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25

 

»Das kann nicht dein Ernst sein!« Doch Catherine wurde mit sinkendem Gefühl klar, dass die verzweifelte Philadelphia die Wahrheit sagte.

»Charles und ich haben die ganze Nacht an Kates Bett gewacht, als sie um Atem rang. Der Arzt war machtlos. Sie ist kurz vor Morgengrauen gestorben. Nottingham ist vor Kummer außer sich.« Tränen flössen über Philadelphias Gesicht.

Benommen registrierte Catherine, dass Maggie sich bekreuzigte.

Isobels erster Gedanke galt Elizabeth. »Ihre Majestät wird niedergeschmettert sein. Wer wagt es, ihr die Nachricht zu überbringen?«

»Die Aufgabe wird mir zufallen«, erklärte Philadelphia. »Ich hoffe aufrichtig, dass sie niedergeschmettert sein wird. Sie hat Schuld an Kates Tod.«

»Wie kannst du etwas so Böses sagen! Du bist wohl von Sinnen.«

»Ich bin vor Kummer von Sinnen.«

Cat befürchtete schon, ihre Mutter und Philadelphia würden sich jeden Moment in die Haare geraten. »Ich helfe dir. Es müssen viele Menschen benachrichtigt werden. Ich komme jetzt mit.« Ich möchte Kate Lebewohl sagen.

Sie trafen Charles mit gesenktem Kopf am Totenbett an. Noch immer hielt er die Hand seiner Frau. Cat erfasste Kates andere Hand und dankte ihr stiümm dafür, dass sie wie eine Mutter zu ihr gewesen war, und nahm Abschied von ihr. Sie und Philadelphia legten die Arme um den Earl of Nottingham und drängten ihn, Kates Frauen zu erlauben, die Tote zu waschen und herzurichten und das Bettzeug zu wechseln, ehe die anderen kämen.

»Philadelphia, du musst Trauerkleidung anlegen, und ich werde dein Haar frisch machen, ehe du der Königin die traurige Nachricht überbringst.«

Als Philadelphia ging, um Elizabeth von Kates Tod in Kenntnis zu setzen, rief Catherine einen Pagen zu sich und übergab ihm eine Nachricht an Cecil, die sie zu Papier gebracht hatte.

Sie setzte sich wieder an ihren Schreibtisch und schrieb kurze Mitteilungen an alle Geschwister Kates und Philadelphias. Und dann verfasste sie unter Tränen ein Schreiben an Patrick Hepburn, das sie zusammen mit dem Brief an Lord Scrope nach Norden schicken wollte. Er fehlte ihr so sehr. Ihr Herz floss über vor Trauer, doch erleichterte es sie, ihre um Kate kreisenden Gedanken mit jemandem teilen zu können.

 

Königin Elizabeth verfiel in einen Zustand tiefer Melancholie, als man ihr die Nachricht überbrachte, dass Lady Nottingham, die dienstälteste ihrer Damen, gestorben war. Die Königin ließ ihren Lord Admiral, Kates Gemahl, kommen und behielt ihn täglich viele Stunden bei sich, ja, sie untersagte ihm sogar, Richmond Palace zu verlassen.

Die Familie Carey fand sich langsam ein. Philadelphias Mann, Lord Thomas Scrope, kam von Carlisle Castle angereist; George Carey, der neue Lord Hunsdon, eilte von der Grenzfestung Bewcastle herbei, John Carey und seine Frau Mary von ihrem Besitz in Hertford, und auch Robert Carey und Liz traten unverzüglich die Fahrt zum Familiensitz in Richmond an.

»Elizabeth ist überzeugt davon, tiefer zu trauern als wir alle. Sie erwartet sogar, dass der arme Charles sie tröstet, wo es doch genau umgekehrt sein sollte. Es ist wohl unsere eigene Schuld, denn wir haben in ihr die Uberzeugung genährt, das ganze Universum drehe sich allein um sie, und auch Sonne und Mond würden sich nach ihr richten«, erklärte Philadelphia.

