angestellten im Hauptsitz seiner Firma verbracht. Ich habe viel Mühe darauf verwandt, die Alibis der Menschen, mit denen die Fanstens, Virginie und Sie selbst regelmäßig zu tun haben, zu überprüfen. Denn ich bin sicher, daß sich der Schuldige in diesem kleinen Kreis befindet. Die einzigen, die tatsächlich die Möglichkeit gehabt hätten, den Mord zu begehen, sind Jean-Michel Mondini, Paul Fansten und Jean Guillaume. Das sind, wenn ich so sagen darf, meine Favoriten. Nicht zu vergessen natürlich den verstorbenen Stéphane Migoin. Sie scheinen verblüfft, das ist verständlich, denn die Vorstellung, daß eine Ihnen nahestehende Person ein gefährlicher Geisteskranker ist, ist nicht besonders angenehm. Die Ermittlungen werden demnächst abgeschlossen, und wir werden gezwungen sein, von Stéphane Migoins Schuld auszugehen, alle Beweise deuten darauf hin. Doch mich befriedigt diese Lösung nicht. Das wollte ich Ihnen nur sagen. Und ich glaube ernsthaft, daß wir einen gefährlichen Mörder weiterhin frei herumlaufen lassen. Ich wäre sehr dafür«, fährt er mit seiner ruhigen Stimme fort, »daß Sie den Winter anderswo verbringen. Zum Beispiel bei Ihrem Onkel. Aber die Entscheidung liegt natürlich bei Ihnen. So, diese kleine Unterhaltung war mir ein Vergnügen. Ich darf mich jetzt verabschieden.«
Eigenartige Auffassung von einer Unterhaltung, aber nun, ich will ja nicht kleinlich sein.
»Auf Wiedersehen, bis bald. Auf Wiedersehen, Madame«, ruft er in Richtung Küche, ohne eine Antwort zu bekommen.
Die Tür wird geschlossen. Ich bleibe zurück und gehe immer wieder die drei Namen durch. Jean-Mi, Paul, Jean Guillaume. Einer von ihnen. Und er läuft frei herum. Paul! Alles spricht gegen Paul.
Wenn ich nur nicht an diesen Rollstuhl gefesselt wäre, wenn ich noch ich selbst wäre, ich würde in ihrer Vergangenheit herumstöbern, denn ich bin sicher, daß dort die Lösung liegt. Man wird nicht zufällig zum geisteskranken Mörder. Jean-Michel Mondini, das ist lächerlich … Aber schließlich hat mir seine Frau erzählt, daß Sophie ein Verhältnis mit Manuel hatte. Und wenn sie gelogen hat? Wenn Sophie mit Jean-Mi geschlafen hat?
»Vergessen Sie Ihre Übungen nicht!« ruft mir Yvette zu und reißt mich aus meinen Überlegungen.
Catherine die Große hat mir eine ganze Reihe von Übungen aufgegeben, die ich dreimal täglich eine halbe Stunde lang absolvieren soll. Mich auf jeden Teil meines Körpers konzentrieren und versuchen, ihn zu fühlen. Mir meine Zehen vorstellen, meine Waden, meine Schenkel und so weiter, in jedem Körperteil das Blut, die Muskeln, die Haut spüren und Impulse aussenden: »Beweg dich!« Also los.