Robert wartete, bis Isobel den Raum verlassen hatte, dann übergab er Catherine den Brief, den er von Patrick Hepburn mitgebracht hate. Cat ging hinaus in den vom Winter heimgesuchten Garten, um ihn zu lesen.

 

Mein Liebling Catherine,

ich küsse die getrockneten Tränen auf deinem Brief Obschon ich nicht bei dir sein kann, um dich in dieser Zeit der Trauer zu trösten, sind meine Gedanken und mein Geist bei dir. Der Verlust Kates ist tragisch; doch nachdem du ihr Dahinscheiden betrauert hast, solltest du ihr zu Ehren an die glücklichen Zeiten denken, die ihr geteilt habt. Sprich oft mit ihr, um deinen Schmerz zu lindern. Ich hatte letzte Woche mit deinem Großvater Seton geschäftlich zu tun und habe Grund anzunehmen, dass er unsere Verbindung billigt. Wenn du diese Zeilen liest, werden es weniger als sechzig Tage sein, bis ich komme und dich fordere. Mir erscheint es eine Ewigkeit, doch wird auch diese Zeit vergehen. Der Winter wird enden, und der Frühling wird unweigerlich folgen.

Ich vertraue diesen Brief Robert an, rate dir aber, ihn zu verbrennen, sobald du ihn gelesen hast. Mein Herz gehört ganz dir. Patrick

Catherine steckte den Brief in das knappe Leibchen ihres schwarzen Kleides, wo auch Hepburns Verlobungsring ruhte. Sie wischte die Tränen von ihren Wangen und blickte hinunter zu ihren Füßen. Unter totem Laub reckte ein winziges Schneeglöckchen den Kopf hervor. Patrick hat Recht. Der Winter wird enden, und der Frühling folgt unweigerlich. Sie bückte sich und pflückte das zarte Blümchen, dann drückte sie es zwischen die Falten seines Briefes. Cat wusste, dass sie den Brief vernichten musste, jetzt aber noch nicht. Heute werde ich mit dem Brief unter dem Kopfkissen schlafen.

 

Wieder einmal ritt Patrick Hepburn nach Seton. Obwohl er Cat mitgeteilt hatte, er hätte Grund zu der Annahme, dass ihr Großvater die Verbindung billige, war es mehr ein Gefühl als eine Tatsache. Er hatte Geordie Seton nichts von seiner Verlobung mit Catherine gesagt.

Hepburn hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, allwöchentlich nach Seton zu reiten, da er noch immer den Argwohn hegte, dass Malcolm Lindsay es darauf abgesehen hatte, der nächste Earl of Winton zu werden. Da Geordie sich aber standhaft weigerte, eine so schwer wiegende Anschuldigung gegen seinen Neffen zu glauben, hütete Hepburn sich, dieses Thema wieder zur Sprache zu bringen.

»Lord Winton, Ihr seht neuerdings sehr gut aus«, sagte er zur Begrüßung.

»Nennt mich nicht Lord - ich heiße Geordie. Hoffentlich wird es bald wärmer, damit wir die Tiere hinaus auf die Weide lassen können.«

»Morgen haben wir Februar, es wird Tauwetter geben, bevor im März wieder ein Schneesturm kommt. Sobald es wärmer wird, werde ich meine Moss-Trooper wieder auf Patrouille schicken.«

»Guter Junge, Patrick. Diese verdammten englischen Grenzbanditen ... wenn das Wetter sich bessert, fangen sie wieder mit ihren Beutezügen an.«

»Ich bekam eine traurige Nachricht. Kate Howard, die Schwägerin Eurer Tochter, ist am Hof zu Richmond gestorben. Sie war die Erste Dame der Königin.«

»Elizabeth wird uns noch alle überleben«, äußerte Seton missmutig.

»Nein, Geordie, das ist ein Trugschluss. Ich glaube, ihre Tage sind gezählt, und der Verlust Kates wird einen weiteren Nagel in ihren Sarg treiben.«

»Ihr glaubt also, Jamie wird bald sein ehrgeiziges Ziel erreichen?«

»Ja, ich sage voraus, dass James noch in diesem Jahr König von England und Schottland wird. Wenn dies eintritt, verschwindet die Grenze, und James wird seinen Hof in London etablieren.«

Geordie lachte. »Allmächtiger, die Engländer machen sich in die Hosen, wenn eine Horde wilder Schotten in London einfällt und die besten Ämter und Besitzungen schluckt.«

»Die einzigen Engländer, die davon profitieren werden, sind jene mit schottischen Beziehungen. Hättet Ihr Interesse an einer Verbindung, die den Setons, den Spencers und den Hepburns nützen würde?«

»Eine Verbindung?«, fragte Geordie erstaunt.

»Was haltet Ihr von einer Ehe zwischen Eurer Enkelin Catherine und mir?«

Sein erstaunter Ausdruck schwand, als dem Earl of Winton ein Licht aufging. Er musterte Hepburn von oben bis unten. »Es geht nicht darum, was ich davon halte, sondern was Catherine von dieser Sache hält.«

Patrick grinste. »Ich habe Grund zu der Annahme, dass Lady Catherine einer Ehe mit mir nicht abgeneigt wäre. Wenn sie im März großjährig wird, werde ich sie um ihre Hand bitten. Ich wollte Euch zuvor davon in Kenntnis setzen.«

Geordie überlegte und folgerte: »Ich würde es lieber sehen, dass mein Seton-Land und mein Vieh an Euch geht als an irgendeinen verdammten Engländer, aber«, er schätzte Patricks Größe ein letztes Mal ab, »wehe, wenn Ihr meine kleine Catherine unglücklich macht, dann seid ihr ein toter Mann, Hepburn. Kommt herein, wir wollen uns ein Schlückchen guten schottischen Whisky auf die Heirat genehmigen.«

Als Patrick Hepburn Seton verließ, spürte er, dass er verfolgt wurde. Er hielt an und wartete, bis der Reiter ihn eingeholt hatte. Harte schwarze Augen starrten in die blauen Augen Andrew Lindsays.

»Lord Stewart, Ihr habt Jenny Hepburn verboten, mit mir auszureiten, und ich bitte Euch, die Sache noch einmal zu überdenken.«

Patrick starrte den gut gebauten Jüngling lange und hart an und verließ sich auf seinen sechsten Sinn. »Habt Ihr Euch heimlich mit Jenny getroffen, Lindsay?«, fragte er.

»Nein, aber wenn Ihr an Eurer Weigerung festhaltet und ich nicht um sie werben darf, werde ich versuchen, sie hinter Eurem Rücken zu sehen.«

Angesichts dieser aufrichtigen Aussage war Hepburn versucht nachzugeben. »Ich will mit Jenny und ihrem Vater sprechen. Sie wurde einmal verletzt, und ich werde nicht zulassen, dass das noch einmal passiert.«

»Das ist fair, Mylord.«

»Sagt die Wahrheit. War es der Pfeil Eures Vetters?«

»Ich weiß es nicht, Lord Stewart.«

»Würdet Ihr es ihm zutrauen?«, bohrte Hepburn weiter.

Andrew blieb stumm und beschränkte sich auf ein langsames Nicken.

 

Kate Howard, Countess of Nottingham, wurde an einem trüben Februarmorgen zu Grabe getragen. Ihre Kusine Elizabeth Tudor, die von Charles Howard, Earl of Nottingham, und ihrem Staatssekretär Robert Cecil geleitet wurde, schwankte gefährlich am offenen Grab. Sofort stützten die beiden Männer ihre Königin und führten sie an Bord der königlichen Barke, die sie zurück nach Richmond Palace brachte.

Die meisten der adligen Tauergäste wohnten der Beerdigung nicht nur deswegen bei, weil Kate Gemahlin des Lord Admiral war, sondern auch, weil sie sich der besonderen Wertschätzung der Königin erfreut hatte. Nach dem öffentlichen Begräbnis fand sich Kates Familie privat in ihrem Haus in Richmond ein.

Philadelphia nahm Catherine, Isobel und Beth beiseite. »Ich weiß, Kate würde wollen, dass jede von Euch als Andenken etwas von ihrem Geschmeide bekommt.« Ihrer Schwägerin Beth gab sie eine kostbare Perlenschnur und Isobel eine große Topasbrosche. »Catherine, du hast immer ihre Ohrgehänge mit Rubinen und Diamanten bewundert. Also, hier sind sie. Trage sie in guter Gesundheit.« Die drei Damen waren gerührt von dieser großzügigen Geste.

Maggie, die den Tee servierte, prophezeite düster: »Der Tod kommt dreifach. Der erste Todesfall war Mary Fittons Kind, und jetzt unsere teure Kate. Es kommt sicher noch einer, denkt daran.«

»Wage es ja nicht, ein in Sünde empfangenes Kind mit der ehrenwerten Countess of Nottingham in einem Atemzug zu nennen«, zischte Isobel.

»Der Tod kennt keinen Unterschied. Ihn schert weder Rang noch Reichtum oder Kronen«, sagte Maggie.

»Wie kannst du es nur wagen! Verschwinde mit deinem abergläubischen Geschwätz. Catherine wird an deiner Stelle den Tee servieren.«

Maggie zog sich wie befohlen zurück, Catherine und Philadelphia aber wechselten einen Blick, der anzeigte, dass auch sie an die Dreierregel glaubten.

»Isobel, Tod und Aberglaube gehen Hand in Hand. Maggie hat ihn nicht erfunden«, schält Philadelphia sie.

»Ihr verschleierter Hinweis war gegen Ihre Allergnädigste Majestät gerichtet. Ich dulde nicht, dass meine Dienstboten Hochverrat begehen.« Isobels Miene zeigte Grimm.

»Maggie ist nicht deine Dienerin, sie ist meine Kammerfrau«, ermahnte Catherine sie ruhig. »Jedenfalls bin ich sicher, dass sie nicht Ihre Majestät meinte. Wir alle wissen ja, dass die Königin unverwüstlich ist.«

Philadelphia raunte ihrem Bruder Robert zu: »Leider macht Cat sich etwas vor, und natürlich fürchtet Isobel um ihre Position bei Hof.«

Robert gab ihr Recht. »Stimmt. Aber Schweigen ist bekanntlich Gold.«

»Ach ja ... die Gefühle spielen verrückt, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Bleibst du länger, Robert, oder gehst du mit meinem Mann Scrope wieder nach Norden?«

»Da Liz am Hof unerwünscht ist, bringe ich sie zurück in den Norden.« Und dann erstatte ich König James über den Zustand der Königin Bericht

»Die Königin leidet an einer Halsentzündung, da sie darauf bestanden hatte, mit der königlichen Barke zu Kates Beerdigung zu fahren, anstatt eine geschlossene Karosse zu nehmen, aber sie hört ja nie auf Ratschläge«, berichtete Philadelphia Catherine im Speisesaal von Richmond Palace.

»Hütet sie das Bett?«, fragte Catherine.

»Nein. Lady Throckmorton, die diesen Vorschlag machte, wurde verbannt.« Sie biss sich auf die Lippen. »Heute hat Elizabeth mich dreimal Kate genannt. Ich weiß nicht, ob es sich um ein Versehen handelt oder ob die Königin verwirrt ist und mich wirklich für Kate hält. Sie ist sehr schwer zufrieden zu stellen.«

Catherine berührte Philadelphias Hand. »Ich möchte nicht, dass du auch noch krank wirst. Wenn sie ihre anderen Damen entlässt, wirst du überlastet. Ich weiß, dass Mutter es im Moment ist. Sie musste alle Kleider Elizabeths, die auch nur einen Hauch Farbe aufweisen, reinigen und verstauen, hingegen alle schwarzen aus dem Lager holen und wieder auffrischen.«

Philadelpia sah sich im Saal um. »Der gesamte Hof, Männer wie Frauen, trägt Trauer. Ich weiß, das es dem Respekt für Kate entspringt, doch wird damit der ganze Palast in eine bedrückend melancholische Stimmung getaucht. Ich fühle mich nicht nur düster, ich sehe auch so aus!«

»Du brauchst ein neues Kleid, das dich aufheitert. Schwarz kann überaus elegant wirken. Im Moment habe ich nichts zu entwerfen, da die Königin mit Trauerkleidung reich ausgestattet ist.«

»Danke, Liebes. Das wäre reizend. So, und jetzt muss ich wieder zu Elizabeth. Cecil kommt heute Abend zur Audienz. Sie wird wollen, dass vor seiner Ankunft alles in Ordnung ist.«

Als Philadelphia das Schlafgemach der Königin betrat, traf sie diese mit geschlossenen Augen an. Elizabeth hob ihre schütteren sandfarbenen Wimpern und atmete erleichtert auf. »Kate, mir träumte, dir sei etwas Schlimmes zugestoßen. Wie spät ist es?«

»Fast sieben, Euer Majestät. Gleich kommt Lord Cecil.«

»Ich weiß. Hilf mir an meinen Schreibtisch. Er verleiht mir Autorität.«

Als Philadelphia Robert Cecil einließ, sah er Elizabeth wie ein Totengerippe aufgestützt hinter ihrem Schreibtisch stehen. Er legte seine stattliche Aktenmappe auf einen Stuhl und näherte sich ihr, um sich ernst zu verbeugen und zu warten, dass sie das Wort an ihn richte.

»Wir sehen, dass Ihr wohlauf seid.«

»Ja, sehr, Majestät.« Er hüstelte. »Ich komme wegen Irland.«

»Es geht immer um Irland.«

»Ich habe Nachrichten von Mountjoy. Er bestätigt, dass Tyrone Zuflucht in der Wildnis von Ulster gesucht hat, wo man ihn unmöglich aufspüren kann. Der Lord Deputy und ich sind dafür, Tyrone zu gestatten, sich formell zu ergeben, Euer Majestät.«

»Ich weigere mich! Milde würde uns in den Augen der Welt zu Schwächlingen stempeln. Wir jagen ihn, bis wir ihn haben!«

»Euer Majestät, der Kronrat sowie Mountjoy und ich raten Euch dringend, Tyrone gegenüber Gnade walten zu lassen. Der Krieg in Irland verschlingt dreihunderttausend Pfund pro Jahr und fordert einen hohen Blutzoll.«

»Wir werden die Sache Eurer Verantwortung entziehen und sie Eurem Vater übergeben. Burghley kennt keinen Pardon und wird nie nachgeben.«

Robert Cecil wurde klar, dass Elizabeth nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war. Sein Vater war seit fast fünf Jahren tot. Er verbeugte sich. »Wie Ihr wünscht, Euer Majestät.«

Als er hinausging, gab er Philadelphia zu verstehen, dass er mit ihr unter vier Augen zu sprechen wünsche. »Wirkt die Königin manchmal verwirrt?«

»Seit der Beerdigung meiner Schwester verwechselt sie mich mit Kate, Mylord.«

»Lady Scrope, die Sache bleibt unter uns. Gewährt ausschließlich Personen Eures Vertrauens Zutritt zur Königin. Ihre Majestät kann sich wieder erholen.«

Cecil glaubte keine Sekunde, dass Elizabeths Zustand sich bessern würde. In sein Arbeitszimmer zurückgekehrt, schrieb er an Mountjoy, Lord Deputy von Irland, dass Ihre Majestät ihn ermächtigt hätte, Tyrones Unterwerfungsangebot anzunehmen und dem Rebellen Leben und Freiheit zu schenken und Pardon zu gewähren, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Sodann verfasste Cecil einen veschlüsselten Brief an König James von Schottland.

 

Nach einer Zusammenkunft mit dem König und Robert Carey im Holyrood Palace kehrte Patrick Hepburn spät nach Crichton zurück. Roberts Bericht über Elizabeths Zustand hatte James davon überzeugt, dass Patricks Voraussage, die Königin von England würde am vierundzwanzigsten März sterben, glaubwürdig war. Der schottische König wollte nun seine Angelegenheiten rasch ordnen, um nach Erhalt der offiziellen Todesnachricht ohne Verzug nach London eilen zu können. Robert kehrte zu einer Totenwache an Elizabeths Hof zurück.

Während der acht Meilen, die er in der mondlosen Nacht zurücklegte, waren Hepburns Gedanken von Catherine erfüllt. Er sah nicht nur ihr Bild vor sich, er spürte auch ihre Trauer über Kates Tod und ihre Einsamkeit. Und er wusste, dass noch mehr Kummer folgen würde.

Auf Crichton angelangt, ging er hinauf, zog Cats weiße Schleife aus seinem Nachttisch und ging zu Bett. Er konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf das Objekt seiner Sehnsüchte, und allmählich tauchte ihr Bild vor ihm auf. Auch sie lag im Bett, und er sah, dass eine zarte Hand unter dem Kissen steckte und auf dem Brief ruhte, den sie auf seinen Rat hin hätte verbrennen sollen. Sein Mundwinkel hob sich. Impulsives kleines Ding.

Da sie etwas berührte, das von ihm stammte, und er einen Gegenstand in der Hand hielt, der ihr gehörte, war es einfacher, die Entfernung zwischen ihnen verschwinden zu lassen. »Komm zu mir, Cat.«

Catherine bewegte sich unruhig im Schlaf. Eine leichte Brise strich über ihr Gesicht und bewegte ihr Haar. Sie hob die Wimpern. Sie flog nicht richtig, sie schwebte. Es muss ein Traum sein, sagte sie sich. Dann sah sie Tor, den Raben, neben sich und wusste genau, wohin der schwarze Vogel sie führte.

»Patrick!« Sie stand an der Tür seines Gemaches.

Er streckte die Arme aus. »Cat, warum zögerst du?«

»Deine Arme sind wie ein Feuerkreis. Wenn ich sie um mich spüre, züngeln die Flammen hoch, zwischen uns lodert Hitze auf, und ich verliere die Herrschaft über meine Sinne.«

Er grinste. »Komm und fühle das Feuer.«

Sie warf ihr Haar mit katzenhafter Wildheit über die Schulter und lief in seine wartenden Arme.

Catherine erwachte und entdeckte, dass sie wieder in Richmond Palace war. Die Hand an ihrer Schulter gehörte nicht Patrick, sondern Maggie. Sie errötete wegen ihres wüst zerrauften Haares und ihrer von Küssen schweren Lippen.

»Deine Mutter ist krank, mein Lämmchen. Sie hat sich erkältet und hustet. Ich konnte sie nur überreden, im Bett zu bleiben, weil sie befürchtet, Ihre Majestät anzustecken. Sie bittet dich, sie in der Garderobe der Königin zu vertreten.«

»Aber natürlich.« Cat zog sich rasch an und betrat Isobels Gemach. »Mutter, ich kann nicht hoffen, deine Stelle auszufüllen, werde aber mein Bestes tun. Versprich mir, dass du im Bett bleibst und dich von Maggie pflegen lässt?«

Catherine informierte Isobels Hilfskräfte über das Unwohlsein ihrer Mutter und kündigte an, dass sie sie zu vertreten gedächte. Rasch packte sie beide große Kisten mit Trauerkleidung aus, die von Whitehall flussaufwärts geschickt worden waren, und wählte ein schwarzes Samtkleid aus. Dazu wählte sie weiße Seidenunterwäsche aus, die Elizabeth direkt am Körper trug, einen schwarzen Reifrock, schwarze Schuhe und Strümpfe. Sie schloss eine der Schmuckschatullen der Königin auf und entnahm ihr eine Garnitur Jett-Perlen und Perlen.

Cat suchte eine schlichte rote Perücke heraus und brachte alles zu Philadelphia ins Schlafgemach der Königin. »Ich wollte dir den Gang in die Kleiderkammer sparen«, murmelte sie.

Philadelphias Blick gab Cat zu verstehen, dass ihr Erscheinen im Allerheiligsten nicht ganz angebracht war.

Cat brachte die Sachen ans Bett und starrte ungläubig auf die gebrechliche Gestalt im feuchten Nachthemd, die gerade von zwei Damen, die jetzt die Sitzwanne entfernten, gewaschen worden war. Ohne königliche Prunkgewänder, ohne Perücke und Schminke war die ausgemergelte und vertrocknete weibliche Gestalt, die nun am Bettrand saß, nur eine Mitleid erregende Greisin. Englands Monarchin war bis auf ein paar kurze graue Haarbüschel fast kahl und ohne Brauen.

Schwarze Augen sahen Catherine unsicher an. »Mutter?« Eine dünne, blau geäderte Hand griff an die Kehle, die beim Sprechen schmerzte. Ihr Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, das eher einer Grimasse glich. »Ich trage dein Bild in meinem Ringmedaillon«, krächzte sie.

Philadelphia flüsterte Cat zu: »Deine Schönheit und dein schwarzes Haar lassen sie glauben, du wärest ihre Mutter.«

Sie hält mich für Anne Boleyn!

»Das ist Cat, Euer Majestät. Sie entwirft Eure herrlichen Kleider.«

»Kat? Kat Ashley? Meine oberste Kammerfrau und liebe alte Freundin! Wo warst du nur? Mein Hals schmerzt. Bitte, bringst du mir Gerstenschleim, Ashcat?«

Cat knickste. »Er wird sofort zubereitet, Euer Majestät.«

Sie lief in den Küchentrakt und meldete dem Chefkoch, die

Königin habe um Gerstenschleim gebeten. Dann setzte sie sich auf einen Schemel und wartete. Zum ersten Mal wurde ihr klar, dass die Königin nur eine gewöhnliche Sterbliche war. Die äußere Fassade, die ihre Damen schufen, indem sie sie in Prunkgewänder hüllten und mit Perücken und Schminke verschönten, um sie dann wie eine Puppe aufgestützt zu präsentieren, war Lug und Trug. Ihr Körper ist längst verfallen, jetzt geht es mit Gesundheit und Verstand hergab. Nur ihr Geist scheint noch willig, während das Fleisch schon sehr schwach ist. Catherine saß wie betäubt da. Wir leben eine Lüge. Das alles ist nur künstliches Machwerk. Königin Elizabeth ist dem Tod nahe.

Als Cat mit dem Gerstenschleim kam, trug Elizabth bereits das schwarze Gewand, das Cat für sie ausgesucht hatte. Perücke und Schminke schienen den Verstand der Königin etwas aufgehellt zu haben, da sie Lady Huntingdon und Lady Radcliffe krächzend Befehle erteilte.

Philadelphia atmete erleichtert auf. »Ein weiterer Tag ist geschafft ... eigentlich ein ganzer Monat. Morgen ist März.« Sie reichte Cat einen Handspiegel. »Tu dies fort.«

Wieder in ihren eigenen Räumlichkeiten, nahm Cat Maggie beiseite. »Du hattest Recht mit deiner Voraussage, dass der Tod dreifach kommt. Heute habe ich die Königin im Nachthemd gesehen.«

»Sag deiner Mutter nichts, sonst wird sie die Dritte.«

»Ich sage kein Wort. Allein der Gedanke an den Tod der Königin würde sie wahnsinnig machen. Sie hat kein anderes Leben als dieses hier am Hof.«

 

Staatssekretär Robert Cecil entschied, dass der Zeitpunkt gekommen war. Er wagte sich in die Höhle der Löwin, besser gesagt in ihr Schlafgemach, und brachte das heikle Thema in sachlichem Ton zur Sprache. »Euer Allergnädigste Majestät, es ist meine Pflicht, Euch dies zu fragen. Ist es Euer Wille, dass der König der Schotten Euch in Eurem Königreich nachfolgt?«

Schwarze Augen wurden schmal. »Wir wollen davon nicht sprechen, kleiner Mann!«

Cecil verbeugte sich, zog sich zurück und nahm Philadelphia beiseite. »Haltet mich über ihren Zustand auf dem Laufenden. Morgen komme ich wieder.«

»Sie schläft nicht mehr. Ihr Arzt kommt täglich, doch sie lehnt jede Behandlung ihrer geschwollenen Drüsen ab. Sie isst weniger als ein Vögelchen und leidet großen Durst.«

Cecil nickte. »Haltet sie sauber und macht es ihr bequem.«

Später am Tag kam Sir John Harrington, einer der Patensöhne der Königin, um ihr einige im Geschmack der Zeit gehaltenen Gedichte vorzutragen.

Elizabeth zeigte kein Interesse. »Wenn man spürt, dass die irdische Zeit sich dem Ende zuneigt, findet man an diesen Torheiten wenig Gefallen.«

Am nächsten Tag traf Robert Carey ein, und Philadelphia brachte ihn zu Elizabeth, um zu sehen, ob er sie aufzuheitern vermochte. Sie nahm außer schluckweise Rosenwasser nichts mehr zu sich.

»Robin, es geht mir gar nicht gut.«

Am Abend wollte Elizabeth sich nicht auskleiden lassen und auch nicht zu Bett gehen. Am Morgen darauf stellten ihre Damen fest, dass sie nicht mehr sprechen konnte. Als es dunkelte, lag die Königin auf dem Boden. Philadelphia entkleidete sie mit Hilfe Lady Huntingdons und Mary Radcliffes und hob sie in ihr königliches Bett. Catherine brachte die beschmutzten Kleider fort, die die Königin fünfzig Stunden lang getragen hatte.

Am nächsten Morgen erschien Cecil zu seinem üblichen Besuch und stellte mit Philadelphia an seiner Seite Elizabeth abermals die Frage: »Ist es Euer Wille, dass der König der Schotten Euch in Eurem Königreich nachfolgt?«

Nach einem Augenblick der Stille blickte er Philadelphia in die Augen. »Die Königin hat ihr Einverständnis mit einem Nicken zu erkennen gegeben.«

Phildelphia Scrope widersprach nicht, und Cecil zog sich zurück.

Von diesem Moment an hielten Cecil, Philadelphia und Robert Carey Totenwache. Die Mitglieder des Kronrates erschienen einer nach dem anderen, danach kamen nur mehr ihr Leibarzt und Erzbischof Whitgift. Ihre Kammerfrauen gestanden, dass es ihnen unerträglich war, sie in diesem elenden Zustand zu sehen. Philadelphia hielt als Einzige Wache.

Zwei Stunden nach Mitternacht, am vierundzwanzigsten März, einem Dienstag, tat Elizabeth Tudor ihren letzten Atemzug und verschied. Der lange Schlaf war endlich gekommen.

Phildelphia trat hinaus in den Vorraum und rüttelte ihren Bruder wach. Wortlos übergab sie ihm das kunstvolle Ringmedaillon, das Elizabeth stets an ihrem Herzen getragen hatte.

Fast ungläubig warf er einen Blick darauf, küsste seine Schwester und machte sich unverzüglich auf den Weg nach Schottland.

Binnen einer Stunde traf Cecil ein und ordnete an, dass niemand ohne schriftliche Erlaubnis Richmond Palace verlassen dürfe. Um sieben Uhr traten die Mitglieder des Kronrates in Whitehall zusammen, um eine formelle Proklamation aufzusetzen, die James Stuart zum König von England erklärte.